Beatrix Elsner Entlastung der Staatsanwaltschaft durch mehr Kompetenzen für die Polizei? Eine deutsch-niederländisch vergleichende Analyse Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften Universitätsverlag Göttingen Beatrix Elsner Entlastung der Staatsanwaltschaft durch mehr Kompetenzen für die Polizei? Except where otherwise noted, this work is licensed under a Creative Commons License Erschienen als Band 5 in der Reihe „Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften“ im Universitätsverlag Göttingen 2008 Beatrix Elsner Entlastung der Staatsanwaltschaft durch mehr Kompetenzen für die Polizei? Eine deutsch-niederländisch vergleichende Analyse in rechtlicher und rechtstatsächlicher Hinsicht Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften Band 5 Universitätsverlag Göttingen 2008 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Herausgeber der Reihe Institut für Kriminalwissenschaften Juristische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen Profs. Drs. Kai Ambos, Gunnar Duttge, Jörg-Martin Jehle, Uwe Murmann Dieses Buch ist auch als freie Onlineversion über die Homepage des Verlags sowie über den OPAC der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek (http://www.sub.uni-goettingen.de) erreichbar und darf gelesen, heruntergeladen sowie als Privatkopie ausgedruckt werden. [Es gelten die Lizenzbestimmungen der Onlineversion]. Es ist nicht gestattet, Kopien oder gedruckte Fassungen der freien Onlineversion zu veräußern. Umschlaggestaltung: Kilian Klapp © 2008 Universitätsverlag Göttingen http://univerlag.uni-goettingen.de ISBN: 978-3-940344-59-5 ISSN: 1864-2136 Vorwort Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit dem Zusammenspiel zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei im Bereich der Straftatenermittlung wie auch der verfahrensbeendenden Entscheidungen im deutschen und niederländischen Straf- verfahren. Sie mündet in einen Gesetzesvorschlag, der es im Bereich von Bagatell- kriminalität erlaubt, der Polizei die Befugnis zur Verfahrensbeendigung mit einer Geldauflage zu übertragen. Einleitend wird die geschichtliche Entwicklung der Funktion von Staatsanwalt- schaft und Polizei im deutschen Strafverfahren beschrieben. Anhand einer Aus- wertung repräsentativer Polizeiforschungen der 70-90er Jahre wird sodann die rechtstatsächliche Rolle der Polizei im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren analy- siert. Zur Erfassung der derzeitigen Situation widmet sich ein erster Hauptab- schnitt der Arbeit untergesetzlichen Richtlinien der Bundesländer, wobei der Schwerpunkt auf die Informationen der Staatsanwaltschaft und die Vorbereitung einer staatsanwaltschaftlichen Abschlussverfügung gelegt wird. Der zweite Haupt- abschnitt enthält einen Rechtsvergleich. Überblicksartig werden die Strafverfah- rensordnungen von Schweden, England, Frankreich und Polen im Hinblick auf ihr Verhältnis von Staatsanwaltschaft und Polizei dargestellt. Sodann folgt eine detail- lierte Analyse der niederländischen Regelungen in rechtlicher und rechtstatsächli- cher Hinsicht. Ein Schwerpunkt wird hierbei auf das niederländische Transakti- onsverfahren gelegt, einer Möglichkeit zur Verfahrensbeendigung durch die Poli- zei. Im letzten Teil der Arbeit wird untersucht, inwiefern die polizeiliche Transak- tion Vorbild für eine Regelung im deutschen Strafprozeß sein kann. Unter Berück- sichtigung verfassungsrechtlicher, strafprozessualer und kriminalpolitischer Aspek- te wird ein Reformvorschlag erarbeitet, welcher die Übertragung der staatsanwalt- schaftlichen Einstellungskompetenzen gem. § 153 a StPO auf die Polizei durch Rechtsverordnung erlaubt. Vorwort VI Die Arbeit wurde im Wintersemester 2007 von der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Die Literatur wurde bis Janu- ar 2006 vollständig ausgewertet. Spätere Veröffentlichungen wurden nur vereinzelt berücksichtigt. Die Datenanalyse im Rechtsvergleich erstreckt sich auf die Jahre 1993-2002; Richtlinien der Bundesländer fanden bis einschließlich 2002 Berück- sichtigung. Die Untersuchung beruht auf einer seit 2002 an der Abteilung Kriminologie der Universität Göttingen laufenden Studie über die Funktion und Arbeitsweise von Staatsanwaltschaften im europäischen Rechtsvergleich, die durch eine Gruppe von Experten aus 11 unterschiedlichen europäischen Ländern unterstützt wird. Neben Deutschand stehen England (einschließlich Wales), Frankreich, Kroatien, die Niederlande, Polen, Schweden, die Schweiz, Spanien, Türkei und Ungarn als Vergleichsländer zur Verfügung. Während der Arbeit an der Dissertation war ich als wissenschaftliche Angestellte der Abteilung für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen tätig, seit 2006 zuletzt neben Herrn Prof. Dr. Jörg-Martin Jehle und Frau Dr. Marianne Wade (Freiburg) mit der Leitung der Forschungsstudie betraut. Ich danke ganz besonders herzlich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jörg- Martin Jehle, der die Arbeit betreute und begleitete. Er hat die Entstehung meiner Arbeit mit treffenden Anmerkungen, großer Diskussionsbereitschaft und stets konstruktiver Kritik unterstützt. Auch danke ich Herrn Prof. Dr. Kai Ambos für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Der Fritz-Thyssen-Stiftung danke ich ganz besonders für die großzügige Ge- währung einer Druckkostenbeihilfe für diese Arbeit. Mein Dank gebührt auch Bruno Aubusson de Cavarlay (Frankreich), Prof. Christopher Lewis (England), Prof. Beata Gruszynska (Polen), Dr. Josef Zila (Sweden) und insbesondere Paul Smit (Niederlande), die mir als Projektpartner mit Informationen und Erläuterungen zu ihren Kriminaljustizsystemen bilateral immer aufgeschlossen und hilfreich zur Seite standen. Darüberhinaus danke ich der gesamten Abteilung für die freundliche, motivie- rende wie auch tatkräftige Unterstützung. Allen voran danke ich Frau Dr. Marian- ne Wade, der ich viele anregende und der Arbeit förderliche Diskussionen zu ver- danken habe. Ebenso gilt mein Dank meiner Kollegin Frau Julia Peters, die als zweite Promovendin mit der Studie befasst war und die mir stets als gute Diskussi- onspartnerin zur Verfügung stand. Herrn Axel Litty und Herrn Sebastian Recker danke ich sehr für die tatkräftige Hilfestellung bei der technischen Umsetzung der Arbeit. Danken möchte ich auch meiner Familie, insbesondere meinen lieben El- tern. Sie haben mich in allen Hinsichten unterstützt und mich auf allen meinen Wegen begleitet. Göttingen, im Juni 2008 Beatrix Elsner Inhalt Vorwort V Inhalt VII T EIL 1 D IE R OLLE D ER P OLIZEI I M D EUTSCHEN 1 S TRAFVERFAHREN Kapitel 1: Anlass und Ziel der Arbeit 1 A. Ausgangspunkt 1 B. Entwicklung der Einstellungspraxis 2 C. Reformüberlegungen 6 Kapitel 2: Normative Rolle der Polizei im strafrechtlichen 9 Ermittlungsverfahren A. Entwicklungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen zum Ver- hältnis Staatsanwaltschaft und Polizei 9 I. Entstehung der Staatsanwaltschaft und Einführung des Legalitätsprinzips als Verfahrensmaxime 9 1. Rechtslage bis 1877 9 2. Einführung der RStPO 1877 10 3. Entwicklung des Legalitätsprinzips und Stellung der 11 Staatsanwaltschaft bis heute II. Entwicklung der Position der Polizei im straf- 15 rechtlichen Ermittlungsverfahren 1. Umstände vor Einführung der RStPO und des GVG 15 2. Neuregelung der Rolle der Polizei durch Einführung der RStPO und GVG und Entwicklung bis heute 16 III. Zusammenfassung 19 B. Gesetzliche Regelungen zum Verhältnis zwischen Staats- 20 anwaltschaft und Polizei im deutschen Strafverfahren Inhalt VIII I. Rolle der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren 20 II. Verhältnis der Staatsanwaltschaft zur Polizei 21 Kapitel 3: Rechtstatsächliche Rolle der Polizei im straf- 23 rechtlichen Ermittlungsverfahren A. Generelle Behauptungen über die Rechtswirklichkeit im 23 Ermittlungsverfahren I. Bereich der Kleinkriminalität 24 II. Bereich der mittelschweren Kriminalität 24 III. Schwere Kriminalität 25 B. Empirische Studien zur Rechtswirklichkeit der Rolle der 26 Polizei im Ermittlungsverfahren I. Die Entwicklung der empirischen Polizeiforschung in 26 Deutschland II. Empirische Befunde der Siebziger Jahre 27 1. Feest/Blankenburg 1972 27 2. Steffen 1976 29 3. Kürzinger 1978 32 4. Waldmann 1977/1978 34 III. Empirische Befunde der Achtziger Jahre 35 1. Kreuzer 1982 35 2. Sessar 1981 37 3. Dölling 1987 38 IV. Empirische Befunde der Neunziger Jahre 40 1. Steffen /Polz 1991 40 2. Stock/Kreuzer 1996 und Stock 1999 42 V. Bewertung der empirischen Befunde 45 C. Gründe für die steigende Bedeutung der Polizei im Straf- 47 verfahren I. Personelle und materielle Ausstattung der Polizei und 47 Staatsanwaltschaft II. Einsatz moderner Ermittlungsmethoden 47 III. Spezialisierung bei der Strafverfolgung 48 IV. Vorfeldarbeit durch Präventivmaßnahmen der Polizei 48 T EIL 2 E RFASSEN D ER R ECHTSWIRKLICHKEIT A N- 50 HAND D ER U NTERGESETZLICHEN R EGELUNGEN Kapitel 1: Ziel, Gegenstand und Methoden der 50 Untersuchung Inhalt IX Kapitel 2: Gesamtüberblick über Regelungen zur polizei- 53 lichen Kompetenz im Strafverfahren Kapitel 3: Regelungen zur Informationspflicht der 56 Polizei gegenüber der Staatsanwaltschaft A. Vorgaben in den Regelungen zur Zusammenarbeit im 57 Ermittlungsverfahren I. Unverzügliche Information der Staatsanwaltschaft bei 57 bedeutenden Verfahren und bei zweifelhafter Sach- und Rechtslage II. Informationspflicht bei weniger bedeutenden Sach- 58 verhalten III. Spätestmögliche Information der Staatsanwaltschaft 58 seitens der Polizei IV. Allgemeiner Informationsaustausch im Rahmen 59 verfahrenübergreifender Zusammenarbeit B. Regelungen zur Sofortmitteilung in Strafsachen 59 C. Auswertung der einzelnen Regelungen zum Informations- 61 austausch im Besonderen I. Regelungen zum Bereich der Organisierten Kriminalität 61 II. Regelungen zum Bereich von Verstößen gegen das 62 Geldwäschegesetz III. Regelungen zum Bereich von Sexualstraftaten 62 IV. Regelungen zum Bereich der Bekämpfung von 63 Drogendelikten D. Zusammenfassung der Regelungen zum Informations- 63 austausch Kapitel 4: Regelungen zur Ermittlungsintensität und 64 Eigenständigkeit bei der Ermittlungsführung A. Vorgaben zur Aktenübergabe und damit zur Eigen- 64 ständigkeit bei den Ermittlungen im Allgemeinen B. Vorgaben zu Ermittlungsintensität- und umfang 65 I. Allgemeine Vorgaben zur Beschränkung des Ermittlungs- 66 aufwandes 1. Beschränkung der Ermittlungspflicht bei voraus- 66 sichtlicher Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 170 II StPO Inhalt X 2. Beschränkung der Ermittlungspflicht bei voraussichtlicher 66 Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach §§ 153 ff. StPO 3. Beschränkung der Ermittlungen bei zu erwartender Ein- 67 stellung nach § 45 I, II JGG 3.1. Ermittlungsaufwand bei § 45 I JGG 68 3.2. Ermittlungsaufwand bei § 45 II JGG 71 4. Begrenzung des Verfahrensstoffes (§ 154 StPO) 73 II. Regelungen zur Ermittlungsintensität und Eigenständigkeit 74 bei der Ermittlungsdurchführung in besonderen Delikts- bereichen 1. Ermittlungsbeschränkung durch Geltung eines verein- 74 fachten Verfahrens im Bereich der Massen- und Klein- kriminalität 1.1. Anwendungsbereich 75 1.2. Ausschluss der Anwendung des vereinfachten 75 Verfahrens 1.3. Ausgestaltung eines vereinfachten Verfahrens 77 1.4. Zusammenfassung 79 2. Bei leichten (zur Einstellung geeignet erscheinenden) 79 Drogendelikten 3. Bei Fällen Organisierter Kriminalität 81 4. Bei herausragenden Sexualstraftaten 83 5. Bei Erpressungen zum Nachteil von Wirtschafts- 83 unternehmen 6. Bei Verstößen gegen das Geldwäschegesetz 84 7. Bei Insolvenzdelikten 84 Kapitel 5: Antizipation staatsanwaltschaftlicher Ent- 85 scheidung seitens der Polizei A. Polizeiliche Beteiligung am staatsanwaltschaftlichen Entschei- dungsprozess im Jugendstrafrecht 86 I. Beteiligung am staatsanwaltschaftlichen Diversions- 86 verfahren nach § 45 I JGG 1. Beurteilung der Sachlage für eine Einstellung nach 86 45 I JGG und Vorschlagsrecht 2. Durchführung eines erzieherischen Gesprächs und 87 Anregung einer sofortigen Entschuldigung oder Schadenswiedergutmachung 3. Zusammenfassung 90 II. Beteiligung am staatsanwaltschaftlichen Diversionsv- 92 erfahren nach § 45 II JGG 1. Beurteilung der Sachlage für eine Einstellung nach 92 § 45 II JGG Inhalt XI 2. Durchführung einer erzieherischen Maßnahme 92 3. Zusammenfassung 94 III. Beteiligung am Täter-Opfer-Ausgleich im Jugend- 96 strafrecht 1. Inhalte der Regelungen im Einzelnen 96 2. Zusammenfassung 98 B. Beteiligung am staatsanwaltschaftlichen Entscheidungs- 100 prozess im allgemeinen Strafrecht I. Beteiligung am Täter-Opfer-Ausgleich im allgemeinen 100 Strafrecht 1. Regelung der Beurteilung durch die Polizei über 100 Anwendbarkeit und Geeignetheit eines Täter-Opfer- Ausgleichs 2. Anregung zu einem Täter-Opfer-Ausgleich gegenüber 100 dem Betroffenen 3. Vermerk in den Akten und Kennzeichnung der Akten 101 4. Berücksichtigung der Anregung seitens der Staats- 101 anwaltschaft 5. Zusammenfassung 101 II. Beteiligung am staatsanwaltschaftlichen Einstellungs- 103 verfahren nach § 153 a StPO bei der Verfolgung von Ladendiebstählen und der Beförderungserschleichung 1. Sächsisches Verfahrensmodell zur vereinfachten Ver- 103 folgung von Ladendiebstählen durch die Polizei von 1999 2. Ausweitung des Verfahrensmodells auf die Beförderungs- erschleichung im Jahre 2002 104 3. Zusammenfassung 105 III. Polizeiliche Mitwirkung am staatsanwaltschaftlichen 105 Einstellungsverfahren nach § 31 a BtMG 1. Regelungsinhalte der Bestimmungen Hamburgs und 105 Nordrhein-Westfalens 2. Zusammenfassung 106 Kapitel 6: Zusammenfassende Bewertung der Aus- 106 wertungsergebnisse A. Polizeiliche Ermittlungstätigkeit 106 I. Leichte Kriminalität 106 II. Mittlere Kriminalität 107 III. Schwere Kriminalität 108 IV. Fazit 108 B. Mögliche Antizipation staatsanwaltschaftlicher Entscheidung 109 I. Bedeutung und Auswirkung der Beurteilungskompetenz 109 Inhalt XII II. Bedeutung und Auswirkung der Anregungskompetenz 111 III. Bedeutung und Auswirkung der weiteren Beteiligungsrechte 112 T EIL 3 R ECHTSVERGLEICH I M H INBLICK A UF 114 R EFORMÜBERLEGUNGEN I M D EUTSCHEN S TRAFVERFAHREN Kapitel 1: Fragestellung 114 Kapitel 2: Datengrundlage des Rechtsvergleichs 115 Kapitel 3: Überblick über die Rolle der Polizei in einigen 117 europäischen Nachbarländern Kapitel 4: Schlussfolgerung und Auswahl des Vergleichs- 122 landes Kapitel 5: Die Rolle der Polizei im niederländischen Straf- 123 verfahren A. Einführung in das niederländische Strafverfahren 123 B. Organe der Strafrechtspflege im Vorverfahren 124 I. Die Staatsanwaltschaft (openbaar ministerie) 124 II. Die Polizei (politie) 125 III. Der Untersuchungsrichter (rechter-commissaris) 127 C. Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft/Untersuchungsrichter 127 und Polizei im niederländischen Strafverfahren I. Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei im 127 Ermittlungsverfahren 1. Das Verhältnis in rechtlicher Hinsicht 127 1.1.Verhältnis im Allgemeinen 127 1.2. Das Verhältnis im Besonderen 128 2. Das Verhältnis in rechtstatsächlicher Hinsicht 131 2.1. Massen- und Bagatellkriminalität 132 2.2. Fälle mittelschwerer Kriminalität/umfangreicher 133 Sachverhalte 2.3. Schwere Kriminalität 133 3. Maßnahmen staatsanwaltschaftlicher Kontrolle der Polizei 133 im Ermittlungsverfahren II. Verhältnis zwischen Untersuchungsrichter und Polizei im 135 gerichtlichen Vorverfahren 1. Das Verhältnis in rechtlicher Hinsicht 135 2. Das Verhältnis in rechtstatsächlicher Hinsicht 136 Inhalt XIII D. Entscheidungen der Staatsanwaltschaft am Ende des 137 Ermittlungsverfahrens I. Einstellung des Verfahrens („sepot“) 137 1. Folgenlose Einstellung aus Opportunitätsgründen 137 (het beleidsepot) 2. Folgenlose Einstellung aus verfahrenstechnischen 138 Gründen (het technisch sepot) 3. Einstellung unter Auflage (het voorwaardelijk sepot) 138 4. Gewährleistung einer gleichmäßigen Rechtspraxis durch 139 Richtlinien II. Transaktion (transactie) 139 1. Bedeutung und gesetzliche Voraussetzungen der 139 Transaktion 2. Anwendung des Punktessystems 141 3. Verhältnis der Transaktion zur bedingten Einstellung 142 (nach Art. 167 II nlStPO) III. Anklage 142 E. Entscheidungen der Polizei am Ende des Ermittlungsverfahrens 143 I. Transaktionsbefugnis 143 1. Gesetzlich bestimmte Anwendungsvoraussetzungen 144 2. Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben zur Polizei- 145 transaktion durch Transaktionsbeschluss 1994 2.1. Nähere Bestimmung des Anwendungsbereichs 145 2.2. Zur Anwendung befugte Beamte 146 2.3. Möglichkeiten einer Beschränkung der polizeilichen 146 Transaktionsbefugnis seitens der Staatsanwaltschaft 2.4. Regelungen zum Verfahrensablauf 147 2.5. Kontrolle polizeilichen Handelns (Art. 10 148 Transaktionsbeschluss) 3. Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben zur Polizei- 149 transaktion durch Richtlinien der Generalstaatsanwaltschaft 4. Deliktspezifische Konkretisierung der gesetzlichen Vor- 150 gaben zur Polizeitransaktion durch Richtlinien der General- staatsanwaltschaft 4.1. Regelung des Anwendungsbereichs am Beispiel 150 Diebstahl und Unterschlagung 4.2. Regelung des Anwendungsbereichs am Beispiel 153 Fahren unter Alkoholeinfluss II. Rechtstatsächliche Anwendung der Polizeitransaktion 154 1. Auswirkung des ausgedehnten Anwendungsbereichs 155 der Polizeitransaktion auf die Strafverfolgungspraxis im Allgemeinen Inhalt XIV 2. Strafverfolgungspraxis bei der Trunkenheit im Straßen- 160 verkehr 3. Strafverfolgungspraxis beim Diebstahl 162 4. Strafverfolgungspraxis bei Körperverletzungsdelikten 163 5. Schlussfolgerung 164 III. Das Halt-Verfahren 165 1. Gesetzliche Voraussetzungen des Art. 77e nlStGB 165 2. Praktische Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben 166 2.1. Anwendungsbereich von Halt 167 2.2. Straftatenkatalog 167 2.3. Verfahren 168 3. Rechtstatsächliche Betrachtung der Anwendung von Halt 169 3.1. Bedeutung des Halt-Verfahrens in der Praxis 169 IV. „Stop“-Reaktion 172 1. Inhalt der Stop-Reaktion 172 2. Praktische Bedeutung der Stop-Reaktion 173 V. Folgenlose Einstellung durch die Polizei 174 1. Einstellung wegen unzureichender Beweislage/ 175 unbekannten Täters 2. Aufgrund mangelnden öffentlichen Interesses 176 3. Rechstatsächliche Betrachtung der Anwendung folgen- 177 loser Einstellung durch die Polizei VI. Beteiligung der Polizei am AU-Verfahren 177 1. Verfahrensablauf 178 2. Praktische Bedeutung des Verfahrens und der poli- 179 zeilichen Rolle hierbei F. Kontrolle verfahrensbeendender Maßnahmen durch das Opfer 181 G. Zusammenfassende Beurteilung der Rolle der Polizei im 183 niederländischen Strafverfahren T EIL 4 R EFORMKONZEPT Z UR A USGESTALTUNG D ES 187 V ERHÄLTNISSES Z WISCHEN S TAATSANWALT- SCHAFT U ND P OLIZEI I M D EUTSCHEN S TRAF- VERFAHREN Kapitel 1: Vorbildcharakter der einzelnen niederländischen 187 Strafverfahrensregelungen für die Polizei? A. Verhältnis von Polizei und Staatsanwaltschaft im Ermittlungs- 187 verfahren B. Beteiligung der Polizei am beschleunigten Verfahren 188 (AU-Verfahren) Inhalt XV C. Verfahrensbeendende Maßnahme 188 I. Übertragung der Möglichkeit zur folgenlosen Einstellung 189 II. Im jugendstrafrechtlichen Bereich 190 III. Transaktion 191 Kapitel 2: Möglichkeiten und Grenzen der Einführung 192 einer polizeilichen Erledigungskompetenz im deutschen Strafverfahren A. Bedingte polizeiliche Erledigungskompetenz als Erfolgsgarant 192 für die Entlastung der Justiz? B. Verfahrensökonomie als legitimes Motiv für eine Neugestaltung 195 der strafverfahrensrechtlichen Regelungen? C. Integrationsmöglichkeit einer derartigen Regelung ins deutsche 197 Strafverfahren D. Vereinbarkeit mit Verfassungsprinzipien und Prozessmaximen 204 I. Richtervorbehalt und Gewaltenteilung (Art. 20 II 2, 92 GG) 206 II. Gesetzesbindung (Art. 20 II 2, III GG) 209 III. Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung (Art. 3 GG) 211 1. Rechtstatsächlicher Ausgangspunkt: Anwendungs- 212 ungleichheit 2. Konkretisierung der Anwendungskriterien des 216 § 153 a StPO anhand des niederländischen Vorbilds 3. Ausgestaltung des Anwendungsbereichs einer poli- 219 zeilichen Einstellungskompetenz gegen Geldauflage nach niederländischem Vorbild 3.1. Gesetzlich normierte Anwendungsvoraussetzungen 220 3.1.1. Auf Tatbestandsseite 220 3.1.2. Auf Rechtsfolgenseite 221 3.2. Anwendungsbestimmung durch untergesetzliche 222 Regelungen 4. Abschließende Bewertung 223 IV. Übermaßverbot ( Art. 20 III GG) 224 V. Unschuldsvermutung (Art. 20 III GG) 226 1. Fehlendes institutionelles Sicherungselement sowie auf 226 dem Beschuldigten lastender Geständnisdruck 2. Vorenthaltung gerichtlicher Feststellung über die Unschuld 228 3. Auferlegen von Auslagen 228 VI. „ne bis in idem“ -Grundsatz (Art. 103 III GG) 229 1. “Dieselbe Tat“ im Kontext des deutschen Strafverfahrens 230 2. „Dieselbe Tat“ im Kontext des niederländischen Straf- 231 verfahrens Inhalt XVI 3. Strafklageverbrauch nach polizeilicher Einstellung gegen 232 Geldauflage VII. Justizgewährung (Art. 19 IV 1 GG) 234 1. Für den Betroffenen 234 2. Für das Opfer (Klageerzwingungsverfahren) 238 VIII. Zusammenfassung der verfassungsrechtlichen Aspekte 241 E. Beachtung kriminalpolitischer und systematischer Aspekte 242 I. Keine sachgerechte und rechtmäßige Entscheidungs- 243 kompetenz der Polizei II. Unzureichende Objektivität und Neutralität der Polizei für 246 die Entscheidungsfindung III. Gefahr der Erosion des Legalitätsprinzips 248 IV. Gefahr rechtsstaatlicher Einbußen 249 V. Gefahr des Ansehensverlustes der Polizei 250 VI. Zusammenfassung 252 Kapitel 3: Reformvorschlag 253 A. Präzisierung der Anwendungsvoraussetzungen des § 153 a StPO 253 B. Einführung einer Ermächtigungsnorm in das EGStPO zur 253 Übertragung der staatsanwaltschaftlichen Einstellungskompetenz gem. § 153 a StPO auf die Polizei durch Rechtsverordnung C. Einführung einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit staats- 257 anwaltschaftlicher wie auch polizeilicher Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO Kapitel 4: Abschließende Stellungnahme 259 A. Vorteile des Reformvorschlages gegenüber der jetzigen 259 Rechtspraxis B. Vorteile des Modells gegenüber anderen Reformmodellen 260 C. Resümee 263 Anhang: Verzeichnis über die untergesetzlichen Regelungen 264 Abkürzungsverzeichnis 282 Literaturverzeichnis 288 Teil 1 Die Rolle der Polizei im deutschen Strafverfahren Kapitel 1: Anlass und Ziel der Arbeit A. Ausgangspunkt Die vorliegende Arbeit setzt bei dem Problem der Folgenbewältigung justizieller Überlastung im deutschen Strafverfahren an. Als Ausweg aus der bestehenden Arbeitsüberlastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften durch die steigende Zahl aburteilungsfähiger Strafverfahren bietet sich an, Kompetenzen der Staatsan- waltschaft im Kleinkriminalitätsbereich auf die Polizei zu übertragen. Dadurch könnten für die Staatsanwaltschaften mehr Arbeitskapazitäten im Bereich schwerer Kriminalität entstehen. Eine derartige Entlastungsfunktion der Polizei ist in zweierlei Hinsicht denk- bar: Einmal kann die Ermittlungsarbeit vollständig und eigenverantwortlich von der Polizei durchgeführt werden, so dass die Staatsanwaltschaft nur noch mit dem Ermittlungsergebnis befasst wird. Wie meine Untersuchung nachweist (Teil 2, Kap. 3 und 4), findet dies in der Praxis schon vielfach statt. Zum anderen kann die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft durch die Polizei vorbereitet oder vor- weggenommen sein, insbesondere wenn es sich um Verfahrenseinstellungen wegen geringer Schuld des Täters und mangelnden öffentlichen Interesses handelt. Hierzu gibt es verschiedene Ansätze, die sich auch in entsprechenden Diversionsrichtli- nien niederschlagen (Teil 2, Kap. 5). Die Vorteile eines solchen Verfahrens liegen auf der Hand: Neben der Entlas- tung der Strafjustiz vor allem schnellere Verfahrensabläufe. Bedenken bestehen allerdings aus rechtstaatlicher und strafrechtlicher Sicht; es stellt sich die Frage, ob damit nicht das Legalitätsprinzip, das bislang auf der poli- Anlass und Ziel der Arbeit 2 zeilichen Ebene der Strafverfolgung uneingeschränkt rechtliche Bedeutung bean- sprucht, ausgehebelt und die Staatsanwaltschaft ihre Bedeutung als Herrin des Ermittlungsverfahrens verlieren würde. Dieser Frage soll zum einen in rechtlicher und rechtstatsächlicher Hinsicht nachgegangen werden, indem die deutschen Rege- lungen und deren praktische Umsetzung (v.a. in Form von Richtlinien) analysiert werden (Teil 2). Hierfür werden untergesetzliche Bestimmungen in den einzelnen Bundesländern, die das Verhältnis von Polizei und Staatsanwaltschaft im Ermitt- lungsverfahren betreffen, anhand bestimmter Kriterien ausgewertet und miteinan- der verglichen, um sich einen gesamtdeutschen Überblick über die Rechtspraxis zu verschaffen. In einem weiteren Schritt werden dann die für das deutsche System gewonne- nen Erkenntnisse rechtlicher wie auch rechtstatsächlicher Art mit entsprechenden Regelungen europäischer Nachbarstaaten, insbesondere des niederländischen Strafverfahrenssystems, verglichen (Teil 3). Hier kann die Arbeit Erkenntnisse aus einem großangelegten europäisch rechtsvergleichenden Projekt zur Funktion und Arbeitsweise von Staatsanwaltschaften in den einzelnen Kriminaljustizsystemen verwerten. Abschließend wird untersucht, inwieweit das niederländische Strafver- fahrensrecht Anregungen für ein neues Reformkonzept zur Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft im deutschen Ermittlungs- verfahren bietet (Teil 4). B. Entwicklung der Einstellungspraxis Ein Blick auf die Staatsanwaltschaft-Statistik der letzten Jahre lässt eine erhöhte Anzahl an Verfahrenseinstellungen der Staatsanwaltschaft und Gerichte nach den §§ 153 ff. StPO, §§ 45 ff. JGG, § 31 a BtMG erkennen. Dabei wurde insbesondere von den folgenlosen Einstellungen, u. a. nach § 153 StPO, Gebrauch gemacht. Waren es 1993 noch insgesamt 690.070 Einstellungen ohne Auflagen, so stieg die Anzahl im Jahr 2003 auf 998.845 an 1 Aus den Polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS) der letzten Jahre lässt sich zu- dem entnehmen, dass gleichlaufend mit dieser erhöhten Anzahl an Verfahrensein- stellungen auch ein erheblicher Anstieg an Kleinkriminalität in der BRD zu ver- zeichnen war. Dies zeigt sich sehr deutlich anhand des Beispiels Ladendiebstahl, einem Massendelikt; so waren 2003 55 % der erfassten Ladendiebstähle in Deutschland solche mit einer Schadenshöhe von bis zu 15 Euro, um die 22 % machten solche mit einer Schadenshöhe von 15-50 Euro aus. Folglich kann man feststellen, dass sich bis zu 78 % aller Ladendiebstähle im Bagatelldeliktsbereich befinden. 1 Tabelle 2.2 der Staatsanwaltschaft-Statistik 1993 und 2003 (Hrsg.: Statistisches Bundesamt Wiesba- den).