Eine Abhandlung über Belange der Meere und des himmlischen Gefildes Zusammengestellt in allergrößter Sorgfalt und ergänzt durch Beschreibungen lehrreicher Art und auch eine Vielzahl von Lithographien. Gefasst in vielerlei Abschnitte und noch genauer unterteilt. Verfasst durch Kapitän Lazalantin der „Litheth“ und von selbigem auch vielfach revidiert. Im 5024. Jahr nach dem Ende der Amulettkriege und dem 26. Jahr nach der Thronbesteigung unseres geliebten Königs Hilgorad I. Ap Mer. Verfasst, verlegt und gedruckt in der Hafenstadt - Brandenstein zu Siebenwind – 1 Trage allzeit auf den Lippen: „Ventus zur Ehr‘, Xan zur Wehr!“ 2 Inhaltsverzeichnis Erstens: Betreffend die göttlichen Wesen, ihre Erscheinung und Zuständigkeiten, sowie ihnen darzubringende Opfer und Gebete. ..................... 8 Zweitens: Betreffend die göttlichen oder geisterhaften Erscheinungen und Wesen, die dem Leser auf See begegnen und widerfahren mögen. ................ 13 Das Lithethsfeuer. .................................................................................................... 13 Moniang, die Schweigsame. ..................................................................................... 14 Der Albatros............................................................................................................... 15 Der Wal. .................................................................................................................... 15 Die Seeschlange. ...................................................................................................... 16 Der Kraken. ............................................................................................................... 17 Die Inselschildkröten. ................................................................................................ 18 Der Leviathan und seine Fischmenschen. .............................................................. 19 Die Rusalka. ............................................................................................................. 21 Die Gattung der Meerjungfrauen. .............................................................................. 21 Die Undinen. ............................................................................................................. 24 Der Vogel Rokh. ....................................................................................................... 25 Alkonost und Sirin. ................................................................................................... 25 Der Nachtrapp. ......................................................................................................... 26 Die ehernen Vögel. ................................................................................................... 26 Die Watrmama. ........................................................................................................ 27 Der Klabautermann. ................................................................................................. 27 Piratenkönig “Eugenius”. .......................................................................................... 28 Die Geisterschiffe. .................................................................................................... 28 Der Schimmelreiter. ................................................................................................... 32 Die Wasserpferde...................................................................................................... 33 Die Wandelwasser. ................................................................................................... 34 Drittens: Als Intermission eine Sammlung erbaulichen Liedguts, das im Repertoire jedes Seemanns nicht fehlen darf und soll. ..................................... 36 3 Viertens: Eine Auflistung der Bauarten solcher Schiffe, die üblicherweise auf den Meeren angetroffen werden können. ................................................................. 50 Fünftens: Über das Handwerk zur See, die Werkzeuge der selbigen Handwerker und auch betreffend alle Männer einer Schiffsbesatzung. ............ 56 Sechstens: Über den Kampf zur See in seinen drei Eigenheiten, ergänzt durch Beispiele anzuwendender Formationen und ihrer Abläufe. ............................... 72 Zur Strategie. ............................................................................................................. 72 Zur Taktik: Grundlagen. ............................................................................................. 72 Zur Taktik: Der Vorteil des Windes. ........................................................................... 73 Zur Taktik: Eine Auswahl an Manövern. .................................................................... 74 Zur Taktik: Lug, Betrug und Täuschung. ................................................................... 77 Zum Geschützkampf. ................................................................................................ 78 Zum Enterkampf. ....................................................................................................... 79 Siebtens: Über alle Arten der Bestimmung von Ort und Zeit zur See, mithilfe einer Reihe von Hilfsmitteln und theoretischen Überlegungen. ... 81 Ein Vorwort. .............................................................................................................. 81 Das Grundsätzliche. .................................................................................................. 81 Die Navigation mithilfe des Windes. ........................................................................ 82 Das Wolkenlesen. ..................................................................................................... 83 Die Navigation nach der Strömung. .......................................................................... 84 Die Navigation nach den Kindern des Vuchalem. ..................................................... 84 Die Navigation nach den Schwingen des Rilamnor. ................................................. 85 Die Koppelnavigation. ............................................................................................... 86 Tücken der Navigation. ............................................................................................. 87 Achtens: Über die Kunst der Viktualien, das heißt, die Mannschaft eines Schiffes mit Nahrung und Getränk zu versorgen. ........................................ 93 Ein Vorwort. ............................................................................................................... 93 Der Schiffszwieback. ................................................................................................. 95 Das Salzfleisch. ......................................................................................................... 95 Der Stockfisch. .......................................................................................................... 96 Der Alkohol. ............................................................................................................... 96 Burgoo. ...................................................................................................................... 99 Erbsenpudding. ......................................................................................................... 99 4 Strudel. ...................................................................................................................... 99 Labskaus. .................................................................................................................. 99 Neuntens: Über Manöver zum Ankern und Anlegen, sowie den Landgang und eine Beschreibung der größeren Hafenstädte. ................................... 101 Das Ankern. ............................................................................................................. 101 Das Anlegen. ........................................................................................................... 102 Angekommen – die Hafenstädte. ............................................................................ 103 Entfernungstabellen. ............................................................................................... 109 Zehntens: Über das Recht zur See und die Gepflogenheiten guter Seemannschaft. .............................................................................................. 111 Vorwort zum Gesetz der Meere .............................................................................. 111 Artikel I: Die Pflicht zur Medizinischen Versorgung ................................................. 111 Artikel II: Die Pflicht zur Fürsorge um Passagiere ................................................... 111 Artikel III: Die Pflicht zur Hilfe in Seenot .................................................................. 111 Artikel IV: Die Bergung ............................................................................................ 112 Die Gute Seemannschaft ........................................................................................ 112 Elftens: Über die Heilkunde zur See. ............................................................ 113 Die Leiden ............................................................................................................... 113 Und ihre jeweiligen Kuren ....................................................................................... 114 Die operative Versorgung ........................................................................................ 115 Heilmittel und ihre Zusammensetzung .................................................................... 116 Zwölftens: Glossar all jener seemännischen Begriffe, die nicht im übrigen Werke zur Genüge erklärt oder erwähnt wurden.........................................118 Anhang: Sonstiges Karten- und Informationsmaterial. .............................. 142 5 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Heimsuchung............................................................................................................................... 8 Abbildung 2: Das Gesicht der "Litheth". Galionsfigur des nach ihr benannten Schiffes, aus den Händen der Meisterschnitzerin Melerwen. ................................................................................................................................. 9 Abbildung 3: Licht- und Sagengestalten über der Geistersee. ............................................................................. 13 Abbildung 4: Die verschiedenen Walarten. 1 – Norlandwal; 2 – Mörderwal; 3 – Glattwal; 4 – Pottwal; 5 – Narwal; 6 – Blauwal; 7 – Furchenwal; 8 – Weißer Wal. ..................................................................................................... 15 Abbildung 5: Eine Seeschlange in Ruhe............................................................................................................... 16 Abbildung 6: Eine neugierige Seeschlange im Kielwasser eines Schiffes............................................................ 17 Abbildung 7: Der furchtbare Kraken, bei seiner zerstörerischen Tat. ................................................................... 17 Abbildung 8: Der Krautrücken, oder Riesenschildkröte (nicht maßstabs-getreu dargestellt). .............................. 18 Abbildung 9: Der Leviathan weicht vor dem gerechten Zorn der Götter. .............................................................. 19 Abbildung 10: Die Rusalka.................................................................................................................................... 21 Abbildung 11: Verführung durch die Meerjungfrauen. .......................................................................................... 22 Abbildung 12: Die Töchter des Drac. .................................................................................................................... 23 Abbildung 13: Undinen in liebender Umarmung. .................................................................................................. 24 Abbildung 14: Der Vogel Rohk, größer als jedes Schiff. ....................................................................................... 25 Abbildung 15: Die Alkonost. .................................................................................................................................. 25 Abbildung 16: Der Klabautermann. ....................................................................................................................... 27 Abbildung 17: Ein Geisterschiff. ............................................................................................................................ 30 Abbildung 18: Die Shabai von der Bittersee vor Al-Gahad. .................................................................................. 31 Abbildung 19: Der Schimmelreiter, oder Deichfürst. ............................................................................................. 32 Abbildung 20: Ein Wasserpferd mit seinem glücklosen Opfer. ............................................................................. 33 Abbildung 21: Heiterkeit in der Mannschaftsmesse. ............................................................................................. 36 Abbildung 22: Eine Bark. ...................................................................................................................................... 50 Abbildung 23: Eine Bireme. .................................................................................................................................. 50 Abbildung 24: Eine Brigantine............................................................................................................................... 51 Abbildung 25: Die Brigg. ....................................................................................................................................... 51 Abbildung 26: Ein Drachenboot mit nortravischen Seeräubern läuft aus. ............................................................ 52 Abbildung 27: Die "Frouwe" der Reederei Stolzwetter zu Venturia. ..................................................................... 52 Abbildung 28: Eine Galleasse. .............................................................................................................................. 53 Abbildung 29: Ein Katamaran mit endophalischen Wilden. .................................................................................. 53 Abbildung 30: Ein Klipper vor Anker im Hafen von Venturia................................................................................. 54 Abbildung 31: Eine Kogge. ................................................................................................................................... 54 Abbildung 32: Ein Schoner. .................................................................................................................................. 55 Abbildung 33: Die Sloop. ...................................................................................................................................... 55 Abbildung 34: Signalflaggen. ................................................................................................................................ 58 Abbildung 35: Der Bootsmann an Deck. ............................................................................................................... 60 Abbildung 36: Die richtige Art, die Bootmannspfeife zu greifen. ........................................................................... 61 Abbildung 37: Der Zimmermann in seiner standesüblichen Kluft. ........................................................................ 63 Abbildung 38: Das Handwerkszeug des Matrosen. .............................................................................................. 64 Abbildung 39: Wie man Leinen spleißt. ................................................................................................................ 65 Abbildung 40: Die üblichen Knoten. ...................................................................................................................... 66 Abbildung 41: Das Rigg einer Brigg. ..................................................................................................................... 68 Abbildung 42: Das Rigg einer Brigg, fortgesetzt. .................................................................................................. 69 Abbildung 43: Das laufende Gut des Rahsegels einer Unterrah. ......................................................................... 70 Abbildung 44: Das Rangieren in Linie................................................................................................................... 74 Abbildung 45: Wenden und Halsen. ..................................................................................................................... 75 Abbildung 46: Die Retirade. .................................................................................................................................. 75 Abbildung 47: Das Führen der Linien gegen den Versuch eines Durchbruchs. ................................................... 76 Abbildung 48: Das Dubliren. ................................................................................................................................. 76 Abbildung 49: Das Forcieren. ............................................................................................................................... 77 Abbildung 50: Eine Steinschleuder, oder 'Treibendes Werk'. ............................................................................... 78 Abbildung 51: Der Kompass in schematischer Darstellung. ................................................................................. 81 6 Abbildung 52: Das Logscheit. ............................................................................................................................... 82 Abbildung 53: Eine Karte der sieben Winde. ........................................................................................................ 82 Abbildung 54: Eine Sturmeswolke über dem Festland. ........................................................................................ 83 Abbildung 55: Strömungsnavigation, ein Beispiel. ................................................................................................ 84 Abbildung 56: Eine Tafel häufiger Land- und Seevogelarten. .............................................................................. 84 Abbildung 57: Wie ein Stern angepeilt wird. ......................................................................................................... 85 Abbildung 58: Wie ein Kurs alleine anhand einer Handgeste bestimmt wird........................................................ 85 Abbildung 59: Ein Sextant..................................................................................................................................... 86 Abbildung 60: Ein Schiff in Seenot........................................................................................................................ 87 Abbildung 61: Ventus. Gleichermaßen zerstörerische Naturgewalt und Wind in unseren Segeln. ...................... 88 Abbildung 62: Bei blanken Masten. ...................................................................................................................... 89 Abbildung 63: Tabelle der Gefahrenzeichen......................................................................................................... 91 Abbildung 64: Eine Schautafel zur sachgerechten Handhabung des Senklots. ................................................... 92 Abbildung 65: Darstellung einer Schiffsküche. ..................................................................................................... 93 Abbildung 66: Zwieback. Nicht dargestellt: Käfer. ................................................................................................ 95 Abbildung 67: Stockfisch in verschiedenen Arten der Zubereitung. ..................................................................... 96 Abbildung 68: Eine Maß Dünnbier. ....................................................................................................................... 97 Abbildung 69: Fichtensprossen, wie sie gesammelt werden sollen. ..................................................................... 98 Abbildung 70: Die Destillation von Arrack. ............................................................................................................ 98 Abbildung 71: Ein Stockanker. ............................................................................................................................ 101 Abbildung 72: Wie ein Schiff fachgerecht festgemacht wird. .............................................................................. 102 Abbildung 73: Der Hafen von Venturia im Jahre 25 n.H. .................................................................................... 107 Abbildung 74: Die Sternenkarte des Magus Toran Dur von der königlichen Akademie der arkanen Künste zu Siebenwind. ........................................................................................................................................................ 142 7 Erstens: Betreffend die göttlichen Wesen, ihre Erscheinung und Zuständigkeiten, sowie ihnen darzubringende Opfer und Gebete. Zu Beginn einige Auszüge aus der Schriften- sammlung der Ecclesia Elementorum, die zu- sammenfassen, welcher Art, Natur und Anzahl die göttlichen Geschöpfe des Ventus und Xan sind, beginnend mit den Wesenheiten im Gefolge des Windherren und fortfahrend mit den Ge- schöpfen der Gezeitenherrin. Beschränkt auf sol- che Wesen, die für einen Seemann von Interesse sind. Vuchalem: „Vuchalem ist der Urvater aller Vögel und Wesenheiten, welche sich in den Himmels- reichen bewegen. Vuchalem ist der Herr der Frei- heit und der Stellvertreter Ventus im Bereich der Wesenheiten der Winde. Dazu gehört alles, was sich in die Gefilde der Lüfte emporhebt, auch die Tänzer der Winde gelten zu seiner Schar. Vucha- lem ist stets der unendlichen Freiheit ausgesetzt. Er liebt es, frei zu sein, und sich in den Wogen Abbildung 1: Die Heimsuchung. seines Vaters zu bewegen. Man munkelt, dass man Vuchalem schon einmal gesehen hat, in der Gestalt von Vögeln. Einige sagen, er sei ein schneeweißer gewaltiger Adler, dessen Schwingen so rein und weiß schimmern, dass man die Augen abzuwenden gezwungen ist. Andere sagen wiederrum, dass er in Gestalt eines wundersamen prächtigen Schwanes gesichtet wurde, dessen Anblick ei- nes von Herzen schwärmen und die Schönheit preisen lässt. Aber es gibt auch andere Gerüchte, dass er einfach nur in Gestalt von einem bunten Regenbogen oder einem angenehmen Windzug umherzieht. Er genießt mit jeder Woge seine Freiheit.” Zephrion: „Zephrion ist Vuchalems erster Sohn. Aus seinem Geschlecht entstanden die Vögel und die Wesenheiten, die über die Meere fliegen würden. Zephrion beschreibt man als einen sehr wechselhaften Zeitgenossen. Er soll so ruhig sein wie eine ruhige See, aber er soll auch so stürmisch sein wie die stärkste Windrose. Zephrion wacht über all jene Diener Ventus, all jene Wesen, die sich in den Himmeln über dem Meer befinden. Man sagt sich, dass er oft die Gestalt einer gewaltigen Möwe annimmt und fast spiele- risch die Schaulustigen, die ihn einmal zu Gesicht bekommen umfliegt.” Litheth: „Ventus erschuf aus den kräftigsten Stürmen und den mildesten Brisen Litheth. Sie sollte herrschen über die milden Brisen und die starken Stürme. Und genauso wech- selhaft ist auch ihr Verhalten. Mal ist sie aufbrausend wie ein stürmischer Orkan und manchmal einfühlsam wie eine milde Brise. Man sagt sich, dass ihre Gestalt die eines eigenartigen Fabelwesens sein soll. Sie soll aussehen wie ein anmutiger Leopard und 8 doch wie ein Greif, wie ein gewaltiger Vogel dessen Fe- dern mehr ein Flaum oder Fell sind oder doch beides? In ihrem Haar und um ihre Augen sollen Blitze funken und um sie herum soll stetig Wolken aus dichtem Nebel sein. Sie ist die Herrscherin über die Winde und die Wol- ken und Ventus trug ihr auf, einen Stamm der Titaneij ihm zu Ehren zu führen, auf dass jene Titaneij ihm zu Ehren die Winde und Wol- ken mit Litheth gemeinsam Abbildung 2: Das Gesicht der "Litheth". Galionsfigur des beherrschen würden.” nach ihr benannten Schiffes, aus den Händen der Meis- terschnitzerin Melerwen. Namikleris: „Ein Wesen welchem die Aufgabe zuteilwurde, über die Gewässer der Süße und die Gewässer der Salze zu regieren. Doch die Gewässer, die Artenvielfalt und die Masse waren so gigan- tisch, dass Namikleris wiederum seinen vier Kindern die Wesenheiten der Meere überliess und so nur über jene Gewässer wachen und regieren sollte. Im silbrig zahlrei- chen Schwirren eines Fischschwarms tritt Mammnollum in Erscheinung, Ahnherr aller Fische. Im Wesen ist er eng verwandt mit Nnaal, dem alle Wale und Delphine entspran- gen, die Ventusatem brauchen. Linjacha schuf die Schlangen und Aale der Gewässer, Borbla die im Wasser lebenden Echsen und Kröten. Viele Erzählungen gibt es über ihr korallengleich farbenreiches Schuppenkleid.” Dies fasst zusammen die großen Wesenheiten, den Horwah der Viere gleich, die Xan und Ventus damit beauftragten, über die Meere Tares zu wachen. In gleichem Maße sind sie überall präsent, wie es das Privileg der Göttlichen ist, und bewohnen daher zu- gleich die Fjorde des Norlands, die Küsten von Meerfest im Norden oder Al-Gahad im Süden und natürlich auch das Meer der Sieben Winde, das in der Fremde jenseits Sie- benwinds in die Westersee übergeht. Die Gunst dieser Geschöpfe bestimmt über den Ausgang jeder Fahrt, denn bedingt durch ihre ständige Präsenz ist es gewiss, dass sie von dem Schiff und seiner Mann- schaft wissen. Der gleichmütig freie Vuchalem mag entscheiden, im Spiel die Kunstfer- tigkeit der Mannschaft zu messen, während seine temperamentvolle Schwester Litheth einem Schiff eine Probe in Form eines plötzlichen Sturmes zukommen lassen mag. Mammnollum muss gewillt sein, einem Fischkutter einen Teil seiner Kinder zu überlas- sen und würde andernfalls veranlassen, diesen in die kalten Tiefen herabzerren zu las- sen, wie es das sichere Schicksal xanlästerlicher, gieriger Raubfischer ist. 9 Wünscht man ihre Gunst, ist es unerlässlich, Opfer zu erbringen. Der rechte Zeitpunkt ist leicht zu bemessen: Bitten für eine sichere Fahrt verbindet man mit einem Opfer zu Beginn, frommer Dank für die sichere Heimkehr erfolgt mit einem Opfer danach. Dazwi- schen erfordern plötzliche Notlagen oft auch kleinere Opfer. Nachfolgend ist aufgeführt, was diesen göttlichen Wesen gefallen wird. Allgemeine Opfergaben Ventus Duftkräuter, Saphire, Musik und Gesang Xan Öle, Tinkturen, Opale, Perlen und Silber Vuchalem Papierdrachen, Windspiele und feine Stoffe Zephrion Vogelfutter, eine Schälchen Wasser Litheth Kupfer und Eisen, Speere und Pfeile, Melodien Namikleris Farbige Öle, Getränke, Fruchtessenzen Dabei sollte wohl überlegt sein, in welcher Reihenfolge die Opfer erfolgen und welchem Wesen welche Menge und Güte an Opfergaben gegeben wird, sodass kein Neid oder Zwist daraus erwachsen. Zuvor ist auch zu erwägen, welche Gefahren zu erwarten sind. Braut sich, beispielsweise, bereits am Horizont ein Sturm zusammen, so sollte man ent- sprechend Litheth und Ventus jeweils ein größeres Opfer bringen. Aus ferneren Winkeln des Reiches erreichen uns immer wieder Geschichten von Opfern ganz anderer Art. Die wilden Bewohner der Mahad-Inseln, der Inselkette im tiefsten Sü- den Endophals, sind dafür berüchtigt, zu jeder Felawende ein menschliches Opfer dar- zubieten. Häufig gewählte Opfer sind Piraten oder fernreisende Kaufmänner, die när- rischerweise den Kontakt mit diesem barbarischen Volk gesucht haben. Es ist nicht ab- schließend geklärt, ob diese Opfer Xan oder ihrer dunklen Widersacherin, der Ersäuferin, gelten. Ähnlich selten sind Berichte von Seemännern, die sich selbst vom Tod in den reißenden Fluten bewahren wollten, indem sie Namikleris ihren Dienst für einhundert Götterläufe versicherten. Die Lebenszeit wird dabei als Opfer angeboten und zumeist dankend an- genommen, denn die göttlichen Wesen messen den Seelen und Herzen der Sterblichen einen hohen Wert zu. Ab diesem Augenblick wurde nie wieder etwas von diesen verlo- renen und verschollenen Männern gehört, sodass ihr endgültiges Schicksal ungewiss ist und unbekannt bleiben wird. Anzunehmen ist, dass sie sich den Kindern des Namikleris angleichen und in Xans Fluten eine neue Wahlheimat finden. Zusammenfassend gibt es viele Möglichkeiten und Anlässe, eine Vielzahl verschiedener Opfer darzubringen. Darüber hinaus gab es im geschichtlichen Rückblick, in Auszügen dargestellt, Beispiele für Opfer fast jeder Art. Entscheidend ist allein das rechte und fromme Herz hinter der freiwilligen Gabe des Dargebrachten. Dann, und nur dann, wird auch die nächste Fahrt mit der Gunst der Göttlichen geschehen. In der großen Auswahl kann man leicht den Überblick verlieren, gerade unter Berücksichtigung der einzelnen 10 Feiertage, sodass viele Schiffe einen oder gar mehrere Schiffspriester mitführen, die in dieser Arbeit geschult sind. Man muss jedoch kein Schiffspriester sein, um ein Gebet zu sprechen. Es gibt regelmä- ßige Gebete, beispielsweise zu Ebbe und Flut oder zum Wechsel der Windrichtung, um den Gezeiten unsere fortwährende Bewunderung auszudrucken. Davon abzugrenzen sind die kurzen, inbrünstigen Stoßgebete, die in einer Notlage erfolgen und in ihrer Wort- wahl zumeist beliebig sind. Die Anrufungen eines Elements oder die Segnungen, die unter anderem dazu dienen, in echte Zwiesprache mit den Kindern des jeweiligen Ele- ments zu treten, werden besser den Geweihten überlassen. Die folgenden Beispiele sind als Vorschläge für Form und Inhalt der jeweiligen Gebete zu sehen, können aber bei Bedarf auch exakt übernommen werden. Ein Gebet zum Beginn einer Reise, gerichtet an Xan und zu sprechen, wenn man zu- sammen mit der Flut ausläuft. “Xan, die alle Gezeiten mit wohlbedachter Hand fügt; die mit sanftem Gemüt die Strömungen führt und lenkt; Mit der Flut trag auch aus hinaus auf deinem Leib, Treue Seelen, geborgen in deiner Hand und voll frischen Mutes. Und mit der Flut lass uns auch bald wiederkehren.” Zur erfolgreichen Heimkehr nach der Reise kann das obige Gebet wiederholt und fol- gendermaßen ergänzt werden. “Treue Seelen, geborgen in deiner Hand und voll frischen Mutes sind wir, Und mit der Flut hast du uns wiederkehren lassen in die Heimat. Nun senkt den Anker, Männer, vertäut das Schiff! Unsere Herzen aber lassen wir weit draußen auf der See, Fortgetragen von deinen Gezeiten, umspült von deinen Strömen.” Ein Stoßgebet in Sturmesnot oder zu befürchtendem Schiffbruch. “Xan, hol mich nicht zu dir! Ventus, zeig Erbarmen! Litheth, strecke mich nicht nieder! Namikleris, reiße mich nicht hinfort!” Eine Bitte um frischen Wind und guten Kurs bei vorherrschender Flaute. “Vuchalem, Den Schwingen deiner Kinder, Weitgespannt und weiß, Sind diese Segel gleich. Mit gleichem Sinnen Erhaschen sie den Ventusatem. 11 Lass uns es dir gleichtun, Auf Wogen und durch Brisen getragen.” Eine Bitte, gerichtet an Xan, falls das Wasser in den Fässern schal oder faul wird oder in sonstiger Weise die Mannschaft vom Durst geplagt wird. “Xan, Regenbringerin, Gezeitenfügende, Nebelwebende, Lebensquell, Freudenbrunnen, Wasserschöpfende, Wir bitten dich: Befeuchte unsere Kehlen, lösche unseren Durst, Erquicke unsere Seelen, erfrische unsere Leiber.” Diese wenigen Gebete dienen nur als erste Vorschläge, wie man die göttlichen Wesen ansprechen oder anrufen sollte. In den gegebenen Texten sind gewisse gemeinsame Abschnitte erkenntlich. So ist man gut beraten, wenn man auf diverse Titel und Bezeich- nungen für die Götter zurückgreift. Diese Bezeichnungen sind kurze Lobpreisungen für bestimmte Aspekte, die wir an diesen Wesen schätzen, und sind Ausdruck unserer An- erkennung und Hochachtung. Im folgenden Abschnitt werden einige dieser Namen zur Verwendung in Gebeten aufgelistet. Anschließend erfolgt eine klare Formulierung der Bitte oder eine nicht allzu wortreiche Nachricht, die den Göttern gelten soll. Im Rahmen eines täglichen Gebets würde an dieser Stelle noch einmal ein Dank an die Götter folgen, während ein Schiffspriester die meditative Annäherung an sein Element bevorzugen würde. Beispiele für preisende Bezeichnungen im Gebet Ven- Wolkengekrönter, Lebenshauch, Sternenmaler, Hirte der Stürme, Sturm tus und Drang, Rückenwind einsamer Wanderer, Astraelsgeleit, Nimmermü- der. Xan Regenbringerin, Säerin der Gischt, Gezeitenfügende, Nebelweberin, Le- bensquell, Freudenbrunnen, Wasserschöpfende, Schuppenknüpferin, Fluten- bringerin. 12 Zweitens: Betreffend die göttlichen oder geisterhaften Erscheinun- gen und Wesen, die dem Leser auf See begegnen und widerfahren mögen. Zusammenfassend wurde zuletzt genauer erörtet, welche göttlichen Wesen es gibt und welche Opfergaben und Gebete pro- bate Mittel sind, um zu gewährleisten, dass sie einem frommen Seefahrer gewo- gen sind. Im folgenden Kapitel befassen wir uns mit einer Sammlung diverser Be- obachtungen und anderweitiger Erfah- rungsberichte, die erahnen lassen, welche Phänomene dort draußen auf der See zu finden sind. Der geneigte Leser möge die folgende Auflistung als Nachschlagwerk verstehen und bei Bedarf um seine eige- nen Notizen am Rand ergänzen. Das Lithethsfeuer. “Auf dem Verdeck, in jeglicher Kajüte flammt’ es Entsetzen; bald zerteilt’ es sich und brannt’ an vielen Stellen; auf dem Mast, an Stang’ und Bugspriest flammt’ es abgesondert, floss dann in eins…” Abbildung 3: Licht- und Sagengestalten über der Geistersee. “Und bald erschien das Lithethsfeuer, das wir so erhofft hatten. Am Bugspriet und Großmast ließ es sich nieder, derweil der Fockmast verloren war, und schenkte uns die Hoffnung Auf ruhigere Winde und eine sichere Heimkehr.” “Rundherum, rundherum im Ringelreihen tanzten die todbringen Feuer des Nachts; Die Wasser, wie die Öle einer Hexe, Brannten grün und blau und weiß.” - Aus den Berichten einiger Seemänner. Bei dem sogenannten Lithethsfeuer handelt es sich um eine äußerst seltene Erschei- nung. Wie den obenstehenden Berichten zu entnehmen ist, handelt es sich um ein 13 fahles, bläuliches Leuchten, das kaum aus unserer Sphäre der Sterblichen herrühren kann. Es verbrennt und verkohlt nicht und hinterlässt auch keinen Ruß, bevor es wieder verschwindet. Dabei gibt es einen Laut von sich, der klingt, als ob man unablässig ein Schwert schnell durch die Luft bewegen würde. Immer schon galt es als Omen, doch war nie schlüssig zu entscheiden, wie denn diese Erscheinung zu werten sei. So heißt es einerseits, dass das Erscheinen des Lithethsfeuer nur im Rahmen eines mächtigen Gewitters geschehen kann. Dann bedeutet es, dass in Kürze die beleuchte- ten Stellen von Blitzen getroffen werden und das Schiff dem Untergang geweiht ist. Hier wirkt es so, als wäre das Feuer der erbarmungslose Blick der Sturmherrin, die ihre ver- heerende Aufmerksamkeit auf die unglückliche Mannschaft gerichtet hat. Andererseits folgten dem Lithethsfeuer auch schon ein Abklingen des tobenden Gewitters und eine Befriedung der himmlischen Gefilde. Diese zwei sehr unterschiedlichen Ausgänge liegen vermutlich in der Zwiespältigkeit der Litheth und ihres Vaters, Ventus, begründet. So ist das Lithethsfeuer ein Omen unklarer Bedeutung. Es ergeht die Empfehlung, mit einem Gebet oder Opfer (wie im vorherigen Kapitel beschrieben) die wankelmütigen Winde zu besänftigen. Moniang, die Schweigsame. Die folgende Sage stammt aus der Zeit der Amulettkriege vor mehr als fünftausend Göt- terläufen und spielt sich im Teil Falandriens ab, der später Malthust werden sollte. Dort in einem Dorf an der Küste wurde ein Mädchen geboren, das bei ihrer Geburt nicht schrie und auch sonst nie klagte oder weinte, was ihr den Beinamen einbrachte, unter dem sie heute noch bekannt ist. Aus der Kindheit dieser Sagengestalt ist noch bekannt, dass ihr Vater und ihre zwei Brüder allesamt Fischersleute waren. Oft soll sie in roten Gewän- dern am Ufer gestanden haben, um auf die Rückkehr der Männer zu warten. Auch schwamm sie gern im Meer und bewies dabei großes Geschick. Nun kam es eines Tages zu einem plötzlichen Sturm. Die tiefschwarze Wolkendecke entfaltete sich über dem Meer und peitschte Wellen von vielen Schritt Höhe auf. Moniang befand sich in ihrer heimatlichen Hütte und war am Webstuhl eingeschlafen. Sie träumte davon, dass ihre Brüder und ihr Vater sich in ärgster Seenot befänden und mit Gewiss- heit in den kalten, wütenden Fluten ihr Ende finden würden. Im Traum fügte sie es so, dass sie ihnen, einen nach dem anderen, die Hand reichte und sie in Sicherheit brachte. Doch bevor sie dazu kam, die Hand ihres Vaters zu greifen, da wachte sie aus ihrem Traum auf, denn ihre Mutter hatte sie wachgerüttelt, um sie für ihre nachlässige Faulheit zu rügen. Am nächsten Tag fand man die drei Brüder am Ufer, ohne ihr Fischerboot, und die Be- wohner des Dorfes sprachen von göttlicher Gnade und einem Wunder. Bald brachten sie Geschenke zu der von Xan erwählten Moniang und begannen, sie zu verehren. Der Vater jedoch blieb verschollen. Es heißt, dass das schweigsame Mädchen im zarten Alter von vierzehn Götterläufen zu Tode kam, als sie die Sehnsucht nach ihrem Vater nicht länger ertrug und hinausschwamm auf die dunkle See, um ihn dort zu suchen. 14 Sie kehrte nicht zurück und gilt seitdem als Patronin der Schiffsbrüchigen und jener, die sich in Seenot befinden oder einen Geliebten an die wankelmütige See verloren haben. Der Albatros. Der Albatros ist ein großer bis sehr großer Vogel mit einer Spannweite der Flügel von etwa zwei bis drei Schritt. Er ist leicht an seinem ausgeprägten, kantigen Schnabel zu erkennen und besitzt ein weißliches Gefieder, das am Rücken und der Oberseite der Schwingen dunkelgrau bis braun sein kann. Die Albatrosse ernähren sich zumeist von den Kindern des Namikleris und legen dabei große Strecken über die Meere zurück, sodass sie auch fern aller Küsten noch regelmäßig gesichtet werden können. Wacker hält sich die Sage, dass diese stolzen Vögel dem Gefolge des Morsan angehö- ren. Denn Raben, die bevorzugten Geschöpfe des Totengottes, können nicht die langen Flugstrecken leisten, die nötig sind, um eine Seele auf der hohen See zu bergen. Statt- dessen sind es die Albatrosse, die die Seelen zu Galtor geleiten, der sie dann schließlich in die unbekannte Sphäre seines Vaters Morsan trägt und dort zur Ruhe bettet. Da ein Albatros also die Seele eines verstorbenen Seemanns trägt und in sicherem Ge- wahrsam hat, ist es ein lästerlicher Frevel, diese Vögel zu jagen, zu fangen oder gar zu erlegen. Wer solch eine Tat begeht, dem ist das triste Los beschieden, dass seine Seele nicht geholt werden wird, und stattdessen als unglücklicher Geist vom Zeitpunkt des To- des an bis zum Ende dieser Sphäre heimatlos über die Meere spuken muss. Es sei jedem Seemann ans Herz gelegt, sich das Buch “Der Alte Matrose” von einem hochge- schätzten Herren Freiligrath, verlegt in Venturia, zuzulegen. Darin wird das Schicksal eines solchen Frevlers dargestellt. Der Wal. Alle Wale sind Kinder des Nnaal, der wie- derum ein Sohn des Namikleris ist, der aus Xan entsprungen ist. Als göttliche Kreatu- ren sollen sie also auch in dieser Aufzäh- lung erwähnt werden. An erster Stelle muss erwähnt werden, dass diese Ge- schöpfe wahre Vorbilder der Gutmütigkeit und Großzügigkeit sind. Nur in größter Not bedrohen sie ein Schiff oder die Mann- schaft und sind dazu auch kaum hinläng- lich bewaffnet, sodass ihnen nur ihr wuch- Abbildung 4: Die verschiedenen Walarten. tiger Leib als Waffe bleibt. Stattdessen be- 1 – Norlandwal; 2 – Mörderwal; 3 – Glatt- vorzugen sie es, in die blauen Tiefen abzu- wal; 4 – Pottwal; 5 – Narwal; 6 – Blauwal; 7 tauchen und eine Auseinandersetzung zu – Furchenwal; 8 – Weißer Wal. vermeiden. 15 Sie ernähren sich, indem sie kleinste Algenstücke und Fischschwärme mit ihren netz- gleichen Barten erhaschen und mit der Strömung in ihren Schlund ziehen. Trotz dieser kleinen Beute nehmen sie im Lauf ihres Lebens viel an Gewicht zu, werden feist und schwerfällig. Ihr öliges Fleisch kann gut haltbar gemacht werden und sättigt vorzüglich, während ihr Tran brennbar ist und als Lampenöl und für Leuchtfeuer begehrt ist. Dies setzt natürlich voraus, dass man zuvor eines dieser Geschöpfe erlegt, was keine kleine Herausforderung darstellt. Wegweisend bei dieser Jagd sind die Nortraven, die auf meh- reren, länglichen Ruderbooten hinausfahren und in den Jagdgründen still auf ihren Boo- ten verbleiben, bis die Wale auftauchen, um Ventusatem zu holen, den sie benötigen. Mit Harpunen wird der Wal alsdann erlegt, doch kann dies viel Anstrengung und Mühe erfordern, denn sie sind hart im Nehmen und dickhäutig. Der Wal mit seinem mächtigen Leib und seinem großen Gemüt hat schon immer die Feuer der Kreativität und Fantasie angefacht. Ein beliebtes Motiv in den Erzählungen von Seemännern ist die Gefangenschaft im Magen des Tieres, nachdem sie versehent- lich verschlungen worden sind. Zudem findet sich in vielen Weltbildern, das heißt, Mut- maßungen über die Beschaffenheit unserer Sphäre, die Vorstellung von Sternenwalen oder einem lastentragenden Wal unter dem Kontinent. Die Seeschlange. Unter Seeschlangen versteht man die Kin- der der Linjacha, Tochter des Namikleris, die alle Schlangen und Aale der Gewässer hervorbrachte. Entgegen landläufiger Mei- nung handelt es sich also nicht um schreckliche Ausgeburten des Einen, son- dern vielmehr brave Geschöpfe der Ge- filde Xans, die Zeit ihrer äußerst langen Le- Abbildung 5: Eine Seeschlange in Ruhe. bensspanne der Gezeitenherrin einen treuen Dienst leisten. Entsprechend sind sie also mit den Kraken, auf die im Folgenden eingegangen wird, aufs Ärgste verfeindet. Für einen frommen Seemann, der sich an die Gebote der Xan hält, geht von den Seeschlangen keinerlei Gefahr aus. Beheimatet sind die Seeschlangen grundsätzlich in allen salzigen Gewässern, doch sind sie zum Norden Falandriens hin häufiger anzutreffen und besiedeln insbesondere die zerfurchten Fjorde des fernen Norlands. Dort finden die Fischgründe, die ihren Appetit stillen können, und schlafen während der kalten Jahreszeit unter der schützenden Eis- decke. An den Stränden Endophals oder den Mahadinseln werden sie kaum gesichtet, sondern nur sehr gelegentlich tot angespült, wenn sie sich in ihrem Kurs irrten und in allzu warme Gewässer schwammen. Seeschlangen sind recht leicht zu erkennen. Sie besitzen ein Schuppenkleid in einheit- licher Färbung, die mit dem Alter ausbleicht bis hin zu einem fahlen Weiß bei einem Alter jenseits der Zeitrechnung. Wie alt sie werden können, ist nicht bekannt. Ihre Länge be- misst im Schnitt um die sieben Schritt, diese kann jedoch variieren. Seichten Gewässern 16 passen sie sich an, sodass in schmalen Buchten auch Seeschlangen von wenigen Schritt Länge hausen können, während die freie Tiefsee und die damit verbundene Nähe zu Xan sie auf die Länge von Schiffen anwachsen lässt. Ihre Häupter sind kantiger als die der Land- schlangen, von ungefährer Form eines Pferdekopfes, und manchmal gekränzt von einem Ring aus Korallen, Federn oder Sta- cheln. Gliedmaßen besitzen sie keine, da- für jedoch häufig Floßen oder Kämme an den Seiten ihres Leibes, die sie benötigen, um die Strömungen besser nutzen zu kön- nen. Abbildung 6: Eine neugierige Seeschlange im Kielwasser eines Schiffes. Der Kraken. Um die sogenannten Kraken spinnt sich der Großteil allen Seemanns- garns und unter allen grauenhaften und wundersa- men Geschöpfen ist er jenes, um das sich die meisten Erzählungen ranken. Um die- sen Punkt zu illustrieren, folgt die Überset- zung eines nortravischen Berichts aus dem fünfhunderten Jahr nach dem Ende der Amulettkriege: Abbildung 7: Der furchtbare Kraken, bei “Nun erzähle ich euch, dass es zweierlei seiner zerstörerischen Tat. Seemonster gibt. Eines ist genannt hafgufa (“Gischtnebel”), das andere lyngbakr (“Krautrücken”). Das (lyngbakr) ist die größte Kröte der Welt, doch das hafgufa ist das allergrößte Scheusal in der See. Es ist das Wesen dieser Kreatur, Menschen und Schiffe zu verschlingen, und außerdem Wale und alles in seiner Reichweite. Es taucht für viele Tage unter, dann hebt es sein Haupt und seine Nüstern über die Wellen und verbleibt so bis zum Wechsel der Gezeiten. Wir durchse- gelten gerade die Fläche zwischen seinen Kiefern und seine Nüstern und sein Unterkie- fer waren die dortigen Felsen, die dort in der See erschienen, während der lyngbakr die Insel war, die wir sinken sahen. Ogmund sandte diese Kreaturen auf magische Weise aus, um dich und all deine Mannen zu töten, Oddyr. Er dachte, dass mehr Männer zu- sammen mit dem lyngbakr sinken und ertrinken würde und er beabsichtigte, dass der hafgufa uns alle verschlingen würde. Heute durchsegelte ich sein Maul, da ich wusste, dass es erst vor kurzem auftauchte und die Gezeiten noch nicht wechselten.” Dieser Erzählung entnehmen wir die Tatsache, dass es sich bei den Kraken um Ge- schöpfe handelt, das zumeist durch Magie oder ähnlich niederträchtige Mittel animiert und bewegt wird. Diener des Einen, insbesondere Beschwörer der Wesen der Gegen- spielerin Xans, können sie befehligen und für ihre Zwecke missbrauchen, denn durch 17 den abtrünnigen Gott wurden die Kraken erst in ihre widerwärtige Form verzerrt und erfüllt mit nicht zu stillendem Hass und Hunger. Die Form betreffend ist zu sagen, dass wir aus vielerlei Erzählungen genau wissen, wie die Kraken beschaffen sind. Sie besitzen ein wuchtiges, pockennarbiges Haupt, das zugleich ihr vielfach und vielreihig bezahnter Schlund ist. Davon gehen Fangarme aus, die mit dem Alter des Kraken an Zahl, Länge und Durchmesser erheblich zunehmen. Nach seiner Erschaffung besitzt ein Kraken zwei Fangarme von nicht mehr als je zwei Schritt Länge, während die alten Exemplare der ersten Generation mit ihren Armen, dick und lang wie ein Großmast, ganze Schiffe umschlingen und zerdrücken können. Sollte der werte Leser je das große Unglück haben, einem Kraken auf hoher See zu begegnen, so sollte unmittelbar ein Gebet an Xan angestimmt werden. Fromme Worte, gesegnete Gegenstände oder Opfer an die Gezeitenherrin haben einen durchschlagen- den, verletzenden Effekt auf das Wesen, das sich von seiner einstigen Herrin abgewen- det hat. Durch ein ehrliches Stoßgebet können echte Wunden in das Fleisch der Bestie getrieben werden. Zudem ist zu Waffen wie Speerschleudern oder Harpunen zu raten, um die Fangarme zu schinden und zu schwächen, bevor sie das Schiff oder die Mann- schaft in den umschlingenden Griff bekommen. Kraken sind zwar selten zu beobachten, so vergeht manch ein Seemannsleben, ohne eine solche Bestie auch nur gesehen zu haben, doch noch seltener wurde einer erfolgreich bezwungen. Die Inselschildkröten. In der oben übersetzten Sage wurde bereits die lyngbakr (“Krautrücken”) beschrieben als größte bekannte Kröte. Tatsächlich handelt es sich um ein ganzes Geschlecht dieser Wesen, die nicht nur in dieser Erzählung beschrieben werden. Auch in Schriften im alten galadonischen Dialekt findet sich ein Hinweis auf diese Riesenschildkrö- ten: “Diesmal will ich mit poetischer Kunst vortragen, auf eine Weise mit Worten und Witz, ein Gedicht über eine Art von Fisch, ein großes Seeunge- heuer, oft unwillentlich getroffen, grauenhaft und grausam zu Seefahrern, ja gar zu jedem Mann; dieser Schwimmer von Meeres-Strömungen ge- nannt die Kröte. Abbildung 8: Der Krautrücken, oder Riesenschildkröte (nicht maßstabs- Seine Erscheinung ist wie die eines rauen Fels- getreu dargestellt). klotzes, als ob dort am Strande der große Ozean sich wühlt und die Kröte umrankt mit Sand-Dünen, sodass Seemänner sich vorstellen, dass sie auf ein Eiland blicken, und ihre stolzen und hohen Schiffe dort festmachen und tapferen Mutes emporsteigen.” 18 Die beiden Berichte schildern beinahe vollständig, was über die Inselschildkröten be- kannt ist. Fehlerhaft sind sie jedoch in der Hinsicht, dass diese edelmütigen Kreaturen keineswegs aus böser Absicht so handeln, dass Schiffe und ihre Besatzung in die Un- tiefen mitgerissen werden. Vielmehr ist es bei Wesen dieser Größe so, dass sie nicht in der Lage sind, so kleine Objekte zu sehen oder zu spüren und uns also auch keine Be- achtung schenken können. Ihr Alter wird besser in Jahrtausenden als Jahren gemessen, sodass man zudem vermuten muss, dass sie jede Zeitspanne, die kürzer als eine Woche ist, nicht einmal wahrnehmen können, da sie zu schnell verfliegt. In den bekannten Gewässern um Falandrien herum sind nur noch äußerst wenige dieser Wesen vorhanden. Nach und nach scheint sie etwas oder jemand in die westlichen Meere, jenseits aller befahrenen Routen, zu rufen. Die kleinen Exemplare dieser Gattung können mit einer schmalen Sandbank oder einem felsigen Riff verwechselt werden, wäh- rend sich in der südendophalischen Mythologie wacker die Behauptung hält, dass ganz Falandrien auf dem Rücken der ersten Inselschildkröte ruht, die so groß gewachsen ist, dass sie nicht mehr zu tauchen vermag, sondern mit dem Leib schon auf dem Meeres- grund aufliegt. Der Leviathan und seine Fischmen- schen. Kommen wir schließlich zu einem Monst- rum, das selbst den Kraken und den Insel- schildkröten die Jagdgründe streitig macht und dass sich womöglich gar mit einigen Göttern messen könnte. Noch nie wurde ein Leviathan erlegt, bezwungen oder ge- bändigt und zu unserem großen Glück wird diese Kreatur nur einmal in Jahrhunderten gesichtet, wonach sie immer ein übelstes Omen ist. Daher rührt jedoch auch der Um- stand, dass wir über diese Wesen und ihre Zahl kaum Rückschlüsse ziehen können. Was bisher gewiss ist, folgt in der anschlie- ßenden Erzählung aus den Archiven des Tempels der Gezeitenherrin in Swa. Abbildung 9: Der Leviathan weicht vor dem „Kannst du den Leviathan ziehen mit dem gerechten Zorn der Götter. Haken und seine Zunge mit einer Schnur fassen? […] Wenn du deine Hand an ihn legst, so gedenke, daß es ein Streit ist, den du nicht ausführen wirst. […] Niemand ist so kühn, daß er ihn reizen darf; […] Wer kann ihm sein Kleid aufdecken? Und wer darf es wagen, ihm zwischen die Zähne zu greifen? […] Seine stolzen Schuppen sind wie feste Schilde, fest und eng ineinander. […] Aus seinem Munde fahren Fackeln, und feurige Funken schießen heraus. […] Die Gliedmaßen sei- nes Fleisches hangen aneinander und halten hart an ihm, dass er nicht zerfallen kann. Sein Herz ist so hart wie ein Stein […] Wenn er sich erhebt, so entsetzen sich die 19 Starken […] Wenn man zu ihm will mit dem Schwert, so regt er sich nicht […] Er macht, daß der tiefe See siedet wie ein Topf […] Auf Erden ist seinesgleichen niemand; er ist gemacht, ohne Furcht zu sein. Er verachtet alles, was hoch ist.“ Seine Macht über ein großes Gefolge niederträchtiger Schergen nutzt er, um seinen Einfluss zu mehren, ohne jemals selbst in Erscheinung treten zu müssen. Der einzige Leviathan, der bisher bekannt ist, wird am ehesten als „Dragon“ bezeichnet. Landläufi- ges Seemannsgarn erzählt davon, dass er seine Macht dadurch mehrt, dass er die See- len verlorener Matrosen an sich bringt. Im Augenblick des bevorstehenden Todes er- scheint er ihnen und verspricht nicht nur Rettung, sondern ein ewiges Leben in seiner Gefolgschaft. Die Nähe zu seinen Kultstätten und die erzwungene Anbetung der golde- nen Götzenbilder seiner selbst führen dazu, dass diese verlorenen Seelen nach und nach ihre Menschlichkeit verlieren und sich seinem übrigen Gefolge aus Fischmenschen angleichen. So verlieren sie Astraels Gabe der Sprache und auch alle sonstigen Ge- schenke der Viere, wie etwa den selbstbestimmten Willen, und wandeln sich in seelen- lose Scheusale, deren einziges Trachten der Dienst an Dragon ist. Diese Fischmenschen fallen in einem nicht vorherzusagenden Muster, das heißt, in reinster Willkür über Siedlungen an der Meeresküste her und verschleppen weitere Op- fer für ihren Herren, denn sie sind durch die entzogene Gunst der Vitama nicht mehr selbst fruchtbar. Ihre Bewaffnung und Wehr entstammt zumeist der tiefen See und be- steht aus den grob und kunstlos bearbeiteten Knochen von großen Fischen. Einige von ihnen sind ungleich gefährlicher, denn sie sind dazu in der Lage, eine niedere und dä- monisch verseuchte Art der Magie zu wirken. Wie es auch für die Kraken gilt, kann ein Gebet an Xan oder das Tragen ihres blauen Halbmonds einen eingeschränkt wirksamen Schutz vor dem Wirken eines Leviathans bieten und ist gewiss geeignet, um seinem Einfluss nicht allzu schnell zu erliegen. Davon abgesehen ist keine Waffe bekannt und kein Held tapfer genug, um dem Quell dieses uralten Übels den Gar auszumachen. Denn sein Einfluss erstreckt sich über viele dut- zende Rechtmeilen der See um ihn herum und sein Wille allein reicht, um sie kochen und brodeln zu lassen und aus ihr neue Geschöpfe mit mordlustigem Ansinnen hervor- zubringen. Eine gewisse Überschneidung besteht zu verbündeten oder zumindest art- verwandten Dämonen. So wurden Fischmenschen und ihre Brutmütter auch im Gefolge der Dämonenanbeter Yogmir und Dolgaran gesichtet. Auch diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie sich die Seelen der Sterblichen einverleiben wollten, zugunsten einer Kreatur, die sie als “”den Verschlinger”, oder Nattvarg, bezeichneten. Es bleibt ab- zuwarten, ob sich dementsprechend die Sichtung dieser Wesen häufen werden. 20 Die Rusalka. Die ersten Beschreibungen der Wesen, die wir als Rusalka bezeichnen, stammen aus den östlichen Gefil- den des Reiches, genauer aus der fernen Hafenstadt Meerfest. Das verwundert kaum, sind die Menschen aus Meerfest doch seit jeher noch weniger zivilisiert, weniger gebildet als selbst die Malthuster und hängen so noch allerlei Aberglauben an. Wenn es die Rusalka gibt, so wurde sie bisher ausschließlich in diesen Ge- wässern gesichtet, die für die Handelsschifffahrt nicht von Interesse sind. Der Vollständigkeit halber seien sie dennoch aufgeführt, denn sie gehören vermutlich in das Geschlecht der Geister eingeordnet. Rusalka hausen, wie viele andere Schrecken auch, in der Tiefsee und verlassen diese nur für den khorovod, einen Kreistanz, den sie im silbrigen Mondenlicht auf- Abbildung 10: Die Rusalka. führen, um einfache Dorfleute und Matrosen zu verfüh- ren. Ihre Erscheinung ist von edler Blässe und Schlankheit, mit blumigen Girlanden, die ihre reichlich verzierten, seidenen Gewänder schmücken. Ihr Haar ist ausnahmslos sehr lang, bis hinab zum Steiß, und kommt in Farbtönen zwischen hellem Braun und dem Grün der Algen vor. Durch ihre reizende Erscheinung, sowie ihren Tanz und Gesang, einen Mann betört, so stürzen sie sich auf ihn und bringen ihn in einem wilden Spiel um sein Bewusstsein, indem sie ihn mit Federn oder ihren geschickten Fingern kitzeln. Das Opfer erwacht nicht mehr, denn kurz darauf wird es in das nächste Gewässer verschleppt, wo es elendig ersäuft. Dies spiegelt den Ursprung der Rusalka selbst wider, denn es ist davon auszu- gehen, dass es sich um die verirrten Seelen von ertrunkenen Mädchen oder totgebore- nen Kindern handelt. Es handelt sich also, am ehesten, um rast- und ruhelose, unreine Geister, die ihren Neid auf die Lebenden in mörderischer Tat ausdrücken. Landläufigen Weisheiten folgend kann man eine Rusalka fernhalten, indem man gewobenen Stoff in die Äste der Bäume oder an die Rahen hängt. Die Gattung der Meerjungfrauen. Kommen wir zu den zahlreichsten Kreaturen von übernatürlicher oder göttlicher Abstam- mung. Jede seefahrende Kultur kennt Geschichten über die Fischweiber, die Meerjung- frauen, und schmückt diese auf ganz eigene Weise aus. Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten der Meerjungfrauen ist von essentieller, lebenswichtiger Rele- vanz und sollte immerzu beherzigt werden. Spricht man von Meerjungfrauen, so sind zumeist die echten Meerjungfrauen gemeint. Ihr Anblick ist jedem Kind wohlbekannt, schmücken sie doch die Wappenschilder einiger Städte (unter anderem Rothenbucht, Papinstadt) und der edlen Geschlechter, die ihren 21 Einfluss und ihren Reichtum der Seefahrt zu verdanken haben. Ihr oberer Teil ist der einer äußerst schönen, ewig jungen Frau mit langem, strahlend blondem Haar. Ihr unte- rer Leib geht fließend über in einen kräftigen Fischschwanz, bedeckt mit perlmuttglän- zenden und schillernden Schuppen in allen erdenklichen Farben. Sie sind sehr weit ver- breitet, bevorzugen jedoch gemäßigte Gewässer und halten sich dort in seichten Buch- ten, Höhlen oder Lagunen auf. Eng verwandt sind sie mit den murdúchann (Merrow) der khalandrischen Sagen. Diese sind von ganz ähnlichem Gemüt, nur erscheinen sie etwas fischähnlicher mit Schwimmhäuten zwischen den Fingern, stets algengrünem Haar (das sie sorgfältigst kämmen und mit Muscheln zieren) und einem höher reichenden Schup- penkleid, das ihren Busen bedeckt. Echte Meerjungfrauen sind für einen Seemann un- gefährlich, denn sie hegen den Landbewohnern gegenüber keinen Argwohn und kein Vorurteil. Mehr noch: Sie sind sogar zu echter Affektion bis hin zur aufrichtigen Liebe mit einem Menschen in der Lage. Die Sirenen sind von beinahe identischer Erscheinung, und hierin liegt ihre große Gefährlichkeit begründet. Allzu schnell mag man meinen, dass man eine wohlgesonnene Meerjungfrau vor sich hat, nur um kurz darauf dem Sirenenklang zu verfallen. In den Gewässern von Endophal, insbesondere an der Küste von Al-Gahan bis Gol-Air, kann man sich glücklich schätzen, denn hier tragen diese Geschöpfe oft die Züge anderer Tiere, beispielsweise ein Federkleid oder das Haupt einer Löwin, in Ergänzung zu ihrem Fischschwanz. Ein trefflicher Bericht liegt vor, aus den Händen der Weißmaga Kirke. “Die Sirenen verhexen jedermann, der sich ihnen an- nähert. Es gibt keine Heimkehr mehr für einen Mann, der sich ihnen unbedacht annähert. Denn mit ihrem hohen, klaren Sang verhexen sie ihn, während sie auf ihrem Felsen sitzen, auf dem hoch sich die fau- lenden Skelette von Menschen häufen, deren welke Haut noch an ihren Knochen hängt.” In Gefahr schweben darüber hinaus auch weibliche Passagiere und Tiere, denn kein sterbliches Wesen kann sich dem Sirenenlied erwehren, wähnt man sich doch als einziges Ziel der schmeichelnden Verse und würde um jeden Preis versuchen, sich dem lockenden Fischweib zu nähern. Dann zeigt sich ihre wilde Natur, denn mit ihren langen Finger- nägeln und spitzen Zähnen zerreißen sie den Un- glücklichen in kleine Fetzen und verschlingen ihn. Abbildung 11: Verführung durch Dies ist für ihr Überleben notwendig, heißt es doch, die Meerjungfrauen. dass eine Sirene stirbt, wenn sich erfolgreich ein Mann ihrem Lied verwehrt und überlebt. Sirenen sind eng verwandt mit den Nixen, diese halten sich jedoch ausschließlich in den großen Flüssen Galadons auf, also im Beborn, Drac und Ionbar, während die Sirenen in allen warmen Strömungen der Meere Tares zu finden sind, nicht aber nördlich der Limgod-Inseln. 22 Von noch reizenderer Gestalt und immer lieblichen Gemütes sind die Nymphen. Dabei handelt es sich um einen umfassenden Oberbegriff für beinahe alle weiblichen Geister, die sich einem bestimmten Ort verschrieben haben, sodass sie eine eigene Abhandlung zur gerechten und ausführlichen Darstellung ihrer Art verdient hätten. Hier befassen wir uns allein mit den Nymphen des Wassers, den Hydriaden (Nereiden und Naiaden). Zur Unterscheidung zu den Fischweibern sei gesagt, dass die Nymphen gänzlich wie junge Frauen erscheinen und keinen Anteil eines Tierleibes aufweisen. Die Nereiden sind elementare Wesen, die dem Salzwasser entsprungen sind und sind also Töchter des Namikleris, dem Sohn der Xan. Als Geschöpfe der Gezeitenherrin kön- nen sie fließend im Wasser aufgehen und diesem wieder entspringen, weswegen man oft nicht zwischen ihren Körpern und dem Meer unterscheiden kann. Sie schwimmen so geschickt und flink wie jeder Fisch, sodass sie oft mit den Delphinen zusammen am Bug eines fahrenden Schiffes spielen und eintauchen, um sogleich wieder im hohen Bogen dem Wasser zu entspringen. Es ist ein erhebender und zugleich harmloser Anblick. An den schönsten Flecken am Ufer eines Flusses findet man die bevorzugten Ruheplätze der Naiaden, der Flusskinder. Sie sind weniger verspielt als ihre Cousinen in den salzigen Gewässern, stehen dafür aber den Men- schen umso näher. Insbesondere junge Mädchen aus Lichtenfeld verbringen in ihrer Jugend oft viele Stunden und Tage damit, eine solche Naiade ausfindig zu ma- chen und mit ihr zu schwimmen, heißt es doch, dass die Flusskinder sie dabei von allen Unreinheiten der Haut, die das Heranwachsen mit sich bringt, befreien werden. Darüber hinaus verspricht sich manch ein verzweifelnder Dichter oder Barde neue Inspiration davon, wenn er aus der Tonamphore einer Naiade bloß einen Schluck trin- ken dürfte. Um die Vielzahl der Meerjungfrauen und der ihnen ver- wandten Geschöpfe zu illustrieren, bietet es sich an, ei- Abbildung 12: Die Töchter nige namentlich bekannte Vertreter ihrer Art hier auf- des Drac. zuführen. Beginnen möchte ich mit jenen drei Naiaden, die man Töchter des Drac nennt. Wie es dem größten Fluss Falandriens, der Schlagader des galadonischen Rei- ches gebührt, hat der Drac eigene Sagengestalten hervorgebracht. Man nennt sie Wog- linde, Wellgunde und Floßhilde. Während Floßhilde die älteste Schwester ist, handeln sie doch gänzlich im Einklang, und sind allesamt von sehr ähnlichem Charakter. Ihr An- sinnen ist, wie ihre Herkunft, gänzlich unbekannt. Sicher aber trachten sie danach, die Tiefen des doch viel befahrenen Flusses zu behüten. So sprechen sie: „Traulich und treu ist's nur in der Tiefe: falsch und feig ist, was dort oben sich freut!“ Weniger gesittet ist die Nixe Naddaha, die endophalischen Märchen entsprungen ist. Ihre Heimat sind die grünen Ufer des Jahell, bevor er sich in Tschadi und Nir aufteilt; gemeint ist also das Flussufer bei Kanath. Des Nachtens sieht man dort eine Frau 23 spazieren, von einzigartiger und betörender Schönheit, und auch nur in ein weites und fast durchscheinendes Kleid gehüllt. Fließendes, helles Haar reicht ihr den Rücken hinab und ziert sie so, wie das Wasser die Küste umspielt. Ihre Stimme ist sanft und milde; und nur mit der Nennung des Vornamens kann sie einen gänzlich betören. Ist ihr Opfer allein, führt sie es die Stufen hinab zum Wasser, wo man sich ihretwillen bereitwillig ertränken lässt. Die Undinen. Auch die Undinen sind Elementar- wesen, die dem Schoß der Xan ent- sprungen sind. Als Wasserträgerin- nen dienen sie den Geistern von größeren Flüssen und Strömungen, indem sie mit ihren Krügen und Ei- mern das Wasser dorthin bringen, wo es benötigt wird. Dieses Aus- gleichen der Gewässer stellt für sie ihren hehren Lebenszweck und ihre wichtigste Aufgabe dar. Für einen Seemann ist es wichtig, zu wissen, dass diese Wesen sich gern und häufig einen sterblichen Abbildung 13: Undinen in liebender Umarmung. Ehemann nehmen. Wie auch die echten Meerjungfrauen sind sie zu Liebe fähig, doch liegt darin nicht der eigentliche Zweck dieser Annäherung begründet. Undinen werden ohne Seele aus den Gewässern geboren und trachten daher danach, die Seele eines Mannes ihr eigen nennen zu kön- nen, indem sie diesen für sich gewinnen. Für den Freier hat dies keine üblen Folgen, falls er der Tochter des Wassers immer brav die Treue hält. Betrügt er sie jedoch und enttäuscht ihr Vertrauen, so verstirbt er unmittelbar und unausweichlich daran, dass ihm die Seele entrissen wird. Über beide der möglichen Ausgänge wurde viel Prosa und Poesie verfasst und wie auch jede weltliche Beziehung ist der Bund mit einer Undine nicht ohne Herausforderungen. Hartnäckig hält sich die Behauptung, dass sich Mensch und Elementarwesen vereinen können und folglich ein Kind zur Welt bringen. Diese Kinder sollen ein Mal tragen, das dem Erbe ihrer Mutter geschuldet ist und sie immer an ihre Herkunft erinnert. Beschrie- ben wurden die Ansätze von Kiemen am Hals, Schwimmhäute zwischen den Zehen oder Schuppenflechte auf der Haut. Weiterführende Literatur in dieser Hinsicht wäre folgende: “Die Glut und ihr Liebhaber”, sowie “Die erste Windtänzerin”. Letzterer Text bezieht sich auf die Sylphen, das Gegenstück zu den Undinen unter den Kindern des Ventus, die seltener noch zu erblicken sind und doch mit ihren schwebenden, schwerelosen Tänzen allerlei Theaterstücke inspirierten. 24 Der Vogel Rokh. Folgendermaßen wird dieser urtümliche Vo- gel im galadonischen Konversations-Lexi- kon beschrieben: “Der Vogel Rokh ist in den endophalischen Märchen ein Vogel von so fabelhafter Größe und Stärke, dass er einen Elefanten durch die Lüfte zu tragen vermag. Er ist ein gebräuchliches Vehikel für Luftrei- sen, die in den endophalischen Märchen so häufig sind, und spielt auch seine Rolle in der mittelgaladonischen Poesie.” Zusammenfassend handelt es sich um ein selten gesichtetes Kind des Vuchalem, von denen noch zwei weitere beschrieben sind, namentlich Amnacho und Zephrion. Diese Gattung der Riesenvögel göttlicher Abstam- Abbildung 14: Der Vogel Rohk, größer als mung ist ein wiederkehrendes Motiv in der jedes Schiff. Dichtung, aber sie haben auch ihren Platz jenseits der Fantasie kreativer Geister. So gelten zumindest zwei Fälle als gesichert, in denen jeweils ein Schiff von den Klauen eines Riesenvogels gepackt wurde, um aus schwindelerregender Höhe abgeworfen zu werden. Bei diesen Tragödien gab es keine Überlebende, denn die unglücklichen Schiffe zerschellten mit der gehörigen Wucht eines freien Falls. Stattdessen finden sich immer wieder einzelne Federn dieser Vögel, gerade zur dritten Jahreszeit, wenn sie ihr Federkleid allmählich wechseln und so auch einzelne Deckfedern ihrer Schwingen verlieren. Diese Federn erreichen eine wahrhaftige Länge von bis zu zehn Schritt und werden für große Summen gehandelt, da ihnen die wundersame Anmut der Vögel selbst zugeschrieben wird. Alkonost und Sirin. Fahren wir fort mit weiteren sagenhaften Vogelgestalten, die einem Seemann begegnen könnten. Diese Erzählung stammt von den Elfenvölkern jenseits des Walls von Ma’ahn, sowie auch der Dwarschim- Gemeinschaft auf der Altvorderen Halbinsel. Immer im Zweigespann wird berichtet von Vogelweibern, das heißt, Frauen mit menschlichem Haupt und einem gefiederten restlichen Leib. Die Alkonost bringt mit sich Glück, Hoffnung und Zuversicht, während ihre Begleiterin, die Sirin, allzeit bloß Trauer und Kummer beschert. Abbildung 15: Die Alkonost. 25 Diese beiden weiblichen Wesen pflanzen sich miteinander fort und legen Eier, jede in gleicher Anzahl, an der Meeresküste ab. Dort rollen sie in die kalten, salzigen Fluten und werden dort durch das Meer ausgebrütet. Ist es Zeit für die Brut zu schlüpfen, so kommt ein vehementer Sturm über die Brutstätte und schüttelt die reifen Eier dermaßen, dass die Schalen zerspringen und die Jungvögel in die Freiheit entlassen werden. Ein bele- sener Seemann wird sich also an den östlichen Küsten des Reiches immer vor den Al- konoststürmen und dem Trauerschrei der Sirin hüten. Der Nachtrapp. Viele Leser werden zuerst aus dem Munde ihrer Eltern von dem Nachtrapp gehört ha- ben, als sie noch nicht der Kindheit entwachsen waren. Es handelt sich tatsächlich um eine Schreckgeschichte, die genutzt wird, um sicherzustellen, dass widerspenstige Bla- gen und ungehorsame Rotzgören pünktlich nach Haus zurückkehren und still schlafen. Sie sind beliebte Motive für Masken, beispielsweise am Tag der Narren oder zu entspre- chenden Bällen, und für überdramatisierte Romane, die auf günstigem Pergament zu- hauf gedruckt werden. Weniger verbreitet ist die Gewissheit, dass dieses Wesen tatsächlich existiert. Zum Zeit- punkt, an dem diese Zeilen niedergeschrieben werden, liegt keine glaubwürdige Be- schreibung vor. Doch weiß jeder Seemann, dass es fahrlässig wäre, während der Dunkelzyklen allein an Deck zu übernachten und dass man während der Nachtwache höchste Vorsicht walten lassen muss. Denn womöglich flatterten nicht die Segel in der kühlen Brise, sondern es waren die schwarzgefiederten Schwingen des Schreckens, der einen gleich im Nacken packen wird. Die ehernen Vögel. Eine bemerkenswerte Art, die auf einen flüchtigen Blick leicht mit einem anderen Vogel von ungefährer Größe eines Kranichs zu verwechseln wäre. Doch sind Schnabel, Ge- fieder und Klauen aus kunstvoll geformten und messerscharfem Eisen, sodass sie weder Pfeil noch Bolzen fürchten müssen und mit der Wucht eines Sturzfluges auch Rüstung zu durchdringen vermögen. Andernfalls schleudern sie ihre Federn wie geworfene Dol- che nach ihrer Beute, bis diese durch die Vielzahl an Wunden geschwächt ein leichtes Opfer wird. Sie ernähren sich ausschließlich vom Fleisch der Tiere und Menschen. Beheimatet sind sie auf den einzelnen, versprengten Inseln im fernen Norden Falandri- ens. Dort sind Grund und Boden reich an Eisenerz, das sie mit ihren Schnäbeln freiklop- fen und verschlingen, um ihre wundersame Wehr zu pflegen, zu härten und zu veredeln. Glücklicherweise beschränkt sich ihr Lebensraum beinahe ausschließlich auf diese ein- zelnen Felsen, denn sie sind schwer und können darum keine längeren Strecken fliegen. Sollte man dennoch von den ehernen Vögeln heimgesucht werden, so empfiehlt es sich, sich unter Deck in Sicherheit zu bringen und dort zu verharren, bis ihr Hunger sie weiter zum nächsten Ziel treibt. Üblicherweise wird man nicht über die massiven Schilde, die 26 stählerne Wehr oder kampferprobte und hartgesottene Schützen verfügen, die es bräuchte, um dieser Plage beizukommen. Die Watrmama. Die sogenannte Watrmama ist auch bekannt unter Bezeichnungen wie Mamadjo, Mmuommiri oder Mawu-Lisu. Vermutlich existiert sie nicht, zumindest hat sie sich bisher noch nie einem galadonischen Entdecker gezeigt. Und doch ist sie von großer Bedeu- tung für Seefahrer in den südlichen Meeren, insbesondere um die Inselketten jenseits von Endophal, denn dort inspiriert dieses Wesen eine große Gefolgschaft aus Stammes- kriegern, die durch die Watrmama-Priesterinnen angeleitet werden. In ihrem Namen werden Kulthandlungen wie Besessenheitstänze und Menschenopfer durchgeführt, zu denen mit Vorliebe gefangene Reisende verwendet werden. Dieser Irr- und Aberglaube ist der hauptsächliche Grund dafür, weswegen überall nachdrücklich davon abgeraten wird, die Mahadinseln ohne einen landeskundigen Führer zu beschif- fen. Der Versuch, Kontakt mit den Eingeborenen aufzunehmen, endet in der Vielzahl aller Fälle mit einem grausamen Ende am Marterpfahl. Die Schnitzereien aus dunklem Dschungelholz und Elfenbein, die im Reichsmuseum von Draconis zu bewundern sind, zeigen eine schwarzhäutige Frau im fortgeschrittenen Al- ter, mit geflochtenem, dichtem, schwarzem Haar und Attributen wie Würgeschlangen und exotischem Obst. Diese geschnitzten Schlangen finden sich oft an Speerschäften, nahe der Spitze, oder auf Pfeilen wieder und legen einen kriegerischen Aspekt dieses Wesens nahe. Watrmamas Gaben werden in den Boden von Schalen oder anderen Be- hältern eingeschnitzt, was zugleich die Funktion als Fruchtbarkeitsgöttin vermuten lässt. Der Klabautermann. Nicht fehlen dürfen natürlich Erzählungen vom all- zeit treusten Begleiter jeder Mannschaft. Der Kla- bautermann ist zur Stelle, wenn Reparaturen anste- hen oder Klarschiff gemacht werden muss. Seine sorgfältige, aber unsichtbare, Hand schrubbt mit uns das Deck und flickt das Segel. Er spleißt mit seinen flinken Fingern das Seilwerk und klopft den Rost von den Ketten, bevor er in unermüdlichem Fleiß auch gleich noch die Seepocken vom Rumpf des Schiffes kratzt. Als gute Seele ist er ein Geist, der immer gern gesehen wird. Er spiegelt die Stimmung der Mann- schaft wieder und sollte eine Meuterei bevorstehen, so hat schon manch ein Kapitän in seinen letzten Augenblicken das Murren und Zetern des Klabau- Abbildung 16: Der Klabauter- termanns vernommen. Herrscht aber Schiffsfriede mann. und Eintracht, so verrichtet er seine Arbeit mit größtem Eifer. Man kann ihn gewogen stimmen, indem man ihm kleinere Geschenke anbietet, etwa eine Prise Schnupftabak, 27 ein Glas mit Grog oder einen neuen Mantel aus Ölzeug. Er verlangt nicht viel, ist genüg- sam und nie fordernd. Unter bestimmten Umständen jedoch kann sein Anblick das übelste aller Omen sein. Denn den Klabautermann sieht man niemals, es sei denn, der unvermeidliche Untergang des Schiffes steht kurz bevor. Der Geist verabschiedet sich hierbei von der Mannschaft, bevor er ein letztes Mal verschwindet. Aus erster Hand kann hier berichtet werden, dass der Klabautermann zwergenwüchsig ist, gehüllt in gebrauchtes Ölzeug und behangen mit dem üblichen Werkzeug eines Schiffers. Bart und Haar, lang und kraus, sind in den Farbtönen des Meeres gehalten und umrahmen ein faltenreiches, gutmütiges Gesicht. Piratenkönig “Eugenius”. Wenige Menschen haben es verdient, in einem Atemzug und auf einer Liste mit solchen Sagengestalten genannt zu werden. Hier handelt es sich um Eugenius zu Seewacht. Bekannt über seine Herkunft und seine jungen Jahre ist nur, dass sein Vater ein Kapitän der Ossianischen Flotte war, Eugenius selbst aber unehrenhaft der Offiziersschule ver- wiesen wurde. Schon in der Jugend hatte er oft ein Problem mit der Obrigkeit. Darüber hinaus hüllt er sich absichtlich in einen Mantel der Verschwiegenheit und kultiviert um sich einen Mythos. Er gibt sich als großzügiger Verteidiger der Armen und erarbeitete sich seinen Ruf als Seefahrer damit, der Königlichen Marine stets einen Schritt voraus zu sein. Im Jahre 22 nach Hilgorad gelang es ihm, die Freibeuter der Bucht von Linfahrt zu einen. Zu diesem Zeitpunkt war das Großreich Galadon erheblich geschwächt, durch den Zer- fall des Paktes der Viereinigkeit. Aus diesen ersten innergaladonischen Unruhen sollte bald die Abspaltung des Königreichs Cortan folgen. Das Reich konnte sich nicht mehr hinlänglich um Sicherheit und Wohlstand seiner Bürger kümmern – ein günstiger Nähr- boden für Piraten. Zu den namhaftesten Piratenkapitänen in der Flotte des Eugenius gehörten Männer wie Fin Malorn oder Reillie Bodiak. Sie zeichneten sich dadurch aus, dass sie in Hinblick auf ihre Disziplin allen bisherigen Piraten überlegen waren. Ihre Kaperfahrten waren koordiniert, die Beuteverteilung ge- recht und die Befehlsstrukturen einer Armee gleich. Letztlich wurde ein Großteil ihrer Schiffe in den Gewässern um Siebenwind aufgerieben – auf die besonderen Gegeben- heiten der Insel des Schicksals waren sie nicht vorbereitet. Die Geisterschiffe. 1. Zuerst war es ein kleiner Fleck! Und näher kommt es stets; Der ward zum Nebel bald Als neckt’ es einen Wassergeist, Und regte und bewegte sich So schießt es und so dreht’s. Und wurde zur Gestalt. 3. Seht! rief ich, seht es dreht nicht mehr! 2. Ein Fleck, ein Nebel, dann Gestalt, Es naht uns, bringt uns Heil! 28 Und ohne Flut und ohne Wind Die Nachtmahr ist’s, die Totenbraut, Schwimmt’s auf uns zu in Eil. Macht Menschenblut so kalt! 4. Des Westens Flut war eine Glut; 9. Der Schiffsrumpf kommt, Der Tag war bald verronnen! legt Bord an Bord; Und sinkend ruht auf Westens Flut Da würfelten die Zwei. Das breite Rund der Sonnen! Der Würfel fiel! Gewonnen Spiel! Und die Gestalt stellt zwischen uns Spricht sie und pfeift dabei Sich und das Rund der Sonnen. 10. Die Fela sinkt, die Sterne glühn, 5. Und schwarze Streifen treten stracks Die Nacht kommt stracks heran; Vor des Ozeans goldne Braut; Mit leisem Flüstern übers Meer Und glüh’nd, wie durch ein Kerkertor, Schießt fort der Geisterkahn. Ihr brennend Antlitz schaut. 11. Und alle, bei der Monde Schein, 6. Ach dacht’ ich, mein Herz schlug laut, Mit stierem, gräßlichem Blick Denn näher kam es immer; Sehn grinsend mich und klagend an: Das seine Segel, blitzend hell Mir flucht ihr Schmerzensblick! Wie Mettenfadenschimmer? 12. Viermal fünfzig Menschen wohl, 7. Das seine Rippen, so die Sonn’ Sie sinken leblos nieder. Durchscheint so feuerrot; Sie stöhnen nicht, sie seufzen nicht. Und ist nur jenes Weib an Bord? Aufstehn sie nimmer wieder. Ist das ein Tod? sind zweie dort? Ist ihr Gemahl der Tod? 13. Die Seelen fliehn der Leiber Haft; Glück harrt auf sie und Grausen; 8. Rot ist ihr Mund; frei her sie schaut; Und jede mir vorüberschwirrt, Ihr Haupthaar golden wallt; Wie meiner Armbrust Sausen.“ Weiß ist, wie Aussatz, ihre Haut! Dieser Ausschnitt aus der weithin tradierten Erzählung “Der Alte Matrose” darf im Re- pertoire eines Seemanns ebenso wenig fehlen, wie die Erzählungen von den Geister- schiffen in diesem Kapitel. Seit den ersten Tagen der Seefahrt fachen sie unsere Fanta- sie und Vorstellungskraft an, sodass eine Myriade unterschiedlicher Schiffe und Sich- tungen beschrieben wird. Eine kleine Auswahl davon möchte ich dem geneigten Leser darbieten. An erster Stelle aber muss ich eine tragische Wahrheit eingestehen. Nämlich, dass fast alle sogenannten “Geisterschiffe” nicht übernatürlicher Natur sind, sondern ganz banal herrenlos umhertreibende Schiffe. Ein Beispiel: Im dritten Jahr nach Hilgorad fand man eine Brigg unweit von Kalamudus treiben, genannt die “Spundloch”. Ihre Ladung bestand aus Rohalkohol in Fässern, der durch Ausdünstungen die Mannschaft zur Flucht ge- zwungen hatte. Während sie aber im Beiboot saßen, trieb das Schiff ab und ward nicht mehr einzuholen. Ein zweites Beispiel: Die meisten Sichtungen von Geisterschiffen im Norland sind eine Folge von Xans kaltem Griff. Schließt sich das Packeis um eines der Drachenboote und hält es fest, so ist die Mannschaft gezwungen, es zurückzulassen. 29 Kommen nun wärmere Jahreszeiten, treiben diese Boote alsdann herrenlos über die See und werden vom abergläubischen Travenvolke für Thjareks Mannschaften gehal- ten. Die schaurigsten Vertreter der mundanen, d.h. natürlichen Geisterschiffe sind aber jene unglückseligen Kähne, deren gesamte Mannschaft von Fäulnis und Pestilenz da- hingerafft wurde. Das heißt nicht, dass es keine wahrhaftigen Geisterschiffe gibt. Schiffe haben zweifellos eine ganz eigene Art von Seele, wie einem ein jeder Seemann sogleich bestätigen wird. Den denkenden und fühlenden Wesen sind sie in ihrem Gemüt ähnlich. Widerfährt ihnen also großes Unheil, kann auch aus ihnen ein geisterhaftes Abbild werden – ganz so, wie es bei den üblichen Geistern sterblicher Völ- ker der Fall ist. Von den Umständen ihrer Ha- varie hängt also ihr Erscheinungsbild ab: Ob ihr geisterhaftes Abbild intakt und stofflich ist, oder ob es als schwebendes Wrack dahin- gleitet. Gleichsam definiert sich daraus, wann und wo sie auftauchen werden. Und letztlich neigen die durch gewaltsame Um- stände geschaffenen Geisterschiffe dazu, Abbildung 17: Ein Geisterschiff. wiederum böswillig zu sein. Das Wissen um zumindest die namhaften Geisterschiffe erlaubt einem Seemann also, ihre Gewässer zu umschiffen. Verrat der eigenen Pflicht, Hochmut vor den Göttern, zehrende Sehnsucht nach einer Liebsten, Irrfahrt auf allen Meeren: Nichts weniger zeichnet die Geschichte vom “Ma’ah- ner” aus. Statt selbst nüchtern Prosa niederzuschreiben, möchte ich die edle Kunst der Poesie hinzuziehen: “Die Frist ist um, und abermals verstrichen sind sieben Jahr. Voll Überdruss wirft mich das Meer ans Land … Ha! Stolzer Ozean! In kurzer Frist sollst du mich wieder tragen! Dein Trotz ist beugsam, doch ewig meine Qual! Das Heil, das auf dem Land ich suche, nie werd ich es finden! Euch, des Weltmeers Fluten bleib' ich getreu - bis eure letzte Welle sich bricht - und euer letztes Nass versiegt! Wie oft in Meeres tiefsten Schund stürzt ich voll Sehnsucht mich hinab: doch ach! Den Tod, ich fand ihn nicht! Da, wo der Schiffe furchtbar Grab, trieb mein Schiff ich zum Klippengrund: doch ach! mein Grab, es schloss sich nicht! Verhöhnend droht ich dem Piraten, in wildem Kampfe hofft ich Tod: 30 "Hier" - rief ich - "zeige deine Taten! Von Schätzen voll ist Schiff und Boot!" – Doch ach! des Meer's barbar'scher Sohn schlägt bang die Raut und flieht davon… Wie oft in Meeres tiefsten Grund stürzt' ich voll Sehnsucht mich hinab! Da, wo der Schiffe furchtbar Grab, trieb mein Schiff ich zum Klippengrund: Nirgends ein Grab! Niemals der Tod! Dies der Verdammnis Schreckgebot.” Der Kapitän des Ma’ahners war eine tragische Gestalt, ein Mahnmal der Folgen man- gelnder Demut vor den Gezeiten. Er erdreistete sich, auch die schwierigste Fahrt allzeit bewältigen zu können – und so wurde er tatsächlich dazu verflucht, nie mehr von der See lassen zu können. Gleichsam verzehrte es ihn in seiner Einsamkeit in einem sol- chem Maß nach einer liebenden Frau, dass er bereitwillig die Schätze all seiner Fahrten dafür aufwog. Letztlich erlöste ihn das zarte Band des Rosenbundes, sodass er einem allemal noch im Theater begegnen mag, aber nicht mehr auf hoher See. Rast- und ruhelos hingegen ist die “Shabai von der Bittersee”. Es begab sich in den frühen Jahren Galadons, dass man aus- rückte, um das Wüstenreich zu unterwer- fen. Der endophalische Widerstand wurde in einer langen und blutigen Kampagne zer- schlagen und unterdrückt, während die Statthalter und Kollaborateure sich daran machten, das Land neu zu ordnen. In die- sen Tagen sichtete man erstmals die “Shabai”. Sie kündigt sich dadurch an, dass Abbildung 18: Die Shabai von der Bittersee erst ein trockener, heißer Südwind auf- vor Al-Gahad. kommt. Beschrieben wird dieser in einer äl- teren Quelle wie folgt: „Der große Gott am Uranfang, der die südlichen Winde am Himmel entstehen lässt. Er ist der, der entstehen lässt, … Bitternis für drei Tage. Er kann nichts einatmen, nachdem er Blut erbrochen hat.“ Hiernach färbt sich der Himmel vom Horizont aus in ein sattes Blutrot, bedingt durch den Wüstensand in der Luft. Wird man bereits Zeuge des roten Himmels, sind Schiff und Mannschaft für gewöhnlich verloren. Die geis- terhafte Besatzung der “Shabai” soll mit bösartiger Besessenheit kämpfen, so unge- zähmt wie endophalische Berglöwen. Sie trachten danach, die Gewässer ihrer verlore- nen Heimat von allen galadonischen Schiffen zu säubern. Im Umkehrschluss also sind ihre Landsmänner sicher vor ihrem Zorn. Nicht von allen Geisterschiffen geht eine Gefahr aus. Das beste Beispiel hierfür ist der “Morthumer” – der tatsächliche Schiffsname ist längst in den Wirren der Geschichte verloren gegangen. Morthum war schon immer ein vom Schicksal gezeichnetes Lehen: Armut, Krieg und Pestilenz waren tägliche Begleiter seiner Bewohner. Und wie oben bereits beschrieben, ergaben sich hieraus Verbrechen. So erzählt man sich von einem 31 Wächter eines Leuchtturms, dessen wegweisendes Signalfeuer den vorbeiziehenden Schiffen ein sicheres Fahrwasser zeigen sollte. In seiner Armut aber wuchs der Neid auf die wertvolle Fracht, die er tagtäglich an sich vorbeiziehen sah: Dschunken voller Seide und Gewürze aus dem Süden, goldschwere Koggen aus dem Norden. Er entschied sich zu einer frevlerischen Tat: Einmal im Mond, am Fünften, richtete er das Signalfeuer so aus, dass ein Schiff auf die trügerischen Riffe gelockt wurde. So konnte er am folgenden Tag die Leichen fleddern und die nun herrenlose Fracht ungestraft bergen. Vor dem Gesetz und vor Xan aber kann es kaum eine größere Sünde geben. So erhob sich eines dieser Schiffe wieder aus den Fluten: Die Masten entzweigebrochen wie bloße Zweige, die Segel in Fetzen und losen Stücken, den ganzen Kiel entzweigerissen wie eine klaffende Bauchwunde. Während die gesamte Mannschaft schon zu Morsan geru- fen wurde, verrichtet der Morthumer unbemannt und einsam eine hehre Pflicht. Jeden fünften Tag im Mond sieht man ihn vor jenen Riffen, die einst seinen Untergang bedeu- teten. Sein geisterhafter Glanz und das schauderliche Knarzen seines morschen Holzes bringen ein jedes Schiff dazu, dieses gefährliche Gewässer zu meiden – und den Leucht- turmwärter brachte es um den Verstand. Konfrontiert mit seiner Schuld stürzte er sich selbst hinab auf die unbarmherzigen Steine. Der Schimmelreiter. “Jetzt aber kam auf dem Deiche etwas gegen mich heran; ich hörte nichts; aber immer deutlicher, wenn der halbe Mond ein karges Licht herabließ, glaubte ich eine dunkle Gestalt zu erkennen, und bald, da sie näher kam, sah ich es, sie saß auf einem Pferde, einem hochbeinigen hageren Schimmel; ein dunkler Mantel flatterte um ihre Schultern, und im Vorbeiflie- gen sahen mich zwei brennende Augen aus einem bleichen Antlitz an. Wer war das? Was wollte der? – Und jetzt fiel mir bei, ich hatte keinen Hufschlag, kein Keuchen des Pferdes vernommen; und Roß und Reiter waren doch hart an mir vorbeigefahren! In Gedanken darüber ritt ich weiter; aber ich hatte nicht lange Zeit zum Denken; schon fuhr es von rückwärts Abbildung 19: Der Schimmelrei- wieder an mir vorbei; mir war, als streifte mich der ter, oder Deichfürst. fliegende Mantel, und die Erscheinung war, wie das erste Mal, lautlos an mir vorüber gestoben. Dann sah ich sie fern und ferner vor mir; dann war’s, als säh’ ich plötzlich ihren Schatten an der Binnenseite des Deiches hinuntergehen.” Wer in stürmischer Nacht an der Küste entlang geht, mag selten eine tragische Spukge- stalt erblicken: den Schimmelreiter. Dieser spektrale Reiter mag erschrecken, doch tut er kein Leid: Stattdessen reitet er wie einst zu Lebzeiten die sturmgeplagten Ufer ab und sichtet die Deiche nach Lücken oder Mängeln. Über das Leben und die Umstände des Todes dieses Malthuster Grafen wurde viel geschrieben, und die entsprechende Lektüre sei an dieser Stelle ans Herz gelegt. 32 Die Wasserpferde. „In düsterer Winternacht mit nebliger Sicht, nur ein paar Sterne warfen ihr Flackerlicht, warst du auf mich sogar erpicht und ich hörte am Weiher ein Tönen. Da standest du wie die Binsen in fahlem Licht mit schwingendem Stöhnen. Wenn das Tauwetter läßt den Vorrat zerfließen, und über die noch eisige Wand sich hinab ergießen, dann wird den Wassergeistern der Weg gewiesen über die Schwelle nach Innen, und nächtlichen Vagabunden wird Beute verhießen bei deren raschem Verrinnen. Im Moor locken deine Irrlichter, gleich Funken, den Mann, der spät unterwegs und trunken, Als hätten ihm verfluchte, schelmische Äffchen gewunken, bis seine Augen den Weg nicht mehr finden und er im schlammigen Morast versunken, nicht fähig, sich diesem je zu entwinden.“ Die nördlichen Landstriche Falandriens brachten allesamt ihre eigenen Erzäh- lungen hervor von den sogenannten Wasserpferden, die eine ganze Familie von Sagenstalten umfassen. Sie ver- deutlichen uns, als geneigte Leser, den Stellenwert des Wassers in der ländli- chen Mythologie: All diese Rösser ent- springen dem Wasser, weil es, wie im obigen Gedicht beschrieben, eine „Schwelle nach Innen“ zu sein vermag, ein Ort, an dem die Grenze zu den ande- Abbildung 20: Ein Wasserpferd mit seinem ren Sphären dünn und durchlässig ist. glücklosen Opfer. Zuerst muss Each Uisge genannt werden, das gemeine khalandrische Wasserpferd. Denn allen Wesen seiner Art ist es überlegen an Boshaftigkeit und üblem Willen. Diese dämonische Kreatur besitzt die Erscheinung eines reinrassigen und edlen Rappens, kraftvoll und durchaus gepflegt. Mit seiner prächtigen Gestalt verleitet es einen Men- schen, es zu besteigen. Sein makellos glänzendes Fell aber ist haftend und klebrig; wer es aus Gier einmal berührt hat, haftet daran. Ist dies geschehen, galoppiert das Dämo- nenross mit größter Windeseile hin zum nächsten Gewässer und trachtet danach, dort 33 seinen arglosen Reiter zu ersäufen. Denn es nährt sich vom Fleisch des Ertrunkenen und lässt von seinem geschundenen Leib wenig über. Ganz ähnlich jagt ein anderes Wasserpferd in den Gefilden des südlichen Norlands. Das geflügelte Ceffyl Dŵr setzt aber nicht auf Trug und Täuschung. Es hegt kein Interesse daran, von einem niederen Menschen geritten zu werden. Stattdessen verbirgt es sich hinter einem Wasserfall oder in den Tiefen einer Bergquelle. Kommt man als einsamer Wandersmann solchen Orten zu nahe und hört nicht das unheilvolle Schnauben der Nüstern, das Knistern der funkenstiebenden Augen oder das Scharren der unbeschla- genen Hufe auf blankem Fels, so ist es um einen geschehen. Das Ross prescht hervor und trampelt einen zu Tode. Solcher Rösser aber kann man sich erwehren, indem man sich ihr ungestümes Gemüt und ihren unbändigen Fleischeshunger zu Nutze macht. Als Köder nutzt man frisch ge- schlachtetes Vieh, etwa ein Schaf, oder auch gebratenes Fleisch, das man unweit des Wassers ablegt. Hat man es dann hervor gelockt, nimmt man Haken oder angespitzte Stangen aus rotglühendem Eisen und schlägt es in die Flanken des Biestes. Wie andere unreine Wesenheiten auch wird es durch reines Eisen große Qualen leiden, und zerfällt schließlich zu nichts als Staub und schleimigem Sekret. Zur Güte und Vollständigkeit sei erwähnt, dass es auch einen vergleichsweise gutartigen Vertreter dieser Gattung gibt. Das Neugle steht als braves und wohlgenährtes Pony un- weit kleinerer Bäche und unterscheidet sich von den oben genannten Rappen einerseits durch die Färbung des Fells (das von einem tiefen Blaugrau bis zu einem hellen, fast weißlichen Grau alle Schattierungen annehmen kann), andererseits durch einen auffäl- ligen Schweif in Form eines Rads. Statt tödlicher Absichten hegt es einen großen Gefal- len an Scherzen und derben Späßen, und schreckt allenfalls kleinere Kinder. Die Wandelwasser. Die gewandelten Wasser sind Frauen, die auf tragische Weise einem Fluch anheimge- fallen sind. Ein Seemann tut gut daran, sie erkennen zu können. Denn es bringt großes Unglück, in ihnen zu baden oder aus ihnen trinken zu wollen. So erzählt man sich in den ländlichen Gegenden von Lichtenfeld die Geschichte von einer zierlichen und anmutigen Magd von großer Schönheit. Doch wuchs in ihr die Lust nach ihrem Zwillingsbruder, der nicht minder schön war und den sie mehr liebte, als es sich unter Geschwistern ziemte. Erst versuchte sie, ihn immer und immer wieder davon zu überzeugen, dass gegenseitige Zuneigung nur natürlich wäre. Wer, wenn nicht die beiden zwillingshaft gleichen Geschwinder wären dazu vorbestimmt, vereint zu sein? Aber sie nannte ihn nicht mehr Bruder, und wollte von ihm nicht mehr als Schwester bezeichnet werden. Dann schrieb sie ihm Liebesbriefe ohne Zahl, in denen sie sich mit Vitama verglich, die sich mit ihrem Bellum vereinen wollte. Denn was die Götter bereits taten, das könnte doch auch ihnen nicht verwehrt bleiben. 34 Aber ihr Zwillingsbruder floh von dannen. Als sie dies erkannte, brach in ihr der Wahn- sinn aus und sie riss sich die Kleider von ihrem Leib. Von Sinnen, und getrieben von ihrem eigenen Elend, jagte sie ihren Bruder durch das Herz des Reiches und fast bis hinab nach Endophal. Aber sie fing ihn nicht, und an der Erschöpfung ging sie schließlich zugrunde. Und da sie nur noch kläglich weinte, wurde aus ihren Tränen und aus ihr schließlich eine sprudelnde Quelle. Dieser nährt einen kleinen See in Falkenstein, vor dem jeder, der dort heimisch ist, sich wohl zu hüten weiß. 35 Drittens: Als Intermission eine Sammlung erbaulichen Liedguts, das im Repertoire jedes Seemanns nicht fehlen darf und soll. Abbildung 21: Heiterkeit in der Mannschaftsmesse. Nachdem wir uns mit den Belangen des Göttlichen und Unerklärlichen in großer Sorgfalt und Ausführlichkeit auseinandergesetzt haben, sowie auch gute Literatur studierten, scheint es angemessen, sich froheren und weltlicheren Dingen zu widmen. Denn dieses Vademecum soll in jeder Hinsicht dem taregewandten Seemann ein weiser Ratgeber und Begleiter sein. Also muss auch zu heiteren Stunden an Deck etwas beigetragen werden, beispielsweise in Form von Musik und Gesang. Wenig hebt besser die Moral und erquickt die Gemüter, als ein geselliger Abend an Deck. Mit Gesang erfreut man zugleich Vitama wie auch den eigenen Geist. „Wir lieben die Stürme, die brausenden Wogen, Wir lachen der Feinde und aller Gefahren, der eiskalten Winde rauhes Gesicht. am Grunde des Meeres erst finden wir Ruh. Wir sind schon der Meere so viele gezogen, Heijo, heijo, heijo, heijo, heijoho!” und dennoch sank uns're Fahne nicht. „Am Ende unserer Fahrt Unser Schiff gleitet stolz durch die schäumenden Wo- liegt die Seefahrerstadt gen, Auf nach Brandenstein jetzt strafft Ventus uns're Segel mit Macht. Die Sehnsucht zieht mich hin Seht ihr hoch droben die Fahne sich wenden, Nur dich hab ich im Sinn die königlich Fahne, ihr Räuber, habt Acht! Und mein Herz wird froh Heijo, heijo, heijo, heijoho, heijo, heijoho, heijo! Hisse Hoch, Hisse Hoch Wir treiben die Feinde mit fliegenden Segeln, Brandenstein, Brandenstein wir jagen sie weit auf das endlose Meer. Wir setzen Kurs auf Brandenstein Wir stürzen auf Deck, und wir kämpfen wie Löwen, Hisse Hoch, Hisse Hoch! hei, unser der Sieg, viel Feinde, viel Ehr! Heijo, heijo, heijo, heijoho, heijo, heijoho, heijo! Ventus trägt uns nach Brandenstein Die Wellen brechen wild Ja, wir sind Kameraden und fahren zu Meere, Doch steinern ist ihr Schild wir fürchten nicht Tod und den Einen dazu. Brandenstein halt stand! 36 Mein Mädel wartet dort Und treibt ein feindliches Geschick So lange war ich fort Uns an ein Felsenriff, Bald geh ich an Land Gleichviel in welcherlei Gestalt Gefahr droht unserm Schiff: (Refrain) Wir weichen und wir wanken nicht, Wir tun, wie's Seemanns Brauch, Lieb Xan trägt uns nach Brandenstein Den Tod nicht scheuend uns're Pflicht Die Dächer leuchten auf Selbst bis zum letzten Hauch. Ein Felagruß hinauf Brandenstein ist nah Im Norland und in Endophal, Die Flut bring mich zu dir Der wilde Feind sich zeigt, Bald hab ich dich bei mir Der galad'sche Seemann mutig ficht, Morgen bin ich da.” Er weichet nicht so leicht. Der Lamia und die Ruatha auch, “Weisse Segel, die Masten wie Türme, Sie hielten tapfer Stand, blauer Himmel und blaue See. Wo galad'sches Blut vergossen ist Hagelschauer und tosende Stürme, Im fernen wilden Land. Gischt und Brecher in Luv und in Lee. Ist der Törn auch rau und hart, Es tönet hell durch Galadons Auen: wir laufen große Fahrt. Heil! König Hilgorad dir! Du kannst auf uns're Treue bau'n, Litheth A-hoi! Litheth A-hoi! Wir folgen mutig dir! Mit Herz und Hand sind wir dabei. Und wie auch einst der Würfel fällt, Blaue Jungs und blaues Meer, Sei's Friede oder Krieg, fällt der Abschied uns auch schwer, Führst du uns an als Königsheld, Mädel es war wunderschön, Ist unser doch der Sieg.” bis zum nächsten Wiederseh'n. Litheth A-hoi! Litheth A-hoi! “Es nahet im Brausen auf hohem Meer, Mit Herz und Hand sind wir dabei. Ein wunderliches Weib, der Blick so kühn, und so blank die Wehr, Kompasslicht und am Himmel die Sterne, Und so herrlich der wonnige Leib. Kreuz des Südens, Akkordeonspiel. Die Wellen leis plätschern um ihren Fuß Die Gedanken sie zieh'n in die Ferne, und neigen sich vor der Fee; und das Heimatland ist unser Ziel. Im Jubel entbieten sie ihren Gruß: Und wir segeln mit Gebraus. Litheth zur See. Irgendwann geht es nach Haus. Refrain: Litheth A-hoi... Aus Träumereien aufgeschreckt Staunt die Meeresgöttin sie an: Eine Mannschaft, so hart wie das Eisen, "Bist endlich, du Herrliche, aufgeweckt, und ein Schiff so schnell wie der Wind. Behersch' nun den Ozean; Das sind wir, und wir wollen beweisen, Nimm hin mein Scepter und mein Kron', dass auf See wir die Besseren sind! Dein sei sie ohn' Neid und ohn' Weh. Ob in der Nock und an Deck, Nimm hin meine Macht als der Tugend Lohn, wir Männer der Litheth. Litheth zur See." Refrain: Litheth A-hoi...“ Es jubeln und singen im Meeresgebiet “Allüberall, wo auf dem Meer Die Nixen mit fröhlichem Sinn: Ein hoher Mast sich reckt, Dir gilt uns're Liebe, dir tönt unser Lied, Da steht des Königs Flagge sehr Dir holden Gebieterin! In Achtung und Respekt. Wir schirmen und schützen dich Tag und Nacht, Sie bietet auf dem Meere Dich, herrliche liebliche Fee, Schutz Dem Reiche allezeit, In Felaglanze erglüh' deine Macht, Jedwedem tück'schen Feind zum Trutz, Litheth zur See.” Der Galadons Ehr' bedräut. “Nun hievt den letzten Anker hoch, Und wenn ein feindlich Schiff sich naht Wir fahren übers Meer. Und's heißt: "Klar zum Gefecht!" Es weht der Wind, So drängt es uns zur kühnen Tat, Leb wohl, mein Kind, Wir kämpfen für das Recht, Und weine nicht so sehr. Und dringt ein feindliches Geschoß Blase, Ventus, von Norden, In eines Seemanns Herz, Blase, Ventus, hoher! Nicht klagt der wack're Kampfgenoss', Blase, Ventus, wir fahren Ihm macht es keinen Schmerz. Auf die hohe See. 37 Wir fahren übers weite Meer, vor Nebel konnten sie nicht sehen Leb wohl, mein Kind, ade, so dunkel waren die Wolken. Durch Xansflut Und Felaglut. Der Fela brach durch, die Wolken wurden klar, Wann wirst mich wiedersehn? sie führen fort und kamen dar, Der Steuermann fährt guten Kurs, großen Preis wollten sie erwerben, Das Meer gibt keine Ruh, Fin Malorn und Reillie Bodiak Einst kommt ein End', die sollten darum sterben. Das Boot sich wend', Wir fahr'n der Heimat zu.” Sie brachten die Bögen wohl an die Bord, gar viele Schüsse hörte man dort “Den letzten Kuss sie schlugen sich drei Tag und Nacht nimmt Ventus mit nach Haus, da sah man so manchen stolzen Held ein Abschiedslied geht auf die Fahrt mit 'raus. der ward nun um sein Leben gebracht. Im Herzen die Liebste, den Kompass im Blick und Xan weiß, wir kehren zurück Fin Malorn sprach sich bald: "Ihr Herren von Brand'stein tut uns kein Gewalt. Wir werden niemals, niemals untergeh'n wir wollen den Kampf aufgeben, Wir werden alle Stürme übersteh'n wollet ihr uns schenken Leib und gesund Wir werden uns're Heimat wiederseh'n und fristen unser junges Leben." Wir werden niemals, niemals untergeh'n Das Fernweh führt uns ans Ende der Welt. "Mein Herr", sprach die Marnie Ruatha, Das Ziel ist das, was uns zusammenhält. "Gebt euch gefangen ganz ohne Recht, So lang keine Seele den Glauben verliert und lasst euch nit verdrießen, Gibt’s nichts, das uns aufhalten wird!“ ihr habt viel Seeleut ein Leid getan, dess' werd't ihr wohl jetzt büßen." “Fin Malorn und Reillie Bodiak, die raubten beide zum gleichen Teil, Sie wurden gen Brand'stein in die Haft gebracht, zu Wasser und auch zu Lande. sie saßen da nicht länger als ein Nacht Bis daß's die Gött' im Himmel verdroß, wohl zu denselben Stunden. des mußten sie leiden große Schande. ihr Todesurteil ward sehr beklagt von Weibern und Jungfrauen. Fin Malorn sprach sich allzuhand: "Die Wester-See ist mir wohl bekannt "Ihr Herren von Brand'stein, 'wir bitten nur ein Bitt, viel Geld will ich uns holen; die mag euch zwar beschaden nit die reichen Kaufleut von Brand'stein und bringen euch auch kein Schande: sollen uns das Gelag bezahlen." Dass wir mögen zum Scharfrichter hingahn in unserm besten Gewände." Und das erhört ein schneller Bot', der war von einem klugen Rat, Die Herrn von Brand'stein täten ihn' die Ehr, kam gen Brand'stein eingelaufen; sie ließen ihn' Pfeifen und Trommeln vorgehn, er fragt nach der ältesten Vogtin Haus, So wie sie es erkoren; die fand er dann zu Hausen. wären sie wieder in der Freiheit gewest, sie hätten das Leben nit verloren. "Mein' lieben Herren all durch'e Gött', nehmt diese Red' auf ohne Spott, Der Scharfrichter hieß sich Annirah, die ich euch will verkünden: Sie hieb so manchen stolzen Held Die Feind liegen euch gar nahe hierbei, mit also freiem Mute; sie liegen am wilden Hafen." sie stand in ihren geschnürten Schuh'n bis an die Knöchel im Blute.” Die älteste Vogtin sprach zuhand; "Gut Gesell, du bist uns unbekannt, “Alle, die mit uns auf Kaperfahrt fahren, wobei soll'n wir dir glauben?" müssen Männer mit Bärten sein. (2x) "Das sollt ihr edle Herren tun bei meinem Eid und Treuen. Jan und Hein und Klaas und Pit, Ihr sollt mich setzen aufs Kastell, Die haben Bärte, die haben Bärte. so lang bis ihr eure Feinde seht, Jan und Hein und Klaas und Pit, wohl zu diesen Stunden; Die haben Bärte, die fahren mit. spürt ihr denn einzig Wanken an mir so senkt mich gar zu dem Grunde." Alle, die Weiber und Branntwein lieben, müssen Männer mit Bärten sein. (…) Die edlen Herren von Brand'stein gingen zu Segel wohl mit der Flut, Alle, die Tod und Einen nicht fürchten, hin nach dem neuen Werke; müssen Männer mit Bärten sein. (…) 38 Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise, Alle, die mit uns das Walroß schlachten, Nimm mich mit, denn ich kenne jetzt die Welt. müssen Männer mit Bärten sein. (…) Wohin geht, Kapitän, Deine Reise? Bis nach Hause, hier, nimm all mein Geld. Alle, die öligen Zwieback kauen, müssen Männer mit Bärten sein. (…) Nimm mich mit, Kapitän, aus der Ferne, bis nach Venturia, da steige ich aus. Alle, die mit ins Seemannsgrab fahren, In der Heimat, da glüh'n meine Sterne, müssen Männer mit Bärten sein. (…)” in der Heimat bei Muttern zu Haus, in der Heimat, da glüh'n uns're Sterne, “In der Heimat an der Waterkant, nimm mich mit, Kapitän, nach Haus.” Drei Meilen vor der See, stand im weiten, grünen Binnenland “Oh Susanna, wunderschöne Anna, unser Haus an der Drakchaussee. wenn das Geld versoffen ist, Fröhlich spielten wir Maat und Steuermann, dann fahren wir zur See. rochen nachts im Bett noch nach Teer. Wir heuerten im Waschfaß an, Ja auf der See, da ist nix los, wollten hinaus aufs Meer, da ist die Arbeit viel zu groß, wollten hinaus aufs Meer. da ist die Heuer viel zu klein, da mag doch keiner Seemann sein. Nimm uns mit, Kapitän, auf die Reise! Nimm uns mit in die weite, weite Welt! Oh Susanna, wunderschöne Anna, Wohin geht, Kapitän, deine Reise? wenn das Geld versoffen ist, Bis zum Norland, da langt unser Geld! dann fahren wir zur See.” Nimm uns mit, Kapitän, in die Ferne, Nimm uns mit in die weite Welt hinaus. “Ein Schiff im Hafen am Bollwerk lag, Die Fela sank, es ging der Tag, Fährst du heim, Kapitän, Ein Mädel kam vorüber. kehrn'n wir gerne in die Heimat zur Muttern nach Haus. Das sah ein Matrose, Fährst du heim, Kapitän, Der am Bollwerk lachend stand: kehr'n wir gerne in die Heimat zurück nach Haus. Komm her, du süße Kleine! Heute sind wir Maat und Steuermann, Nein, zu dir kommen, Kaptein und Admiral. das kann ich nicht, Doch ein jeder legt noch heimlich an Die Mutter hat mich ausgeschickt, in dem Hafen »Es war einmal«, Einen Taler hat sie mir gegeben, Wirft die Anker aus dort im Kinderland, Dafür sollt' ich holen, Träumt wie damals sich wieder klein, Was im Haushalt nötig ist, Gäb' gerne Heuer, Rang und Stand Und sollt' dann wiederkommen. Wieder ein Kind zu sein. (3x) Geh nicht vorüber, du süßes Kind, Nimm uns mit, Kapitän, auf die Reise! Bald weht uns wieder ein frischer Wind, Nimm uns mit in die weite, weite Welt! Dann heißen wir die Segel Wohin geht, Kapitän, deine Reise? Und ziehn hinaus Bis zum Norland, da langt unser Geld! In die weite, weite Welt, Nimm uns mit, Kapitän, in die Ferne, Und nie sehn wir uns wieder! Nimm uns mit in die weite Welt hinaus. Sie ist gekommen zu ihm an Bord, Fährst du heim, Kapitän, Sie merkten's nicht, wie's dunkel ward: kehrn'n wir gerne in die Heimat zur Muttern nach Haus. Die Stern' am Himmel gingen. Fährst du heim, Kapitän, Sie merkten's nicht, kehr'n wir gerne in die Heimat zurück nach Haus. Bis daß der helle Tag anbrach, Und der Steuermann kam gegangen. Mancher glaubt heut', fern vom Heimatland, dort draußen blüht das Glück. Frisch auf, Matrosen! Hat voll Stolz sich in die Welt gewandt Der Wind geht gut! und will nie mehr nach Hause zurück. Nun hiev den Anker, heiß die Fock In der Fremde ward er ein reicher Mann. Und hisst das Rahsegel, Aber glücklich wurde er nicht. Hoch bis in den Top, Und legt ein Schiff aus Venturia an, Und laß das Mädel weinen!” steht er am Kai und spricht, steht er am Kai und spricht: “Es rufen uns die freien Wogen Zur Reise fort vom Vaterland. 39 Marssegel wird nun hochgezogen, Führt ein Seemann mich zum Tanze Leb wohl, du schönes Heimatland! Mit gekräuseltem Haar. Lebt wohl, Geschwister, Kameraden, Lebt wohl, wir kehren wieder heim, Oh, was mußt' ich da erleben, Das wilde Meer kann uns nicht schaden, Welche Schande, welchen Hohn. Der Himmel läßt uns nicht allein. Einen Mantel mußt' ich tragen Und darunter einen Sohn. Das Seemannsherz muß ruhig schlagen, Sei es bei Tag, in Sturmesnacht, Ach Mutter, liebste Mutter, Darf in Gefahren nicht verzagen, Hättest du mich doch beschützt, Wenn es in Mast und Steven kracht. Hättest mich in meiner Jugend Auf schwankenden Rahen, am Steuer In ein Wasser gestürzt. Tut er sein Werk mit frohem Mut, Bis er die Heimat grüßt aufs neue, Oh, dann wärte ich gestorben Und bis im Sand der Anker ruht.” Als ein jung unschuldig Blut, Hätte niemals ich erfahren, “Holder Jüngling, willst du fliehen, Wie die Seemannsliebe tut.” Willst nicht länger sein bei mir, In die Ferne willst du ziehen, “Blaue Nacht, Sag, mein Schatz, was tat ich dir? O blaue Nacht am Hafen. Hörst du nicht die Wellen rauschen? In der Ferne rauschen Meer und Wind. Ihr Getöse macht mir Schmerz, Und die Schiffe liegen still und schlafen, Die Gesänge der Matrosen, Die von weit, weither gekommen sind. Die zerreißen mir das Herz. Und im Schatten einer Bootslaterne, Stehen zwei und finden nicht nachhaus, Denkst du noch an jene Stunde, Und sie sagte: Liebling ach wie gerne Da wir uns zuerst gesehn? Ging ich morgen mit aufs Meer hinaus. Liebe floß aus deinem Munde, Aber alles was er mit auf's Meer nahm, Damals warst du jung und schön. War die Hoffnung auf ein Wiedersehn, Damals warst du froh und heiter, Und als er nach einem Jahr zurück kam, Damals warst du nie betrübt, Sah er weinend sie am Hafen stehn. Und jetzt willst du wieder weiter, Er nahm sie zärtlich in die Arme, Fort von der, die dich geliebt. Und sie sah'n einander liebend an, Und er sagte: Menschen die sich lieben, Ach, du hast im Heimatlande Trennen Grenzen nicht und Ozean.” Eine andre, die dich liebt, Die sich knüpft an unsre Bande, “Ein kleiner Junge Die dich heimlich zu sich zieht. steht stundenlang am Hafen, Zürnst du mir, dann muß ich weinen, Sein Blick voll Sehnsucht Denn du warst mein einzig Glück, und er schaut den Schiffen nach. Nimm mich mit hin zu den Deinen, Des Nachts liegt er oft wach Laß mich nicht allein zurück. und kann nicht schlafen Und oft wird er durch seine Träume wach. Als der Jüngling sich Morgen Immer wieder geht's zur Mole alle Tage, Früh aus ihren Armen wand, Mit den Möwen Frei von Kummer, frei von Sorgen, ist er schon sehr gut bekannt. Eilt er an den Meeresstrand. Er spricht mit dem Meer und stellt die Frage: Oh, ihr Wellen, schafft mir Frieden, "Warum nur muß ich bleiben hier an Land?" Oh, ihr Wellen, schafft mir Ruh', Fort von der, die er betrogen, Viele Jungen so wie er träumen, Decken ihn die Fluten zu.” wünschen sich so sehr, Einmal mit dem Schiff zu fahren “Als ich stand auf hohem Berge, Und dem Winde nachzujagen Schaute hin und schaute her, Auf dem Meer. Und ein Schifflein sah ich kommen Viele Jungen so wie er Schnelle segelnd daher. Träumen, wünschen sich so sehr, Fremde Häfen anzulaufen, Seine Segel rauschten alle, mit dem Sturme sich zu raufen Rauschten alle wie Papier. Auf dem Meer. Einen Seemann hab' ich lieber Viele Jungen so wie er. Als der andern dreie, vier. Nach ein paar Jahren – Als ich noch vor langen Jahren der Junge ist ein Mann Eine holde Jungfrau war, Hat sich sein Traum erfüllt. 40
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