REKLAME DIE LOHNT VON ROY S. D U R S T I N E MIT 39 A B B I L D U N G E N M Ü N C H E N UND B E R L I N 1926 DRUCK UND VERLAG VON R.OLDENBOURG Berechtigte deutsche Bearbeitung von Dr. Theodor König und I . M . W i t t e * Alle R e i t e vorbehalten * Einige Vorbemerkungen. Es bietet einen eigentümlichen Reiz, als deutscher Reklame- fachmann, als Geschäftsmann oder Industrieller überhaupt, einmal ein amerikanisches Reklamebuch in die Hand zu be- kommen und darin gewissermaßen hinter die Kulissen der amerikanischen Reklametechnik zu blicken. Es ist ja schon manches über die Frage, ob wir von der amerikanischen Re- klame etwas lernen können, geschrieben worden, aber die geäußerten Ansichten sind oft nicht frei von dem Gefühl einer gelinden Überheblichkeit, als ob dieser oder jener Verfasser bereits auf einer Höhe des Wissens und Könnens stehe, daß er überhaupt nichts mehr dazu lernen könnte. Wenn wir ganz nüchtern und ohne jede Voreingenommenheit urteilen, so müssen wir doch feststellen, daß wir von der amerikanischen Reklame in vielen Fällen das außerordentlich große Maß von Sorgfalt und Fleiß, kurz Energie lernen können, mit welcher drüben jedes Bild, jedes Textwort und ihr Zusammenklang durchgearbeitet ist. Ich habe nicht umsonst in meinem Buche „Reklamepsychologie — ihr gegenwärtiger Stand, ihre prak- tische Bedeutung" 1 ) eine ganze Reihe amerikanischer An- zeigen wiedergegeben, sondern deshalb, weil sie geradezu vor- bildlich für die Art und Weise, wie darin die Beeinflussung des Bewußtseinslebens des Lesers durchgeführt wird, sind. Wir können jedoch einen unparteiischen Beurteiler aus einem an- deren Lande als Deutschland und Amerika zu Rate ziehen, wie er über die amerikanische Reklame denkt: in England er- scheint regelmäßig ein Jahrbuch mit dem Titel „Penrose's Annual", das über den Stand der Drucktechnik, Reklame usw. berichtet. In der neuesten Ausgabe 1925 befindet sich nun ein sehr interessanter Aufsatz des englischen Fachmannes J. W. Haynes über die Fortschritte auf dem Gebiete der Reklame, wobei gleich eingeschaltet sei, daß die Betrachtung der eng- lischen Zeitschriften unzweifelhaft zeigt, daß die Engländer sehr viel von der amerikanischen Reklame gelernt und ange- nommen haben, natürlich für ihre Zwecke sinngemäß umge- ') 3. Auflage 1926 bei R. Oldenbourg, München-Berlin. IV staltet. Haynes sagt über die amerikanische Kunst im Ver- fassen von Texten für Anzeigen usw., sie habe geradezu eine neue Literaturform geschaffen, in welcher das Neuigkeitselement des Journalismus und die Sparsamkeit an Worten der „short story" kombiniert sind. Fähige Schriftsteller haben, so sagt Haynes, entdeckt, daß das Schreiben von Anzeigentexten ebenso faszinierend ist, wie andere Literaturzweige, abgesehen davon, daß es gewöhnlich mehr einbringt, und die Reklametreibenden haben gefunden, daß es sich bezahlt macht, die besten Gehirne für die Textgestaltung zu benützen, um einen Raum auszu- füllen, der ein kleines Vermögen kostet. Die neue Schule der Textverfasser hat der Reklame die „Nase für Neuigkeiten" (nose for news) des Journalisten und das Geschick, nackte Tatsachen in eine Sprache unwiderstehlichen Interesses zu kleiden, gebracht; sie hat uns gezeigt, daß hinter den wohl- vertrauten Artikeln eine Geschichte steckt und daß diese Ge- schichte in wenigen lebendigen, sprühenden und funkelnden Worten erzählt werden kann. Sie haben die Bezeichnungen staubtrockener Tatsachen aus dem Techniker-Jargon weg- geworfen und uns dafür eine Sprache gegeben, die lebt, die über- zeugt und verkauft. Natürlich gibt es auch Texte, in denen mit Worten jongliert wird, statt daß diese sich dem Verkaufs- zweck unterordnen, aber das ist doch die verschwindende Minderheit. Wir glauben, diesen Worten nichts weiter hinzu- fügen zu müssen; sie zeigen klar, daß auch von den englischen Reklamefachleuten die amerikanische Technik des Werbens hoch eingeschätzt wird. In dem vorliegenden Buche wird der Leser öfters die Be- zeichnungen „Werbedienststelle, Propaganda-Zentrale" und ähnliche finden, welche die Übertragung des amerikanischen Ausdrucks „advertising agency" darstellen. Da der Ameri- kaner unter „advertising" nicht nur die Anzeigenwerbung, sondern Reklame überhaupt versteht, treffen wir diesen Be- griff wohl am besten mit der Bezeichnung „Reklame-Agentur". Dies sind geschäftliche Unternehmungen, welche als Treu- händer die Besorgung der Reklame für Fabriken, Handels- firmen usw. übernehmen und oft einen großen Umfang von mehreren Hundert Angestellten haben.. Diese amerikanischen Reklame-Agenturen vereinigen in sich sowohl Künstler, Zeich- ner und Maler, als auch Spezialisten im Textverfassen und es ist charakteristisch, daß diese Tätigkeiten gewöhnlich streng getrennt von besonders geschulten Kräften nach den Angaben der Leiter der Reklame-Agenturen ausgeführt werden. Die V Aufgabe der Reklame-Agentur beschränkt sich jedoch nicht auf die Ausübung der Reklame allein, sondern sie beschäftigt sich auch mit der Erforschung des Marktes für ein Produkt, dessen Vertrieb ihr anvertraut ist, sie studiert dessen Eigen- schaften, erforscht das Publikum, welche Seiten der betreffen- den Ware ihm besonders werbekräftig erscheinen usw., so daß sie, wie in einer Reihe von Veröffentlichungen in der Zeitschrift „Zeitungs-Verlag", dem Organ des Vereins deutscher Zeitungs- verleger, berichtet wird, sehr nützliche und wertvolle Arbeit verrichtet und der große Erfolg der amerikanischen Reklame zu einem wesentlichen Teil auf ihre Tätigkeit zurückzuführen ist. Auf Grund vieler Zuschriften, die ich infolge meines Buches „Reklamepsychologie" erhalten habe, bin ich zu der Annahme geneigt, daß auch ein gewisser Bedarf nach derartigen Reklame- Agenturen bei uns in Deutschland sein dürfte, wie vielleicht überhaupt in den europäischen Ländern, wo dieser Zweig ja noch verhältnismäßig wenig ausgebildet ist. Ich hoffe, daß dieses Buch auch den deutschen Reklame- fachleuten eine Reihe wertvoller Anregungen und Hinweise geben wird. W ü r z b u r g , im Frühjahr 1926. Dr. Theodor König. I n h a l t s v e r z e i c h n i s . Seite Einige Vorbemerkungen von Dr. Theodor König III I. Warum man Reklame macht i II. Was zuerst — Text oder Bild ? n III. Fort vom Alltäglichen! 24 IV. „Atmosphäre" — die richtige Stimmung für das Werben 46 V. Aufrichtigkeit, eine wichtige Helferin 62 VI. Gesunder Menschenverstand 82 VII. Das große Geheimnis den „Handel verstehen"! . . . 91 VIII. Das Bewegen von totem Gewicht 105 IX. Das rechte Wort am rechten Platz 116 X. Der Anzeigen-Feldzug 130 XI. Einige Ideen über Gedankenpropaganda 144 X I I . Wohin führt die Reklame in der Zukunft ? 155 Anhang: Übersetzungen der amerikanischen Anzeigen Nr. 1—39 . 177 1. Warum man Reklame macht. Reklame kam in die Welt, da die Geschäftsleute nicht mehr darauf warten wollten, bis Frau Jones ihrer Nachbarin Frau Smith mitgeteilt hätte, daß die Brown'schen Gurken aus- gezeichnet seien. Brown fand nämlich, daß es möglich sei, vielen Hunderttausenden, ja, Millionen von Frauen Smith und Frauen Jones das Nötige über seine Gurken mitzuteilen, und daß er auf diese Weise weit mehr Gurken verkaufen könne, als wenn er darauf warte, daß sich das Gute seiner Waren herumgesprochen habe. „Aber," meinte Browns Teilhaber, „ich glaube nun ein- mal stark an dieses mündliche Weiterempfehlen." „Ich auch," gab Brown zu, „es dauert bloß zu lange." „Meine Ansicht hierzu ist," fuhr sein Teilhaber fort, „wenn Frau Jones der Frau Smith etwas sagt, so glaubt sie es. Sagen wir ihr aber dasselbe, so kommt sie nur zu oft auf den Gedanken, wir wollen ihr etwas anhängen." „Das kommt ganz darauf an, wie wir es ihr sagen," war die Antwort Browns. Zweifelnd meinte sein Teilhaber darauf: „Vielleicht können wir meinen Neffen dazu bekommen, einige Anzeigen für uns zu schreiben. Er ist ein ganz aufgeweckter Bursche. Für seine Studentenzeitschrift hat er früher mitunter auch einige Ulkgedichte verfaßt." „Warum nehmen Sie an, daß er sich für das Abfassen von Anzeigen eignen wird?" „Weil er sich für nichts anderes eignet." „Erlauben §ie bitte," warf jetzt Brown energisch ein, „zu diesem Anzeigengeschäft gehört aber denn doch mehr als Sie anzunehmen scheinen I" „Unfug! Sätze aneinanderreihen und vielleicht noch jemand veranlassen, ein Bild zu zeichnen — mehr gehört nicht dazu!" D u r s t : n e , Reklame, die lohnt. I „Wie glauben Sie, daß das Gurkengeschäft dem Außen- stehenden vorkommt: junge Gurken in ein Glasgefäß füllen und dann einen Käufer finden?" „Das ist etwas ganz anderes", meinte der Teilhaber ohne Besinnen. „Genau das gleiche ist es mit der Reklame! Ich werde jetzt jemand suchen gehen, der genau so viel vom Anzeigen- geschäft versteht, wie wir vom Gurkenhandel verstehen. Und ich werde ihn dann veranlassen, der Frau Smith etwas von unseren Gurken zu erzählen, und zwar so natürlich, daß sie der Meinung ist, Frau Jones erzählt es ihr. Ich bin des War- tens überdrüssig. Die nachbarlichen Gespräche sind zwar an sich recht schön und gut, aber die Frauen sind heute alle zu sehr beschäftigt, um sich viel über unsere Gurken zu unter- halten. Und dann gibt es auch zu viele Haushaltungen und zu viele Hausflure!" 1 ) Nach dem Aussehen der Zeitschriften und Zeitungen zu urteilen, müssen in den vergangenen zehn Jahren Gespräche dieser Art in sehr vielen Fabriken stattgefunden haben. Noch nie gab es ein Jahr wie dieses, in dem man von so vielen Seiten hören konnte: „Oh, Sie sind im Anzeigengeschäft? Das muß eine faszinierende Sache sein!" Aufgeweckte junge Männer und Frauen melden sich, ausgerüstet mit Empfehlungsschreiben, in Anzeigenunter- nehmungen. Sie wollen sich diesem Beruf widmen; einige wollen sogar zunächst umsonst arbeiten, „um hereinzu- kommen". Im allgemeinen betrachten sie ihn als Sport — was er aber durchaus nicht ist. Fragt man sie, warum sie sich diesem Zweige zuwandten, so erhält man gewöhnlich entweder die eine oder gar beide der folgenden Erklärungen: einmal, das Propagandawesen ') Dieses Gespräch stellt nur in einer etwas drastischen Weise eine Erfahrung dar, die auch wir deutschen Werbeleiter häufig durch- gemacht haben. Man frage nur einmal deutsche Reklamefachleute an leitenden Posten, ob sie nicht so und so oft von jungen Leuten, die sich nur durch sog. Interesse für Reklame ausweisen konnten, bestürmt worden sind, sie als Propagandisten einzustellen. Wenn man ihnen da- rauf antwortet, daß dazu eine ausgesprochene Veranlagung, Geschmack usw. gehören und zur Ausbildung viel mehr Fleiß, Beharrlichkeit und selbständige Weiterbildung nötig ist, als z. B. für den Buchhalter oder Stenotypisten, so sind sie gewöhnlich enttäuscht. Dr. T. K. — 3 — muß recht interessant sein. Stets haben sie sich für das Fach interessiert und selber viele Anzeigen verfaßt — nur um sie mit den in Zeitschriften veröffentlichten zu vergleichen; wobei ihnen ihre eigenen Entwürfe natürlich weit besser gefielen. Zum andern sind sie der Meinung, daß mit Anzeigen viel Geld zu machen sei. Wird hier der Einwand erhoben, daß auch auf dem Gebiete des Versicherungswesens, der Technik, der Medizin und des Handels, kurzum auf jedem Gebiet nach Erwerbung einer gründlichen Ausbildung und bei intensiver Arbeit viel Geld zu verdienen sei, dann erscheint es ihnen, als ob sich die Erfolge im Anzeigenwesen schneller und mit geringerer Anstrengung einstellten. Schneller vielleicht. Denn unglücklicherweise ist die Zeit noch nicht da, wo ein Hochschulstudium als Vorbereitung für den Beruf eines Propagandisten genau so notwendig sein wird wie auf dem Gebiet der Medizin, der Rechtswissenschaften, der Theologie usw. Bereits heute gibt es eine Reihe von Kursen im Propagandawesen, die von höchstem erzieherischen Wert sind; es nehmen aber zu wenig Interessenten daran teil. Sie ziehen es vor, das Gebiet als Angestellte eines Anzeigen- unternehmens oder der Propagandaabteilung eines großen Industriekonzerns zu betreten. Wenn auch das Betreten dieses Gebietes auf solche Weise recht schnell vor sich gehen mag, so ist das weitere Fortkommen aus einem stets bleiben- den Mangel, die weiteren Zusammenhänge des Ganzen zu erfassen, oft nur äußerst langsam. Aber mögen sich die Erfolge und die Belohnungen auch noch so schnell einstellen — ohne Anstrengung wird das nie- mals möglich sein. Und wenn dieses Buch irgendeinen Zweck erfüllen will, so ist es der, dem Leser einen Begriff von dem zu vermitteln, was außer einem „Sätze aneinanderreihen und vielleicht noch jemand veranlassen, ein Bild zu zeichnen" zum Anzeigenwesen gehört. Es ist nicht schwer, das erhöhte Interesse zu verstehen, das in den letzten Jahren gerade diesem Zweige unseres Wirt- schaftslebens zugewendet wurde. Noch nie gab es eine Zeit wie diese, wo die Reklame so wirkungsvoll für die Reklame zu werben verstand. Allein der Umfang, den die Anzeigen in allen Veröffentlichungen einnahmen, wirkte bereits über- zeugend und eindrucksvoll. Menschen, die vielleicht noch nie von ihm sprachen, die sich vielleicht der Macht des Anzeigen- wesens noch niemals bisher bewußt wurden, disputieren heute über den Umfang der Reklame, die zu ihnen ins Haus kommt. Und in immer steigendem Maße müssen diese Menschen es zugeben, wenn auch mitunter nur zögernd und unfreiwillig, daß die Reklame auch in ihrem Leben zu einer Abkehr von mancher alten Gewohnheit geführt hat. Noch vor einigen Jahren war es nichts Ungewöhnliches, von einem Manne zu hören, daß die Anzeigen ihm noch nie etwas verkauft hätten. Bei genauerem Nachfragen hätte es sich indessen vielleicht herausgestellt, daß er des Morgens von einer Uhr der bekannten Marke „Big Ben" geweckt wird, daß er sich mit einem „Gillette" rasiert, seine Zähne mit „Pebeco" reinigt, daß er sein B.V.D.-Hemd, seine „Holeproof'-Strümpfe usw. anzieht und zum Frühstück „H. O." sowie seinen Buch- weizen „Beechnut and Yuban", der mit „Domino"-Zucker gesüßt ist, zu sich nimmt, um dann seinen „Stetson"-Hut aufzusetzen und eine Zigarrette Marke „Camel" anzubrennen. Auf diese Weise ist er auf seinem mit Markenartikeln ge- pflasterten Wege noch ein gutes Stück weiter zu verfolgen. Ganz gewiß hat ihm die Reklame noch nie etwas verkauft! Einzig und allein ist derjenige Mann berechtigt, von sich zu behaupten, daß ihm die Reklame heutzutage nichts ver- kauft, der sich im dichtesten afrikanischen Dschungel in einem Käfig einschließt. Aber sogar er würde vielleicht fest- stellen müssen, daß viele seiner Lagervorräte derart ange- zeigte Erzeugnisse darstellen. Der Anteil der Propaganda am Kriege hat auch viel dazu beigetragen, das Interesse für sie stark zu erhöhen. Denn auf diese Weise war es dem Amerikaner möglich, sich umzu- schauen und festzustellen, wie er und seine Freunde unter dem Einfluß der entfalteten Propaganda weniger Lebens- mittel verbrauchten und mehr sparten, wie sie fast alle ihre bisherigen Gewohnheiten des Arbeitens, Einkaufens, Kleidens, Lebens, ja sogar des Denkens änderten. Sie wurden durch dieses Mittel mit Nationen vertraut, deren Namen sie vordem kaum kannten. Die Schranken des amerikanischen Provin- zialismus fielen. — 5 — © News WHAT is news? Some think news is just infor- mation about the outside world. But advertising, too, is news. It is information that may be of personal moment. A paper without advertising is but half a newspaper. Marshall Field & Company advertisements bear the value of news. MARSHALL FIELD & COMPANY Anzeige >ir. i . Anmerkung des Verfassers: Wenn Sie nicht glauben wollen, daß manche Menschen die Anzeigen als Neuigkeiten ansehen, so beobachten Sie Ihre Frau, wenn sie die Anzeigen im nächsten Sonntagsblatt liest. Die Geschäftsleute des Landes sind zu der Überzeugung gekommen, daß sie ihre Anzeigen so wahrheitsgemäß und so interessant wie alle anderen Teile der Zeitung gestalten müssen. Denn sie enthalten j a geschäftliche Neuigkeiten. — 6 — Sodann waren es zumindest drei weitere Faktoren, an sich vielleicht nur unbedeutend, aber dennoch gewichtig, die viel zu dem Aufschwung des Anzeigenwesens beitrugen. Künstler, die von ihrer Tätigkeit als Illustratoren von Büchern und Zeitschriften her einen Namen hatten, wurden von den stets auf Weiterentwicklung bedachten Propagandisten ge- wonnen. Das Publikum erkannte in den Anzeigen ihre Arbeit und ihre Feder wieder und unterhielt sich über sie. Das war einer der Faktoren. Dann haben die Reklamebüros das Feld der Fertigerzeug- nisse in den vergangenen Jahren so intensiv beackert, daß viele Unternehmer sozusagen aus erster Hand die Propa- ganda auf ihren eigenen Geschäftszweig angewandt sahen. Ein dritter Faktor war vielleicht die größere Propaganda, die zur Propagierung des Anzeigenwesens unternommen wurde — Reklamefeldzüge der entsprechend weitsichtigen Propa- gandazentralen und Verleger in den führenden Tageszeitungen, Verlagsunternehmungen usw. Der Hauptgrund war aber natürlich der: die Industrie sah sich dem Problem gegenüber, möglichst schnell und wirt- schaftlich ihren Friedensstand wieder zu erlangen. Amerika erzeugte Ware in größeren Mengen, als je zuvor für möglich gehalten wurde. Als Nation haben sich die Vereinigten Staaten für ihre Produktion neue Qualitäts- und Quantitätsnormen gesetzt. Geschäftskanäle, die durch den Schlamm der Kriegs- zeit teilweise verstopft waren, mußten für den Durchlaß des Handelsstromes erst gereinigt werden. Und bei alledem wirkte das Anzeigenwesen als getreuer Helfer — wie ein Dampf- bagger. Viele Markenartikel wurden dem Publikum auch während der Kriegszeit, als die betreffenden Firmen nichts zu ver- kaufen hatten, dauernd in Erinnerung gebracht, und heute wird diese weise Voraussicht, die Propaganda als eine Art Versicherung gegen Absatzstockungen zu betrachten, mit vollem Erfolg belohnt. Noch mehr Markenartikel gerieten aber in Vergessenheit. Die Händler wandten sich anderen Artikeln zu. Der kürzeste Weg zurück zum guten Willen der Geschäftswelt und des Publikums ist wiederum nur — wie es immer sein wird — die Anwendung der Reklame. Ein Unternehmer, der ein einwandfreies Produkt her- stellt, der eine wohldurchgebildete Verkaufsorganisation hinter sich hat, die es fertig bringt, seine Erzeugnisse in die Hände jedes Händlers, gleichgültig wo dieser wohnt, gelangen zu lassen — ein solcher Unternehmer weiß, daß seine Absatz- erfolge nicht eher als vollkommen gelten können, als bis er auch dem Händler zur Räumung seiner Regale und damit zum Neuankauf seiner Waren vom Fabrikanten verholfen hat. Sicher wird für jeden guten Artikel einmal die Zeit kom- men, wo er sich auch ohne viel Propaganda verkaufen wird. Die meisten amerikanischen Geschäftsleute sind aber nicht gewillt, hierauf zu warten. Sie ziehen es vor, ihr Geld in einer Bekanntmachung der Vorteile ihrer Waren anzulegen. Und sie wissen auch, daß sie durch eine einfache, wahrheitsgetreue und natürliche Aufzählung dieser Angaben einen viel größeren Geschäftsumsatz erzielen können, als wenn sie still geblieben wären. Ihnen ist ferner auch nur zu gut bekannt, daß ihre gedruckten Mitteilungen an das Publikum die wichtigste Phase ihrer öffentlichen Beziehungen sind. Denn gleichgültig, wie ausgezeichnet ihre Verteilungswege ausgearbeitet sein mögen und gleichgültig, wie anziehend ihre Verkaufspolitik sein mag, wenn das Publikum am Pro- dukt nicht interessiert und von den erlassenen Anzeigen nicht überzeugt ist, so sind die Propagandamaßnahmen als fehl- geschlagen anzusehen. Das sind die tatsächlich letzten Endes ausschlaggebenden Gründe des verstärkten Umfanges aller Reklame. Noch eine Ursache dieser Erscheinung liegt vor, deren Bedeutung aber weit übertrieben und besonders von jenen Leuten immer wieder vorgebracht wird, die sich gern ihres eigenen Scharf- sinnes rühmen und immer des Glaubens leben, man gehe darauf aus, ihnen etwas anzuhängen. Der Grund der so stark vermehrten Propaganda in den vergangenen Jahren wird von ihnen auf die hohe Gewinnbesteuerung zurück- geführt: der Anzeigende ziehe es vor, lieber einen großen Teil seiner erzielten Gewinne in Reklame anzulegen, anstatt sie der Steuerbehörde abzuliefern. Ohne Zweifel gibt es Reklametreibende, die sich durch dieses Motiv leiten ließen, und zwar in genau der gleichen — 8 — Weise wie manche Unternehmer, die viele an sich unnötige Verbesserungen in ihre Betriebe einführten, nur um ihr Geld auf irgendeine Weise festzulegen. Die Behauptung aber, daß der vermehrte Umfang der Reklame nur auf jene Steuerverordnungen zurückzuführen ist, muß als ebenso unsinnig wie ungerecht bezeichnet werden. Der Propagandist, der die Steuer als Grund regen Anzeigens vorschiebt, ist dem Leichenbestatter ähnlich, der seinem Freund zuredet, sich zu Tode zu rauchen, um auf diese Weise genug Gut- scheine für den Erwerb eines Sarges zusammenzubekommen! Ohne Zweifel wird es stets Reklametreibende geben, die entweder durch eine falsche Auffassung von Wirtschaftlich- keit oder durch unsachgemäßen Rat nach einem groß ange- legten Reklamefeldzug zu der Uberzeugung kommen, daß Reklame sich nicht lohnt. Es wird sich in solchen Fällen aber immer um Anzeigende handeln, die viel Geld für eine Propagierung ihrer Waren ausgaben, ohne die nötigen Siche- rungen hinsichtlich einer zweckentsprechenden Produktion, Warenverteilung und Verkaufsorganisation zu treffen. Aber auch diese Unternehmer werden vielleicht gezwungen sein zuzugeben, daß ihnen trotz ihres unsystematischen und übermäßigen Anzeigens noch immer der gute Wille und eine erhöhte Achtung von Seiten des Publikums geblieben sind, die sie nie zuvor in dem gleichen Maße fühlten. Und einige werden daraus die Lehre ziehen und sich sagen, wenn ein so unsinniges Anzeigen, wie sie es betrieben, sogar seinen Wert beweisen konnte, so muß doch tatsächlich etwas Wahres und Positives an der ganzen Geschichte sein. So wird auch aus diesen Fehlschlägen schließlich ein Positivum erwachsen. 1 ) Noch einen andern Vorteil gilt es in diesem Zusammen- hang festzuhalten. Angenommen, daß in einem bestimmten l ) Es ist wichtig, sich das vor Augen zu halten: „Was will ich mit einer bestimmten Reklame erreichen?" Die Anzeigenwerber der Zei- tungen und Zeitschriften behaupten immer: „Sie müssen ständig inserieren I" Das ist aber nicht richtig, denn erst müssen alle Vorkeh- rungen getroffen sein, um das Verlangen nach Ware voll befriedigen zu können, ehe eine intensive Reklame einsetzt. Ist z. B. eine Fabrik auf Monate hinaus voll besetzt mit Aufträgen, so wäre es nicht nur sinnlos zu inserieren usw., sondern sogar schädlich, weil den Reflektanten ja doch nur geantwortet werden könnte: „Wir können Ihnen bis auf weiteres nichts liefern". Das muß also wohl erwogen werden. Dr. T. K. Where the word "Victrola" came from The wwd "Vlctrola" was mflfiff uf> by com- bining a portion of the word Victor with a portion of die word "viola". It was originated and trade-marked for the specific purpose of distinguishing products of the Victor Talking Machine Company. The word "Victrola" is a trade-mark folly protected by registration in die United States Patent Office. Its use or application to other than Victor products Is not only mialrarthift bat It is against the law. VICTROLA Victor Talking Machine Company Cmäta, New Jener Anzeige Nr. 2. Anmerkung des Verfassers: Das Wort Victrola ist ein Name, den die packenden Anzeigen von F. Wallis Armstrong unsterblich machten. — 1 0 — Geschäftszweig nur ein Fabrikant dieses übermäßige An- zeigen betreibt, so werden seine Konkurrenten ihrerseits auch ihre Propaganda ausdehnen müssen, um nicht ins Hinter- treffen zu kommen, wenn sie natürlich auch in vorsichtigerer und zweckentsprechenderer Weise vorgehen. So wird das Ergebnis sein, daß ihre Reklame aufgefrischt und angestachelt wird und sie auf der Bahn des Erfolges mehr vorwärts kommen, als wenn ihr Konkurrent nicht seine Kunststücke wie ein Sonntagsreiter auf dem Gebiete der Reklame gemacht hätte. Schlimmstenfalls wird diese Steuerphase der Reklame also unbestreitbar eine Reihe neuer ernsthafter Anzeigendel hervorbringen, die ohne diese schnelle und vielleicht etwas zweifelhafte Einführung nie die Vorteile richtiger Propaganda erfaßt hätten. Bei alledem soll aber nicht vergessen werden, daß diese ganze Erörterung über die Zusammenhänge zwischen Steuer und Reklame sich nur auf den Amateur und jene bezieht, die dem Anzeigengeschäft gänzlich fremd gegenüberstehen. Unter ernstgerichteten Propagandisten, die ihr Geschäft auch auf die Zukunft zuschneiden wollen und die in diesem Be- mühen die Anzeige als eine aufbauende Macht anschauen, würde es nahezu als geschäftlicher Selbstmord betrachtet werden, unbegrenzt große Summen, die sich niemals bezahlt machen können, für diese Zwecke zu verausgaben. Gleichgültig aus welchem Grunde und wie er sein Geld für Propagandamaß- nahmen ausgab, stets wird der Anzeigende schließlich die gleiche Frage an sich richten: ,,Was erhielt ich für mein Geld ?" Und er ist auch durchaus berechtigt, diese Frage beantwortet zu erhalten und sich den Erfolg zu veranschaulichen. Unter Berücksichtigung dieser Lage und auch der Tat- sache, daß ein nicht zweckentsprechendes Verausgaben von Geld, gleichgültig unter welchem Vorwande, dem schließlichen Sieg der Reklame entgegenwirkt, haben die weitblickenden Geschäftsleute sich bisher stets geweigert, dem Steuerhinter- zieher zu helfen. Sie haben vielmehr, wo immer sich eine Gelegenheit dazu bot, seine zersetzenden Pläne nach Mög- lichkeit entmutigt. II. Was zuerst - Text oder Bild? Wenn Sie eine Anzeige in einer Zeitschrift oder Zeitung sehen, so haben Sie eine abgeschlossene Arbeit vor sich — in ähnlicher Weise wie ein Gebäude oder ein Theaterstück etwas Fertiges darstellt. Und je besser eine solche Arbeit ausfiel, um so weniger zeigt sie die vorbereitenden Schritte, die zur Vollendung erforderlich waren. Mitunter sieht man ein Gebäude, das geradezu hinauszu- schreien scheint, daß seine Erbauer ihre Absichten während der Errichtung mindestens zehnmal änderten. Und wir alle haben sicherlich Theateraufführungen erlebt, wo der Mecha- nismus des Ganzen sich so deutlich bemerkbar machte, daß man einem der Hauptdarsteller ruhig die Worte in den Mund legen körinte: „Ich weiß es zwar selber nur allzugut, daß ich allen menschlichen Normen ins Gesicht schlage; der Verfasser kann aber sein Problem in keiner andern Weise lösen." In genau der gleichen Weise haben wir alle schon Anzeigen gesehen, wo sich Bild, Schrift und Text in keiner Weise ver- trugen, ja, wo ihre NichtZusammengehörigkeit geradezu offen- sichtlich war. Wenn Sie in einer fremden Stadt die Straßen entlang schlendern, werden Sie mitunter bestimmte Gebäude mehrere Male anschauen mögen. Nachdem die Winterspielzeit vorbei ist, werden Sie auf manche Theaterstücke mit dem geheimen Wunsch zurückblicken, sie nochmals sehen zu können. Es mag Ihnen dabei aber schwer fallen, den Grund dieser Vor- liebe genau erklären zu können. Aber hier und da sehen Sie, wie in diesen Fällen, ein Theaterstück oder ein Gebäude oder eine Anzeige, die so harmonisch und hinsichtlich des Ent- wurfs, der Technik und der Stimmung so befriedigend, so echt in ihrer Einheitlichkeit wirken, daß sie Ihr Auge erfreuen und Ihr Herz erwärmen. — 1 2 — Da erklärlicherweise diese Eigenschaften das Ziel aller Anzeigen sein sollten, ist es nicht müßig, die Wege zu erörtern, die zu einer derartigen Einheitlichkeit führen. Nach dem verheerenden Feuer in London, als die Stadt sich der Frage des Wiederaufbaus gegenübersah, kam man auf den glücklichen Einfall, Sir Christopher Wren die Leitung der Wiederherstellungsarbeiten zu übertragen. Trotzdem nicht alle seine Vorschläge verwirklicht wurden, ist London im Vergleich zu einzelnen Stadtteilen New Yorks doch als durch- aus einheitlich aufgebaut anzusehen. Ist jemand in der Lage, sich eine Anzeige klar zu ver- anschaulichen, ehe eine Zeile geschrieben oder ein Strich gezeichnet wurde, so ist schon ein großer Schritt zur ein- heitlichen Gestaltung getan. Und manch' ein gewissenhafter Propagandist ging folgen- den Weg, um beste Erfolge zu erzielen: Nachdem das erforderliche Material beisammen ist und der Zweck der Anzeige festgelegt wurde, trägt er das Thema, die Idee, einige Tage mit sich herum, ohne den Versuch zu unternehmen, sie bereits in feste Form zu prägen. Allmählich indessen beginnt die Idee Gestalt anzunehmen. Vielleicht ist die Überschrift zuerst da — ein paar Worte oder ein ganzer Satz. Dann offenbart sich ebenfalls allmählich der Geist oder die Atmosphäre der ganzen Anzeige — entweder ein starker tiefgehender Appell oder ein leichtes freundliches Auftreten. Verschiedene Anordnungen werden sich dann dem mit einer natürlichen oder geschulten Phantasie Begabten sofort zeigen. Ein gewissenhafter Propagandist wird sich auch selten mit dem ersten Einfall begnügen. In diesem Stadium, noch ehe irgend etwas schriftlich festgehalten wurde, ist es oft recht vorteilhaft, sich mit Blei- stift und Papier hinzusetzen und sozusagen mit den anstür- menden Gedanken zu spielen. Auch wenn man gar nicht zeichnen kann, so ist es doch möglich, in rohen Skizzen die Anordnung der Anzeige festzuhalten, die einem zumindest die verschiedenen Ausführungsmöglichkeiten seiner Ideen zeigen sollen. Auf diese Weise fangen die Gedanken an, sich zu kristalli- sieren, und man kann bereits in groben Zügen das Bild seiner