2 3 September 2024 Copyright CC BY - ND 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by - nd/4.0/ Werk darf beliebig vervielfaltigt werden, auch fur kommerzielle Zwecke, aber nur unverandert und mit Namensnennung DRUCK : https://www.wir - machen - druck.de Kostenloses PDF in Deutsch und Englisch und Horbuch: www.martha - schalleck.de 4 5 Es ist gut für mich, dass ich gedemütigt wurde, damit ich deine Anweisungen lerne. Psalm 119,71 So spricht der HERR, dein Erlöser, der dich von Mutterleib an gebildet hat: Ich bin der HERR, der alles vollbringt — ich habe die Himmel ausgespannt, ich allein, und die Erde ausgebreitet durch mich selbst — , der die Zeichen der Schwätzer vereitelt und die Wahrsager zu Narren macht; der die Weisen zum Widerruf zwingt und ihr Wissen zur Torheit macht. Jesaja 44,24 - 25 6 Inhalt ***Triggerwarnung*** ................................ ................................ ................... 9 Vorwort ................................ ................................ ................................ .............. 10 Teil 1 Vorgeschichte ................................ ................................ ..................... 11 Strickfehler ................................ ................................ ................................ 11 Erinnerungsschnipsel ................................ ................................ ........... 14 Treppensturz ................................ ................................ ............................. 17 Normal sein ................................ ................................ ................................ 19 Diashow ................................ ................................ ................................ ....... 21 Geisterstunde ................................ ................................ ............................ 22 Heilungsversprechen ................................ ................................ ............ 25 Doppelleben brutal ................................ ................................ ................ 29 Erstes Buch: Rotkappchens Schweigen ................................ ........ 31 Sie hat es gemacht ................................ ................................ .................. 34 Multiple und andere Abspaltungen ................................ ................ 35 Letzte Therapie ................................ ................................ ........................ 37 Hilf mir doch Gott ................................ ................................ .................... 39 Oder doch Darwin? ................................ ................................ ................ 40 Wie ich (wieder) zu Gott kam ................................ ........................... 41 Geisterstunde, die 2. ................................ ................................ .............. 45 Wer ist Jesus? ................................ ................................ ............................ 45 Wer hat recht? ................................ ................................ .......................... 46 Die beste Geschichte ................................ ................................ .............. 47 Finale: Die Erde ist flach ................................ ................................ ...... 49 Nachtrage zur Vorgeschichte ................................ ............................. 53 7 Hirn im Tiefschlaf und Zungenrede ................................ .......... 53 Falsche Prophetin, falscher Jesus ................................ ............... 53 „Mannlicher Anteil“? ................................ ................................ ........ 56 Gott schickt mir Hilfe ................................ ................................ ....... 57 Teil 2 Therapie mit Jesus ................................ ................................ ........... 58 Visionen ................................ ................................ ................................ ....... 58 Gemeinde finden ................................ ................................ ..................... 59 In die Gemeinde gehen ................................ ................................ ......... 60 Geistlicher Kampf zuhause ................................ ................................ 62 Befreiungsgebete ................................ ................................ ..................... 62 Tauschen uns die Damonen? ................................ ............................. 65 Ende der Befreiungsgebete ................................ ................................ 66 Gott verspricht Heilung und Befreiung ................................ ........ 67 Lass es raus! ................................ ................................ ............................... 67 Dr. Jekyll und Mr. Hyde - Trauma ................................ ........................ 70 Kanaan Ministries und das einjahrige Kind ............................... 72 Ich tote mich selbst ................................ ................................ ................ 74 Studiere die Tora! ................................ ................................ .................... 75 Wer ist der Morder? Ich! ................................ ................................ ...... 76 Ich bin Freimaurerin ................................ ................................ .............. 79 Vorwurfe gegen Gott ................................ ................................ .............. 81 Wer ist das Problem? Ich! ................................ ................................ .... 82 Letzte Phase: Abreaktion ................................ ................................ ..... 83 Das habe ich selbst gemacht ................................ .............................. 87 Das haben sie mit mir gemacht ................................ ........................ 89 8 Ich bin an allem schuld ................................ ................................ ......... 94 So fuhlt sich Leben also an ................................ ................................ 95 Ich schame mich so ................................ ................................ ................ 96 Keiner hat mich lieb ................................ ................................ ............... 98 Entmenschlichung ................................ ................................ ............... 102 KAPUTT ................................ ................................ ................................ .... 106 Ich glaube dir ................................ ................................ ......................... 106 Heilung durch Lobpreis ................................ ................................ .... 107 Die drei Ichs ................................ ................................ ............................ 108 Verwirrung ................................ ................................ .............................. 110 Vergebung ................................ ................................ ................................ 111 Teil 3 Schlussfolgerungen ................................ ................................ ...... 113 *** Wichtiger Disclaimer *** ................................ ........................... 113 Psychotherapie vs. Gottes Heilung ................................ .............. 113 Das wirkliche Problem heilt niemand außer Gott ................ 115 Spate Antwort ................................ ................................ ........................ 116 Feine, weise Tater ................................ ................................ ................ 117 Satans Lugennetz der Moderne ................................ .................... 118 Fur alle, die nicht an Jesus glauben ................................ ............. 120 Showdown Wissenschaft gegen Gott ................................ .......... 121 Redaktionsschluss ................................ ................................ ............... 126 Evangelium in 5 Bibelversen ................................ ................................ 128 9 ***Triggerwarnung*** In diesem Zeugnis gibt es keine Details von Gewalt . Dennoch ist es moglich, dass einige Inhalte bei manchen Personen heftige Reak - tionen auslosen konnen. Falls du einen verstarkten D rang zu S elbstverletzung oder S uizid verspuren solltest , musst du wissen : D er Teufel und seine Damonen versuchen, di ch reinzu legen. Alles, was dich in Richtung Selbsthass, Selbstverletzung oder Suizid treibt, ist Luge . Wirklich alles ist Luge, was die meisten Menschen glauben, wie du hier in diesem Zeugnis lernen kannst. Jesus ist der S ieger. Er liebt dich Vergiss das nie. K omm zu ihm, rufe seinen Namen, bete das B lut Jesu uber dich, und du bist in Sicherheit Und entgegne den Stimmen Bibelverse, vor allem diesen: Ich werde nicht sterben, sondern leben und die Taten des Herrn verkünden. Psalm 118,17 10 Vorwort Ich schreibe meine Geschichte wahrend meiner letzten Therapie - phase Gott ist mein Therapeut. Mit jetzt 60 Jahren hatte ich d ie Hoffnung auf Befreiung und Heilung meiner gespaltenen Person - lichkeit ganz aufgegeben – aber dann kam Gott. Erst in dieser letz - ten Phase der Therapie erfuhr und begriff ich das Entscheidende , was mit mir in der Kindheit geschehen war. Mein Zeugnis ist sehr verdichtet, es gabe noch viel mehr zu er - zahlen . A ber ich konzentriere mich aufs Wesentliche, denn die Zeit drangt. D ie Zeichen fur d as Ende dieser Welt zeit verdichten sich taglich mehr , ganz allgemein und besonders Israel betreffend Dass die wenigsten Menschen dies begreifen , ist logische Folge der Ge - schichte, die ich zu erzahlen habe. Das Zeugnis besteht aus zwei Teilen , der erste Teil erzahlt die Vorgeschichte Es geht um meine Jahrzehnte dauernde verzweifelte Suche nach Hilfe in dieser Welt Gott brachte die Wende, hier er - zahle ich, wie er das gemacht hat. Der zweite Teil handelt von mei - ner ausdrucklichen Psychot herapie mit Gott, die in ihrer heißen, letzten Phase ungefahr seit einem halben Jahr andauert Ich hoffe sehr, dass der Text auch fur Menschen verstandlich ist , die von Trauma, Dissoziation und rituellem Missbrauch noch nie et - was gehort haben. Wo es mir notig erscheint, erklare ich einige wichtige Dinge im Text. Meiner Ansicht nach findest du hier ein großes Angebot, die Wahrheit uber unsere Welt zu erkennen. Wenn du noch nicht bei Jesus bist, kann diese s Zeugnis dir helfen, dein Leben zu retten. Gott sagte zu mir vor einigen Jahren einen Satz, der wie Strom durch meinen ganzen Korper vibrierte. Dies war der einzige Satz, der in dieser ganzen Zeit klar und eindringlich zu mir gesprochen wurde. Erst jetzt habe ich verstanden : Der Satz ist das Motto fur mein Zeugnis Gott sagte zu mir: „Sterben findet nicht auf der Erde statt. Ihr totet euch selbst.“ 11 Dies ist die beste Zusammenfassung meines Zeugnisses, auf die ich selbst nie gekommen ware. Es ist auch einfach nur eine Zusammen - fassung dessen, was uberall in der Bibel steht. Warum duze ich dich hier? Ich tue es nicht deshalb, weil es modern ist Ich tue es, weil Gott will, dass wir alle Bruder und Schwestern sind, die einander lieben und weil ich genau das tue. Ich liebe dich. Gießen, September 2024 Teil 1 Vorgeschichte Strickfehler Mit 25 ging ich zum Psych ologen , wei l ich wusste , ich brauche Hilfe, wenn ich meinen Abschluss an der Uni schaffen will . Ich lebte in standiger Verwirrung und litt an seltsamen Kopfschmerzen M ein Kopf fuhlte sich an, als ware er mit schmerzhafter Watte gefu l lt. Die Schmerzen waren auch in einer Wolke um meinen Kopf herum spurbar, nicht nur im Kopf. Ich stand unter standigem inneren D ruck. Taglich trank ich eine Flasche Wein , um den S chmerzen und dem D ruck fur eine Weile zu entkommen. Der Psychologe, ein Analytiker, begrußte mich mit einem zuckersußen Tom - Selleck - Lacheln , und uber einige Wochen redete ich mir alles von der Seele Ich erklarte , meine Kindheit war sehr gut, ich war ein richtiges Sonntagskind gewesen. Aber mein armer Bruder viel hatte leiden mussen als schwarzes Schaf der Familie. Fruher hatte ich keine Probleme, nur heute. Heute war es so, m eine Eltern belasteten mich Si e weinten sich bei mir aus und erwarteten Dinge von mir, die ich nicht erfullen konnte. Wenn ich Probleme hatte, horte mir niemand zu. Nach vielleicht 20 Stunden war alles erzahlt. Mir fiel nichts mehr ein A lso schwieg ich und inspizierte vom leicht muffig rie - chenden Sofa aus die ganze Stunde uber die Inneneinrichtung und durch die Gardine das Haus auf der gegenuberliegenden Straßen - 12 seite. Einmal machte ich eine spitze B emerkung zum A nalytiker . Ich hatte das nicht wirklich bose gemeint. Aber d anach lachelte Tom Selleck nicht mehr, sondern blickte mich nur tief verletzt an S agen durfte ich nichts, denn die Stunde war zu Ende. Ich fuhr mit dem Rad nach Hause und bekam einen Nervenzusammenbruch Ich weinte und schrie wie ein Baby und konnte mich nicht beruhigen. Zu der Zeit praktizierte ich auch Buddhismus, das Rezitieren sinnloser Silben und das Mantrasingen vor brennenden Raucher - stabchen. Dies hatte mir oft B eruhigung verschafft, aber in dieser S ituation half gar nichts. Ich brach die Therapie, die ich ja ohnehin nicht mehr brauchte, ab . Ich brauchte sie nicht, aber ich musste sie zu meiner eigenen Sicherheit abbrechen, schrieb ich dem Psycho - logen Danach setzte ich fort, was ich ohnehin seit Jahren machte. Ich las Selbsthilfebucher und versuchte, mich selbst zu verstehen. Ich be - gann „Selbstanalyse“ und schrieb Tagebucher mit Fragen, Traumen und wilden Spekulationen voll. Ich trennte mich von meinem Freund, den ich nicht wirklich liebte und der mich schlecht behandelte und zog in eine andere Stadt. Mein Freund wollte mich unbedingt wiederhaben , ich wollte ihn aber nicht mehr. Dann gab es einen merkwurdigen Vorfall, wo wir gemeinsam bei meiner F amilie in meiner H eimatstadt waren , ich war 28 Jahre alt. Auf der Heimfahrt jammerte ich irgendetwas. Da schrie er mich plotzlich aus heiterem Himmel auf widerlich e und unmenschliche Weise an: „Halt du dein Maul!“ Ein Schock fuhr mir d urch Mark und Bein , und ich schwieg. Ab diesem Moment gab es eine unerklar liche 180 - Grad - Wende in meinem ganzen Denken und Handeln. Eigentlich hatte ich den K ontakt mit diesem bosartigen Typen, den ich ohnehin nicht liebte, abbrechen mussen S tattdessen hort in meine m Tagebuch plotzlich alles Suchen und Fragen auf , und m it einem Mal hatte ich gar nichts mehr gegen ihn. Vielmehr plan t e ich nun sogar , mit ihm zusammen - zuziehen und Kinder zu haben. Einfach so von jetzt auf gleich alles anders. Damals habe ich mich daruber nicht gewundert, erst vi el spater f iel es mir auf, als ich in den Tagebuchern las. 13 In dieser Zeit schrieb ich auch uber ein neues Phanomen eines unfassbaren Schmerzes, an den ich mich heute noch gut erinnere. E r war uberall in mir und um mich herum. Es war ein unbegreifli - cher S chmerz, gemischt mit Ubelkeit und Vergiftungsgefuhlen. Warum tut mir das bloße Dasein so schrecklich weh, was ist das nur, fragte ich mich immer wieder. Sobald du dich bewegst, sobald du atmest , schneidet die Luft mit 1000 kleinen Messern in dein F leisc h und deine L ungen. W enn ich arbeite n ging , war es aber viel besser . Wenn ich Alko - hol trank, wurde es auch besser. Und mit der Zeit wurde d ies er S chmerz wieder schwacher. Ich versuchte dann abwechselnd, „Karriere“ zu machen und noch - mal zu studieren . Ich wollte Psychologie studieren , das lag mir v iel mehr als die Wirtschaftswissenschaften, in denen ich mein Diplom hatte. Aber irgendwie war ich nun plotzlich verruckt geworden. Ich hatte ein Buch gelesen, in dem es um Missbrauch ging. Aus meinen Reaktionen schloss ich, dass ich emotional missbraucht worden war S exuellen Missbrauch konnte ich jedoch ausschließen. Daran hatte ich mich doch erinnert. Mit meinem F reund gab es sta ndig hassliche Szenen. Eines Tages merkte ich, dass ich, wahrend wir stritten, lachen musste. Aber es war kein gutes Lachen, sondern ein irres Lachen , eins neben dem man selbst steht und merkt, das ist jetzt verruckt. Es wurde immer schlimmer, und ich bekam kein Bein mehr auf die Erde, ich schwebte zwischen hier und dem Wahnsinn wie ein taumelnder Heliumballon. Wenn ich im Bett lag und aufste - hen musste, fuhlte ich mich dagegen, als lagen Bleigewichte auf mir I ch konnte mich nur mit immensem Kraftaufwand u berhaupt be - wegen. Psychopharmaka brachten mich nach einigen Wochen wieder zuruck in das, was ich als Normalitat kannte . Doch es war klar, ich brauchte wieder Therapie, wenn ich bei meiner neuen A rbeitsstelle funktionieren wollte . Dieses Mal war es eine Verhaltenstherapie, und anfangs sprach ich hektisch 1000 Fragen und Themen mit dem Therapeuten durch . Ich benahm mich, als waren wir bei der Fern - 14 sehsendung D alli D alli und man konnte einen Preis gewinnen fur die meisten beantworteten Fragen. Was jedoch ausblieb, war eine Besserung meines Zustandes. Ich versuchte, mich zu erklaren . Ich erinnerte mich, dass schon immer etwas Unverstandliches in mir falsch gewesen war. Es war , als ware beim S tricken meines S elbst irgendwann in fruher Kindheit ein F eh - ler passiert . Jemand hatte ein paar Maschen fallen gelassen und dann alles falsch zusammenge flickt . Etwas passte einfach nicht zu - sammen, etwas war nicht richtig. Ich erwartete und hoffte, dass man i n der Therapie diesen verhunzten Pullover wieder auf ziehen wurde, um den Fehler zu korrigieren D ann k onnte alles wieder gut werden Erinnerungsschnipsel Vielleicht hatte dieses Falsche in mir etwas mit dieser Erinnerung zu tun A ls etwa 7 - jahrige suchte ich uber Wochen in stiller Ver - zweiflung nach einem Weg, wie man Dinge, die geschehen sind, wieder ruckgangig machen kann Ich erinnere mich an ein merk - wurdiges Experiment, das mich eine Zeitlang beschaftigte. Wenn ich ein paar S chritte um einen Laternenpfahl gehe, dann jeden ein - zelnen S chritt wieder genau auf die gleiche Weise und ganz leise ruckwartsgehe , und wenn keiner mich sieht und ich alles wieder vergesse, hatte ich meine Schritte dann ruckgangig gemacht? Leider nein, musste ich feststellen, ich war den gleichen Weg einmal vorwarts gega ngen u nd einmal ruckwarts. So macht man keine S chritte ruckgangig, sondern man hat am Ende sogar doppelt so viel S chritte gemacht. Was fur ein Kind war ich sonst noch ? Die folgende Sammlung von Erinnerungs schnipseln hatte ich dem Analytiker nicht erzahlt. Da dachte ich ja noch, es sei nichts Besonderes in meiner Kindheit vor - gefallen. Es gibt ein F oto von mir als B aby, dann gibt es vier Jahre lang kein einziges Foto mehr , dann wieder regelmaßig ab vier Jahren. Man konnte meinen, diese Lucke uber Jahre sei ein Zufall, aber mit dem, was ich heute weiß, kann ich das nicht mehr glauben. 15 Ich weiß noch, i rgendwann haben sie mir bis auf einen halben Zen - timeter fast eine Glatze geschnitten E s war ein Versehen beim Frisor, erklarte meine Mutter lachend den Leuten. Es gab eine Zeit, da habe ich mir Brillen angezogen und M ullbinden um den A rm gewickelt, damit jemand mich beachten wurde . Ich hatte keine F reunde. Ich wollte nicht rausgehen, hatte A ngst vor den Kindern und habe mich im Keller versteckt. Einige Jahre lang wollte ich nichts essen außer Sußigkeiten. Mit 6 Jahren klaute ich wie ein Rabe im ortlichen S upermarkt und stopfte mir heimlich die S ußigkeiten in den Mund. Ich schamte mich fur me ine F amilie, wenn aus unse - rer Wohnung wie oft stundenlang Geschrei kam, was die ganze Nachbarschaft horte. Eine Nachbarin strich mir mal uber den Kopf, sah mich lieb an und sagte zu meiner Mutter uber mich, „Sie ist ein so liebes Kind.“ Kurze Zeit spater hockte ich bei der Nachbarin und frag t e flehend , ob ich nicht bei ihr wohnen konnte, ich wurde auch ganz artig sein und immer alles machen. Meine Mutter stellte S ußigkeiten auf den Tisch und lud eine Nachbarin ein zu meinem 4. Geburtstag. Ich stand angstlich in der Tur und fragte irgendwann leise, ob ich mir etwas nehmen durfe. Naturlich , lachte meine Mutter etwas zu laut vor der Nachbarin , es ist doch dein Geburtstag! Ich log manchmal. Ich zerbrach ver - sehentlich eine Vase, dann deckte ich ein Tuch daruber und tat vol - lig uberrascht, als meine Mutter es entdeckte. M ein B ruder bekam Arger, und ich bereute es und gab es zu. Die Leute sagten, ich sei altklug. Als man mir einmal sagte, fass nicht dahin, das ist Stachel - draht, schloss ich meine Hand mit voller Kraft genau um die Stacheln. Meine Mutter fragte mich an einem Tag, wo ich gewesen sei. Ich uberlegte angestrengt und sagte vorsichtig: In der S chule. Da schrie sie mich an, warum ich luge. Ich war irgendwo gesehen worden, hatte aber keine A hnung, was vorgefallen war. Solche teils normalen, teils merkwurdigen Vorkommnisse gabe es noch einige zu erzahlen A ber insgesamt sind meine Erinnerun - gen an meine Kindheit seit dem vierten Lebensjahr bis heute vage, lochrig und bruchstuckhaft . Mein Therapeut erklarte mir, wenn man sich besser erinnern will, hilft es, wenn man sich mit den Erin - nerungen, die bereits da sind, beschaftigt und sich dazu Fragen 16 stellt, auch zu belanglosen D etails. Wie sah es da noch genau aus? W elche Gegenstande, Personen, Vorkommnisse und so weiter waren da noch? So erinnert man sich mit der Zeit immer besser. Naturlich versuchte ich das E s brachte aber eigentlich nichts, außer komischen Traumen und dass mir noch ein paar weitere merkwur - dige S zenen einfielen Einmal hatte ich im Schwimmbad meinen B ruder aufgeregt gefragt , ob er gesehen hatte, wie ich gerade vom Einmeterbrett gesprungen war. Es war namlich so, dass ich zwar auf das B rett gestiegen war, aber dann fand ich mich ubergangslos plot z lich im Wasse r. An den S prung hatte ich keine Erinnerung Der S prung war aus meinem F ilm rausgeschnitten. Aber irgendwie wusste ich , ich war fur kurze Zeit jemand anders gewesen U nd ich dachte, viel - leicht hatte mein B ruder gesehen, wer ich gewesen war. Er hatte aber naturlich gar nichts gesehen. In der Grundschule war ich so etwas wie ein Rechengenie. Die Lehrerin stellte Rechenaufgaben, und wer eine Aufgabe loste, gewann einen Punkt. Ich horte das rich - tige Ergebnis in meinem Kopf, ohne zu rechnen, kaum dass die Auf - gabe ausgesprochen war . Damit schlug ich alle anderen um Langen. Im S chulunterricht, in der 6. Klasse bekam ich ein neues, komi - sches Problem. Immer wieder rief es laut und vollkommen erstaunt aus mir heraus: „ D as gibt ́s doch nicht ! “, wahrend ich einfach nur an die Tafel geblickt hatte. Anfangs merkte ich es nicht einmal, erst als alle mich anstarrten und mich jemand darauf ansprach Es war mir sehr peinlich, aber m it der Zeit lernte ich, es zu kontrollieren. Es gab da auch jemand, eine Psychologin oder so etwas, wohin man gehen konnte, wenn man solche Probleme hatte A b er meine Erinnerun - gen daran bleiben vage. Man lernt, es zu kontrollieren, indem man aufmerksam in sich auf alle Empfindungen achtet. So fangt man den Moment ein, bevor e s passiert . Ich fuhle, dass etwas in mir aufsteigt, dann kann ich es im Ansatz unterdrucken. So entwickelt man ein Fruhwarnsystem und kann lernen zu verhindern, dass etwas her - ausplatzt, was nicht herausplatzen soll Da nn war da noch diese andere merkwurdige S ache, die mir erst viele Jahre spater einfiel: Ich war einige Zeit lang mit einer Hausaufgabe beschaftigt. Ich hatte aufbekommen, meinen Mittel - 17 und Ringfinger mental zusammenzukleben. Ich sollte mir vorstel - len, die beiden Finger waren mit Uhu zusammengeklebt , und dabei sollte ich sie immer fest zusammenpressen. Ich hatte keine Ahnung und fragte mich auch nicht, warum ich das machen sollte A ber das Ergebnis ist, dass man automatisch ganz oft das Handzeichen des Gehornten, des Teufels , macht, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es gab auch eine Zeit, da war ich vielleicht 11 J ahre alt, da fiel mir auf, dass lauter Dinge geschahen, die ich nur gedacht hatte. Wenn ich etwas wollte, musste ich es mir nur wunschen, und oft trat es ein. Ich fand das sehr merkwurdig. T reppensturz Spater wurde meine Mutter erzahlen, ich war ein ganz normales Kind, nur eben sehr angstlich. Ein anderes Mal wurde sie sagen , wir hatten uns immer gut verstanden , aber mein B ruder war sehr schwierig gewesen. Noch ein anderes Mal wurde sie sagen, dass sie mit mir immer Probleme gehabt hatte , aber mein B ruder war okay gewesen. W ieder ein anderes Mal sagte sie , dass wir bis zu meinem vierten Lebensjahr ein ganz normales Verhaltnis hatten und danach sei ich sehr merkwurdig geworden. Diese letzte Variante stimmt mit meinen eigenen Erinnerungen auf traurige Weise uberein. Es war sicher nicht alles perfekt vor meinem vierten Lebensjahr, aber ich war ein normales Kind , was seine Mutter liebte. Mit vier Jahren wurde ich in dem Sozialbau, in dem wir wohn - ten, die Treppe runtergestoßen. Ich weiß noch, wie mit einem Mal alles kopfuber , schwerelos und haltlos war, dann landete ich mit der S tirn an der offen stehenden Tur. D er Hausarzt war nicht da, also fuhr ein Nachbar uns ins nachste Dorf, wo ein anderer A rzt die stark blutende Wunde klammerte. Es hieß, zwei Jungs seien wild aus ihrer Wohnungstur gerannt und hatten mich ubersehen. Abends, es war schon dunkel, kam ein Krankenwagen und holte mich ab. Dazwischen war unser Hausarzt doch zu uns gekommen , und er muss dies angeordnet haben Die Sanitater machten „Engelchen, Engelchen flieg mit mir“ A uf dem Weg zum Krankenwagen sah ich 18 das blinkende B laulicht und das Neonl icht, w as aus de r offenen Flu - geltur auf die S traße fiel Im Krankenhaus entfernten sie die Klammer. I ch lag auf einer Liege, sie spruhten Eisspray auf meine S tirn und nahten die Wunde. Ich merkte ein en leichte n D ruck, ein K itzeln , aber e s tat wirklich uberhaupt nicht weh. Dann hieß es plotzlich uberraschend, ich musse im Krankenhaus bleiben. Mir fiel das Herz in die Hose . Von irgendwoher wusste ich in meinem Innersten, jetzt bin ich verloren, jetzt ist alles aus fur mich. Ich bettelte, ich wollte unbedingt bei mei - ner Mutter bleiben M eine Mutter kampfte und argu mentierte auch mit den Arzten , um mich mit nach Hause zunehmen . A ber mein Vater schwieg, und ich blieb da. 10 Tage lang blieb ich da, zur B eobachtung, wegen V erdachts auf Gehirnerschutterung , wie sie sagten Spater wurde es heißen, die Arzte hatten meine Eltern aufge - klart , es ware besser fur mich, wenn sie mich nicht immer besu - chen Besuche wurde n es nur schwerer fur mich machen. Nach einigen Tagen, ich weiß nicht, wie viele Tage es waren, erschienen mein B ruder, mein V ater und meine Mutter fur einige Minuten hin - ter der B esucherg lasscheibe des Mehrbettzimmers. Man sieht nur die Oberkorper wie beim Kasperletheater. Meine Mutter lachte und strahlte und winkte wie wild . Sie wartete offenbar auf eine Reaktion von mir. Aber es kam keine Reaktion von mir außer einem muden leicht zum Gruß erhobenen A rm . La cheln oder lachen konnte ich nicht. Dabei dachte ich , warum winkt die se F rau da so , was macht sie fur ein Theater? Sie war falsch, sie war mir fremd, da war nichts mehr in mir, keine Liebe, keine Freude , nicht einmal ein inneres Wiedererkennen. Ich fuhlte so gar Verachtun g uber ihre Versuche, Kontakt mit mir aufzunehmen Sie war nicht mehr meine Mutter. Ich war nicht mehr ihre Tochter. Ich war niemandes Tochter oder Schwester mehr. Als sie weg waren , starrte ich aus dem F enster auf die rote Back - stein wand und dachte daruber nach , dass ich tot war. Es lag kein Trotz darin, nur Traue r Nichts hatte mich mehr aufregen , nichts hatte mir noch A ngst machen konnen und nichts hatte mich noch freuen konnen. Das Traurigste war, dass ich in diesem Zustand 19 immer noch weiterleben musste. Ich erinnere mich jedoch an kei - nen Gedanken dar uber , woran ich gestorben war . Ich erinnere mich noch heute an den A bend der A nkunft im Krankenhaus und dass da viele Leute waren, Arzte und S chwestern. Diese Erinnerungen sind auch in Farbe und einigermaßen klar. Aber von den folgenden 10 Tagen erinnere ich fast nichts, keinen Arzt, keine S chwester, keine Mahlzeit, gar nichts. Nur zwei oder drei kurze Erinnerungen, die anderen Kinder im Raum betreffend und eben diesen einen Sche i - benbesuch meiner fremden Familie. Und an das F adenziehen am letzten Tag erinner e ich mich . Wer holte mich ab und wie? Wie war das Wiedersehen, wie war es zuhause? Ich habe keine A hnung. Seit - dem ist mein Erinnerungsvermogen nie wieder so geworden , wie es zuvor war Ich wurde eine gute Schulerin, die stolz auf ihre Leistungen war. Stolz auf Intelligenz spielte eine große Rolle im Leben meiner Fami - lie. Es war vielleicht so etwas wie ein Trost, wenn man sich wenigs - tens fur klug halten kann, wo doch uberall nur Schmerz ist Und wer wenig Bildung hat, der kann leicht glauben, in Bildung konnte man so etwas wie Heil finden, und die Ansichten gebildeter Menschen waren irgendwie besonders wertvoll. Normal sein Neben der Traurigkeit, die wechselnd stark spurbar war , wurde zum andauernden Symptom in meinem Leben ein Gefuhl, wie benebelt zu sein, wie weit weg. Ich wusste auch nicht, wer ich bin oder was ich eigentlich will. Spater, w enn ich vor meinem Chef saß, in Stresssituationen oder auch in den Therapien bekam ich manch - mal das Gefuhl, ich werde plotzlich nach unten in die Tiefe gerissen , wie in einen schwarzen Strudel . Ich kampfte mit aller Kraft dagegen an. Ich musste oft etwas in mir bekampfen , um dableiben zu konnen oder um normal erscheinen zu konnen Doch w en n ich weinen wollte, weil Trauer und Verzweiflung mich qualten, konnte ich nicht weinen. Mein eigenes Leid war wie von mir durch eine Wand getrennt. Mir fehlten auch die normalen Gefuhle im normalen 20 Leben , etwa die Traurigkeit, wenn jemand stirbt. Ich lernte, es zu spielen. Was mich dennoch manchmal wunderte, war, dass ich wusste, wen ich liebe und wem ich vertraue. Ich fuhlte manchmal auch die Liebe, obwohl ich eigentlich nichts fuhlte . Und immer wusste ich, wen ich liebe und wen nicht. Von meinem weiteren Leben mit dem ungeliebten F reund, der mich auf dieser Heimfahrt so angeschrien hatte und von meinen klaglichen Versuch en , mittels Therapie beruflich oder irgendwie voranzukommen, gibt es nicht viel zu erzahlen , was hier wichtig ware . Meine Grundstimmung war immer noch die, dass ich nicht verstand, warum man uberhaupt leben soll. Ich wunderte mich standig daruber, was die Menschen alles anstellen, Rasenmahen, S port, F reunde, Arbeit, Urlaub. Was haben sie davon, ich verstand es nicht. Wenn ich mich fragte, warum ich studierte und arbeitete, kam ich immer nur zu diesem Gedanken , „Ich mache es, damit ich in Ruhe gelassen werde.“ Allerdings stellte ich mir, soweit ich weiß, niemals die eigentlich doch naheliegende Frage, was ich damit meinte. Wer soll mich in Ruhe lassen und womit? M ein F reund verlangte von mir sexuelle Dinge , was ja einfach nur normal ist Aber es war schwer fur mich, etwas in mir wollte all das ganz und gar nicht. Ich wollte ohnehin nichts anderes in meiner freien Zeit tun, als W ein zu trinken und den Trick zu finden, wie man mich wieder in Ordnung bringen kann. Da war wenig Raum fur das, was Menschen im A llgemeinen unter Beziehung und Leben ver - stehen. Eine meiner S elbsthilfemethoden in dieser Zeit war, dass ich in Handtucher biss, lange und fest, wie verzweifelt. Das verschaffte mir etwas Erleichterung. In S elbsthilf eseminaren , die ich besuchte, weinte ich viel, ohne zu wissen warum. Es gab eine Partnerubung, da saß man nah vor - einander, schaute einander ins Gesicht, und einer beschrieb dem anderen, was er sah. Wenn jemand mich ansah, konnte ich dabei nichts anderes, als bitterlich zu weinen. Warum, wusste ich nicht.