Umschlaggestaltung: © Olaf Gloeckler, Atelier Platen, Friedberg Christina Margrit Siever Multimodale Kommunikation im Social Web Forschungsansätze und Analysen zu Text-Bild-Relationen SPRACHE · MEDIEN · INNOVATIONEN Herausgegeben von Jens Runkehl, Peter Schlobinski und Torsten Siever Band 8 Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access 8 Christina Margrit Siever war Forschungsstipendiatin im Modul »Öffentliche und private Kommunikation in den neuen Medien« des Pro*Doc »Sprache als soziale und kulturelle Praxis« des Schweizerischen Nationalfonds. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Medienlinguistik, Multimodalität, Sprachdidaktik und Dialektologie. Multimodalität ist ein typisches Merkmal der Kommunikation im Social Web. Der Fokus dieses Bandes liegt auf der Kommunikation in Foto-Communitys, insbesondere auf den beiden kommunikativen Praktiken des Social Taggings und des Verfassens von Notizen innerhalb von Bildern. Bei den Tags stehen semantische Text-Bild-Relationen im Vor- dergrund: Tags dienen der Wissensrepräsentation, eine adäquate Versprachlichung der Bilder ist folglich unabdingbar. Notizen-Bild-Relationen sind aus pragmatischer Perspektive von Interesse: Die Informationen eines Kommunikats werden komplementär auf Text und Bild verteilt, was sich in verschiedenen sprachlichen Phänomenen nieder- schlägt. Ein diachroner Vergleich mit der Postkartenkommunikation sowie ein Exkurs zur Kommunikation mit Emojis runden das Buch ab. www.peterlang.com Christina Margrit Siever · Multimodale Kommunikation im Social Web www.mediensprache.net Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Multimodale Kommunikation im Social Web Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access SPRACHE · MEDIEN · INNOVATIONEN Herausgegeben von Jens Runkehl, Peter Schlobinski und Torsten Siever BAND 8 Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Christina Margrit Siever Multimodale Kommunikation im Social Web Forschungsansätze und Analysen zu Text-Bild-Relationen Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Herbstsemester 2013 auf Antrag von Prof. Dr. Christa Dürscheid und Prof. Dr. Martin Luginbühl als Dissertation angenommen. Dieses Buch ist eine Open Access Publikation und ist auf www.oapen.org und www.peterlang.com verfügbar. Es wird auf der Ba- sis der Creative Commons Attribution Noncommercial, No Derivatives (CC-BY-NC-ND) Lizenz verbreitet. ISSN 2190-6386 ISBN 978-3-631-65161-2 (Print) E-ISBN 978-3-653-04420-1 (E-PDF) E-ISBN 978-3-653-98628-0 (EPUB) E-ISBN 978-3-653-98627-3 (MOBI) DOI 10.3726/978-3-653-04420-1 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2015 Alle Rechte vorbehalten. Peter Lang Edition ist ein Imprint der Peter Lang GmbH. Peter Lang – Frankfurt am Main · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Diese Publikation wurde begutachtet. www.peterlang.com Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Dank Das vorliegende Buch stellt eine geringfügig überarbeitete Version meiner Dis- sertation dar, die im Rahmen des Doktoratsprogramms (Pro*Doc) »Sprache als soziale und kulturelle Praxis« der Universitäten Basel, Bern und Zürich entstand. An dieser Stelle möchte ich deshalb einerseits dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung für die großzügige finanzielle Unterstützung sowie andererseits allen am Programm Beteiligten für den fach- lichen Austausch danken. Mein besonderer Dank gilt hier speziell meiner Dok- tormutter Christa Dürscheid, die mich auf das Doktoratsprogramm aufmerksam gemacht und meine Arbeit wohlwollend begleitet hat. Martin Luginbühl danke ich herzlich für seinen Einsatz als Zweitgutachter. Gedankt sei zudem Hartmut Stöckl für den fachlichen Austausch. Das vorliegende Buch wurde in die Reihe »Sprache – Medien – Innovationen« aufgenommen, wofür ich den Herausgebern vielmals danke. Das Buch existierte nicht in dieser Form, wenn nicht zahlreiche weitere Menschen mein Projekt ver- ständnisvoll unterstützt hätten. Für Hilfestellung bezüglich technischer Aspekte wie beispielsweise Entscheidungen in Bezug auf zu verwendende Software zur Datenerhebung und -verarbeitung danke ich Simone Ueberwasser und Torsten Siever. Beim Entziffern der Texte auf den alten Postkarten halfen mir Nanina Egli, Karin Murr sowie Horst Braumann. Für das Bereitstellen der WhatsApp- Beispiele danke ich Giacomina Bee, Lea Burger, Karin Cagnazzo, Anja Imoberdorf und Ruth Wiederkehr. Verschiedene Personen haben mich auf Fehler in meinem Manuskript aufmerksam gemacht; hier möchte ich insbesondere Fabienne Müller hervorheben, die den Text akribisch auf orthographische und grammatikalische Korrektheit hin geprüft hat. Dank gilt auch meiner Familie: Zuallererst möchte ich meinen Eltern für ihre Unterstützung danken, insbesondere auch dafür, dass sie sich für Felix sehr viel Zeit genommen haben, so dass die vorliegende Arbeit zügig abgeschlossen werden konnte. Ein großer Dank gilt weiter dem Götti von Felix, der sich seiner in der Abschlussphase der Arbeit angenommen hat. Torsten Siever danke ich für Unter- stützung in vielem, namentlich dafür, dass er mir mit seinem computerlinguisti- schen Know-how bei der Datenerhebung und Datenanalyse enorm geholfen hat. и минере ерште грёссере лингуистише арбет иш ес ум д фершрифтиг фо диалект ганге. нёд нур би дере арбет дамалс, сондерн ау этц би де доктерарбет, хед мих д таня карлина и йедере хинзихт унтерштютцт унд мотивирт. а дере стелл мёхт их мих ганц херцлих да дефюр беданке. 🙈🙉🙊 🎲 💑 ⏳ ☀ ☕ 🍫 ⚠ 🎓 Wettingen, im August 2014 Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Inhaltsverzeichnis Abbildungen ........................................................................................................ 11 1 Einleitung ........................................................................................................ 13 1.1 Vorbemerkungen ........................................................................................ 13 1.2 Wissenschaftliche Relevanz ....................................................................... 15 1.3 Forschungsfragen und Ziel der Arbeit ..................................................... 18 1.4 Forschungsethische Aspekte ...................................................................... 20 1.5 Terminologie ............................................................................................... 25 1.6 Methodik und Aufbau der Arbeit ............................................................. 27 2 Kommunikation in den digitalen Medien ........................................ 31 2.1 Medienklassifikationen .............................................................................. 32 2.2 Digitale Medien ........................................................................................... 36 2.3 Kommunikation, Kommunikations-(platt-)formen und Kommunikat-Sorten .................................................................................. 39 2.4 Kommunikate und kommunikative Akte ................................................ 47 2.5 Synopse ......................................................................................................... 51 3 Social Web ....................................................................................................... 55 3.1 Typische Merkmale des Social Webs ........................................................ 60 3.2 Zentrale Social-Web-Communitys ........................................................... 62 3.3 Akteure im Social Web ............................................................................... 77 3.4 Typische Merkmale der Kommunikation im Social Web ..................... 81 3.5 Social Web versus (Social) Semantic Web ............................................... 94 3.6 Synopse ......................................................................................................... 96 Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Inhaltsverzeichnis 8 4 Social Sharing .............................................................................................. 103 4.1 Foto-Sharing im Social Web .................................................................... 104 4.2 Typische Merkmale und Vertreter von Foto-Communitys ................. 110 4.3 Funktionen und Merkmale von Flickr ................................................... 119 4.4 Kommunikation auf Flickr ....................................................................... 128 4.5 Synopse ....................................................................................................... 135 5 Social Tagging .............................................................................................. 141 5.1 Tags und Tagging-Systeme ...................................................................... 144 5.2 Akteure in Tagging-Systemen ................................................................. 155 5.3 Folksonomien ............................................................................................ 157 5.4 Folksonomien versus Ontologien ........................................................... 162 5.5 Visualisierungen von Folksonomien: Tag-Clouds ................................ 166 5.6 Tagging von Bildern ................................................................................. 174 5.7 Tag-Typologien ......................................................................................... 186 5.8 Sprachliche Herausforderungen beim Tagging ..................................... 194 5.9 Semantische Relationen ........................................................................... 202 5.10 Synopse ..................................................................................................... 207 6 Private und öffentliche Kommunikation im Social Web ......... 215 6.1 Zugänglichkeit und Kommunikationsinhalt ......................................... 215 6.2 Gründe für die Veröffentlichung von Privatem und dessen Rezeption ................................................................................................... 218 6.3 Veröffentlichung von Privatem: medienhistorische Einbettung ........ 221 6.4 Veränderungen der Konzepte Privatheit und Öffentlichkeit durch das Social Web ............................................................................... 225 6.5 Veröffentlichung von Privatem durch Bilder ........................................ 236 6.6 Synopse ....................................................................................................... 238 Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Inhaltsverzeichnis 9 7 Multimodale Kommunikation ............................................................. 243 7.1 Pictorial und multimodal turn ................................................................. 244 7.2 Linguozentrische Metaphorik in der Terminologie ............................. 247 7.3 Textbegriff .................................................................................................. 254 7.4 Bildbegriff .................................................................................................. 257 7.5 Multimodalität .......................................................................................... 261 7.6 Intermodale Relationen ........................................................................... 270 7.7 Tendenzen digitaler ikonographetischer Kommunikation ................. 281 7.8 Synopse ....................................................................................................... 303 8 Kommunikation über Bilder und Kommunikation im Bild .... 313 8.1 Kommunikation über Bilder ................................................................... 313 8.2 Kommunikation im Bild .......................................................................... 320 8.2.1 Notizenkommunikation im Web .................................................... 321 8.2.2 Bildinschriften auf Postkarten ......................................................... 328 8.3 Synopse ....................................................................................................... 336 9 Analysen zu Text-Bild-Relationen ..................................................... 341 9.1 Beschreibung der Korpora ....................................................................... 342 9.2 Bildtags ....................................................................................................... 349 9.2.1 Basisdaten zu Tags ............................................................................. 349 9.2.2 Linguistische Analyse von Tags ....................................................... 358 9.2.2.1 Sprachbestimmung .............................................................. 359 9.2.2.2 Schreibung ............................................................................ 363 9.2.2.3 Morphologie ......................................................................... 370 9.2.2.4 Wortarten .............................................................................. 372 9.2.3 Tag-Tag-Relationen ........................................................................... 375 9.2.4 Tag-Bild-Relationen .......................................................................... 378 9.2.5 Tag-Text-Relationen ......................................................................... 380 Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Inhaltsverzeichnis 10 9.3 Bildnotizen ................................................................................................. 381 9.3.1 Basisdaten zu Notizen ...................................................................... 381 9.3.2 Sprachbestimmung ........................................................................... 385 9.3.3 Kommunikative Funktionen von Notizen ..................................... 387 9.3.4 Pragmatische Notiz-Bild-Relationen .............................................. 396 9.3.5 Dialogische Notizen .......................................................................... 401 9.4 Synopse ....................................................................................................... 406 10 Fazit und Ausblick .................................................................................. 411 11 Literaturverzeichnis ............................................................................... 417 12 Anhang ......................................................................................................... 479 12.1 Glossar zentraler Termini ...................................................................... 479 12.2 Tabellenverzeichnis ................................................................................. 489 12.3 Abbildungsverzeichnis ........................................................................... 490 Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Abbildungen Sämtliche Abbildungen dieses Buches können in Farbe unter folgendem Link abgerufen werden: URL: http://www.mediensprache.net/archiv/smi/siever_anhang.pdf Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access 1 Einleitung 1.1 Vorbemerkungen Thema dieses Buches ist die multimodale Kommunikation im Social Web. Es geht insbesondere um Kommunikation über Bilder(n) : Die Präposition über kann laut dem großen Wörterbuch der deutschen Sprache (Duden 2012) im Akkusativ als »Inhalt oder Thema einer mündlichen oder schriftlichen Äußerung« verstanden werden. Außerdem kann die Präposition mit Dativ folgende räumliche Bedeu- tung aufweisen: »drückt aus, dass sich etwas unmittelbar auf etwas anderem be- findet, etwas umgibt, es ganz oder teilweise bedeckt, einhüllt.« Damit sind die Schwerpunkte der vorliegenden Arbeit genannt: Es geht zum einen um Tags, die Informationen über das Bild in sprachlicher Form wiedergeben, zum andern um Notizen, die sich über dem Bild im Sinne der oben genannten Bedeutung befin- den. Diese zwei am Beispiel der Social-Sharing-Community Flickr untersuchten Kommunikationspraktiken werden darüber hinaus in einen grösseren Kontext eingebettet und theoretisch verortet. Im Alltag hat man immer wieder mit Kommunikation zu tun, die Bilder zum Thema hat. Im Urlaub verschicken wir Postkarten und nehmen Bezug auf das Bild, z. B. indem wir dem Adressaten versichern, es sei am Urlaubsort mindestens so schön wie auf der Karte abgebildet, wenn nicht gar noch schöner. Zurück zu Hause werden Bekannten die Urlaubsfotos gezeigt, sei dies in einem Album oder in einer Präsentation via Diaprojektor oder Beamer, und man erzählt darüber. Sowohl digital archivierte als auch in Alben eingeklebte Fotos werden oftmals beschriftet, sollte man sich später nicht mehr an alle Details erinnern können. Neben Fotografien können auch Werke der bildenden Kunst Anlass für Gespräche oder Texte sein. In Kunstausstellungen werden im Allgemeinen Ausstellungska- taloge angeboten, in denen neben den Bildern auch Texte, mitunter ganze Essays, abgedruckt sind. In den Ausstellungen selbst werden Führungen angeboten, in denen Hintergrundinformationen zum Bild, zu den Kunstschaffenden und de- ren Werk gegeben werden. Nach einem Ausstellungsbesuch folgt zumeist eine Anschlusskommunikation, in denen die gesehenen Bilder besprochen und für gewöhnlich auch bewertet werden. Solche Anschlusskommunikation erfolgt auch nach dem Besuch eines Kinos und bevor man sich einen Film auswählt, liest man zuweilen Filmkritiken. Mit dem Zunehmen der Popularität der digitalen Fotografie sind auch im In- ternet verschiedene Arten der Kommunikation über Bilder beliebt geworden, und zwar in Foto-Blogs, in Social-Networking- oder Social-Sharing-Communitys. Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access 1 Einleitung 14 Die Social-Networking-Community Facebook ist die Website mit der größten Bildersammlung im Internet, wobei die meisten Fotos nicht öffentlich zugänglich sind. Im Allgemeinen öffentlich zugänglich sind hingegen die Bilder in den beiden bekannten Social-Sharing-Communitys YouTube (Videos) und Flickr (Fotos). Kommunikation, welche Bilder zum Thema hat, kann – so haben die genann- ten Beispiele gezeigt – in vielerlei Gestalt auftreten. Kommunikation über Bilder kann einerseits medial mündlich, andererseits auch medial schriftlich erfolgen (vgl. Koch, Oesterreicher 1994: 588). Daneben muss auch der Grad der Zugäng- lichkeit der Kommunikation betrachtet werden; Kommunikation über Bilder kann nicht-öffentlich (privater Dia-Abend), teilöffentlich ( Facebook ) oder öffent- lich (Fernsehinterview mit einer Künstlerin oder mit einem Künstler über ihr bzw. sein Werk) stattfinden. Und schließlich ist die Kommunikation über Bilder so heterogen, weil die Bilder selbst sich stark voneinander unterscheiden können. So schlagen Stöckl (2004b: 87) und Klemm (2011: 12) denn auch vor, analog zu Textsorten von Bildsorten oder Bildtypen zu sprechen. Darüber hinaus kann die Modalität Bild in zwei Varianten auftreten: statisch oder dynamisch. Kommunikation mittels eines Bildes kann heutzutage beispielsweise über den Multimedia Messaging Service ( MMS ) oder über WhatsApp erfolgen; eine Nachricht kann zwar ausschließlich aus einem Foto bestehen, doch überwie- gend sind auch solche Bilder von Sprache begleitet. Dies gilt generell für Bilder: Nur sehr selten kommen sie ohne begleitende Texte vor (vgl. Schmitz 2003b: 250; Stöckl 2004b: 22). Ein Beispiel sind private Fotos, die noch nicht eingeklebt und beschriftet wurden. Aus rein logozentrischer Sicht würde man bestreiten, dass Kommunikation ausschließlich über Bilder überhaupt erfolgen kann (Stöckl 2004b: 280). Denn oftmals ist es so, dass Bilder »nicht ohne weiteres in eigenstän- diger Weise kommunikative Funktionen übernehmen« (Sachs-Hombach, Schirra 2011: 100) können. So räumt auch Stöckl (2004b: 112) ein, dass Bilder zwar ohne Texte funktionsfähig sind, dabei aber polyvalent und vage bleiben. Erst durch die Einbettung in einen sprachlichen Kontext kann ein Bild seine kommunikative Funktion vollständig wahrnehmen. Nicht nur Bilder ohne Texte sind eine Seltenheit, auch umgekehrt gilt: »Texte ohne Bilder wirken antiquiert, hochseriös und/oder langweilig« (Schmitz 2003b: 250). Reine Texte ohne Bilder sind selten und auf bestimmte Kommunikationsfor- men und Textsorten beschränkt (Schmitz 2005: 195). Text-Bild-Kombinationen sind heute der Regelfall; in solchen Kommunikaten, welche die beiden Modali- täten Bild und Sprache in sich vereinen, kann der Sinn der Worte nicht gänzlich oder womöglich auch gar nicht verstanden werden, wenn der Kontext, bezie- hungsweise wie Schmitz (2003b: 257) es in diesem Fall nennt, das Konbild, fehlt. Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access 1.2 Wissenschaftliche Relevanz 15 Aus diesem Grund soll und muss sich die Sprachwissenschaft, insbesondere die Text- oder Medienlinguistik, auch des Bildes annehmen. 1.2 Wissenschaftliche Relevanz Im öffentlichen Diskurs wird immer wieder die Frage aufgeworfen, inwiefern die digitale Kommunikation einen Einfluss auf die Sprache hat, oftmals wird auch ein Sprachverfall befürchtet (vgl. Androutsopoulos 2007: 93; Moraldo 2012: 180). Da zum jetzigen Zeitpunkt ein Großteil der digitalen Kommunikation noch schrift- basiert ist, was sich aber in Anbetracht neuerer technischer Möglichkeiten wie Internet-Telefonie, Podcasts usw. in naher Zukunft durchaus ändern könnte, beziehen sich die im öffentlichen Diskurs geäußerten Befürchtungen vor allem auf einen negativen Einfluss der digitalen Kommunikation auf die Schriftlich- keit. Ortner und Sitta (2003: 10–11 ) führen an, dass solche Ängste vor einem Sprachverfall und allgemein eine defizitorientierte Betrachtung der Sprache da- rauf zurückzuführen seien, dass die Sprachwissenschaft Fragen dieser Art nicht oder nicht zufriedenstellend beantwortet und somit diese Befürchtungen nicht entkräften kann. Aus diesem Grund müssen Linguistinnen und Linguisten auf derartige Fragen eingehen und auf empirischer Grundlage Antworten liefern, wie dies beispielsweise im Zürcher Projekt Schreibkompetenz und neue Medien geschehen ist. Die Frage, ob das Schreiben in den digitalen Medien das schulische Schreiben beeinflusst, konnte durch diese Studie verneint werden. In der digitalen Kommunikation sind Bilder, seien sie statisch oder auch dyna- misch, durch verbesserte technische Möglichkeiten auf dem Vormarsch. Insbe- sondere im Social Web spielen Bilder eine bedeutende Rolle: Die weltweit größte Foto-Community Flickr umfasste Ende 2012 über 8 Milliarden Fotos 1 , auf der Social-Networking-Site Facebook wurden bis Anfang 2013 gar 240 Milliarden Fotos hochgeladen (vgl. Paukner 2013). Solche Zahlen evozieren den Topos der Bilderflut, welcher unter anderem auch Ängste der Sprachverdrängung auslösen kann. Doch gilt es mit Stöckl (2004b: 2) zu bedenken, dass keineswegs klar ist, ob Bilder tatsächlich die Sprache zurückdrängen oder ob nicht eher neue, multi- modale kommunikative Praktiken und somit neue Kombinationen von Sprache und Bildern entstehen, bei denen der Sprache eine andere Funktion zukommt. Es lässt sich also folgern: »Insofern gibt es gesellschaftlichen Bedarf an der wis- senschaftlichen Erforschung der visuellen Kommunikation, auch um überzogene Befürchtungen oder Erwartungen zu relativieren« (Klemm, Stöckl 2011: 7). Ein 1 http://blog.flickr.net/de/2012/12/12/flickr-noch-besser-nutzen-besser-navigieren- und-fotos-entdecken/ (19.08.2013). Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access 1 Einleitung 16 Ziel der vorliegenden Arbeit ist, durch theoretische Diskussion und empirische Analysen Grundlagen zu schaffen, die als Ausgangspunkt für weitere Forschung in diesem Bereich dienen können. Ob und inwiefern Bilder unsere Kommunikation verändern, wird insbesondere auch aus einer diachronen Perspektive untersucht werden müssen. In der Sprachwissenschaft hat man erst in den letzten Jahren damit angefangen, sich ausführlicher mit multimodaler Kommunikation zu beschäftigen. Noch im Jahr 2005 warf Schmitz (2005: 197) den Linguistinnen und Linguisten vor, sie seien »bilderblind«. Auch Holly (2009: 389) kritisiert den Umgang der Sprachwis- senschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler mit multimodalen Kommunikaten: »Manche Wissenschaftler haben ihren Gegenstand am liebsten pur. Damit man ihn sorgfältig studieren kann, wird er freigelegt, herauspräpariert, von allem störenden Drumherum befreit, haltbar gemacht, zur besseren Betrachtung aufbereitet und fi- xiert. Für einen Sprachwissenschaftler, der ungestört vorgehen will, heißt das, er will ›Sprache pur‹.« In Hollys Kritik klingen zwei zentrale Aspekte an: Einerseits ist ein Unwille vor- handen, die Sprache in ihrem Kontext zu analysieren, andererseits wird auch implizit darauf hingewiesen, dass die Korpuserstellung von multimodalen Kom- munikaten komplexer ausfällt als bei reinen Sprachdaten. Dass multimodale Kommunikation in letzter Zeit in der Sprachwissenschaft an Bedeutung gewonnen hat, spiegelt sich in verschiedenen Publikationen und Tagungen wider. Hervorgehoben sei an dieser Stelle die 45. Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache zum Thema »Sprache intermedial: Stimme und Schrift, Bild und Ton« (vgl. den dazugehörigen Tagungsband: Deppermann, Linke 2010b). Vom 10. bis 12. März 2009 wurde darüber referiert und diskutiert, wes- halb sich Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler mit Bildern be- fassen (sollten). Ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Etablierung einer »Bildlinguistik« stellt der gleichnamige Sammelband dar (Diekmannshenke et al. 2011), in welchem aufgezeigt wird, dass die Sprachwissenschaft »sehr wohl einen genuinen Beitrag zu einer inter- und transdisziplinären Bildwissenschaft leisten kann und auch leisten sollte« (Klemm, Stöckl 2011: 11). Die Herausgeber weisen jedoch darauf hin, dass es sich bei der Bildlinguistik (noch) nicht um eine Subdisziplin wie beispielsweise die Textlinguistik handelt, sondern vielmehr »um eine spezifische Perspektive innerhalb der Text- und Medienlinguistik« (ebd.: 11). Die Bezeichnung Bildlinguistik muss laut den Herausgebern des Sammelbandes darüber hinaus metaphorisch aufgefasst werden und ist nach ihrer Auffassung nicht als Linguistik des Bildes zu verstehen, wie dies Große (2011) in ihrer kurz nach dem Sammelband erschienenen Dissertation jedoch tut. Mit Bildlinguistik Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access 1.2 Wissenschaftliche Relevanz 17 ist vielmehr »die Betrachtung der Bezüge zwischen Sprache und Bild in Gesamt- texten und die Nutzbarmachung linguistischer Konzepte, Modelle und Methoden für die Beforschung des in vorwiegend massenmediale Texte integrierten Bildes« (Klemm, Stöckl 2011: 9) gemeint. Ortner (2013: 44) schlägt dafür den Terminus Visiolinguistik vor; er sei neutraler, »weil er nicht nur auf Bilder, sondern auf ›Visuelles‹ generell referiert, d. h. auch auf typographische Elemente wie Schrift- größe oder Schriftfarbe.« Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass in der von Ekkehard Felder und Andreas Gardt herausgegebenen Handbuch-Reihe »Sprachwissen« voraussichtlich 2016 ein Band mit dem Titel »Sprache im multimodalen Kontext« erscheinen wird, herausgegeben von Nina-Maria Klug und Hartmut Stöckl. Darin werden auch vier Beiträge enthalten sein zur digitalen, multimodalen Kommu- nikation, einerseits zu herkömmlichen Websites, andererseits auch zur Kom- munikation im Social Web mit jeweils einem Beitrag zu Facebook , YouTube und Flickr . Dieser Sammelband kann als Anhaltspunkt dafür gesehen werden, dass multimodale Kommunikation mittlerweile zu einem in der Linguistik etablierten Forschungsgegenstand geworden ist. Forschungsdesiderate einer wie oben erläuterten Bildlinguistik betreffen so- wohl die Theorie als auch die Empirie. Neben der Entwicklung von Theorien zur multimodalen Kommunikation wären Untersuchungsmethoden zu entwickeln und eine einheitliche Terminologie anzustreben (vgl. Schmitz 2005: 208). Parallel dazu sollten anhand von Korpora möglichst viele unterschiedliche Text-Bild- Kommunikate empirisch untersucht werden (vgl. Stöckl 2011c: 66). »Empirische Fundierungen sind in den bisherigen Theorien zur Multimodalität, Hypermo- dalität, Bildlichkeit oder Textdesign die Ausnahme« (Bucher 2007: 67). Viele Anwendungsgebiete sind noch unerforscht, »wir wissen noch kaum etwas über Sprache-Bild-Bezüge im Internet, sei es zum Beispiel in Online-Zeitungen, You- Tube oder Social Networks « (Klemm, Stöckl 2011: 16, Herv. im Original). Doch nicht nur die multimodalen Kommunikationspraktiken in Social-Networking- und Social-Sharing-Communitys sind noch unerforscht; insgesamt liegen eher wenige sprachwissenschaftliche Untersuchungen zur Kommunikation im soge- nannten Social Web , auch Web 2.0 genannt, vor (vgl. aber Siever, Schlobinski 2012). Ein weiteres Forschungsdesiderat sei an dieser Stelle erwähnt: Alltagsbilder wurden bisher nur selten untersucht (vgl. Schmitz 2005: 197). Während Werbean- zeigen und journalistische Texte sowie deren Text-Bild-Bezüge bereits analysiert wurden, liegen bislang noch kaum Untersuchungen zu Text-Bild-Kombinationen von Kommunikationslaiinnen und -laien vor. Verbale Kommunikation über Bilder ist insbesondere auch im Bereich des Social Taggings von großer Bedeutung, denn sowohl das Suchen als auch das Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access 1 Einleitung 18 Finden von Bildern ist (noch) auf Sprache angewiesen (vgl. Stock 2007: 9). Gerade in Anbetracht der enormen Anzahl Bilder im Social Web (vgl. Kapitel 4) gewinnt die folgende Aussage noch mehr an Relevanz: »A key problem facing today’s infor- mation society is how to find and retrieve information precisely and effectively« (Weller et al. 2010: 132). Gefragt sind also in der heutigen Gesellschaft – zu Zeiten des Information Overloads – sowohl Kompetenzen im Bereich der Dokumentation als auch im Bereich des Retrievals; Daten müssen folglich sinnvoll kategorisiert und mittels kluger Suchstrategien (wieder-)gefunden werden können. In der vorliegenden Arbeit zur Kommunikation über Bilder im Social Web, exemplifiziert am Beispiel der Foto-Community Flickr , sollen also mehrere For- schungslücken gefüllt werden: Es soll ganz allgemein ein Beitrag zur Kommu- nikation im Social Web geleistet werden. Darüber hinaus soll im Bereich der Bildlinguistik ein Teil des Bereichs der digitalen Kommunikation abgedeckt werden, wobei nicht professionell erstellte Text-Bild-Kommunikate untersucht werden, sondern von Laiinnen und Laien erzeugte. Barton und Lee (2013: 15) stellen fest, dass heutzutage semiotische Ressourcen anders als früher miteinander kombiniert werden und dass folglich neue Relationen zwischen der Sprache und anderen Zeichenmodalitäten entstehen. Insbesondere in den Kapiteln 7.7 und 8.2.2 werde ich deshalb eine historische Perspektive aufzeigen und diskutieren, inwiefern es sich um neue Relationen zwischen Bild und Text handelt. Eine spe- zielle und bisher linguistisch kaum untersuchte Art der Text-Bild-Relation liegt sowohl zwischen Tags und Bildern (vgl. Panke, Gaiser 2008: 26) als auch zwischen Notizen und Bildern vor. In der vorliegenden Analyse zum Social Tagging und zu Notizen auf Flickr werden somit auch diese Forschungsdesiderate berücksichtigt. 1.3 Forschungsfragen und Ziel der Arbeit Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist die multimodale Kommu- nikation im Social Web, exemplifiziert am Beispiel der Kommunikation in der Foto-Community Flickr , wobei im empirischen Teil (vgl. Kapitel 9) eine Produkt- und keine Produktionsanalyse vorgenommen wird. Die Ebene der Rezeption fließt insofern in die Untersuchung mit ein, als Reaktionen von Userinnen und Usern in Form von Notizen zu einzelnen Fotos mit dazugehörigem Bildtitel, ent- sprechender Bildunterschrift sowie den jeweiligen Tags betrachtet werden. Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen zwei verschiedene kommunikative Praktiken: das Social Tagging und die Notizenkommunikation in Foto-Commu- nitys. Während das Social Tagging als gängige Praxis in Social-Sharing-Com- munitys bezeichnet werden kann, ist die Notizenkommunikation kaum bekannt und wird auch vergleichsweise selten genutzt. Notizenkommunikation ist deshalb Christina Margrit Siever - 978-3-653-98628-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 10:52:51AM via free access