Angelika Wöllstein, Peter Gallmann, Mechthild Habermann und Manfred Krifka (Hrsg.) Grammatiktheorie und Empirie in der germanistischen Linguistik Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Germanistische Sprachwissenschaft um 2020 Herausgegeben von Albrecht Plewnia und Andreas Witt Band 1 Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Grammatiktheorie und Empirie in der germanistischen Linguistik Herausgegeben von Angelika Wöllstein, Peter Gallmann, Mechthild Habermann und Manfred Krifka Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Die Open-Access-Publikation dieses Bandes wurde gefördert vom Institut für Deutsche Sprache, Mannheim. ISBN 978-3-11-049097-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-049099-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049104-3 Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz. Weitere Informationen finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Angelika Wöllstein, Peter Gallmann, Mechthild Habermann und Manfred Krifka, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Foto Einbandabbildung: © Oliver Schonefeld, Institut für Deutsche Sprache, Mannheim Portrait Ludwig M. Eichinger, Seite V: © David Ausserhofer, Leibniz-Gemeinschaft Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Ludwig M. Eichinger gewidmet Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Vorwort Wo steht die germanistische Sprachwissenschaft aktuell? Der vorliegende Band mit dem Titel „Grammatiktheorie und Empirie in der germanistischen Linguis- tik“ ist der erste Teil einer auf sechs Bände angelegten Reihe, die eine zwar nicht exhaustive, aber doch umfassende Bestandsaufnahme derjenigen Themen- felder innerhalb der germanistischen Linguistik bieten will, die im Kontext der Arbeiten des Instituts für Deutsche Sprache in den letzten Jahren für das Fach von Bedeutung waren und in den kommenden Jahren von Bedeutung sein wer- den (und von denen nicht wenige auch vom Institut für Deutsche Sprache be- dient wurden und werden). Jeder einzelne Band behandelt ein abgeschlosse- nes Themengebiet und steht insofern für sich; in der Zusammenschau aller Bände ergibt sich ein Panorama der „Germanistischen Sprachwissenschaft um 2020“. Anlass des Erscheinens dieser Bände ist der Eintritt des langjährigen Direktors des Instituts für Deutsche Sprache, Ludwig M. Eichinger, in den Ruhestand. Ludwig M. Eichinger leitete das Institut von 2002 bis 2018. Seine akademische Laufbahn begann er als Wissenschaftlicher Assistent an der Uni- versität Bayreuth; anschließend war er Heisenberg-Stipendiat an der Ludwig- Maximilians-Universität München. Ab 1990 hatte er eine Fiebiger-Professur für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Passau inne, 1997 wurde er auf den Lehrstuhl für Deutsche Philologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel berufen. Mit seiner Ernennung zum Direktor des Instituts für Deutsche Sprache im Jahr 2002 wurde er auch Ordinarius für Germanistische Linguistik an der Universität Mannheim. Ludwig M. Eichinger ist Ehrendoktor der Panno- nischen Universität Veszprém und der Universität Bukarest. Er ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz und der Österreichi- schen Akademie der Wissenschaften; außerdem ist er Ständiger Gastprofessor an der Beijing Foreign Studies University. Ludwig M. Eichinger hat das Institut in den Jahren seines Wirkens ent- scheidend geprägt; in Anerkennung und Dankbarkeit seien ihm diese Bände gewidmet. Albrecht Plewnia und Andreas Witt – Reihenherausgeber – Open Access. © 2018 publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110490992-203 Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Inhalt Vorwort VII Angelika Wöllstein, Peter Gallmann, Mechthild Habermann und Manfred Krifka Einleitung und inhaltliche Übersicht 1 I Grammatiktheorie und Evidenz Beatrice Primus 1 Grammatiktheorie und Psycholinguistik 9 Hubert Haider 2 Grammatiktheorien im Vintage-Look – Viel Ideologie, wenig Ertrag 47 II Sprach- und Grammatikmodelle Thomas Ede Zimmermann 3 Intensionen, Typen und Modelle 95 Stefan Müller 4 Und? Was läuft sonst so? 117 III Grammatik, Korpus(linguistik) und Variation Marek Konopka 5 Korpuslinguistik, Grammatiktheorie, Grammatikographie 151 Eric Fuß 6 Sprachliche Variation 185 Stefan Th. Gries 7 Zur Identifikation von Mehrwortausdrücken: ein Algorithmus, seine Validierung und weiterführende Überlegungen 225 Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM X Inhalt Alexandra N. Lenz 8 Syntaktische Variation aus areallinguistischer Perspektive 241 IV Kontrastive Grammatik, Typologie und Wandel Christiane von Stutterheim 9 Kontrastive Analyse 2020: Neue Horizonte 281 Thomas Stolz 10 Deiktische Antworten auf räumliche Fragen 309 Jürg Fleischer 11 Perspektiven der Grammatiktheorie: Sprachwandel 331 V Grammatikographie Eva Breindl 12 Grammatikographie: Deskriptive Grammatik 355 Mathilde Hennig 13 Wie funktional sind Grammatiken des Deutschen? 383 Maria Thurmair 14 An der Schnittstelle von DaF und Germanistischer Sprachwissenschaft 409 VI Grammatik an den Schnittstellen Anke Holler 15 Textstrukturen: Was bleibt 435 Daniel Gutzmann und Petra B. Schumacher 16 Schnittstelle Semantik-Pragmatik 471 Artemis Alexiadou und Gereon Müller 17 Externe Argumente und quantifikationale Variabilität im deutschen Passiv 511 Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Inhalt XI Renate Raffelsiefen 18 Phonologische Abstraktheit und symbolische Repräsentation 549 Nanna Fuhrhop 19 Graphematik des Deutschen im europäischen Vergleich 587 Register 617 Autorinnen und Autoren 621 Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Angelika Wöllstein, Peter Gallmann, Mechthild Habermann und Manfred Krifka Einleitung und inhaltliche Übersicht Mit den Beiträgen der Kolleginnen und Kollegen in diesem Band haben die Her- ausgeberinnen und Herausgeber versucht, zum Gesamtvorhaben beizutragen mit dem Ziel, eine Positionsbestimmung der germanistischen Linguistik der Gegenwart unter der Perspektive Grammatiktheorie und Empirie in der germanis- tischen Linguistik vorzunehmen. Die Beiträge behandeln Themen, die in der jüngeren Zeit einer besonderen Dynamik und Diskussion unterlagen und in denen sich für das Fach wesentliche Entwicklungen sowohl andeuten wie auch vollziehen und perspektivisch neu ausgerichtet werden. Der Fokus liegt auf den folgenden Themen: 1. Grammatiktheorie und Evidenz , 2. Sprach- und Grammatikmodelle , 3. Grammatik, Korpus ( linguistik ) und Variation , 4. Kontrastive Grammatik , Typologie und Wandel , 5. Grammatikographie , 6. Grammatik an den Schnittstellen Die einzelnen Beiträge gehen Fragestellungen zu Standort- und Paradigmen- bestimmungen nach, die einerseits heterogene Methoden und Teilziele durch die Fokussierung entweder auf den Sprachgebrauch oder auf die sprachliche Kompetenz verfolgen, andererseits jedoch dem allgemeinen Ziel des Erkenntnis- gewinns über das Sprachsystem verpflichtet sind – wenn auch abhängig von Ergebnisorientiertheit, deskriptiver Vollständigkeit und systematischer empi- rischer Abdeckung oder dem Aufbau expliziter Modelle mit dem Ziel allgemei- nerer Generalisierungen und trotz zum Teil scharfer Abgrenzungstendenzen Angelika Wöllstein, Institut für Deutsche Sprache, R 5, 6–13, D-68161 Mannheim, E-Mail: woellstein@ids-mannheim.de Peter Gallmann, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Philosophische Fakultät, Institut für Germanistische Sprachwissenschaft, Fürstengraben 30, D-07743 Jena, E-Mail: Peter.Gallmann@uni-jena.de Mechthild Habermann, Lehrstuhl für Germanistische Sprachwissenschaft, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Bismarckstraße 1, D-91054 Erlangen, E-Mail: Mechthild.Habermann@fau.de Manfred Krifka, Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft, Schützenstr. 18, D-10117 Berlin, E-Mail: krifka@leibniz-zas.de Open Access. © 2018 Angelika Wöllstein, Peter Gallmann, Mechthild Habermann und Manfred Krifka, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110490992-001 Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM 2 Angelika Wöllstein, Peter Gallmann, Mechthild Habermann und Manfred Krifka verschiedener grammatischer Theorien und Modelle. Bezüglich der Metho- den(generierung) ist festzustellen, dass darin aktuell der Schlüssel zu sowohl deskriptiven als auch theoretischen Erkenntnisfortschritten gesehen wird. Außerdem bildet die Versammlung und Bewertung aller Fakten die Basis für das Maß des Erkenntnisfortschritts und damit den Maßstab für die Qualität der Disziplin – ob in der theoretischen oder in der sprachgebrauchsorientierten Forschung, ob kognitionslinguistisch motiviert, typologisch orientiert oder sprachdidaktisch rekonstruiert. Zum Thema Grammatiktheorie und Evidenz diskutieren: – Beatrice Primus „Grammatiktheorie und Psycholinguistik“ – Hubert Haider „Grammatiktheorien im Vintage-Look – Viel Ideologie, we- nig Ertrag“. Der Beitrag von Primus fokussiert multiperspektivisch im Hinblick auf genera- tive Grammatik, Konnektionismus, frequenzbasierte Grammatik, Korpusanaly- se und kognitive Sprachverarbeitung das kontrovers diskutierte Verhältnis zwi- schen Grammatiktheorie und Psycholinguistik und deren experimentelle Erträge für die Grammatiktheorie. Der Beitrag von Haider nimmt aus Perspek- tive wissenschaftstheoretischer Standards kritisch zum Minimalistischen Programm und zur Konstruktionsgrammatik Stellung. Zentrum der Auseinan- dersetzung bilden deren Heuristiken, Paradigmen sowie die empirische Adä- quatheit und Bewährung der von den theoretischen Annahmen generierten Prädiktionen. Zum Thema Sprach- und Grammatikmodelle diskutieren: – Thomas Ede Zimmermann „Intensionen, Typen und Modelle“ – Stefan Müller „Und? Was läuft sonst so? Alternative Grammatiktheorien“. Der Beitrag von Zimmermann wirft aus Perspektive Montagues einen Blick auf Ausgangspunkt und Veränderung dreier zentraler Begriffe der formalen Se- mantik. Der Beitrag von Müller stellt mit Dependenzgrammatik, Kategorial- grammatik, LFG, TAG, GPSG, HPSG und Konstruktionsgrammatik Alternativen zu Theorien im Rahmen der Government & Binding-Theorie und des Minimalis- mus am zentralen Begriff der syntaktischen Valenz vor. Zum Thema Grammatik, Korpus(linguistik) und Variation diskutieren: – Marek Konopka „Korpuslinguistik, Grammatiktheorie, Grammatikographie“ – Eric Fuß „Sprachliche Variation“ Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Einleitung und inhaltliche Übersicht 3 – Stefan Th. Gries „Zur Identifikation von Mehrwortausdrücken: ein Algo- rithmus, seine Validierung und weiterführende Überlegungen“ – Alexandra N. Lenz „Syntaktische Variation aus areallinguistischer Per- spektive“. Der Beitrag von Konopka legt aus methodisch-korpuslinguistischer und gram- matik-theoretischer Perspektive einen Entwurf für eine neue wissenschaftliche Grammatik des Deutschen vor, stellt mit Hinblick auf die Variation grammati- scher Strukturen neue Forschungsfragen und zeigt auf, wie sie mit modernen korpuslinguistischen Methoden aufzuarbeiten sind. Hiermit werden Grund- lagen für eine umfassende Theorie gelegt, in der Kompetenz und Performanz, Synchronie und Diachronie näher aneinanderrücken. Der Beitrag von Fuß diskutiert anhand von Kongruenzschwankungen Aspekte sprachlicher Variati- on. Es wird gezeigt, wie korpuslinguistisch grammatische Faktoren ermittelt werden können, die die Verteilung der Varianten steuern, und wie diese zu grammatiktheoretischen Erkenntnissen führen. Der Beitrag von Gries erörtert Aspekte datengetriebener Identifikation von Mehrwortausdrücken aus Korpora unter Einbezug von Validierungsstudien, kontrastiert sie mit konkurrierenden Methoden, überprüft die Prädiktivität für Spracherwerbsdaten und formuliert Desiderata für zukünftige Forschung. Der Beitrag von Lenz beleuchtet am Bei- spiel des Rezipientenpassivs syntaktische Variation aus Perspektive einer are- allinguistisch orientierten Variationslinguistik. Dabei werden theoretische und methodische Fragestellungen diskutiert und das große Potential dieses Unter- suchungskomplexes herausgearbeitet. Zum Thema Kontrastive Grammatik, Typologie und Wandel diskutieren: – Christiane v. Stutterheim „Kontrastive Analyse 2020: Neue Horizonte“ – Thomas Stolz „Deiktische Antworten auf räumliche Fragen“ – Jürg Fleischer „Perspektiven der Grammatiktheorie: Sprachwandel“. Im Beitrag von v. Stutterheim wird für eine Weiterentwicklung der Kontrasti- ven Analyse unter Anwendung empirisch-experimenteller Methoden argumen- tiert, die die konzeptuelle Ebene als Basis des Sprachvergleichs heranzieht. Vorgeführt wird das anhand von Ergebnissen aus kontrastiven Studien zum Textaufbau, zur Konzeptualisierung von Bewegungsereignissen und zum Grad der Grammatikalisierung des Verbalaspekts. Der Beitrag von Stolz zeigt am Beispiel der Paradigmen räumlicher Interrogativa und ihrer lokal-deiktischen Äquivalente auf, wie sich die einzelsprachliche und kontrastive Forschung für die Sprachtypologie, theoretische Morphologie und Raum-Linguistik ertrag- reich erweist. Der Beitrag von Fleischer diskutiert an Beispielen wie Genitiv Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM 4 Angelika Wöllstein, Peter Gallmann, Mechthild Habermann und Manfred Krifka und Dativ Singular der althochdeutschen - iz -/- az -Stämme, dem Nebeneinander starker und schwacher Präterita und anhand des „Rückumlauts“ Aspekte von Sprachwandel als Reflex diachroner Entwicklungen und als synchroner Varia- tion historisch „älterer“ und „jüngerer“ Formen und fragt danach, welche Her- ausforderungen sich damit für die synchrone Grammatikographie ergeben. Zum Thema Grammatikographie diskutieren: – Eva Breindl „Grammatikographie: Deskriptive Grammatik“ – Mathilde Hennig „Wie funktional sind Grammatiken des Deutschen?“ – Maria Thurmair „An der Schnittstelle von DaF und Germanistischer Sprachwissenschaft – Bestandsaufnahme und Perspektiven“. Der Beitrag von Breindl nimmt unter der Perspektive der Variationsbreite, der Konzeption von Gegenständen, Sprache, Grammatik und Standardsprache eine Bestandsaufnahme deskriptiver wissenschaftlicher Grammatiken des Deutschen vor und formuliert sich daraus ergebende Desiderata für die grammatikogra- phische Praxis. Der Beitrag von Hennig thematisiert das Verhältnis von Form und Funktion als zentrale Frage für Grammatiktheorie und Grammatik- schreibung und zeigt, wie Entwicklungen in der Korpuslinguistik die Rück- bindung der Analyse grammatischer Formen an den Kontext ihres Gebrauchs ermöglichen. Der Beitrag von Thurmair beleuchtet am Beispiel von Text(sor- ten)linguistik und gesprochener Sprache und aus der Perspektive der unter- richtlichen Praxis, der Ausbildung sowie der Forschung, die Schnittstelle und die Berührungspunkte zwischen DaF und germanistischer Sprachwissenschaft und ermittelt daraus resultierende Desiderate. Zum Thema Grammatik an den Schnittstellen diskutieren: – Anke Holler „Textstrukturen: Was bleibt. Zu Phänomenen und Theorien des Textaufbaus“ – Daniel Gutzmann und Petra B. Schumacher „Schnittstelle Semantik/ Pragmatik“ – Artemis Alexiadou und Gereon Müller „Externe Argumente und quantifi- kationale Variabilität im deutschen Passiv“ – Renate Raffelsiefen „Phonologische Abstraktheit und symbolische Reprä- sentation“ – Nanna Fuhrhop „Graphematik des Deutschen im europäischen Vergleich“. Der Beitrag von Holler spannt unter Berücksichtigung einschlägiger neuerer Theorien der Diskursmodellierung den weiten Bogen von den zentralen Frage- stellungen der traditionellen Textlinguistik hin zu den aktuellen Themen der Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Einleitung und inhaltliche Übersicht 5 Textstrukturanalyse aus Perspektive der für die Textkonstitution einschlägigen Mittel als Basis für komplexere semantisch-pragmatische Diskursstrukturen, Informationssteuerung und -gewichtung. Er weist ausgewiesene textstruktu- relle Phänomene und Theorien als verbindliche Standards aus und stellt einen Beitrag zur wissenschaftlichen Nachhaltigkeit im Bereich der Textmodel- lierung dar. Der Beitrag von Gutzmann und Schumacher stellt am Beispiel von unterbestimmten Bedeutungsaspekten sprachlich unterschiedlich kom- plexer Ausdrücke – ausgehend vom klassischen Grice’schen Ansatz – Grenz- fälle für die Semantik/Pragmatik-Schnittstelle vor; diese werden dann sowohl aus der Perspektive neuerer theoretischer Ansätze als auch der experimentel- len Forschung zum Verhältnis der Bedeutungsebenen diskutiert. Der Beitrag von Alexiadou und Müller thematisiert die alte wie rezente empirische Frage und die theoretischen Implikationen der syntaktischen Zugänglichkeit und Repräsentation externer Argumente in Passivkonstruktionen für andere syn- taktische Prozesse. Der Beitrag von Raffelsiefen diskutiert am Phänomen der sogenannten Vokalopposition die symbolische Repräsentation sprachlicher Lautstruktur im Rahmen der Optimalitätstheorie sowie die Entwicklung geeig- neter Verfahren zur Ermittlung einheitlicher und empirisch adäquater Abstrak- tionsgrade, basierend auf der Grundidee, wiederkehrendes Material trotz phonetischer Unterschiede als gleich aufzufassen und mit jeweils gleichen Zeichen zu assoziieren. Verschiedene Typen konvergierender empirischer Evi- denz untermauern dabei die Annahme einer einzigen phonologisch relevanten Abstraktionsebene mit fünfzehn qualitativ unterschiedlichen Vollvokalen im Deutschen. Der Beitrag von Fuhrhop entwickelt Fragestellungen und Themen einer systematisch zu etablierenden Kontrastiven Graphematik des Deutschen, ausgehend von der Konzeption einer ‚Grammatik des Deutschen im euro- päischen Vergleich‘. Exemplarisch werden u. a. das Phänomen der Schreib- prinzipien, die Funktion der Doppelkonsonantenschreibung, die Distribution der Einheiten von Schreibdiphthongen auf Erst- oder Zweitbestandteil, die Schreibung von Funktionswörtern oder das Phänomen der graphematisch höheren Eindeutigkeit bei phonologisch höherer Mehrdeutigkeit kontrastiv diskutiert. Die Bandherausgeber danken Saskia Ripp sehr für ihre Unterstützung und Sorgfalt bei den redaktionellen Arbeiten. Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM Beatrice Primus 1 Grammatiktheorie und Psycholinguistik Abstract: Dieser Beitrag thematisiert das kontrovers diskutierte Verhältnis zwischen Grammatiktheorie und Psycholinguistik. Die im Strukturalismus entwickelte Idee einer autonomen Grammatik wird vertreten durch die gene- rative Grammatiktheorie. Einflussreiche Gegenentwürfe einer Grammatik als emergente Folgeerscheinung der Sprachverwendung bieten Konnektionis- mus und frequenzbasierte Ansätze. Allerdings vernachlässigen auch sie die in psycholinguistischen Experimenten nachweisbare Prozessualität der kogni- tiven Sprachverarbeitung. Keywords: frequenzbasierte Grammatik, generative Grammatik, kognitive Sprachverarbeitung, Konnektionismus, Korpusanalyse 1 Einleitung Die Psycholinguistik befasst sich mit der Erforschung des menschlichen Spracherwerbs, den kognitiven und neuronalen Bedingungen für Sprach- produktion und Sprachverstehen sowie mit Sprachstörungen (vgl. Rickheit, Herrmann & Deutsch 2003; Höhle 2010; Dietrich & Gerwien 2017). Zu jedem dieser Bereiche gibt es kontrovers diskutierte grammatiktheoretische Posi- tionen. Der vorliegende Beitrag kann aus Platzgründen nicht alle Bereiche the- matisieren; er fokussiert die Sprachverarbeitung, besonders das Satzverstehen, und die Frage, wie verschiedene Forschungsparadigmen die Relation zwischen Grammatik und Sprachverarbeitung konzipieren. Aktuelle, international füh- rende Grammatiktheorien oszillieren in ihrem Umgang mit psycholinguis- tischen Daten und Theorien zwischen zwei extremen Positionen. Gemäß der im Strukturalismus etablierten Auffassung einer strikten Trennung zwischen Grammatiksystem und seinem Gebrauch spielen psycho- und neurolinguisti- sche 1 theoretische Konzepte und Daten für die generative Grammatiktheorie 1 Die Neurolinguistik wird oft unter Psycholinguistik subsumiert (vgl. Rickheit, Herrmann & Deutsch 2003; Höhle 2010). Sie untersucht die neuronalen Prozesse im Gehirn mit dafür geeig- neten Methoden wie etwa der Messung ereigniskorrelierter Potenziale (EKP) und der funk- Beatrice Primus, Universität zu Köln, Institut für deutsche Sprache und Literatur I Sprach- wissenschaft, Albertus Magnus Platz, D-50923 Köln, E-Mail: primus@uni-koeln.de Open Access. © 2018 Beatrice Primus, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110490992-002 Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM 10 Beatrice Primus Noam Chomskys keine oder allenfalls eine sekundäre Rolle. Der Hypothese des Primats eines autonomen Grammatiksystems gegenüber der Sprachverarbei- tung widmet sich Abschnitt 2 dieses Beitrags. Eine entgegengesetzte Auf- fassung vertreten konnektionistische und frequenzbasierte Modelle, die gram- matische Regeln als emergente Folgeerscheinungen der Sprachverwendung betrachten (Abschnitt 3). Allerdings vernachlässigen Vertreter dieser Modelle die Prozessualität der Sprachverarbeitung. Mit dem in Echtzeit ablaufenden, inkrementellen Satzverstehen beschäftigt sich Abschnitt 4. Der Schluss- abschnitt 5 bietet eine zusammenfassende Betrachtung der verschiedenen Positionen. Um der Diskussion empirische Substanz zu verleihen, werden die verschiedenen Forschungsrichtungen durch zentrale Daten (Abschnitt 2) und empirische Studien (Abschnitt 3 und 4) illustriert. Bei Letzteren handelt es sich um den Majuskelgebrauch in einer künstlichen neuronalen Netzwerksimu- lation sowie um die Interaktion zwischen Agentivität und Telizität bei der Auxi- liarwahl intransitiver Bewegungsverben, die von einem Forscherteam im Umfeld der Autorin mithilfe dreier Methoden – Korpuslinguistik, Akzeptabili- tätsbefragung und Messung ereigniskorrelierter Gehirnpotenziale – untersucht wurde. 2 Autonome Grammatik Das Verhältnis zwischen Grammatiktheorie und Psycholinguistik wurde bereits im frühen Strukturalismus durch die Annahme eines sprachlichen Dualismus geprägt. Sprache hat zwei Ausprägungen, die zwar unterschiedlich genannt werden, aber im Wesentlichen Ähnliches bezeichnen: Langue und Parole (vgl. Saussure 1916), System und Parole (vgl. Hjelmslev 1935) oder Kompetenz und Performanz (vgl. Chomsky 1965). Für Ferdinand de Saussure ist die Langue eine soziale Institution, die essentiell und homogen ist. Die Parole konstituiert sich im individuellen Akt des Sprechens, der heterogen und akzidentiell sein kann. Als natürliche Konsequenz dieser Auffassung bildet das Essentielle und Homogene, also die Langue, den zentralen Untersuchungsgegenstand struktu- ralistisch geprägter Sprachwissenschaft. Dabei vertritt Saussure eine moderate Auffassung über das Verhältnis von Langue und Parole: Langue und Parole hängen voneinander ab. Die Parole ist notwendig, um die Langue zu etablie- ren, die Langue ist notwendig, damit die Parole überindividuell verstanden tionellen Magnetresonanztomographie (fMRT). Im vorliegenden Beitrag wird der weitere, die Neurolinguistik umfassende Psycholinguistikbegriff verwendet. Unauthenticated Download Date | 3/9/19 5:29 AM