MARKTANALYSE UNTERSUCHUNG DES MARKTES UND VORBEREITUNG DER REKLAME B R U N O W. R A N D O L P H Kurz gefaßte Grundlinien für europäische Verhältnisse. Zusammengestellt und bearbeitet auf Grund eigener und amerikanischer Forschungen und Erfahrungen für „Market Analysis und Advertising Research" DRUCK U N D VERLAG V O N R. OLDENBOURÜ M Ü N C H E N U N D BERLIN 1928 VON H. F. J. K R O P F F U N D M I T 11 A B B I L D U N G E N Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechtes, vorbehalten Copyright 1928 by R.Oldenbourg, Manchen und B e r l i n DER AUFSTREBENDEN DEUTSCHEN REKLAME WIDMEN WIR DIESES BUCH Einleitung. Das Wort „Marktanalyse" ist in den letzten Jahren in Europa vielfach gebraucht worden. Die Erfolge der amerika- nischen Verkaufs- und Reklarfiefeldzüge, die weite Ausgestal- tung des Markenartikels, die Umgestaltung der Produktion, die Vereinfachung und Rationalisierung der Wirtschaft, welche durch das Glück der Zeitumstände in Amerika möglich war, hat die Fabrikanten und Kaufleute in Europa aufhorchen lassen. Rationalisierung und Simplifizierung haben ihren Ein- gang in Fabriken und Kontore genommen. Die Produktion der europäischen Fabriken ist auf dem besten Wege sich alle wissenschaftlichen, technischen und organisatorischen Er- rungenschaften der letzten Jahre dienstbar zu machen. Nicht nur haben fortschrittliche Unternehmer diese Methoden in ihren Betrieben eingeführt, sondern auch die Regierungen vieler Länder haben eingesehen, daß die Umgestaltung des Wirtschaftslebens, die durch den Krieg erfolgt ist, zwangs- läufig eine Verbesserung der Produktionsmethoden mit sich bringen muß. Im Gegensatz hiezu steht die Vernachlässigimg des Ver- kaufs und der Reklame. Viele Unternehmer haben das Gefühl, daß etwas geschehen muß, um diese Gebiete modern und wirkungsvoll zu gestalten, daß mehr Sicherheit hineinkommen muß. Das Wort „Marktanalyse" wurde von diesen Männern mit größter Begeisterung aufgenommen, ja man klammerte sich daran wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm. Aber dieser Begeisterung steht auf der anderen Seite eine ebenso große Unkenntnis der Prinzipien und Methoden der Markt- analyse gegenüber. Wir sind im Laufe der letzten Jahre vielfach aufgefordert worden, über Marktanalyse Vorträge zu halten und uns in — VI - Gesprächen über dieses Gebiet zu verbreiten. Wir haben dabei gesehen, daß die meisten Menschen Marktanalyse und wissen- schaftliche Vorbereitung der Reklame als eine Art Trick be- trachten, als Taschenspielerkunststücke, mit deren Hilfe man ungeahnte Effekte erzielen kann. Diesen Glauben müssen wir zerstören. Marktanalyse und wissenschaftliche Vorbereitung der Reklame ist eine durch- aus ernste Sache. Nur die größte Gründlichkeit und eine ge- radezu fanatische Wahrheitsliebe, verbunden mit einer kri- tischen Einstellung gegen sich und seine Mitarbeiter, und mit dem Mut der Wahrheit gegenüber dem Auftraggeber, werden die Erfolge zeitigen, welche die Marktanalyse zu einem tatsächlich unentbehrlichen Bundesgenossen des Industriellen und Kaufmannes machen. J e mehr die Methoden der Technik, der Organisation, der Standardisierung und Simplifizierung entwickelt werden, um so schärfer wird sich der Konkurrenzkampf auswirken. Nur jene Fabrikanten oder Kaufleute werden Aussicht haben, diesen Kampf zu bestehen, welche mit den modernsten Waffen für Verkauf und Reklame gerüstet sind. Wir haben mit Vergnügen festgestellt, welch großes Inter- esse die wissenschaftlichen Institute in Deutschland den prak- tischen Arbeiten der Analyse des Marktes und der Reklame entgegenbringen. Wir hatten Gelegenheit, solche Arbeiten gemeinsam mit Herrn Geheimrat Prof. Dr. Marbe vom Psycho- logischen Institut der Universität Würzburg und mit Herrn Professor Dr. Möde vom Psychotechnischen Institut der Tech- nischen Hochschule in Charlottenburg durchzuführen. Wir wissen, daß die psychologische Fakultät der Universität Ham- burg in Herrn Professor Dr. Hans Roloff einen Vorkämpfer für die psychotechnische Untersuchung der Reklamemittel hat, und wir sehen mit Befriedigung den Fortschritt der Erziehungs- arbeit, der durch Vorträge und Seminare an dem Nachwuchs der Reklameleute geleistet wird. Praktische Arbeiten der Marktanalyse sind allerdings in Deutschland noch nicht sehr häufig. Deswegen erscheinen die Bestrebungen von Armin Kiel in Lübeck als außerordentlich bemerkenswert. Er hat es verstanden, ein Abkommen mit dem Research- und Informationsbureau Charles W. Frerk in - VII — London zu treffen, welches im Zusammenhange mit einer Ring- gruppierung deutscher Provinzblätter Marktanalysen sowohl in Deutschland als auch im übrigen Europa durchfährt. Die Grundsätze, nach denen vorgegangen wird, sind durchaus modern und wir hoffen, daß sich aus diesem Anfang die obligatorische Marktuntersuchung für Zeitungen und Zeit- schriften herausentwickelt. Eine Mitteilung des Herrn Kiel besagt, daß bereits einige bemerkenswerte Marktuntersuchungen in Deutschland, England und Frankreich durchgeführt wurden und daß Pläne gefaßt sind zur Konsolidierung und zum Aus- bau des ganzen Unternehmens. Das Auftreten der amerikanischen Advertising Agencies wird sicherlich viel zur Ausbreitung der Marktanalyse in Deutschland beitragen, vorausgesetzt, daß sich diese Unter- nehmungen durchsetzen. Die Engländer betreiben praktische Marktanalyse seit der Beendigung des Krieges, nachdem sie gesehen haben, daß sie mit dem alten System der amerika- nischen Konkurrenz nicht die Spitze bieten können. Die Londoner Press Exchange Ltd. führt heute schon gewisser- maßen obligatorisch solche Marktuntersuchungen durch. Die englischen Advertising Agencies, ganz besonders aber Craw- ford, die auch den europäischen Kontinent bearbeiten, be- nützen Marktanalyse und Reklameuntersuchung im weitesten Stile. In dem Ausmaße, als die Unternehmer von der Wichtig- keit der Marktanalyse überzeugt sind, werden sie Markt- Analytiker anfordern. Die deutschen Reklamefachleute oder Organisatoren werden sich beeilen müssen Wissenschaft und Praxis der Marktanalyse zu erwerben, wenn sie nicht durch englische und amerikanische Männer in den Hintergrund ge- drängt werden wollen. Praktische Marktanalyse braucht einwandfreie Grund- lagen. Davon sollten sehr viele und sehr wichtige durch die offiziellen Ämter der Regierung, des Landes, der Fachvereini- gungen beschafft werden. Auch hier liegen die Verhältnisse in Europa noch sehr ungünstig. Ein Lichtblick ist das Institut für Konjunkturforschung in Berlin, das seine Arbeiten viertel- jährlich veröffentlicht. - V i l i — In Amerika existiert bereits eine große Zahl von umfang- reichen, erschöpfenden Büchern über die Marktanalyse und Vorbereitung der Reklame. Es ist nicht möglich, heute über diese Themen zu sprechen, ohne die grundlegenden Werke von Percival White, A. M., Professor Daniel Starch, Otto Kleppner und Professor Albert F. Poffenberger zu benützen. Wir geben hier eine Liste jener Werke, deren Studium der eigenen Praxis sehr viel geholfen hat und die wir jedem emp- fehlen, der sich selbst zum Marktanalytiker ausbilden will oder für sein Unternehmen marktanalytische Untersuchungen machen läßt. Wir danken bei dieser Gelegenheit allen jenen Personen, die uns in unserer Arbeit unterstützt und die Verfassung dieses Büchleins erleichtert haben. Vor allen Dingen Herrn Georg Schicht, dem Präsidenten der Elida Parfumerie A.G. in Leipzig, der — selbst ein außer- ordentlicher Reklamemann — weitblickend unsere Zusammen- arbeit ermöglichte. Außerdem sind wir zu Dank verpflichtet dem Deutschen Institut für Zeitungskunde der Universitäten Leipaig und München und der Gesellschaft für Organisation E. V., Berlin. Wien, August 1927. Bruno W. R a n d o l p h . H. F. J . K r o p f f . Bücherliste. P e r c i v a l W h i t e , Market Analysis, Me Graw Hill Book Company, New Y o r k 1921. P e r c i v a l W h i t e , Advertising Research, D. Appleton and Com- pany, New Y o r k 1927. A l b e r t T. P o f f e n b e r g e r , Psychology in Advertising, A. W. Shaw Company, New Y o r k 1925. O t t o K l e p p n e r , Advertising Procedure, Prentice Hall, Inc. New Y o r k 1926. P e r c i v a l W h i t e and W a l t e r S. H a y w a r d , Marketing Practice, Doubleday, Page and Company, New Y o r k 1924. W a l t e r S. H a y w a r d , Retail Handbook, Me Graw Hill Book Company. New York 1924. J o h n C. L o n g , Public Relations. Me Graw Hill Book Company, New Y o r k 1924. P a u l H. N y s t r o m , Retail Selling and Store Management, D. Appleton and Company, New York 1925. W i l f o r d I. K i n g , The Elements of Statistical Method, The Mac- millian Company, New York 1924. R a y G i l e s , Breaking Through Competition, D. Appleton & Co., New Y o r k 1926. Inhalts-Übersicht. Seite Einleitung V Bücherlistc I X V o r w o r t X V I. W a s kann und soll eine Marktanalyse leisten? i 1. Z w e c k und ihre A u f g a b e n i m modernen Wirtschafts- leben i 2. W a s versteht m a n unter Vorbereitung der R e k l a m e ? 5 II. Wie beginnt, organisiert und beendet m a n eine Markt- analyse ? 9 1. Die Voraussetzungen für die Untersuchung 9 2. Einrichtung der Abteilung für Marktanalyse 13 3. D i e Voruntersuchung 16 4. W i e beendet m a n eine Marktanalyse ? 18 III. Wie erhält man A u s k ü n f t e und Informationen? 22 1. Übersicht 22 2. D i e Fragen und wie müssen sie beschaffen sein? 29 3. Der postversandte Fragebogen 35 4. F o r m und A u s s t a t t u n g des Fragebogens 37 5. Herstellung und D r u c k 39 6. Der Begleitbrief 40 7. A u s w a h l der Adressen 43 8. Notwendige Zahl der Fragebogen 43 9. Die persönliche B e f r a g u n g oder das Interview 48 10. Z a h l der Interviews 51 11. D i e persönliche B e f r a g u n g k a n n vorgenommen werden ? 51 12. A n t w o r t e n und Statistik 54 13. Beispiele v o n Fragebogen 55 IV. Der letzte Verbraucher oder K o n s u m e n t 59 1. D a s S t u d i u m des Endkonsumenten. Die statistische oder q u a n t i t a t i v e Analyse des Endkonsumenten 59 2. Klassifizierung der Konsumenten 63 3. Die psychologische oder q u a n t i t a t i v e Analyse des End- konsumenten 7 2 4. Die psychologischen Erwägungen in der Marktanalyse 75 5. K a u f g e w o h n h e i t e n 79 6. D i e Rolle der Gefühle in der R e k l a m e 104 V. Grundsätze für V e r k a u f und R e k l a m e 106 1. Einleitung 106 2. T e c h n i k der Motivierung 109 — XII — S e i t e 3. Appelle 115 4. Die Widerstände und Hindernisse seitens des Kon- sumenten 123 5. Ist die öffentliche Meinung widerspenstig oder lenkbar ? 128 VI. Die Analyse der Produkte und ihre Einteilung in Klassen 142 1. Einleitung 142 2. Klassifizierung von Produkten 144 3. Analyse der Produkte 151 4. Analyse eines Produktes, entsprechend dem Interesse oder dem Mangel an Interesse, welches es für den Kon- sumenten hat 152 5. Analyse des Produktes in bezug auf seine Verwendung 155 6. Analyse eines Produktes im Hinblick auf seine Be- sonderheit 157 7. Die Farbe, ein wichtiger Faktor bei der Vergrößerung des Marktes 165 VII. Die Analyse des Unternehmens und der Industrie 167 1. Ein schwieriges Kapitel 167 VIII. Die Konkurrenz 179 1. Die Kosten des Konkurrenzverkaufs 179 2. Allgemeine Kritik des Verkaufs unter dem Gesichts- punkt des Konkurrenzkampfes 185 3. Marktuntersuchung der Konkurrenz derselben Branche 190 4. Das Studium der Reklamearbeit der Konkurrenz 195 5. Berichtigung von Irrtümern durch das Studium der Konkurrenz 196 6. Vergleich der Verkaufspolitik 196 7. Vergleich der erfaßten Gebiete 197 8. Vergleich von Vorteilen in bezug auf die Qualität . 19S 9. Relative Wichtigkeit von Konkurrenten 198 10. Die Konkurrenz aus anderen Branchen 202 IX. Analyse des Marktes und der Handelskanäle 206 1. Einleitung 206 2. Markt und Zeitgeist 207 3. Gruppierung der Konsumenten 208 4. Die Kaufkraft des Marktes 210 5. Die Verkaufstaktik 214 6. Der richtige Preis 218 7. Die Saison 219 8. Die Konjunktur 220 9. Zusammenfassung 220 X. Marktanalyse des Detaillisten 222 1. Einleitung 222 2. Was kann im Laden verkauft werden? 223 — XIII - Seite X I . Vorbereitung der R e k l a m e oder die Marktanalyse als Grundlage der R e k l a m e 235 1. Einleitung 235 1. Die Marktanalyse als Grundlage der R e k l a m e . 237 3. I n welchem S t a d i u m befindet sich das P r o d u k t ? 242 4. A n w e n wird das P r o d n k t v e r k a u f t ? 247 5. Welche R e k l a m e m i t t e l sollen b e n a t z t w e r d e n ? 249 6. Insertion i m allgemeinen 252 7. Die analytische Untersuchung der A u f l a g e eines B l a t t e s und der Inseratenpreis 259 8. Tageszeitungen 261 9. Magazine 265 10. P u n k t w e r t u n g v o n Zeitungen und Zeitschriften 272 1 1 . a Überschneidung 274 12. Fachblätter 276 13. Kalender 277 14. Gelegentliche Druckschriften 277 15. Beilagen 278 16. Plakatierung und Außenreklame 278 17. Schaufensterdekoration 284 18. Werbebriefe, Zirkulare, K a t a l o g e usw. usw 285 19. Welche Mittel gehören zur direkten R e k l a m e ? 287 20. Der Film als Werbemittel 290 21. R a d i o und R u n d f u n k 292 22. Prämienwesen 292 23. Reklamezugabeartikel 24. Indirekte R e k l a m e 294 X I I . D a s R e k l a m e b u d g e t 295 1. Verschiedene Systeme 295 2. Das B u d g e t des kleinen Mannes 302 3. Verteilung des B u d g e t s 303 X I I I . E i n R e k l a m e f e l d z u g a u f g e b a u t auf M a r k t a n a l y s e : Ein amerikanisches Beispiel aus der P r a x i s 307 Vorwort. In den Jahren nach dem Kriege haben die wissenschaft- lichen Methoden zur Erforschung und Verbesserung der Arbeit in Industrie und Handel auch in Europa große Fortschritte gemacht. Die Psychotechnik hat nicht nur Pflegestätten an den Hochschulinstituten gefunden, sondern sie hat ihren Siegeszug in die Bureaus, Laboratorien, Werkstätten und Ar- beitsräume der Fabriken und Kaufhäuser genommen. Man hat eingesehen, daß die Herstellung der Waren, die Buch- haltung und Statistik auf Grund wissenschaftlicher Methoden zweckmäßiger und sicherer ist als nach den veralteten Prin- zipien längst vergangener Zeiten. Man hat sich die Erkenntnis zu eigen gemacht, daß die exakten Methoden der Wissenschaft hier ebenso die Quelle des Erfolges bedeuten wie in der Technik, der Medizin, der Mathematik usw. usw. Lediglich vor dem Verkauf und der Reklame ist wie vor einem Allerheiligsten noch ein dicker Vorhang gezogen. Selbst bedeutende Unternehmer, welche eigene psycho- technische Laboratorien in ihren Fabriken besitzen, können sich immer noch nicht der Tatsache beugen, daß auch Verkauf und Reklame auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhen müssen. An die Stelle von Gefühl und Meinung müssen Urteil und Wissen treten, um aus dem unsicheren Zustande von Verkauf und Reklame einigermaßen sichere Instrumente in der Hand des Unternehmers zu machen. Es kann heute kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß Verkauf und Reklame angewandte Wissenschaften sind, d. h., daß sie die Anwendung wissenschaftlicher Grundsätze zur Erforschung und Klärung bestimmter Probleme darstellen. Dieses Büchlein kann seinem ganzen Umfange nach nur eine Disposition sein. Es soll die wichtigsten Grundsätze zeigen und einige Methoden, um diese Grundsätze anzuwenden. — XVI — Wie überall in der Welt, ist es aber weder mit den Grund- sätzen noch mit den Methoden getan; erst der Mensch, der sie richtig anwendet, verbürgt den Erfolg. So ist es die wichtigste Aufgabe desjenigen, der eine Marktanalyse unternimmt, sich selbst frei zu machen von Vorurteilen, persönlicher Stellung- nahme, Überschätzung seiner eigenen Kenntnisse und Be- einflussimg durch andere, die nicht an die Systeme der modernen Wissenschaft glauben. Jeder Marktanalytiker muß die Wahr- heit suchen, so nah', als man ihr eben mit menschlichen Waffen kommen kann. Je objektiver, ja man kann sagen unpersön- licher der Marktanalytiker ist, je mehr er sich dagegen wehrt, vorgefaßte Meinungen aus sich selbst heraus oder von anderen Personen in seiner Arbeit zu berücksichtigen, um so näher wird er dem Ideal kommen. Es erscheint nur selbstverständlich, daß der Markt- analytiker die Technik, Mechanik und Organisation des Ver- kaufes und der Reklame vollkommen beherrscht und daß er imstande ist, seinen Menschenverstand und die Erfahrungen aus anderen Untersuchungen und Betrieben sinngemäß anzuwenden. Um in die tieferen Gründe hineinzusteigen und vor allen Dingen, um die richtigen Schlüsse aus seinen Informationen zu ziehen, muß er wissenschaftlich denken können, d. h. er muß die wissenschaftlichen Methoden beherrschen, um den Fehler- quellen auszuweichen. Zusammengefaßt kann man sagen, daß es für den Markt- analytiker nur ein großes Ziel gibt, und das ist die Wahrheit, gleichgültig wie sie lautet, ob schmeichelhaft oder vernichtend. Er muß den Mut haben, den Unternehmer dieser Wahrheit gegenüberzustellen. I. W a s kann und soll eine Marktanalyse leisten? i. Zweck und ihre Aufgabe im modernen Wirtschaftsleben. Welche Tatsachen soll sie zu Tage fördern. — Die persönliche Ein- stellung des Unternehmers. — Die Neugestaltung von Handel und Indu- strie bedingt neue Methoden. — Marktanalyse schafft Grundlagen für die Reklame. Marktanalyse ist nur ein neuer Name für die Beschaffung von Tatsachen auf wissenschaftlicher Basis. Tatsachen, auf Grund deren man den Wert eines Produktes beurteilen kann; Tatsachen, auf Grund deren man Fabrikationsmethoden beurteilen kann; Tatsachen, um die Märkte zu beurteilen; Tatsachen, um den Verkauf zu beurteilen; Tatsachen, um Verkaufsleute und Verkaufspläne zu be- urteilen ; Tatsachen, um die Konkurrenz zu beurteilen; Tatsachen, um die Reklame vorzubereiten. „Aber wir kennen diese Tatsachen bereits", versichert der Durchschnittsunternehmer. „Wir kennen unseren Markt, wir wissen, was unsere Konkurrenten tun. Die meisten unserer Verkäufer arbeiten seit Jahren für uns. Unser Produkt ist gut und unsere Reklame wirksam." Wie aber stehen die Dinge in Wirklichkeit? Die Markt- analyse hat immer von neuem bewiesen, daß das, was der Fabrikant Tatsachen nennt, gewöhnlich seine eigene Meinung oder gefühlsmäßiges Erraten ist. Sie. basieren sehr oft auf alten Gewohnheiten oder auf Erfahrungen, die nicht bis in die neueste Zeit mitgegangen sind. Sehr oft ist es der Wunsch, daß die Tatsachen sich so verhalten möchten. K r o p f f .Analyse. 1 — 2 — So z. B. betrachtete ein Fabrikant als erwiesene Tat- sache, daß sein Artikel sich bloß als Geschenk zur Weihnachts- zeit eigne, weil seine Verkäufe an Grossisten zu dieser Zeit am größten waren. Die Marktanalyse bewies, daß er die Mög- lichkeit besaß, während des ganzen Jahres zu verkaufen, indem er seine Reklame auf das ganze Jahr verteilt, statt sie auf die Feiertage zu konzentrieren. Diese Tatsache veränderte seine Reklame- und Verkaufspläne. Ein anderer Fabrikant glaubte, daß seine Verkäufer, von denen viele seit Jahren bei ihm waren, unter den Detaillisten beliebt seien. Die Marktanalyse deckte weitverbreitete Unzu- friedenheit auf. Es folgte eine vollkommene Neuorganisation des Verkaufes, die dem Geschäfte von großem Nutzen war. Der Fabrikant eines Produktes, das von Hausfrauen ge- kauft wurde, war davon überzeugt, daß die Frauen seinen Ar- tikel kaufen, um Geld zu ersparen. Die Marktanalyse ergab, daß die Frauen sich hauptsächlich für das schöne Aussehen des Produktes interessierten. Diese Tatsache machte eine voll- ständige Änderung des Reklameplanes notwendig. Die Unternehmer wissen heute, daß die Bedingungen des Geschäftes sich ständig ändern. Manche der Änderungen werden durch die verschiedenen Fabrikanten selbst hervor- gerufen, aber die meisten dieser Veränderungen werden durch Einflüsse verursacht, die sich ihrer Kontrolle entziehen und von denen sie häufig nichts wissen. Marktanalyse ist daher ein neuer Name für den einfachen Vorgang, Tatsachen fest- zustellen, wie sie heute bestehen. Man wendet sich an die Stellen und an die Personen, die diese Tatsachen aufdecken können, ohne daß man sich auf Ansichten aus zweiter, dritter und vierter Hand stützen müßte. Die Marktanalyse bedarf des Kontaktes mit den Tatsachen, wie sie geschaffen wurden und bestehen, und ist wirklich die Anwendung wissenschaft- licher Methoden in der Reklame und im Verkauf. Die deutsche Nation ist berühmt wegen ihrer Anwendung wissenschaft- licher Methoden bei der Untersuchung von Fabrikation und Produktion. Nun liegt den deutschen Unternehmern das Problem vor, die wissenschaftliche Methode — erst wissen, dann handeln — auf die Bearbeitung des Marktes auszudehnen. Wissenschaftliche Methode beginnt mit der Sammlung von — 3 — Tatsachen. Dann folgt das Ordnen und Ziehen von Schlüssen. In kleinem Maßstab mit peinlichster Genauigkeit überprüft, werden diese Schlüsse sodann auf die große Untersuchung aus- gedehnt. Sind sie vernünftig angewendet und ist die Unter- suchung mit Training und Menschenverstand beendet, so wird sich das Resultat der Marktanalyse in einer Besserung des Geschäftsganges auswirken. Der erste Schritt bei einer Marktanalyse ist nicht positiv, sondern negativ. Er verlangt, daß wir unsere vorgefaßten Ideen, unsere persönliche Überzeugung, unsere alten, starr gewordenen Denkgewohnheiten aufgeben. Der erste Schritt verlangt, daß wir an der Kenntnis unseres Geschäftes und an dem Vertrauen auf unser Wissen zu zweifeln beginnen. Unsere Haltung muß objektiv sein, nicht subjektiv. In einer Markt- analyse ist kein Platz für Neigung, Vorurteil oder starre Über- zeugung. Die wissenschaftliche Methode soll nicht zerstören, aber analysieren und die Wahrheit aufdecken. Reklame und Verkauf sind noch immer die Zweige unserer Geschäftstätigkeit, die am wenigsten wissenschaftlich behandelt werden. Dafür gibt es mehrere Gründe. Vor allem hat sich die Reklame außerordentlich rasch entwickelt und hat in manchen Fällen großen Nutzen gebracht, so daß es über- flüssig schien, ausgedehnte Studien für sie zu machen. Man betrieb Reklame und Verkauf großzügiger, aber nicht gewissen- hafter. Heute, wo die Konkurrenz in Reklame und Verkauf schärfer geworden ist, muß die Intensivierung beider Zweige genau studiert werden. Der zweite Grund ist die Unwissenheit, in der sich die große Mehrheit in bezug auf Reklame und Verkauf befindet. Oft sagt ein Unternehmer: „Ich muß Reklame machen, auch meine Konkurrenten machen Reklame." Oder: „Ich muß dieses Gebiet von meinen Reisenden bearbeiten lassen. Die Reisenden der Konkurrenz bearbeiten es auch." Eine solche Handlungsweise beruht auf Nachahmung, statt daß sie eine Untersuchung zur Grundlage hätte und verursacht sehr oft erhebliche Geldverluste. Heute hat man für das Geschäft einen neuen Maßstab. Das Geschäft ist größer und muß kühner angepackt werden. Um Erfolg zu haben, müssen Geschäftsleute mehr Tatsachen 1* als Grundlage für ihr Urteil haben. Markt ist nicht länger Jahrmarkt geblieben. Der moderne Markt wird oft nur von der Zahl der möglichen Verbraucher des Produktes auf der ganzen Welt begrenzt. Der Handel, der einst so einfach war, wurde während der letzten paar Generationen durch Ver- besserung der Transportmittel, durch die Entstehung der Massenproduktion und andere moderne Faktoren kompliziert. Wir wollen nicht behaupten, daß die rein wissenschaft- lichen Methoden ohne weiteres auf die Analyse des Marktes angewendet werden können. Wie wir vorhin festgestellt haben, ist Analyse nichts Neues im Geschäftsleben. Sie wird seit langem auf den Gebieten der Produktion angewendet. Das Herausbringen eines neuen Produktes oder die Änderung eines alten wird niemals direkt von den Direktoren befohlen, sondern man setzt kompetente, wohltrainierte Fachleute an die Arbeit, welche die modernen Methoden der Produktion beherrschen. Aber dieselben Männer bewilligen oft große Geldausgaben für neue Reklame und Ver- kaufsfeldzüge ohne die geringsten Studien, Untersuchungen und Analysen. Oft werden sie von der Kraft ihrer Wünsche geleitet oder ziehen unrichtige Schlüsse aus falschen Analogien. Kein Reklamemacher oder Reklamechef darf sich den Fehler leisten, ohne tiefere Kenntnis des Publikums und der Motive, warum es den Gegenstand kauft, Reklame zu machen und seine Verkaufsleute auf den Weg zu schicken. „Studieren Sie den Gegenstand", ist die Grundlage für gewinnbringende Reklame. Ein vernünftiges Prinzip, das in der Vergangenheit gewirkt hat und in aller Zukunft ungewöhn- liche Resultate für Reklame und Verkauf bringen wird. Zu den Dingen, welche die Marktanalyse erzielen kann, um den Verkauf mit der Reklame in Einklang zu bringen, gehören: 1. Man kann aus der Reklame einen Faktor machen, der die Produktion der Fabrik mit den Verkaufsresultaten in Einklang bringt, 2. sie kann auf ein neues Produkt hinweisen oder neue Verwendungen oder einen neuen Markt für ein altes Produkt entdecken,