ZUR KUNDE SÜDOSTEUROPAS II / 45 Herausgegeben vom Institut für Geschichte der Universität Graz, Fachbereich Südosteuropäische Geschichte und Anthropologie Karl Kaser Karin Almasy Kanon und nationale Konsolidierung Übersetzungen und ideologische Steuerung in slowenischen Schullesebüchern ( 1848 – 1918 ) BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Steiermärkischen Sparkasse, des Landes Steiermark und der Karl-Franzens-Universität Graz. Bibliograsche Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograe; detaillierte bibliograsche Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. © 2018 by Böhlau Verlag Gesellschaft m.b.H & Co. KG, Kölblgasse 8 – 10 , A- 1030 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Theresa Rosinger-Zifko Lektorat: Constanze Lehmann, Berlin Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Wissenschaftlicher Satz: satz&sonders GmbH, Dülmen ISBN 978-3-205-23152-3 Im Gedenken an Erich Prunˇ c Erihu Prunˇ cu v spomin ( 1941 – 2018 ) » Whether we dene our chosen eld as history, translation, history of translation or translation in history, we can work on it in more ways than one, and the insights gained may benet more than one community. « ( Hermans , Theo »Response«, in: Translation Studies, 2012 , 5 / 2 , 242 – 245 , 245 .) INHALT Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1 1 Die Slowenen in der Habsburger Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1 2 Das Übersetzungswesen in der Habsburger Monarchie . . . . . . . . . . . 30 1 3 Übersetzen und die Etablierung einer slowenischen ›Nationalkultur‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Das Schulwesen der Habsburger Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2 1 Politikum seit 1770 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2 2 Die Grundzüge des Schulwesens ab 1848 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2 3 Modernisierung und Politisierung der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2 4 Die neuen Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2 5 Slowenisch in den Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Das Schulbuch und seine historische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3 1 Das Schulbuchwesen und der k. k. Schulbücherverlag . . . . . . . . . . . 91 3 2 Das Staatsmonopol der Approbation: Kanon und Zensur . . . . . . . . . 100 3 3 Die Anthologie Schullesebuch: Hüterin des Kanons . . . . . . . . . . . . . 110 3 4 Die slowenische Sprachentwicklung und das Schulbuch . . . . . . . . . . 123 Ein Blick hinter die Kulissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4 1 Gymnasiallesebücher als ›Gaben am Altar des Vaterlandes‹ . . . . . . . . 142 4 2 Zur Herausgeberschaft der Volksschullesebücher . . . . . . . . . . . . . . . 172 4 3 Zur sozialen Stratikation der AutorInnen und ÜbersetzerInnen . . . 180 Die Translationskultur in slowenischen Schullesebüchern . . . . . . . . . . . . . 187 5 1 Der Anteil von Übersetzungen und die Verteilung nach Textgattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 5 2 Die Unsichtbarkeit von Übersetzungen: Pseudo-Originale . . . . . . . . 203 5 3 Rewriting I: Freie Übernahme am Buffet der Möglichkeiten . . . . . . 222 5 4 Rewriting II: Selbstübersetzungen – Lokalisierungen – freie Nachdichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Ideologische Steuerung durch Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 6 1 Die religiöse und moralische Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 6 2 Kaisertreue-dynastische Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 6 3 Förderung eines nationalen slowenischen Bewusstseins . . . . . . . . . . . 282 6 4 Betonung einer slawischen Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 8 Inhalt In Einklang und Konikt mit der Staatsmacht: Das Approbationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 7 1 Einblicke in den Begutachtungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 7 2 ›Panslavistischer Geist‹ und ›nationale Umtriebe‹: Der Fall Schreiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 7 3 ›Verherrlichung des slowenischen Volkes‹: Der Fall Sket . . . . . . . . . . 352 Rück- und Ausblick: Kaiser, Gott, Heimat und Slawentum durch Übersetzungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Methodik und Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Liste der approbierten slowenischen Schullesebücher ( 1848 – 1918 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 EINLEITUNG In seiner Rede vor dem Krainer Landtag am 12 02 1866 nahm der streitbare Dichter und Politiker Anton Graf Auersperg (alias Anastasius Grün) auf das Ungleichge- wicht zwischen deutscher und slowenischer Sprache und Kultur Bezug, indem er mit einem Hinweis auf das aktuelle slowenische Schulbuchwesen auf die Unzuläng- lichkeit der slowenischen Sprache verwies: Für die Zoologie und Botanik existiert nur ein Lehrbuch, nämlich die Übersetzung nach Pokorny, diese beiden Bändchen umfassend (zwei Bücher vorzeigend), die Mineralogie ist jedoch noch im Ausstande. Es ist aber für den lernbegierigen und namentlich den im Unterrichte in der Selbstbildung weiter vorrücken wollenden Schüler wirklich traurig, im Besitze dieser beiden Bücher sa- gen zu müssen wie der griechische Philosoph: Omnia mea mecum porto. 1 Diese überlieferte Szene, die polemisch dazu verkürzt wurde, Grün hätte sich ab- schätzig über die gesamte slowenische Literatur lustig gemacht, 2 zeigt exemplarisch die Problematik der slowenischen Nationalbewegung, der slowenischen Sprache und der slowenischen Schulbuchproduktion in der zweiten Hälfte des 19 . Jahr- hunderts auf. Es mangelte im Vergleich mit der übermächtigen, voll ausgebauten deutschen Sprache, die als lingua franca und als Bildungs- und Wissenschaftsspra- che fungierte, noch an so manchem. Umso mehr darf deshalb beeindrucken, was für imposante Fortschritte die slowenische Sprachentwicklung in der zweiten Hälfte des 19 . Jahrhunderts bei ihrer ›Aufholjagd‹ gemacht hat. Gleichzeitig verdeutlicht diese Anekdote die große Bedeutung von Übersetzungen, schließlich konnte Grün während seiner Rede nur deshalb überhaupt etwas in seinen Händen halten, weil die ersten slowenischen Schulbücher bereits (nach deutschen Vorlagen) übersetzt worden waren. Dennoch wurden dem Thema Translation in geschichtswissenschaft- lichen Betrachtungen – wenn überhaupt – nur beiläuge Bemerkungen zuteil. Die vorliegende Arbeit soll diesen Missstand beheben und das ansonsten immer nur peri- pher behandelte Phänomen Übersetzen in den Mittelpunkt einer historischen Studie rücken. 1 [»All meinen Besitz trage ich bei mir.«] Zum Kontext dieser Aussage und der umstrittenen Persönlichkeit des berühmten Krainer Dichters allgemein, der in deutschen Lesebüchern der Monarchie prominent vertreten ist, von slowenischer Seite allerdings als ›Renegat‹ und Ab- trünniger gebrandtmarkt wurde, vgl.: Miladinovi ́ c Zalaznik , Mira, »Anastasius Grün und das Vereinte Slowenien«, in: Kakanien revisited 2008 , 1 – 8 , 6 . Vgl. dazu auch schon: Prun c , Erich, »Hegemoniale und emanzipatorische Übersetzungsstrategien«, in: Snell-Hornby, Ka- dri ́ c (Hg.) 2011 – Die Multiminoritätengesellschaft , 83 – 97 , hier: 89 – 92 . Abdruck der gesamten Rede »Gleichberechtigung der slowenischen Sprache II«, in: Castle , Eduard, Anastasius Grüns Werke 6 , Berlin, Leipzig, Stuttgart 1909 , 247 2 N. N. , »Grof Anton Auersperg †«, in: Slovenski narod, IX/ 210 , 14 . September 1876 10 Einleitung Damit wird ein Spagat zwischen zwei Themen versucht, die bislang nicht bzw. kaum gemeinsam untersucht worden sind. Mehr noch handelt es sich dabei um zwei Themenfelder, die primär im Interessens- und Forschungsbereich von zwei recht unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen liegen. Zum einen wird die Rolle und Wirkkraft von Übersetzungen untersucht, der Objektbereich der Translationswis- senschaft. Zum anderen geht es aber um jene komplexen, ineinander verzahnten und manchmal auch divergierenden Prozesse, die in der Habsburger Monarchie der zweiten Hälfte des 19 . Jahrhunderts zur Herausformung der slowenischen Natio- nalbewegung, der Etablierung einer kollektiven nationalen Identikationskategorie, einer damit einhergehenden kulturellen, sprachlichen und literarischen Aufholjagd geführt haben und als Konsolidierungs- und Modernisierungsprozesse beschrieben werden können. Damit wird der Drahtseilakt versucht, das Augenmerk auf et- was zu richten, das grundsätzlich nicht im Fokus dieser beiden Disziplinen steht. Weder interessiert sich die Historikerzunft in der Regel brennend für Transla- tion oder reektiert viel über das Manipulations- und Gestaltungspotential von Sprache und Übersetzung in den von ihnen beforschten Prozessen noch stehen Geschichte und historische Fragestellungen – und schon gar nicht Themen der slowenischen Schulgeschichte der Habsburger Monarchie – in der Translationswis- senschaft auf Platz 1 der gängigen Forschungsthemen. Ein translationshistorisches Thema aus der slowenisch-deutschen Kulturgeschichte des 19 . Jahrhunderts ben- det sich also gewissermaßen doppelt an der Peripherie. Gerade aber durch diesen interdisziplinären translationshistorischen Zugang zu einem scheinbar peripheren Thema kann – so meine Hoffnung – beiden Disziplinen Neues beigesteuert wer- den. Der konkrete Objektbereich sind dabei slowenische Übersetzungen in einem ent- scheidenden kultur- und identitätsverfestigenden Feld des 19 . Jahrhunderts: dem Schulwesen, genauer gesagt dem Schulbuch, jenem Medium, in dem sich das Schul- wesen schriftlich manifestierte. Durch Schulbücher ist nämlich – so die erste arbeits- leitende These – der Werte-, Themen-, Wissens- und Literaturkanon rekonstruier- bar, der zu einem gewissen Zeitpunkt in einer gewissen Gesellschaft dominant war. Das anthologiegleiche Lesebuch, jene Schulbuchart, die hier im Fokus steht, bie- tet durch seinen universellen, enzyklopädischen Charakter einen guten Überblick über die inhaltliche Ausrichtung und ideologische Erziehung ganzer Generationen junger SlowenInnen. Durch die große Bandbreite der darin vertretenen Textsorten und Inhalte, die weite Verbreitung und die große innovative und sprachnormierende Strahlkraft, die von ihm ausging, ist das Schullesebuch nämlich im Stande, einen Überblick über weite Teile der damaligen – literarischen und fachlichen, übersetzten wie originären – slowenischen Textproduktion zu geben. Dabei war das Schullese- buch nicht nur passiver Repäsentationsort eines bestimmten, bereits feststehenden Kanons an Themen, Werten und literarischen Texten; nein: Das Schullesebuch war die dynamische Arena von Ausverhandlungsprozessen darüber, welche vermittel- ten Wissensinhalte, Werte, ästhetischen Normen, historischen Gedächtnisorte und Einleitung 11 literarischen Standards tradiert wurden. Wenn also ein Medium eine gewisse Reprä- sentativität für die gesamte slowenische Textproduktion im Untersuchungszeitraum 1848 – 1918 beanspruchen kann, dann ist dies das Schullesebuch. Eingeschränkt wird diese Repräsentativität lediglich dadurch, dass es sich um eine staatlich kontrollierte Textsorte handelte und den Herausgebern bei der Erstellung stets klar war, dass ge- wisse staatliche Vorgaben – so schwammig und allgemein diese auch gewesen sein mögen – eingehalten werden mussten. Private AutorInnen und privatwirtschaftlich verlegte Werke konnten sich deshalb sicherlich in einem etwas exibleren Rahmen bewegen, erreichten aber gleichzeitig nicht die weite Verbreitung von Schulbüchern. Dadurch wird gleich ersichtlich, dass die sozialen, ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen bei diesem Thema unbedingt mituntersucht werden müs- sen. Das Slowenische war Mitte des 19 . Jahrhunderts, wie wir bereits gehört ha- ben, noch ungenügend ausgebaut. Binnen weniger Jahrzehnte kam es zu enormen Bemühungen um Kodizierung, Ausbau und Normierung. Dabei spielten Überset- zungen eine entscheidende Rolle: Durch Übersetzungen kam es zu Wissenstransfer, der Herausformung gewisser Textgenres und dem Ausbau eines wissenschaftlichen Wortschatzes. Auch im Schullesebuch war ein großer Teil der Texte Übersetzun- gen. Deshalb drängt sich der Verdacht auf – so die zweite arbeitsleitende These –, dass Übersetzungen bei all diesen Prozessen der sprachlichen Konsolidierung, der literar-ästhethischen und thematischen Kanonbildung, bei der Verfestigung kollekti- ver Identitätsdiskurse und der Erziehung, Belehrung und ideologischen Ausrichtung der Jugend durch das Schullesebuch von entscheidender Bedeutung waren. Forschungsfragen Die sich aufdrängenden Forschungsfragen können in zwei große Themenfelder unterteilt werden. Das erste Themenfeld ist die Frage danach, wie sich die über- setzerische Praxis in slowenischen Schullesebüchern gestaltete und welche Trans- lationskultur in ihnen vorherrschte. In welcher Quantität traten Übersetzungen in Schullesebüchern auf und in welchem Verhältnis standen sie zu slowenischen Ori- ginaltexten? Wie ächendeckend standen sie in Gebrauch und spielten dadurch bei der Erziehung der Jugend eine Rolle? Aus welchen Sprachen und nach welchen Vor- lagen wurde übersetzt? Häuften sich Übersetzungen bei bestimmten Textsorten oder Genres? Verminderte sich der Prozentsatz an Übersetzungen in Schullesebüchern im Laufe des Zeitraums 1848 – 1918 , da alle relevanten sprachlichen Funktionsanwen- dungen mehr und mehr im Slowenischen selbst verrichtet werden konnten? Und nicht zuletzt: Welcher Umgang herrschte bei der Kenntlichmachung von Überset- zungen vor? Wurde Translation thematisiert und offen dargelegt (durch Kennt- lichmachung und Nennung von Ausgangstext, Ausgangstextsprache, -autor und ÜbersetzerIn) oder schlicht und ergreifend übergangen, ›verheimlicht‹ und Über- setzungen als Originale ausgegeben? Die vorliegende Arbeit will dabei an das von 12 Einleitung Erich Prunˇ c erarbeitete Konzept der Translationskultur 3 anknüpfen und durch eine konkrete, zeitlich und räumlich verortete Fallstudie seine Anwendbarkeit und Rele- vanz für die translationsgeschichtliche Forschung zeigen. Das zweite große Themenfeld umfasst Fragestellungen nach der ideologischen Steuerung in Schullesebüchern und dem Beitrag von Übersetzungen dazu. In ei- ner erklärenden Fußnote in einem frühen Volksschullesebuch ( 1855 ) empfahl das Ministerium für Cultus und Unterricht diesbezüglich nämlich, dass in der Schule »das Herz der Schüler für Gott und den Glauben, für Kaiser und Heimat ent- facht und für Wahrheit und Gerechtigkeit erwärmt werden« solle. 4 Welche Werte wurden also implizit oder explizit durch das slowenische Schullesebuch vermittelt? Wurden durch Übersetzungen bzw. die getroffene Vorauswahl und die angewand- ten Übersetzungsstrategien religiöse und/oder nationale und /oder habsburgtreue Werte vermittelt und hat sich dadurch eine nationale slowenische Gruppenidenti- tät verfestigt? Sind diesbezüglich Veränderungen im Zeitraum bemerkbar? Nahm etwa das religiöse Element im behandelten Zeitraum ab und das nationale Ele- ment proportional zu? Fungierten christliche Morallehre und Wertvorstellungen als Raster für Eingriffe, Streichungen, Textauswahl und Änderungen? Kam in ihnen die habsburgische Meistererzählung zum Ausdruck und wie werden die Slowenen darin dargestellt? Leisteten Übersetzungen in Schullesebüchern einen Beitrag zur Konstruktion der bis heute wirkmächtigen nationalen slowenischen Meistererzäh- lung? Wurde durch Übersetzungen ein Bewusstsein der Zugehörigkeit zur großen ›Slawenfamilie‹ propagiert oder – im Gegenteil – unterdrückt? Wurden politisch- kulturelle Ideologeme wie Illyrismus, Austroslawismus oder gar Panslawismus im- plizit oder explizit thematisiert? Kamen Herausgeber, Verfasser von Lesetexten und Übersetzer in Konikt mit den Vorschriften des Genehmigungsverfahrens? Ist es zu Zensierungen gekommen, und wenn ja, wieso? Wurde bestimmten Schulbüchern gar die Genehmigung verweigert? Welche Rolle spielten die einzelnen Akteure bei der ideologischen und ästhetischen Ausrichtung der jeweiligen Lesebücher und wie viel Handlungsspielraum hatten sie dabei? Durch die Fokussierung auf die Rolle von Übersetzungen bei all diesen Prozessen der ideologischen Steuerung soll der Geschichtswissenschaft, insbesondere den habsburg studies , ein hoffentlich gang- barer neuer Weg aufgezeigt werden, wie man sich durch das Thema Translation Fragestellungen zu Nationalisierungs- und Mobilisierungsprozessen der breiten Ge- sellschaftsschichten annähern und dadurch zu neuen Erkenntnissen gelangen kann. 3 Prun c , Erich, »Zur Konstruktion von Translationskulturen«, in: Schippel (Hg.) 2008 – Trans- lationskultur , 19 – 42 4 Originalwortlaut: »[...] naj se v šoli [...] serce uˇ cencov oživi za Boga in véro, za cesarja in do- movino; za resnico in pravico ogreje«, in: Slomek , Anton, Veliko berilo in pogovorilo za vajo uˇ cencov drugega odreda , Wien 1855 , 1 Einleitung 13 Forschungsstand der Schulbuchforschung Schulbücher als Quelle für Identitätskonstruktionen und v. a. Geschichtsbilder und -diskurse heranzuziehen, ist keine ganz neue Idee, was man an der Formierung des Feldes der Schulbuchforschung sehen kann. Federführend ist dabei das Georg- Eckert-Institut für Schulbuchforschung in Braunschweig, das sich ganz dem Schulbuch widmet, wobei neben vielen aktuellen, anwendungsbezogenen, pädagogischen For- schungsfragen und internationalen Seitenblicken ein starker deutscher Fokus auszu- machen ist. 5 Außerdem bestand zwischen 1977 und 1991 ein Institut für Schulbuch- forschung in Duisburg und ist bis heute die Internationale Gesellschaft für historische und systematische Schulbuchforschung in Augsburg aktiv. Schulbücher werden auch für die Beantwortung fachdidaktischer oder medienwissenschaftlicher Forschungsfra- gen herangezogen. Für die vorliegende Arbeit ist aber sicherlich am wichtigsten, dass Schulbücher wichtiges historisches Quellenmaterial für die Aufarbeitung kon- kreter historischer Settings darstellen, wobei der Versuch der Werterziehung durch Schulbücher, also Schulbücher als Herrschaftsinstrumente, und Schulbücher als »historische Dokumente des ›kollektiven Gedächtnisses‹« im Mittelpunkt stehen. 6 Es verwundert kaum, dass für LiteraturwissenschafterInnen und GermanistInnen respektive SlawistInnen der Literaturkanon von primärem Interesse ist, 7 während HistorikerInnen gerne den durch Schulbücher vermittelnden Geschichts kanon bzw. 5 Vgl. den Online-Auftritt des Instituts unter www.gei.de (letzter Zugriff: 14 02 2018 ) sowie exemplarisch für die von ihm herausgegebenen Publikationen: Meissner , Andrea, Die Na- tionalisierung der Volksschule. Geschichtspolitik im Niederen Schulwesen Preussens und des deutsch- sprachigen Österreich, 1866 bis 1933 / 38 Bd. 38 , Berlin 2009 ; Teistler , Gisela, »Schulbücher als bildungsgeschichtliche Quellen: das Beispiel der Fibel«, Dissertation 6 , Braunschweig 2007 ; Zo- lyan , Mikayel / Zakaryan , Tigran, »›We Are a Small Nation, but ...‹. The Image of the Self, the Image of the Other, and the Image of the Enemy in School Text Books about Armenia«, in: Eckert. Beiträge 2010 , 2010 / 6 ; Clemen , Martina, »Im Spannungsfeld von Regionalismus und nationaler Identität. Zur Deutung und Vermittlung von Geschichte in katalanischen Schulbü- chern«, in: Journal of Educational Media, Memory, and Society 2011 , 3 / 2 , 113 – 136 6 Wiater , Werner, Das Schulbuch als Gegenstand pädagogischer Forschung , Augsburg 2003 , 8 und für das österreichische Schulbuch im 18 . Jahrhundert: Jaklin , Ingeborg, Das österreichische Schulbuch im 18 . Jahrhundert. Aus dem Wiener Verlag Trattner und dem Schulbuchverlag 3 , Wien 2003 7 Korte , Hermann/ Zimmer , Ilonka, Das Lesebuch 1800 – 1945 . Ein Medium zwischen literari- scher Kultur und pädagogischem Diskurs; Vorträge des 2 . Siegener Symposions zur Literaturdidakti- schen Forschung 3 , Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien 2006 ; Samide , Irena, Nemška književnost v gimnazijah na Slovenskem od 1848 do 1918 = »Deutsche Li- teratur in Gymnasien auf dem slowenischen ethnischen Gebiet von 1848 bis 1918 «, Dissertation , Ljubljana 2012 ; Dies. , »Für Gott, Kaiser und Vaterland: (Literatur-)Unterricht im Ersten Weltkrieg«, in: Hess-Lüttich (Hg.) – Wendepunkte in der Kultur , 66 – 80 ; Boži c , Zoran, Slovenska literatura v šoli in Prešeren , Ljubljana 2010 . Für die tschechischen Schulbücher: Newerkla , Stefan, »Die Rolle der russischen und anderer Literaturen im Lektürekanon tschechischer Mittelschulen in der zweiten Hälfte des 19 . Jh. bis zum Ende der Habsburgermonarchie«, in: Averints ͡ ev, Besters-Dilger (Hg.) 2007 – Wort, Geist , 337 – 366 14 Einleitung Geschichtsbilder, Hetero- und Autostereotype und die Nieder-, Weiter- und Um- schreibung der eigenen nationalen Meistererzählung untersuchen. Für slowenische Schulbücher aus der Habsburger Monarchie der zweiten Hälfte des 19 . Jahrhun- derts haben dies bislang Charles Jelavich und Ernst Bruckmüller, wenngleich nur kursorisch, getan. 8 Dafür gibt es bereits einige Befunde zum Schulbuch in Galizien 9 sowie zu den Geschichtskonzeptionen in rumänischen und polnischen Schulbü- chern. 10 Das bisherige Interesse galt also verschiedenen Aspekten der Kanonbildung und Identitätskonstruktion, nicht aber dem Beitrag von Übersetzungen zu ebendie- sen. 11 Für Übersetzungen in naturwissenschaftlichen und anderen monographischen slowenischen Schulbüchern, vor allem in Hinblick auf den Ausbau einer Terminolo- gie, wurde kürzlich eine erste Studie vorgelegt. 12 Mit Übersetzungen in slowenischen Schullesebüchern aus dem gesteckten Untersuchungszeitraum hat sich allerdings bis- lang noch niemand beschäftigt – eine Forschungslücke, die geschlossen werden wollte. Aufbau der Arbeit Im einleitenden Kapitel 1 wird zunächst ein kurzer historischer Abriss über die Geschichte ›der Slowenen‹ und ›der Deutschen‹ im gemeinsamen Raum und Vor- stellungen von Nation, Nationalität und supranationalen slawischen Ideologemen gegeben. Ebenso wird das Konzept der Translationskultur umrissen und ein kur- zer Streifzug durch die zweite Hälfte des 19 . Jahrhunderts unternommen, um die Stellung von Translation in der Habsburger Monarchie und die vorherrschenden 8 Jelavich , Charles, South Slav Nationalisms. Textbooks and Yugoslav Union before 1914 , Colum- bus 1990 ; Bruckmüller , Ernst, »Patriotic and National Myths. National Consciousness and Elementary School Education in Imperial Austria«, in: Cole, Unowsky (Hg.) 2009 – The Limits of Loyalty , 11 – 35 .. 9 Moser , Michael, ›Ruthenische‹ (ukrainische) Sprach- und Vorstellungswelten in den galizischen Volksschullesebüchern der Jahre 1871 und 1872 Bd. 2 , Wien, Berlin 2007 ; Ders. , »›Ruthenische‹ (ukrainische) Volksschullesebücher der galizischen Volkstümler (›Narodovci‹)«, in: Aloe (Hg.) 2008 – Die slavischen Grenzen Mitteleuropas , 149 – 166 ; Hofeneder , Philipp, »Galizisch-ruthe- nische Schulbücher in der Zeit von 1848 – 1918 sprachliche Konzeption und thematische Ausrichtung«, Dissertation , Wien 2009 10 Kührer , Florian, Zwischen Rom, Konstantinopel und Moskau. Rumänien und seine europäischen Hauptstädte in den Geschichtslehrbüchern ( 1947 – 2006 ) , Wien 2008 ; Lindenbauer , Petrea, »Dis- cursive Practice in Bukovina Textbooks: Aspects of Hegomony and Subordination«, in: Rindler Schjerve (Hg.) 2003 – Diglossia and Power , 233 – 270 ; Piwko , Rudolf, »Das Thema der Teilungen Polens in russischen und polnischen Schulgeschichtsbüchern in der ersten Hälfte des 20 . Jahrhunderts. Schulhistorie zwischen Wissenschaft und Geschichtspolitik«, Dissertation , Berlin 2002 11 Als einzige mir bekannte Ausnahme, vgl.: Ka ́ zmierczak , Marta, »Translated Literature: In and Out of the School Canon«, in: Skibi ́ nska, Heydel et al. (Hg.) 2015 – La voix du traducteur , 77 – 108 12 Žigon , Tanja / Almasy , Karin / Lovin , Andrej, Vloga in pomen prevajanja uˇ cbenikov v 19 . sto- letju: Kulturnozgodovinski in jezikovni vidiki , Ljubljana 2017 Einleitung 15 Übersetzungsnormen und Meinungen über Translation in der slowenischen Öffent- lichkeit abzustecken. In Kapitel 2 wird das Schulwesen der Habsburger Monarchie beleuchtet und da- bei besonderes Augenmerk auf die Verhältnisse der von Slowenen besiedelten Kron- länder gelegt. Thematisiert werden dabei das Verhältnis zwischen Kirche und Staat, die Zurückdrängung des kirchlichen Einusses im Schulwesen, das noch vorwiegend ständisch geprägte Schulwesen vor 1848 , die durch die Revolution eingeläuteten Schulreformen von 1848 / 49 und 1869 , die Modernisierung des Schulwesens und die neuen Schulformen, die Professionalisierung des Lehrberufes sowie die Frage nach der Unterrichtssprache und dem Unterrichtsgegenstand Slowenisch. In Kapitel 3 folgt sodann ein detaillierter Überblick über das Schulbuchwesen der Habsburger Monarchie: Nach einem kurzen Überblick zur Schulbuchproduktion in vorrevolutionärer Zeit werden vor allem die moderne Schulbuchproduktion nach 1848 , die Rolle des k. k. Schulbücherverlages und die Quantitäten der Schulbuch- produktion ins Auge gefasst. Auch wird die besondere sprachnormierende Wirkung für das Slowenische, die vom Schulwesen und dem Medium Schulbuch ausging, besprochen. Schließlich wird auch der eigentliche Untersuchungsgegenstand, das Lesebuch, knapp umrissen. Gemäß der translationssoziologischen Prämisse »Study translators, then texts« 13 , wird in Kapitel 4 zunächst der Blick auf die Akteure der Schullesebuchproduktion und den soziologischen, politischen und institutionellen Hintergrund gerichtet. Ge- schildert wird dabei ausführlich die Entstehungsgeschichte der ersten Gymnasialle- sebücher, die Pionierarbeit der Herausgeber und die zu überwindenden Hindernisse. Ebenso wird ein Überblick über die Akteure der Volksschullesebuchproduktion ge- geben und schließlich die AutorInnen und ÜbersetzerInnen der Lesetexte und ihr beruflicher Hintergrund in Augenschein genommen. Im Kapitel 5 wird der Versuch einer Gesamtschau über die Translationskul- tur im slowenischen Schullesebuch unternommen. Nach einem Überblick über die Ergebnisse einer großen stichprobenartigen, quantitativen Analyse zu den Vertei- lungsverhältnissen von Übersetzungen in den slowenischen Gymnasiallesebüchern nach Genres, Ausgangssprachen etc. wird in Folge versucht, die charakteristischen Merkmale der Translationskultur im slowenischen Schullesebuch zu erfassen und mit repräsentativen Beispielen zu illustrieren. Dabei wird vor allem auf die Frage der (Un-)Sichtbarkeit von Übersetzungen und auf den großen Bereich der ›freien‹ Übersetzungen und des Rewritings eingegangen. Im Kapitel 6 wird versucht, die zweite große Forschungsfrage – wie Übersetzun- gen bei der ideologischen Steuerung der Schuljugend mithalfen – zu beantworten. Die Unterkapitel sind dabei den einzelnen identizierten Stoßrichtungen ideolo- gischer Steuerung in Lesebüchern vorbehalten: der religiös-moralisch christlichen 13 Pym , Anthony, »Humanizing Translation History«, in: Hermes – Journal of Language and Com- munication Studies 2009 , 42 , 23 – 48 , 30 16 Einleitung Belehrung, der Vermittlung von Kaisertreue, der Förderung eines nationalen Be- wusstseins und der Betonung einer gesamt-slawischen Verbundenheit. Auch hierbei wurde versucht, mit vielen Beispielen den Beitrag von Übersetzungen in den jewei- ligen Bereichen zu illustrieren. In Kapitel 7 wird letztendlich auf Grundlage bislang unveröffentlichter Archiv- materialien v. a. aus der Zeit vor und während des Ersten Weltkrieges und anhand zweier ausführlicher Fallstudien illustriert, wann und warum gewisse (auch durch Übersetzungen transportierte) Inhalte in Widerspruch zur habsburgischen Staats- idee treten konnten und im Approbationsverfahren beanstandet und teilweise sogar zensiert wurden. In diesem Kapitel wird ein Blick hinter die Kulissen der Schul- buchproduktion gewährt, die Denkweise staatlicher Stellen nachvollzogen, mit der Sichtweise lokaler Akteure kontrastiert und versucht, das Thema Übersetzungen und die ideologische Steuerung in slowenischen Lesebüchern aus der Sicht der staatli- chen Behörden zu begreifen. Abschließend werden die gezogenen Schlüsse zur Translationskultur und zur ideologischen Steuerung im slowenischen Schullesebuch in einem Fazit zusammen- gefasst. Im Anhang nden die interessierten LeserInnen zudem Erläuterungen zu den herangezogenen Quellen und dem methodischen Vorgehen, eine tabellarische Auflistung aller approbierten slowenischen Lesebücher im Zeitraum 1848 bis 1918 sowie ein Verzeichnis der benutzten Primärquellen und der Sekundärliteratur. Sprachgebrauch Der besseren Lesbarkeit wegen wird in dieser Arbeit von ›den Slowenen‹ und ›den Deutschen‹ die Rede sein. Dieser benutzte generische Plural soll aber keinesfalls im- plizieren, dass die Vorstellung monolithischer, gar ethnisch getrennter oder ›rassisch‹ determinierter ›Völker‹ vertreten wird, zumal ich in vorhergehenden Arbeiten be- reits ausführlich auf die Konstruiertheit dieser kollektiven Identikationskategorien und ihre sozial-situativen Bedingtheit hingewiesen und damit meinen Zugang zur Thematik hinlänglich dargelegt habe (vgl. dazu auch Kapitel 1 1 ). 14 Generell halte ich mich außerdem an den zeitgenössischen Sprachgebrauch der Quellen: Begriffe 14 Vgl. dazu: Almasy , Karin, Wie aus Marburgern »Slowenen« und »Deutsche« wurden. Ein Bei- spiel zur beginnenden nationalen Differenzierung in Zentraleuropa zwischen 1848 und 1861 16 , Graz 2014 ; Dies. , »Die nationale Frage und die Schule: Maribor/Marburg zwischen 1848 und 1861 «, in: Heppner, Miladinovi ́ c Zalaznik (Hg.) 2015 – Provinz als Denk- und Lebensform , 251 – 266 Einleitung 17 wie ›deutsch‹ 15 oder ›Mittelschule‹ 16 werden so gebraucht, wie sie im Betrachtungs- zeitraum 1848 bis 1918 verstanden wurden, auch wenn ihre Bedeutung heute eine völlig andere ist. Für die bessere Lesbarkeit werden Ortsbezeichnungen im gemischt besiedelten Gebiet, von dem hier die Rede ist, nur bei der ersten Nennung zwei- bzw. mehrsprachig und in Folge einsprachig angeführt, und zwar bei Orten im heu- tigen Österreich auf Deutsch, bei Orten im heutigen Slowenien auf Slowenisch, bei Orten im heutigen Kroatien auf Kroatisch usw. Also spreche ich im Folgen- den von Ljubljana und Celje, Klagenfurt und Graz, Trieste und Rijeka, Praha und Lwiw, ohne dass damit national-homogenen Ansprüchen Vorschub geleistet wer- den soll. Geschlechtergerechte Sprache wird in jenen Fällen verwendet, in denen festgestellt werden konnte, dass auch Frauen mitgewirkt haben. Allerdings war das Verfassen und Übersetzen von Lesetexten sowie der Besuch höherer Schulen in über- wältigender Mehrheit und die Herausgabe von slowenischen Schullesebüchern, das Verfassen von slowenischen Schulbüchern, die Tätigkeit als Gutachter, Gymnasial- professor sowie eine (höhere) Beamtenlaufbahn in einer Schulbehörde ausschließlich ›Männersache‹, weshalb in diesen Fällen nur die männliche Form gebraucht wird. Der Fußnotenapparat ist einigermaßen umfangreich, weil er mehrere Zwecke er- füllen muss: Neben Hinweisen auf weiterführende Literatur und Belegen aus der Fachliteratur und den Quellen, werden bei Direktzitaten auch die slowenischen Ori- ginalwortlaute angegeben. Wenn nicht anders angegeben, stammen deren Überset- zungen von mir. Dadurch ist die Arbeit auch LeserInnen ohne Slowenischkenntnisse zugänglich. Die zweisprachigen Übersetzungsanalysen sind so formuliert, dass man ihnen auch ohne Slowenischkenntnisse folgen kann. Slowenische Personen- und Ei- gennamen werden in der Regel auf Slowenisch wiedergegeben; bei Direktzitaten aus Quellen können aber auch deren deutsche Entsprechungen auftauchen (z. B. Hein- rich statt Henrik Schreiner). 15 Die sowohl Fremd- als auch Eigenbezeichnung der deutschsprachigen BewohnerInnen der Monarchie war ›Deutsche‹; ›österreichisch‹ bezog sich auf alle StaatsbürgerInnen der Mon- archie. Der Begriff ›österreichisch‹ verfestigte sich in seiner nur auf das heutige Österreich beziehenden Dimension erst nach dem Zweiten Weltkrieg. In vorliegender Arbeit sind mit ›Deutsche‹ also nicht die BewohnerInnen Deutschlands gemeint, sondern alle, die sich im 19 . Jahrhundert selbst als solche bezeichneten, im innermonarchischen Kontext also die deutschsprachigen BewohnerInnen der Monarchie. 16 Der Begriff ›Mittelschule‹ bezeichnete eine Vollform der Sekundarstufe und wurde erst 1962 durch den Begriff der ›höheren Schule‹ abgelöst, entspricht also nicht der heutigen Mit- telschule für 10 - bis 14 -Jährige, sondern bezeichnete historisch alle Schulformen zwischen Volksschule und Universität (z. B. Gymnasien und Realschulen). 18 Einleitung Dankesworte Bei vorliegendem Werk handelt es sich um meine gründlich überarbeite und ge- kürzte Doktorarbeit, die ich 2017 unter der Betreuung von Erich Prunˇ c und Tanja Žigon am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft an der Universität Graz zum Abschluss brachte. Als Doktorandin ist man, wie die meisten wissen, über weite Strecken (v. a. während langer Archivaufenthalte) Ein- zelkämpferin und auf sich selbst gestellt. Umso mehr gilt es, den UnterstützerInnen dieser Forschungsarbeit herzlichen Dank auszusprechen. Ich bedanke mich zunächst bei der Steiermärkischen Sparkasse für die Gewährung des JungforscherInnen-Prei- ses, durch welchen ich die Dissertation in Ruhe abschließen konnte. Ebenso bedanke ich mich beim Land Steiermark, der Universität Graz und dem Universitätsrat der Universität Graz für die Gewährung von Druckkostenzuschüssen. Des Weiteren gilt mein Dank Karl Kaser, der mir die Publikation in seiner Reihe des Böhlau- Verlages ermöglichte, sowie dem Verlag selbst. Bei der mehrjährigen Forschungs- arbeit, die zu dieser Publikation führte, wurde ich maßgeblich von fünf wichtigen Menschen begleitet, denen ich hierfür meinen herzlichen Dank ausprechen will: Ich danke zunächst Martin Sauerbrey und Theresa Rosinger-Zifko für die private Un- terstützung und Tanja Žigon für ihre freundschaftliche und sachlich-kompetente Begleitung durch diese Arbeit. Ebenso bedanke ich mich bei Theodor Domej für seine liebenswürdige Hilfestellung und ständige Gesprächsbereitschaft zu allen Fra- gen der österreichischen und slowenischen Schulgeschichte. Zu guter Letzt gilt mein aufrichtiger Dank Erich Prunˇ c, dem großen Pionier der österreichischen und slowe- nischen Translationswissenschaft, für seine umsichtige Betreuung und Begleitung dieser Forschungsarbeit. Dafür, dass er mich in seinen späten Jahren noch auf die- sem Weg begleitete und meine Begeisterung für dieses Thema teilte, ist ihm dieses Buch gewidmet. 1. GRUNDLAGEN 1.1 Die Slowenen in der Habsburger Monarchie Es scheint fast unausweichlich, in einem Buch wie diesem – schon alleine um eine bessere Lesbarkeit zu gewähren – von ›den Slowenen‹ und ›den Deutschen‹ zu sprechen. Auch wenn es dieser benutzte generische Plural fast zwangsläug impli- ziert, soll damit aber nicht die Vorstellung monolithischer, gar ethnisch getrennter oder ›rassisch‹ determinierter ›Völker‹ vertreten werden. Über ihr Zusammenleben »im gemeinsamen Raum« 1 ist bereits sehr viel geschrieben worden, leider oft unter nationalen Vorzeichen, d. h. aus einer klar denierten ›deutschen‹ oder ›sloweni- schen‹ Perspektive. Vor allem in populärwissenschaftlichen Publikationen, der älte- ren deutschsprachigen und slowenischen Geschichtswissenschaft oder in oberächli- chen historischen Überblickskapiteln nicht-geschichtswissenschaftlicher Werke n- det man auch heute noch gerne dichotome nationale Glorizierungen der eigenen und Dämonisierungen der anderen nationalen Gruppe, da ›Identität‹ als dynami- sche Kategorie besonders in Akten der Abgrenzung gut sichtbar wird. Die nationale slowenische Meistererzählung – master narrative sei an dieser Stelle als »die in ei- ner kulturellen Gemeinschaft zu einer gegebenen Zeit dominante Erzählweise des Vergangenen« 2 deniert – braucht deshalb ›die Deutschen‹ als Gegensatz, als ›das Andere‹, von dem sie sich abgrenzen will. 3 Umgekehrt verfestigten sich auch die nationalen deutschen Identitäten in Abgrenzung zu ihren romanischen oder slawi- schen Nachbarn. 4 Das Verhältnis zu den Nachbarn wird deshalb als unaufhörlicher Antagonismus, mehr als Kampf denn als friedliches Miteinander dargestellt. Des- 1 Ein erschöpfender Überblick über den Forschungsstand kann an dieser Stelle nicht gegeben werden, exemplarisch seien nur folgende Sammelbände genannt: Heppner , Harald, Slowenen und Deutsche im gemeinsamen Raum. Neue Forschungen zu einem komplexen Thema Bd. 38 , Mün- chen 2002 ; Rozman , Franc, Sosed v ogledalu soseda. Od 1848 do danes; prvo zasedanje slovensko- avstrijske zgodovinske komisije, Bled 9 .– 12 11 1993 = Der Nachbar im Spiegelbild des Nachbarn , Ljubljana 1995 ; Bister , Feliks / Vodopivec , Peter, Kulturelle Wechselseitigkeiten in Mitteleuropa. Deutsche und slowenische Kultur im slowenischen Raum von Anfang des 19 . Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg , Ljubljana 1995 2 Jarausch , Konrad / Sabrow , Martin, »›Meistererzählung‹ – Zur Karriere eines Begriffs«, in: Jarausch, Sabrow (Hg.) 2002 – Die historische Meistererzählung , 9 – 32 , 17 3 Štih , Peter, »Slovenske predstave o slovensko-nemških odnosih v srednjem veku«, in: Studia Historica Slovenica: ˇ casopis za humanistiˇ cne in družboslovne študije 2001 , 1 / 2 , 313 – 326 , 319 . Vgl. auch: Vilfan , Sergej, »Slovenci – kmeˇ cki narod?«, in: Filozofska fakulteta v Ljubljani 1993 – SSJLK: Zbornik predavanj , 229 – 243 und Štih , Peter, »Miti in stereotipi v podobi starejše slovenske nacionalne zgodovine«, in: Zbornik 33 2006 , 25 – 47 4 Ko ralka , Jiˇ ri, »Deutschtum und Deutschnationalismus in Österreich vor 1918 «, in: Rumpler (Hg.) 1981 – Kärntens Volksabstimmung 1920 , 77 – 89 ; Wiwjorra , Ingo, Der Germanenmy- thos. Konstruktion einer Weltanschauung in der Altertumsforschung des 19 . Jahrhunderts , Darmstadt 2006