© 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Herrschaft und soziale Systeme in der Fr ü hen Neuzeit Band 25 Herausgegeben im Auftrag des Arbeitskreises Milit ä r und Gesellschaft in der Fr ü hen Neuzeit e. V. von Matthias Asche, Horst Carl, Marian F ü ssel, Bernhard R. Kroener, Stefan Kroll, Markus Meumann, Ute Planert und Ralf Pr ö ve © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Kaspar von Greyerz / Andr 8 Holenstein / Andreas W ü rgler (Hrsg.) Soldgesch ä fte, Klientelismus, Korruption in der Fr ü hen Neuzeit Zum Soldunternehmertum der Familie Zurlauben im schweizerischen und europ ä ischen Kontext Mit 3 Abbildungen V & R unipress © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þ ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-1574 ISBN 978-3-7370-0859-4 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erh Ð ltlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterst þ tzung durch den Swisslos-Fonds Kanton Aargau. Redaktion: Tobias Berger Der vorliegende Band erscheint im Zusammenhang mit dem Abschluss der Edition der Acta Helvetica der Familie Zurlauben. Die Sammlung wird in K þ rze online zug Ð nglich sein unter: http://kbaargau.visual-library.de/ 2018, V & R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 G ç ttingen / www.v-r.de Dieses Werk ist als Open-Access-Publikation im Sinne der Creative-Commons-Lizenz BY-NC-ND International 4.0 (»Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen«) unter dem DOI 10.14220/9783737008594 abzurufen. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/. Jede Verwertung in anderen als den durch diese Lizenz zugelassenen F Ð llen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: »Diebold Schilling-Chronik 1513«, Eigentum Korporation Luzern, (Standort: ZHB Luzern, Sondersammlung). Aus einer Luzerner Ratsstube tragen die Eidgenossen in ihren H þ ten das Geld heraus, das ihnen der franz ç sische Botschafter Antoine de Baissey f þ r den Dienst in Italien bezahlte (um 1495). S. auch S. 291. © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Inhalt Teil I: Einleitung Kaspar von Greyerz / Andr 8 Holenstein / Andreas W ü rgler Soldgesch ä fte, Klientelismus, Korruption in der Fr ü hen Neuzeit. Zum Sold-Unternehmertum der Familie Zurlauben im schweizerischen und europ ä ischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Urspeter Schelbert / Ruth W ü st Die Acta Helvetica des Zurlaubenarchivs gehen Online. Metamorphose einer 200-j ä hrigen Erschlie ß ungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Teil II: Freundschaft, Patronage, Korruption – Europäische Perspektiven Lothar Schilling Patronage im fr ü hneuzeitlichen Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Birgit Emich »Der Hof ist die Lepra des Papsttums« (Papst Franziskus). Patronage und Verwaltung an der r ö mischen Kurie der Fr ü hen Neuzeit . . . . . . . . . . 69 Robert Bernsee Korruption im Wandel. Debatten und Praktiken in Bayern und Preu ß en am Ende des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Teil III: Klientelismus und Korruption in der alten Eidgenossenschaft Andreas Affolter Spielarten klientelistischer Beziehungen zwischen franz ö sischen Ambassadoren und Eidgenossen (fr ü hes 18. Jahrhundert) . . . . . . . . . 109 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Daniel Schl ä ppi Kompensation statt Korruption. Fremdes Geld, symbolische Legitimation und materielle Redistribution am Beispiel des Zuger Stadtrats im 17. und 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 C 8 cile Huber / Katrin Keller Franz ö sische Pensionen in der Eidgenossenschaft und ihre Verteilung in Stadt und Amt Zug durch die Familie Zurlauben . . . . . . . . . . . . . . 153 Teil IV: Frühneuzeitliches Soldgeschäft in- und ausserhalb der Eidgenossenschaft Nathalie B ü sser Klare Linien und komplexe Geflechte. Verwandtschaftsorganisation und Soldgesch ä ft in der Eidgenossenschaft (17.–18. Jahrhundert) . . . . . . . 185 Philippe Rogger Kompaniewirtschaft, Verflechtungszusammenh ä nge, familiale Unternehmensorganisation. Die Zurlauben als Milit ä runternehmer auf den eidgen ö ssischen S ö ldnerm ä rkten um 1700 . . . . . . . . . . . . . . . 211 Dominik Sieber In der kirchlichen Etappe. Eigene Geistliche, fromme Geschenke und das Soldgesch ä ft der Zurlauben im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . 239 Marian F ü ssel Stehende S ö ldner-Heere? Europ ä ische Rekrutierungspraktiken im Vergleich (1648–1789) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Anhang Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Zum Titelbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Zur Schriftenreihe »Herrschaft und soziale Systeme in der Fr ü hen Neuzeit« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Inhalt 6 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Teil I: Einleitung © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Kaspar von Greyerz / Andr 8 Holenstein / Andreas W ü rgler Soldgeschäfte, Klientelismus, Korruption in der Frühen Neuzeit. Zum Sold-Unternehmertum der Familie Zurlauben im schweizerischen und europäischen Kontext I. Die Acta Helvetica Der vorliegende Band ist eng mit der Edition der Acta Helvetica der Familie Zurlauben verbunden. Der Abschluss der nahezu vierzigj ä hrigen Editionsarbeit vor gut zwei Jahren gab den Anlass f ü r die Durchf ü hrung einer Tagung, die am 28. und 29. Oktober 2016 in Aarau stattfand. Sie wird durch diesen Band do- kumentiert. Die Acta Helvetica sind ein Teil eines riesigen Aktenbestandes, der 1803 durch Kauf an die Kantonsbibliothek Aarau gelangt ist. Beim Gesamtbe- stand, zu dem die Acta Helvetica geh ö ren, also bei den sogenannten Zurlaubi- ana , handelt es sich um das Familienarchiv der vom Sp ä tmittelalter bis weit ins 18. Jahrhundert f ü hrenden Zuger Familie Zurlauben. 1 Beim Familienarchiv der Zurlauben haben wir es mit v ö llig un ü blichen, enormen Dimensionen zu tun, auch wenn die Familie mit Beat Fidel Zurlauben 1799 ausgestorben ist und sich die entsprechenden Best ä nde daher im Wesentlichen auf das 15.–18. Jahrhun- dert beziehen. 2 Die Zurlauben waren eine der bedeutenden Soldunternehmerfamilien der fr ü hneuzeitlichen Zentralschweiz. F ü r diese Familien war das Soldwesen ein in einzelnen F ä llen sogar europaweit verzweigtes Familiengesch ä ft. In der Politik am Herkunftsort, wo es unter anderem um die Verteilung lukrativer Pensionen ging, die von ausl ä ndischen M ä chten an ihre Parteig ä nger in der Schweiz verteilt wurden, wurde nicht selten hart und gegebenenfalls auch skrupellos um die Erhaltung und, wenn m ö glich, Vergr öß erung der eigenen Anh ä ngerschaft ge- k ä mpft. Das reibungslose Funktionieren des Soldunternehmertums hing sehr stark vom gut ausgebauten Klientelwesen zu Hause ab. Die gro ß en Profite im Soldunternehmertum fallen in die Zeit des sp ä teren 16. und des 17. Jahrhun- 1 Vgl. dazu Kurt-Werner Meier, Die Zurlaubiana. Werden – Besitzer – Analysen: Eine Zuger Familiensammlung, Grundstock der Aargauischen Kantonsbibliothek, 2 Bde, Aarau 1981. 2 Zu Beat Fidel Zurlauben vgl. Ursula Pia Jauch, Beat Fidel Zurlauben. S ö ldnergeneral und B ü chernarr, 1720–1799, Z ü rich 1999. © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 derts. Die milit ä rischen Umw ä lzungen des 17. Jahrhunderts, die bessere Be- waffnung, der Ü bergang zu viel gr öß eren Truppeneinheiten, den sogenannten Linienregimentern des 18. Jahrhunderts, sowie das Aufkommen stehender Heere, verteuerten f ü r die Soldunternehmer die f ä lligen Investitionen und ver- kleinerten deren Profit. 3 Die deutlich gestiegenen Investitionskosten f ü hrten am Ende zu einer »Demontage des selbst ä ndigen Unternehmertums«; die Leitung der Soldkompanien wurden seit der Mitte des 18. Jahrhunderts aus vornehmlich wirtschaftlichen Gr ü nden von den involvierten europ ä ischen Staaten in ihre Eigenregie ü bernommen. 4 Die vielf ä ltigen Aspekte des fr ü hneuzeitlichen Soldwesens, das in der Ge- schichte der alten Eidgenossenschaft sowie des Wallis und der Drei B ü nde eine zentrale Rolle spielte, werden durch die Acta Helvetica auf reichhaltige Weise dokumentiert. Hier ist beinahe unermesslich viel Stoff vorhanden f ü r eine mo- dernen wissenschaftlichen Anspr ü chen entsprechende Geschichte des Soldwe- sens in der alten Eidgenossenschaft, d. h. f ü r eine umfassendere Darstellung desselben, die uns bis heute fehlt. 5 Namentlich auch zu den wirtschaftlichen Aspekten des Soldwesens bieten die Zurlaubiana mit ihren unz ä hligen Mann- schaftsr ö deln, Soldlisten und Jahresabrechnungen wertvolle Aufschl ü sse. Die insgesamt 184 Manuskriptb ä nde der Acta Helvetica sind thematisch ungeordnet. Da die Editionsarbeit in den Jahren 1973 bis 2014 identisch war mit der Erschlie ß ung des gewaltigen Aktenbestandes war eine thematische Struk- turierung des Ganzen ausgeschlossen. 6 Eine gezielte thematische Suche inner- halb des gesamten Bestandes wird erst mit Hilfe der online-Datenbank m ö glich werden. Diese ist im Entstehen begriffen. Ü ber die Probleme der Edition sowie 3 Geoffrey Parker, Die milit ä rische Revolution. Die Kriegskunst und der Aufstieg des Westens 1500–1800, Frankfurt/M 1990. 4 Kurt Messmer, Peter Hoppe, Luzerner Patriziat. Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Studien zur Entstehung und Entwicklung im 16. und 17. Jahrhundert, Luzern 1976, S. 383. 5 Detailstudien haben u. a. vorgelegt: Hermann Suter, Innerschweizerisches Milit ä runterneh- mertum im 18. Jahrhundert, Z ü rich 1971; Hans Conrad Peyer, Wollgewerbe, Viehzucht, Solddienst und Bev ö lkerungsentwicklung in Stadt und Landschaft Freiburg i.Ue. vom 14. bis 16. Jahrhundert, in: Freiburger Geschichtsbl ä tter 61 (1977), S. 17–42 (zu Peyer s. auch unten Anm. 20 und 22); Walter B ü hrer, Der Z ü rcher Solddienst des 18. Jahrhunderts: Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte, Bern u. a. 1977; Hermann Romer, Herrschaft, Reislauf und Verbotspolitik. Beobachtungen zum rechtlichen Alltag der Z ü rcher Solddienstbek ä mpfung im 16. Jahrhundert, Z ü rich 1995; Hans Steffen, Die soziale und wirtschaftliche Bedeutung der Stockalperschen Solddienste, in: Louis Carlen, Gabriel Imboden (Hrsg.), Wirtschaft des al- pinen Raums im 17. Jahrhundert, Brig 1988, S. 179–203; Benjamin Hitz, K ä mpfen um Sold: Eine Alltags- und Sozialgeschichte schweizerischer S ö ldner in der Fr ü hen Neuzeit, K ö ln u. a. 2015. 6 Die einzelnen in den Acta Helvetica enthaltenen Dokumente sind heute als PDF ü ber die Homepage der Kantonsbibliothek Aarau URL: < https://www.ag.ch > zug ä nglich. Dort finden sich Links zu den in 21 Serien aufgeteilten B ä nden 1–179. Kaspar von Greyerz / André Holenstein / Andreas Würgler 10 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 der digitalen Erfassung derselben informiert der Beitrag von Urspeter Schelbert und Ruth W ü st in diesem Band. II. Ökonomische Zweckrationalität versus politische Selbstbescheidung Monokausale Erkl ä rungen sind in der Geschichtswissenschaft meistens pro- blematisch. Deswegen ist die neuere schweizerische Historiographie nicht der von Paul Schweizer 1895 vertretenen und in den 1960er Jahren von Edgar Bon- jour weitgehend ü bernommenen Ansicht gefolgt, der Beginn der Schweizer Neutralit ä t sei aus der Selbstbesinnung der Eidgenossen nach ihrer schweren Niederlage bei Marignano im Jahre 1515 hervorgegangen. 7 Sie schreibt vielmehr eine plurikausale Geschichte der schweizerischen Neutralit ä t fort, wie sie etwa der Westschweizer Theologe und Historiker David Lasserre in der Zeit des Zweiten Weltkriegs (1941) vertreten hat. 8 Er sprach von einem »d 8 saccord po- litique«, der diese Niederlage herbeigef ü hrt und der die eidgen ö ssische Tagsat- zung in der Folge gehindert habe, auch nur wenigstens einen Anlauf zu nehmen »pour r 8 parer ce d 8 sastre militaire«. 9 In der sodann in den 1520er Jahren ein- setzenden »stagnation politique« sei die politische Disharmonie perpetuiert und durch die Reformation versch ä rft worden. Die mit dieser Stagnation verbundene R ü ckbesinnung (»repliement«) auf die eigenen, vorwiegend »innenpolitischen« 7 Paul Schweizer, Geschichte der schweizerischen Neutralit ä t, Frauenfeld 1895; Edgar Bonjour, Geschichte der schweizerischen Neutralit ä t, 9 Bde, Basel u. a. 1965–70. Bonjour verfasste dieses h ö chst umfangreiche Werk im Auftrag des schweizerischen Bundesrats und war diesem Auftrag entsprechend insbesondere an der Geschichte der schweizerischen Neutralit ä t im 20. Jahrhundert interessiert. Im ersten, auf die Vorgeschichte derselben fokussierten Band ü bernahm der Basler Historiker weitgehend die identit ä tspolitisch ü berh ö hte Sicht des Z ü r- cher Historikers Paul Schweizer, der Marignano 1515 als Z ä sur hypostasierte. F ü r diese Sicht spricht faktisch nichts, au ß er dass sie mit der spezifisch z ü rcherischen, durch den Reformator Huldrych Zwingli inspirierten Zur ü ckhaltung gegen ü ber den Soldiensten konvergierte, die der Z ü rcher Rat erst 1614 (Beitritt zum franz ö sischen Soldb ü ndnis) aufgeben sollte. Zu Schweizer vgl. u. a. Andreas Suter, Neutralit ä t. Prinzip, Praxis und Geschichtsbewusstsein, in: Manfred Hettling u. a., Eine kleine Geschichte der Schweiz. Der Bundesstaat und seine Tra- ditionen, Frankfurt/M. 1998, S. 133–188, hier S. 163–168. 8 Vgl. dazu u. a. Andr 8 Holenstein, L’enjeu de la neutralit 8 : les cantons suisses et la guerre de Trente Ans, in: Jean-FranÅois Chanet, Christian Windler (Hrsg.), Les Ressources des faibles. Neutralit 8 s, sauvegardes, accomodements en temps de guerre (XVIe–XVIIIe si H cle), Rennes 2009, S. 47–61; Thomas Maissen, L’invention de la tradition de neutralit 8 helv 8 tique: une adaptation au droit des gens naissant du XVIIe si H cle, in: Jean-FranÅois Chanet, Christian Windler (Hrsg.), Les ressources des faibles, S. 17–46; Andreas W ü rgler, Symbiose ungleicher Partner. Die franz ö sisch-eidgen ö ssische Allianz, 1516–1798/1815, in: Jahrbuch f ü r Europ ä i- sche Geschichte 12 (2011), S. 53–75. 9 David Lasserre, Alliances conf 8 d 8 rales, 1291–1815, Erlenbach-Z ü rich 1941, S. 89. Soldgeschäfte, Klientelismus, Korruption in der Frühen Neuzeit 11 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Anliegen sei haupts ä chlich aus der konfessionellen Spaltung hervorgegangen. 10 Gleichzeitig brachte Lasserre das Ende des Wachstums des eidgen ö ssischen B ü ndnisgeflechts nach aussen mit den Milit ä rkapitulationen in Verbindung, die die Eidgenossen im fr ü hen 16. Jahrhundert mit Nachbarstaaten abschlossen. Diese h ä tten auf ganz nat ü rlichem Wege zu einer Verfestigung der ä usseren Grenzen gef ü hrt. 11 Tats ä chlich wuchs die Eidgenossenschaft danach nur noch im Westen im Zuge der bernisch(-freiburgischen) Eroberung der Waadt im Jahre 1536. 12 Die erste explizite Neutralit ä tserkl ä rung der Tagsatzung stammt erst aus der Zeit nach dem Dreissigj ä hrigen Krieg, aus dem Jahre 1674. 13 Sie erfolgte im Kontext des Entstehens des internationalen V ö lkerrechts und in einer Zeit, in der Ludwig XIV. von Frankreich damit begann, die Nachbarstaaten der Eidgenos- senschaft mit Expansionskriegen zu ü berziehen. Die Ü berlegungen von David Lasserre deuten es an: Das milit ä rische »still sitzen« der Eidgenossen im weiteren Verlauf des 16. und im 17. Jahrhundert war die Voraussetzung f ü r das Engagement schweizerischer Soldunternehmer auf den europ ä ischen Gewaltm ä rkten 14 der Fr ü hen Neuzeit. Dies hatte viel mit wirtschaftlicher Zweckrationalit ä t zu tun und kaum etwas mit politischer Selbstbescheidung, zumal die 1521 mit Frankreich eingegangene und bis 1777 immer wieder erneuerte Soldallianz als formelles B ü ndnis »eine faktische Be- vorzugung der franz ö sischen Krone« bedeutete, 15 also aus heutiger Sicht kaum als neutrale Haltung bezeichnet werden kann. Zu Recht ist betont worden, dass sich das durch die gesamte Fr ü he Neuzeit hindurch erfolgreiche eidgen ö ssische Arrangement einer »Staatsbildung ohne direkte Steuern und stehendes Heer« der »Intensit ä t der Aussenverflechtungen und des Ausmasses der dadurch ver- mittelten Ressourcen« verdankte. 16 Diese Ressourcen wurden mehrheitlich durch die schweizerischen Solddienste im Ausland generiert. Das Interesse an dieser Konstellation war durchaus reziprok. Dies spiegelt sich zum Beispiel in den Hauptmotiven der Missionen fremder M ä chte bei der in periodischen Ab- 10 Ebd., S. 89f. 11 Ebd., S. 89. Ä hnlich auch die entsprechenden Ü berlegungen von Thomas Maissen, Ge- schichte der Schweiz, Baden 2010, S. 127. 12 Dazu Tom Scott, The Swiss and their neighbours, 1460–1560. Between accommodation and aggression, Oxford 2017. 13 Vgl. z. B. W ü rgler, Symbiose ungleicher Partner (wie Anm. 8), S. 55. 14 Zum Begriff vgl. Georg Elwert, Gewaltm ä rkte. Beobachtungen zur Zweckrationalit ä t der Gewalt, in: Trutz von Trotha (Hrsg.), Soziologie der Gewalt, Wiesbaden 1997, S. 86–101. 15 W ü rgler, Symbiose ungleicher Partner (wie Anm. 8), S. 55. 16 Christian Windler, »Ohne Geld keine Schweizer«. Pensionen und S ö ldnerrekrutierung auf den eidgen ö ssischen Patronagem ä rkten, in: Hillard von Thiessen, Christian Windler (Hrsg.), N ä he in der Ferne. Personale Verflechtung in den Au ß enbeziehungen der Fr ü hen Neuzeit, Berlin 2005, S. 105–133, hier S. 107. Kaspar von Greyerz / André Holenstein / Andreas Würgler 12 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 st ä nden stattfindenden, eidgen ö ssischen Tagsatzung; sie waren in erster Linie an schweizerischen S ö ldnern interessiert. 17 An der Umsetzung und Perpetuierung dieses »Gesch ä ftsmodells« waren in den 13 Orten der fr ü hneuzeitlichen Eidgenossenschaft sowie in den mit der Eidgenossenschaft verbundenen Republiken der Drei B ü nde und des Wallis vorrangig die politisch, wirtschaftlich und sozial f ü hrenden Familien beteiligt. In der Zentralschweiz waren das namentlich (nebst mehreren anderen) die Geschlechter der Reding, Ab Yberg, Ceberg, Gasser und Schorno in Schwyz, der von Beroldingen und Bessler in Uri, der Pfyffer, Fleckenstein und Sonnenberg in Luzern, der Lussy und Achermann in Nidwalden und der Zurlauben und Brandenberg in Zug. III. Soldunternehmertum und politisch-soziale Oligarchisierung Auch die Pensionen fielen wie der Sold und das Einkommen aus dem Soldun- ternehmertum zwischen dem sp ä ten 15. und dem 17. Jahrhundert mehr ins Gewicht als im 18. Jahrhundert, wenngleich lokale Unterschiede zu beachten sind. Jean Steinauer hat die Situation Freiburgs wie folgt auf den Punkt gebracht: »La Ville-Etat de Fribourg a donc li 8 son existence au d 8 veloppement de l’ 8 mi- gration militaire, depuis son entr 8 e dans la Conf 8 d 8 ration (1481) jusqu’ / son renversement par les arm 8 es r 8 volutionnaires (1798).« 18 Im Blick auf das 18. Jahrhundert macht er also keine Ausnahme. F ü r die Zeit bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts ist »den Fremden Diensten und den damit zusammenh ä n- genden Einnahmen an Sold, Pensionen und Bundesgeldern«, laut Martin K ö r- ner, »generell die positive Zahlungsbilanz der Schweiz zuzuschreiben.« 19 Dabei ist in erster Linie an Geld aus Frankreich zu denken. Andere Soldb ü ndnisse fielen wirtschaftlich gesehen weniger ins Gewicht. Die ungleiche Verteilung der im Zusammenhang mit den Solddiensten ausbezahlten sogenannten Pensionen f ö rderte freilich den politischen Klientelismus sowie die sozio-politische Un- gleichheit im Lande. Damit verst ä rkte der Reislauf mit seinen Folgen l ä ngerfristige Entwick- 17 Andreas W ü rgler, Die Tagsatzung der Eidgenossen. Politik, Kommunikation und Symbolik einer repr ä sentativen Institution im europ ä ischen Kontext (1470–1798), Epfendorf 2013, S. 374. 18 Jean Steinauer, Fribourg face au march 8 europ 8 en du mercenariat: le poids de la France, in: Philippe Rogger, Benjamin Hitz (Hrsg.), S ö ldnerlandschaften. Fr ü hneuzeitliche Gewalt- m ä rkte im Vergleich, Berlin 2014, S. 107–117, hier S. 108. 19 Martin K ö rner, Glaubensspaltung und Wirtschaftssolidarit ä t (1515–1648), in: Geschichte der Schweiz und der Schweizer, Bd. 2, Basel 1983, S. 7–96, hier S. 30; auch ders., Solidarit 8 s financi H res suisses au XVIe si H cle: Contribution / l’histoire mon 8 taire, bancaire et financi H re des cantons suisses et des 8 tats voisins, Lausanne 1980, S. 112–116. Soldgeschäfte, Klientelismus, Korruption in der Frühen Neuzeit 13 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 lungstendenzen, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts sowohl in den St ä dten wie auch in den Landsgemeindeorten der Eidgenossenschaft zu einer Oligar- chisierung des politischen Systems (die ä ltere Forschung sprach von »Aristo- kratisierung«) f ü hrte. Auf diese Tendenzen braucht hier nicht im Einzelnen eingegangen zu werden. 20 Zu den Merkmalen der Oligarchisierung geh ö rte »die praktisch weitgehend erbliche Besetzung der R ä te und wichtigen Verwaltungs- ä mter, die Verfolgung eines immer einheitlicheren Lebensstiles durch eine immer gr öß ere Anzahl von Angeh ö rigen einer immer beschr ä nkteren Anzahl von Ge- schlechtern«. 21 Bei der zunehmenden Konzentration der politischen Macht in einem abneh- menden Kreis von Geschlechtern versch ä rfte sich der Wettbewerb um politische Ä mter. Die im Laufe des 17. Jahrhunderts in den St ä dten und Landsgemeinde- kantonen immer wieder wiederholten und versch ä rften Mandate gegen das Tr ö len und Praktizieren, wie sie auch in den Acta Helvetica vorkommen, sind ein Ausdruck dieser zunehmenden Konkurrenzsituation. 22 Die durch die Solddienste generierten Pensionen trugen einerseits mit zur Oligarchisierung des politischen Systems bei, andererseits genauso auch zur Stabilisierung desselben. In Schwyz hing dies zum Beispiel damit zusammen, dass die meisten f ü hrenden Familien, die sogenannten H ä uptergeschlechter, »nicht nur im Soldgesch ä ft, sondern auch in der Landesverwaltung und in der Politik vertreten« waren, »so dass der S ö ldnermarkt [...] zu einer Art staatli- chem Monopol geworden war.« 23 Dies war nicht nur in Schwyz so, sondern auch in den anderen in das Soldgesch ä ft involvierten Innerschweizer Kantonen, in Luzern, Nidwalden und Zug. Wenn von den Gemeinen Herrschaften als Kitt die Rede ist, die mit dazu beitrugen, das wegen der konfessionellen Frage oft in- stabile B ü ndnissystem der alten Eidgenossenschaft zusammenzuhalten, 24 geht 20 Vgl. dazu Hans Conrad Peyer, Die Anf ä nge der schweizerischen Aristokratien, Einf ü hrung in: Messmer, Hoppe, Luzerner Patriziat (wie Anm. 4), S. 1–28. 21 Ebd., S. 26f. Zu den Landsgemeindekantonen vgl. u. a. P. Rainald Fischer, Von der Refor- mation zur Landteilung, in: P. Rainald Fischer u. a., Appenzeller Geschichte, Bd. 1, 2. Aufl., Appenzell u. a. 1976, S. 401–537, hier S. 406. 22 Vgl. Acta Helvetica (wie Anm. 6); vgl. u. a. Kurt Meyer, Solothurnische Verfassungszust ä nde zur Zeit des Patriziates, Olten 1921, S. 71f.; Gustav Leu, Schaffhausen unter der Herrschaft der Zunftverfassung. Verfassungsgeschichte der Stadt Schaffhausen und ihres Gebietes vom 15. bis 18. Jahrhundert, Schaffhausen 1931, S. 237; Christoph von Steiger, Innere Probleme des bernischen Patriziates an der Wende zum 18. Jahrhundert, Bern 1954, S. 114f.; Alfred M ü ller, Die Ratsverfassung der Stadt Basel von 1521 bis 1798, in: Basler Zeitschrift f ü r Geschichte und Altertumskunde 53 (1954), S. 5–98, hier S. 24–26. Zusammenfassend dazu Hans Conrad Peyer, Verfassungsgeschichte der alten Schweiz, Z ü rich 1978, S. 111–113. 23 Natalie B ü sser, Milit ä runternehmertum, Aussenbeziehungen und fremdes Geld, in: Ge- schichte des Kantons Schwyz, Bd. 3, Z ü rich 2012, S. 69–127, hier S. 85f. 24 Zuerst bei Peter Stadler, Eidgenossenschaft und Reformation, in: Heinz Angermeier (Hrsg.), S ä kulare Aspekte der Reformationszeit, M ü nchen u. a. 1983, S. 91–99, hier S. 91. Kaspar von Greyerz / André Holenstein / Andreas Würgler 14 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 zuweilen vergessen, in welchem Ausma ß die vom fr ü hen 16. bis zum sp ä ten 18. Jahrhundert regelm äß ig in die Eidgenossenschaft flie ß enden franz ö sischen Kronen ebenfalls systemstabilisierend wirkten. Das gilt auch noch f ü r das 18. Jahrhundert, wenngleich im Solddienst jetzt nicht mehr dieselben Eink ü nfte wie im 16. und 17. Jahrhundert zu erzielen waren. In Uri verdankte sich noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts der gesamte ö ffentliche Haushalt den erhaltenen Pensionen. 25 Die Allianz der Eidgenossen mit Frankreich von 1521 habe im Wallis zu einem »monopole du service de France« gef ü hrt – so Louiselle Gally-de Riedmatten. 26 Die Zahlungen der franz ö sischen Krone h ä tten bald einmal eine gewisse Kom- plexit ä t wegen ihrer unterschiedlichen Formen angenommen: »les pensions de paix et d’alliance, mais aussi les pensions d’ 8 coliers, ou celles par r i le, parti- culi H res et / volont 8 «. 27 Erstere waren offizielle, ö ffentliche Pensionen, in der deutschsprachigen Schweiz auch Standespensionen genannt, da sie an einen Ort ausbezahlt wurden und die weitere Verteilung vor Ort erfolgte. Sie gingen auf den Ewigen Frieden von 1516 und auf die Allianz von 1521 zur ü ck. Man darf sich nun allerdings nicht vorstellen, dass sie wie vereinbart regelm äß ig an Lichtmess ausbezahlt worden w ä ren. Besonders in den Jahren der franz ö sischen Religi- onskriege (1562–1598) flossen praktisch keine Pensionen, auch nicht in der Eidgenossenschaft. 28 Die Walliser Regierung (bestehend aus Landrat, Bischof und Domkapitel) bezahlte von diesen ordentlichen Pensionen ihre Schulden und au ß erdem ihre Funktionstr ä ger, zu denen auch die Pensionenabholer geh ö rten. Der Rest des Geldes ging an die sieben Zenden, wo es weiter verteilt wurde. 29 Von den Pensionen f ü r Studenten profitierten sowohl im Wallis wie in der Eidge- nossenschaft junge M ä nner aus den f ü hrenden, im Solddienst engagierten Fa- milien. Ihre Auszahlung war nicht vertraglich geregelt, konnte also von fran- z ö sischer Seite ganz gezielt eingesetzt werden, wurde jedoch im 16. Jahrhundert bis zum Einschnitt von 1588–1601 mit gro ß er Regelm äß igkeit ausbezahlt. 30 Ebenfalls vertraglich nicht geregelt und daher nicht ö ffentlich waren die »pen- 25 Urs K ä lin, Salz, Sold und Pensionen. Zum Einfluss Frankreichs auf die politische Struktur der innerschweizerischen Landsgemeindedemokratien im 18. Jahrhundert, in: Der Ge- schichtsfreund 149 (1996), S. 105–124, hier S. 114; ders. Urs K ä lin, Die Urner Magistra- tenfamilien. Herrschaft, ö konomische Lage und Lebensstil einer l ä ndlichen Oberschicht, 1700–1850, Z ü rich 1991. 26 Louiselle Gally-de Riedmatten, A qui profitait le service 8 tranger? Une 8 tude de la repartition des pensions en Valais au XVIe si H cle, in: Rudolf Jaun, Pierre Streit (Hrsg.), Schweizer Solddienst: Neue Arbeiten, Neue Aspekte / Service 8 tranger en Suisse: Nouvelles P tudes, Nouveaux Aspects, Birmensdorf 2010, S. 139–170, hier S. 139. 27 Ebd. 28 Ebd, S. 143–145. 29 Ebd., S. 151. 30 Ebd., S. 151f. Soldgeschäfte, Klientelismus, Korruption in der Frühen Neuzeit 15 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 sions par r i le«, die Partikularpensionen, sowie die »pensions / volont 8 «. Die Auszahlung dieser Partikularpensionen war im Wallis nicht ausschlie ß lich mit den Solddiensten verkn ü pft. Sie diente vielmehr dazu, sich unter den f ü hrenden Familien eine Frankreich g ü nstig gesonnene Klientel zu erhalten. 31 Auch Ben- jamin Hitz betont: »Die Partikularpensionen waren f ü r die Beeinflussung der Politik am wichtigsten und machten entsprechend den gr öß ten Anteil aller Pensionen aus – sie beliefen sich zum Beispiel 1597 auf das Vierfache der Luzerner Standespension.« 32 Solche geheimen oder h ö chstens halboffiziellen Zahlungen vor allem der fran- z ö sischen Krone »alimentierten langfristig eine Schicht von Ratsherren, Sold- unternehmern, Salzh ä ndlern und Pensionenausteilern. Die Konstanz dieser franz ö sischen Geldfl ü sse erm ö glichte es dieser Schicht, von solchen T ä tigkeiten dauerhaft zu leben.« 33 Umso schmerzhafter war f ü r die Walliser und inner- schweizerische Honoratiorenschicht das Versiegen der franz ö sischen Pensionen in den Jahren 1588–1601. In jenen Jahren gelang es Savoyen und Spanien-Mai- land, auf den schweizerischen S ö ldnermarkt vorzudringen. 34 Die Bedeutung ihrer Pensionen reichte jedoch nie an die entsprechenden franz ö sischen Zah- lungen heran. Wenn in Luzern vor allem die Ratsherren von der Verteilung der Pensionen profitierten und weitere Amtstr ä ger und B ü rger kaum davon profitierten, so scheint in Schwyz auch die Landbev ö lkerung in bescheidenem Masse mit in die Verteilung involviert gewesen zu sein. Hauptprofiteure waren aber auch hier die beiden Pensionenausteiler, die der franz ö sische Ambassadeur unter Angeh ö ri- gen der f ü hrenden Geschlechter rekrutierte. 35 31 Ebd., S. 154–157. Vgl. dazu auch Philippe Rogger, Geld, Krieg und Macht. Pensionsherren, S ö ldner und eidgen ö ssische Politik in den Mail ä nderkriegen 1494–1516, Baden 2015, S. 15: »Diese Gelder wurden als Anerkennung f ü r geleistete Dienste und in der Erwartung k ü nftiger Verbindlichkeiten wie Gesandten- oder Vermittlert ä tigkeit, Mithilfe beim Abschluss von B ü ndnissen, einer allgemeinen Gewogenheit oder f ü r die Stellung von S ö ldnern entrichtet. Gelang es kriegf ü hrenden Parteien nicht, eine Soldallianz mit den Orten abzuschlie ß en, war schon viel erreicht, wenn diese nicht dem Gegner zuliefen.« 32 Hitz, K ä mpfen um Sold (wie Anm. 5), S. 49. 33 W ü rgler, Symbiose ungleicher Partner (wie Anm. 8), S. 67. 34 Vgl. den Ü berblick ü ber die entsprechenden Vertr ä ge der Eidgenossen mit europ ä ischen M ä chten von 1499 bis 1589, in: K ö rner, Solidarit 8 s financi H res (wie Anm. 19), S. 111f.; und allg. ders., Allianzen, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), URL: < http://www.hls- dhs-dss.ch/textes/d/D9802.php > , Version vom 19. 09. 2006. 35 Hitz, K ä mpfen um Sold (wie Anm.5), S. 51; B ü sser, Milit ä runternehmertum (wie Anm. 23), S. 93. Zur starken Stellung der Pensionenverteiler vgl. auch Ulrich Pfister, Politischer Kli- entelismus in der fr ü hneuzeitlichen Schweiz, in: Schweizerische Zeitschrift f ü r Geschichte 42 (1992), S. 28–68, hier S. 48. F ü r die franz ö sische Perspektive: Georges Livet (Hrsg.), Suisse, T. 1: Les XIII cantons / avec une introduction g 8 n 8 rale et des notes; T. 2: Gen H ve, les Grisons, Neuch tel et Valangin, l’ P v Þ ch 8 de B le, le Valais, Paris 1983. Kaspar von Greyerz / André Holenstein / Andreas Würgler 16 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Erhellende Einblicke in die Besonderheiten der Zuger Pensionenverteilung namentlich im 17. Jahrhundert bieten die Mikroanalysen von Daniel Schl ä ppi und C 8 cile Huber / Katrin Keller in diesem Band. Schl ä ppi beleuchtet insbe- sondere das Mit- und Gegeneinander von lokalen korporativen Strukturen und Klientelbeziehungen und betont u. a., dass wir unter dem Einfluss des Kliente- lismus-Modells zu sehr dazu neigen, lokale monet ä re Beziehungen als vertikale zu verstehen. Huber / Keller konzentrieren sich auf die Rolle der Zurlauben als lokale Pensionen-Broker der franz ö sischen Krone zwischen dem sp ä ten 16. Jahrhundert und 1731 und auf die M ö glichkeiten der Bereicherung, die sich dieser Familie in der Rolle des Brokers er ö ffneten. IV. Familienpolitik und Geschlechterrollen Zwar gibt es in den B ä nden der Acta Helvetica Apothekerbriefe sowie Rech- nungen von Schuhmachern und Lebkuchenb ä ckern, sogar Lebkuchenrezepte und manch andere Quelle mehr, die uns die allt ä glichen Lebenswelten und auch die T ä tigkeitsbereiche der Frauen in der Familie Zurlauben n ä herbringen, aber es ist andererseits nicht ü bertrieben hinzuzuf ü gen, dass in den Acta Helvetica vornehmlich die fr ü hneuzeitliche M ä nnerwelt abgebildet ist. Dennoch sind die Acta Helvetica derart reichhaltig, dass auch neue Einsichten in die Rollenverteilung in einem auf dem Soldwesen basierenden aristokrati- schen Haushalt m ö glich sind. Nathalie B ü sser zeigt in ihrem Beitrag zu diesem Band und au ß erdem in verschiedenen, zu einem fr ü heren Zeitpunkt erschie- nenen Aufs ä tzen, welche wichtige Rolle die Frauen im Haushalt der Zurlauben selbst in der Verwaltung der Soldtruppen spielten, insbesondere dann, wenn die M ä nner ü ber l ä ngere Zeit bei ihren Soldaten und nicht zu Hause waren. 36 Im hier betrachteten Zeitraum gilt dies namentlich f ü r Maria Jakobea Zurlauben, ver- heiratet Andermatt (1658–1716), und Maria Barbara Zurlauben (1660–1724), die mit ihrem Cousin Beat Jakob II. Zurlauben (1660–1717) verheiratet war. Beide 36 Nathalie B ü sser, Die »Frau Hauptmannin« als Schaltstelle f ü r Rekrutenwerbungen, Geld- transfer und Informationsaustausch, in: Hans-J ö rg Gilomen u. a. (Hrsg.), Dienstleistungen. Expansion und Transformation des »dritten Sektors« (15.–20. Jahrhundert), Z ü rich 2007, S. 143–153 [wieder abgedruckt in: Rudolf Jaun, Pierre Streit (Hrsg.), Schweizer Solddienst: Neue Arbeiten, Neue Aspekte / Service 8 tranger en Suisse: Nouvelles P tudes, Nouveaux Aspects, Birmensdorf 2010, S. 105–114]; dies., Dr ä ngende Gesch ä fte. Die S ö ldnerwerbungen Maria Jakobea Zurlaubens um 1700 und ihr verwandtschaftliches Beziehungsnetz, in: Der Geschichtsfreund 161 (2008), S. 189–224; dies., »...et donn 8 moy bien de vos nouvelles« – Grenz ü berschreitende Briefkorrespondenzen Zentralschweizer Soldunternehmerfamilien um 1700, in: Dorothea Nolde, Claudia Opitz (Hrsg.), Grenz ü berschreitende Familienbezie- hungen. Akteure und Medien des Kulturtransfers in der Fr ü hen Neuzeit, K ö ln u. a. 2008, S. 191–207. Soldgeschäfte, Klientelismus, Korruption in der Frühen Neuzeit 17 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 Frauen waren in das Werbegesch ä ft involviert sowie in die Verwaltung von Soldkompanien. Mit Blick auf die Familienorganisation der Zurlauben werden diese thematischen Zug ä nge im Beitrag Nathalie B ü ssers vertieft, wobei sie u. a. festh ä lt, dass das verwandtschaftliche Beziehungsnetz im Grunde viel komplexer war, als dies die ausschlie ß liche Konzentration auf die patrilineare Linie sug- geriert. Im 18. Jahrhundert arbeitete Maria Josefa Elisabetha Reding (1721–1797) in Schwyz »beim Transfer von Rekruten nach Frankreich« mit dem Gardehaupt- mann Beat Fidel Zurlauben (1720–1799) zusammen. 37 Eine ä hnliche Rollentei- lung zwischen den Geschlechtern l ä sst sich auch bei aristokratischen Familien Graub ü ndens, die sich im Soldgesch ä ft engagierten, beobachten. 38 Wie die anderen Autorinnen und Autoren dieses Bandes, die aus der F ü lle der zurlaubenschen Acta Helvetica sch ö pfen, macht sich Philippe Rogger die Dichte der Akten ü berlieferung zunutze, und zwar insbesondere hinsichtlich des Ma- nagements der Kompanie Zurlauben in dem in franz ö sischen Diensten stehen- den Regiment Pfyffer w ä hrend der milit ä runternehmerischen Umbruchszeit um 1700. Dabei geraten vor allem die entsprechenden Aktivit ä ten Beat Jakobs II. Zurlauben in den Blick. Wie so manche ranghohe Innerschweizer Familie der fr ü hen Neuzeit waren die Zurlauben Soldunternehmer gro ß en Zuschnitts. Ihre soziale und politische Bedeutung und herausragende Stellung unterstrichen solche Familien mit dem Bau von Herrenh ä usern und Pal ä sten. Zu solchen Pal ä sten ist im Wallis der zwischen 1651 und 1671 erbaute Stockalper-Palast in Brig zu z ä hlen. Sein Bau- herr, der Salz-Monopolist und Soldunternehmer Kaspar Jodok Stockalper (1608–1691), verwaltete und befehligte von Brig aus in den Jahren 1639–1679 zwei bis vier Kompanien, die im Felde durch Stellvertreter gef ü hrt wurden. In Bezug auf die Innerschweiz denkt man in erster Linie an das von Ital Reding d. J. (1573–1651) 1609 erbaute Herrenhaus im Br ü el und nat ü rlich an den Zurlau- benhof in Zug. 39 Der Erbauer des Zurlaubenhofs, so wie wir den Hof heute kennen, war Konrad III. Zurlauben (1571–1629), der seine politische Karriere 1590 als Zuger Stadtschreiber begann und danach in weitere Ä mter aufstieg. Seit 37 B ü sser, Milit ä runternehmertum (wie Anm. 23), S. 120. 38 Hier bedarf dieses Thema allerdings noch der genaueren Erforschung. Einen kleinen Hinweis gibt Silvio F ä rber, Politische Kr ä fte und Ereignisse im 17. und 18. Jahrhundert, in: Handbuch der B ü ndner Geschichte, Bd. 2, Chur 2000,S. 85–140, hier S. 120. Sehr ausf ü hrlich zu den »ausw ä rtige(n) Milit ä rdienste(n)« der Drei B ü nde im 18. Jahrhundert, jedoch ohne Bezug zu dem hier angesprochenen Aspekt: Johann Andreas von Sprecher, Kulturgeschichte der Drei B ü nde im 18. Jahrhundert [1976], bearb. und neu hrsg. von Rudolf Jenny, Chur 2006, S. 232–261. 39 Markus Bamert, Die Ital-Reding-Hofstatt in Schwyz, 2. Aufl., Bern 1991; Abbildung des Zurlaubenhofs in: Carmen Furger, Die Erschliessung der Acta Helvetica aus dem Nachlass der Zuger Familie Zurlauben, in: Tugium 2012, S. 7–14. Kaspar von Greyerz / André Holenstein / Andreas Würgler 18 © 2018, V&R unipress GmbH, Göttingen ISBN Print: 9783847108597 – ISBN E-Lib: 9783737008594 Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0 dem fr ü hen 17. Jahrhundert war er der Verteiler der franz ö sischen Pensionen in Zug und in den Jahren 1619 bis zu seinem Tod in der Pest von 1629 Inhaber einer Gardekompanie im Dienst der franz ö sischen Krone. 40 Der Ausbau des Zurlau- benhofs erfolgte haupts ä chlich in den Jahren 1597–1621. V. Erfolgsfaktoren des zurlaubenschen Soldunternehmertums Es sind insbesondere vier T ä tigkeitsbereiche, deren gegenseitige Verzahnung den wirtschaftlichen und politischen Erfolg der Zurlauben ausmachte. An erster Stelle sind die engen Beziehungen zum franz ö sischen Ambassadeur in Solothurn zu nennen, an zweiter Stelle die zentrale Stellung in der lokalen Politik in Zug. Wie Andreas Affolter in seinem Beitrag zeigt, war die Patronagebeziehung des Soldunternehmers zu den Vertretern fremder M ä chte in der Eidgenossenschaft – und insbeson