X Inhaltsverzeichnis 14 Wer und wie wird gefördert? Eine kritische Analyse der KHG-Investitionsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Boris Augurzky und Adam Pilny 14.1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 14.2 Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 14.3 AOLG-Statistik im Vergleich zu anderen Datenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 14.4 Investitionsförderung nach Trägerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 14.5 Die Rolle von Sonderförderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 14.6 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 III Krankenhauspolitische Chronik 15 Krankenhauspolitische Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Dirk Bürger und Christian Wehner IV Daten und Analysen 16 Die Krankenhausbudgets 2016 und 2017 im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 225 Carina Mostert, Jörg Friedrich und Gregor Leclerque 16.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 16.2 Allgemeine Budgetentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 16.3 Vereinbarte Preisentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 16.4 Vereinbarte Leistungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 16.5 Umsetzung der Verhandlungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 16.6 Zusammenfassung und D iskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 16.7 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 17 Statistische Krankenhausdaten: Grunddaten der Krankenhäuser 2017 . . . 247 Ute Bölt 17.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 17.2 Kennzahlen der Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 17.3 Die Ressourcen der Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 17.4 Die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 18 Statistische Krankenhausdaten: Diagnosedaten der Krankenhauspatienten 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Torsten Schelhase 18.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 18.2 Kennzahlen der Krankenhauspatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 18.3 Strukturdaten der Krankenhauspatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 18.4 Struktur der Hauptdiagnosen der Krankenhauspatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 18.5 Entwicklung ausgewählter D iagnosen 20102 bis 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 18.6 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 XI Inhaltsverzeichnis 19 Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik: Diagnosen und Prozeduren der Krankenhauspatienten auf Basis der Daten nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Jutta Spindler 19.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 19.2 Erläuterungen zur Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 19.3 Eckdaten der vollstationär b ehandelten Krankenhauspatientinnen und -patienten 299 19.4 Ausgewählte Hauptdiagnosen mit den wichtigsten Nebendiagnosen der Behandelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 19.5 Operationen und medizinische Prozeduren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 19.6 Behandlungsspektrum bei den Patientinnen und Patienten in den Fachabteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 19.7 Leistungsmengen und Leistungsstrukturen der Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . 319 V Krankenhaus-Directory 2017 20 DRG-Krankenhäuser im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Jörg Friedrich 20.1 Krankenhaus-Directory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 XIII Digitalisierung im Krankenhaus – eine Einführung Jürgen Wasem Die seit Beginn des 21. Jahrhunderts sich ver rungen für die Entwicklung in Deutschland stärkt materialisierende digitale Revolution gezogen. Eine wichtige Erkenntnis: Zentrale geht mit erheblichen Veränderungen in allen Vorgaben führen schneller zum Erfolg als gesellschaftlichen Bereichen (Wirtschafts- Bottom-up-Ansätze – zumindest wenn, wie und Arbeitswelt, Öffentlichkeit, Privatbereich) in Deutschland, zahlreiche wirkmächtige einher. Auch das Gesundheitswesen ist von Akteure mit Vetopositionen ausgestattet der Digitalisierung erfasst. In Deutschland ist sind. im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Digitalisierung greift tief in die Prozesse Bereichen das Digitalisierungspotenzial im im Gesundheitswesen und in die Arbeitswelt Gesundheitswesen bislang unterdurchschnitt ein. Eine Reihe von Beiträgen des Kranken- lich ausgeschöpft. Und im internationalen haus-Report 2019 beleuchten unterschied Vergleich hinkt Deutschland bei der Digita liche Aspekte dieses Prozesses. Stephani, lisierung im Gesundheitswesen inzwischen Geissler und Busse ordnen die deutsche Kran- deutlich hinterher. Daher sind erhebliche Ver kenhaus-IT im internationalen Vergleich ein. änderungen zu erwarten. Mit diesen an Dazu stellen sie das EMRAM (Electronic stehenden Veränderungen in Bezug auf das Medical Record Adoption Model) vor, das zur Krankenhaus beschäftigt sich der Schwer Messung des Digitalisierungsgrades inner punkt des vorliegenden Krankenhaus-Report halb eines Krankenhauses entwickelt wurde. 2019. Von den knapp 2.000 Krankenhäusern in Eine der für die Bürger und Patienten Deutschland haben sich seit 2014 bislang 167 sichtbarsten Auswirkungen der Digitalisie Häuser der Überprüfung mit diesem Modell rung im Gesundheitswesen ist die Möglich unterzogen. Davon sind 40 Prozent über keit der digitalen Speicherung und Kommu haupt nicht digitalisiert, lediglich zwei Häuser nikation von Patientendaten in Form einer erreichen auf der 7-stufigen Skala die Stufe 6 elektronischen Patientenakte. Deren flächen und nur eines, das Universitätskrankenhaus deckende Einführung in Deutschland hatte Eppendorf, erreichte temporär die höchste die damalige Gesundheitsministerin Ulla Stufe. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, Schmidt schon 2003 in ihren Entwurf des dass insgesamt Digitalisierung bei deutschen Gesetzes zur Modernisierung der gesetz Krankenhäusern noch in den Kinderschuhen lichen Krankenversicherung geschrieben. steckt. Obwohl dann auch umgehend damit begon Allerdings kommt es bei der Betrachtung nen wurde, entsprechende Gremien zur Um des Standes der Digitalisierung auf das Un setzung einzusetzen, ist die flächendeckende tersuchungsdesign an. So hat die Hochschule elektronische Patientenakte 15 Jahre später Osnabrück ein eigenes Instrument, den immer noch nicht eingeführt. Der Beitrag IT-Report Gesundheitswesen, entwickelt, bei von Bertram, Püschner, Oliveira Gonçalves, dem rund 50 IT-Funktionen betrachtet wer Binder und Amelung befasst sich vor diesem den. Der Beitrag von Hübner, Liebe, Esdar, Hintergrund einerseits mit den internationa Hüsers, Rauch, Thye und Weiß berichtet dar len Erfahrungen mit elektronischen Patien über, wie das Instrument auf die deutschen tenakten. Andererseits werden Schlussfolge Krankenhäuser angewendet wird, um den XIV Digitalisierung im Krankenhaus – eine Einführung Stand der Digitalisierung zu messen. Danach reich zählen. Die Verfasser regen ein mehr ist zwischen dem Einsatz digitaler Technik in jähriges Investitionsprogramm an. Konkret den Arbeitsabläufen und in der Anwen schlagen sie vor, für acht Jahre jeweils 1 Mrd. dungsorientierung einerseits und ihrer Nut Euro auszuschütten, die zusätzlich zur bis zung im strategischen und taktischen Bereich herigen Investitionsförderung und spezifisch andererseits zu unterscheiden. Während für den Um- und Ausbau der IT-Infrastruk nämlich, so die Autoren, in den Arbeitsab tur der Krankenhäuser verwendet werden läufen die Digitalisierung in den deutschen soll. Dabei sollte der Fokus auf Digitalisie Krankenhäusern bereits angekommen sei, rungsmaßnahmen liegen, die einen positiven gebe es hinsichtlich Innovationskultur und externen Effekt für das Gesundheitswesen IT-Unternehmergeist noch erheblichen generieren (z. B. durch die Erleichterung sek Nachholbedarf. torübergreifender Kooperation) und nicht Mit Voraussetzungen und Potenzialen des allein die betriebswirtschaftliche Effizienz digitalen Krankenhauses befasst sich der Bei der Krankenhäuser steigern. trag von Oswald und Goedereis. Die Autoren Mit dem Digitalen Universitätsklinikum arbeiten heraus, dass die Einführung digitaler Hamburg-Eppendorf befasst sich der Beitrag Informationssysteme in ein bestehendes Un von Baehr, Gewehr und Siebener. Die Autoren ternehmen zweierlei Formen annimmt: Zum stellen dar, dass Digitalisierung am UKE Be einen werden bestehende Prozesse und Orga standteil eines umfassenden Modernisie nisationsformen von einer analogen auf eine rungsprozesses ist, der vor mehr als 20 Jahren digitale Durchführung umgestellt, wobei die angestoßen wurde. Erste umgesetzte Maß bisherigen Gegebenheiten in ihren Grund nahmen betrafen Patientenakte und Patien zügen erhalten bleiben. Zum anderen werden tenarchiv, gefolgt von der Digitalisierung der völlig neue Möglichkeiten der Kommunika Arzneimittelversorgung. Die Verfasser be tion und Kooperation, zum Beispiel zwischen richten, dass die Umgestaltung sich in mehr unterschiedlichen Bereichen, geschaffen, wo facher Hinsicht als Lernprozess gestaltete, in durch Unternehmensorganisation und Pro dessen Verlauf es Modifikationen bei Zielen zesse an sich deutlich stärker umgestaltet und Lösungen geben musste. Als wesentlich werden müssen. In jedem Falle bedarf es zur wird die Einbindung aller Beteiligter ange Realisierung von Digitalisierung entspre sehen, insbesondere in der Phase des Rollout chender technischer Standards und es müs der digitalen Innovationen. Erforderlich ist sen die notwendigen Investitionen getätigt dabei hinreichend geschultes Personal. werden, was sich de facto in der deutschen Im internationalen Vergleich – so auch Krankenhauslandschaft aktuell als wesent andere Beiträge in diesem Band – hinkt die liches Digitalisierungshemmnis erweist. Digitalisierung im deutschen Gesundheits Werden die Investitionen geleistet, kann wesen zwischenzeitlich hinterher. Vor die Digitalisierung einerseits die Kosteneffizienz sem Hintergrund beschreibt der Beitrag von der Behandlungen erhöhen sowie anderer Henriksen den Stellenwert der Digitalisierung seits die Behandlungsqualität verbessern. Die in der Neuordnung des dänischen Kranken- Autoren sehen hinsichtlich beider möglicher hausmarktes. Die dänische Gesundheitspo Effekte erhebliche Potenziale für die deut litik hat sich zu einer umfassenden Neu schen Krankenhäuser. ausrichtung des Krankenhaussystems ent Die Problematik der Investitionsfinanzie- schlossen. Die Zahl der Krankenhäuser wur rung von Digitalisierung steht auch im Mittel de deutlich reduziert, es wurden im ganzen punkt des Beitrags von Augurzky und Beivers. Land 16 neue, hochgradig spezialisierte Der Beitrag bestätigt, dass zu den Digitalisie Krankenhäuser eingerichtet. Auch die Not rungshemmnissen in Deutschland wesent fallversorgung wurde grundsätzlich umge lich mangelnde Investitionen für diesen Be staltet. Im Zusammenhang mit der Umge XV Digitalisierung im Krankenhaus – eine Einführung staltung kommt der schon vorher gestarteten llerdings bestünde auch die Gefahr, dass A umfassenden Digitalisierung des Gesund Rationalisierungseffekte zur Kostenreduk heitswesens eine wesentliche Funktion zu. tion durch Abbau von Arbeitsplätzen in der Das landesweite gesundheitsbezogene Da Pflege genutzt würden. Auf jeden Fall sei es tennetzwerk soll nun auch die Leistungs erforderlich, das Pflegepersonal bei der Digi erbringer außerhalb des Krankenhauses und talisierung in den Krankenhäusern und Pfle die persönlichen gesundheitsbezogenen Da geeinrichtungen entsprechend einzubezie ten der Bürger einbinden. Ziel ist ein vollum hen, auch um befürchteten Deprofessiona fassendes Management sämtlicher gesund lisierungseffekten wirksam entgegentreten zu heitsbezogener Daten in Dänemark. können. Digitalisierung im Gesundheitswesen Mit Digitalisierung und Patientensicher- wird erhebliche Auswirkungen auf die Ge heit befasst sich der Beitrag von Selge und sundheitsberufe haben. Mit den Effekten der Hagenmeyer. Chancen und Risiken der Digi digitalen Transformation des Krankenhauses talisierung liegen – so die Verfasser – mit auf den Wandel des Berufsbildes Arzt befasst Blick auf die Patientensicherheit nahe beiein sich der Beitrag von Matusiewicz, Aulenkamp ander. Einerseits kann sie die Behandlungs und Werner. Die Autoren stellen fest, dass qualität erhöhen und die Sicherheit der Pa im Masterplan „Medizinstudium 2020“ die tienten stärken, etwa durch computergestütz Digitalisierung bislang nur eine untergeord te Medikamentenabgabe oder den Patienten nete Rolle spielt. Damit sei abzusehen, dass überwachende Algorithmen-gestützte Moni angehende Ärzte nicht ausreichend auf die toringsysteme. Zugleich aber sind digitale digitale Revolution vorbereitet sind. Die System auch mögliche Fehlerquelle, sei es Verfasser sehen durch die Digitalisierung durch Anwendungs- oder Eingabefehler oder einerseits eine weitere Verstärkung der Spe aber bei Systemausfällen. zialisierung in der Medizin. Um aus dieser Am Beispiel der Telemedizin in der Spezialisierung patientenbezogenen Nutzen Onkologie stellen Adam, Lebeau, Turzynski, ziehen zu können, erwachse gleichzeitig die Materna, Rakowsky und Wesselmann exem Herausforderung, die Einzeldisziplinen wie plarisch die Chancen der Digitalisierung für der zusammenzuführen – wofür wiederum die Versorgungsgestaltung dar. Insbesondere die Digitalisierung neue Möglichkeiten inter telemedizinisch begleitete Tumorkonferen disziplinärer Kommunikation schaffe. zen unterstützen standortübergreifend ein Neben dem Arzt ist die Pflege besonders interdisziplinäres Zusammenwirken zahlrei von der Digitalisierung betroffen. Digitalisie- cher medizinischer Berufsgruppen in einem rung und Pflege untersucht der Beitrag von Netzwerk. Am Beispiel des Charité Com Fachinger und Mähr. Die Autoren arbeiten prehensive Cancer Centers wird gezeigt, heraus, dass die erheblichen Potenziale einer dass hohe Investitionskosten erfolgskritisch stärkeren Digitalisierung in der Pflege – so waren, denen nunmehr jedoch erhebliche wohl mit Blick auf Informations- und Kom Zeitersparnisse aufgrund der digitalen Kom munikationstechnologien als auch bei Robo munikation gegenüberstehen. Als zweites tik und Assistenzsystemen – noch weitge Beispiel für Telemedizin in der Onkologie hend ungenutzt sind. Digitalisierung schafft skizzieren die Verfasser die Telepathologie. erhebliche Rationalisierungspotenziale. Vor Sie arbeiten heraus, dass hier neben der Frage dem Hintergrund der sich verschärfenden der Investitionskosten auch ungeklärte recht Arbeitskräfteknappheit im Pflegebereich liche Fragen, insbesondere Haftungsrisiken, werden technische Lösungen attraktiver. dem breiten Einsatz bislang entgegenstehen. 1 I Schwerpunktthema: Das digitale Krankenhaus Kapitel 1 Einführung einer elektronischen Patientenakte in Deutschland vor dem Hintergrund der internationalen Erfahrungen – 3 Nick Bertram, Franziska Püschner, Ana Sofia Oliveira Gonçalves, Sebastian Binder und Volker Eric Amelung Kapitel 2 Benchmarking der Krankenhaus-IT: Deutschland im internationalen Vergleich – 17 Victor Stephani, Reinhard Busse und Alexander Geissler Kapitel 3 Stand der Digitalisierung und des Technologieeinsatzes in deutschen Krankenhäusern – 33 Ursula Hübner, Jan-David Liebe, Moritz Esdar, Jens Hüsers, Jens Rauch, Johannes Thye und Jan-Patrick Weiß Kapitel 4 Voraussetzungen und Potenziale des digitalen Krankenhauses – 49 Julia Oswald und Klaus Goedereis Kapitel 5 Digitalisierung und Investitionsfinanzierung – 67 Boris Augurzky und Andreas Beivers Kapitel 6 Das digitale Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf – 83 Michael Baehr, Jan Gewehr und Marco Siebener Kapitel 7 Digitalisierung in der Neuordnung des dänischen Krankenhausmarktes – 91 Hans Erik Henriksen Kapitel 8 Effekte der digitalen Transformation des Kranken- hauses auf den Wandel des Berufsbildes Arzt – 101 David Matusiewicz, Jana Aulenkamp und Jochen A. Werner Kapitel 9 Digitalisierung und Pflege – 115 Uwe Fachinger und Mareike Mähs Kapitel 10 Digitalisierung und Patientensicherheit – 129 Eva Sellge und Ernst-Günther Hagenmeyer Kapitel 11 Telemedizin in der Onkologie: Qualität verbessern – aber wie? – 145 Henning Adam, Annette Lebeau, Andreas Turzynski, Verena Materna, Stefan Rakowsky und Simone Wesselmann 3 1 Einführung einer elektro nischen Patientenakte in Deutschland vor dem Hintergrund der inter nationalen Erfahrungen Nick Bertram, Franziska Püschner, Ana Sofia Oliveira Gonçalves, Sebastian Binder und Volker Eric Amelung © Der/die Autor(en) 2019 J. Klauber et al. (Hrsg.), Krankenhaus-Report 2019 https://doi.org/10.1007/978-3-662-58225-1_1 Zusammenfassung Die Einführung einer elektronischen Patientenakte in Deutschland verzögert sich seit Jahren. Im Vergleich zur Bundesrepublik sind hier international strukturähnliche Länder – insbesondere diejenigen mit skandinavi- scher Prägung wie Dänemark und Estland – bei der Etablierung von elektronischen Patientenakten sehr viel weiter (7 Kapitel 7 in diesem Band). Diesen Vorsprung erreichten diese Länder mittels starker Governance und durch frühzeitige Setzung verbindlicher Ziele und zeitlicher Rahmen bei der Digitalisierung des Gesundheits- wesens. Inhalte und Funktionen der elektronischen Patientenakte wurden von Anfang an klar definiert und technische sowie Interoperabilitätsstandards vorgegeben. Deutschland sollte sich diese Best-Practice-Länder und deren Wissensvorsprung zum Vorbild nehmen, um die elektronische Patientenakten nach über 14 Jahren des gefühlten Stillstandes auch hierzulande erfolgreich umzusetzen. The implementation of an Electronic Patient Record in Germany has been delayed for years. Thus, it is lagging behind in comparison to other European countries (7 chapter 7 in this volume). Pioneers in this field are Den- mark and Estonia. Both countries achieved a lead in the development of Electronic Patient Records through strong governance, setting binding goals and time frames for the digitisation of their healthcare system. The contents and functions as well as technical and interoperability standards were clearly defined from the outset. Germany should use the expertise arising from these best practice countries in order to successfully implement the Electronic Patient Record after more than 14 years of perceived stagnation. 4 Kapitel 1 · Einführung einer elektronischen Patientenakte in Deutschland 1.1 Einleitung zutreiben. Im Speziellen wird dabei die Forderung 1 laut, die Telematikinfrastruktur inklusive ihrer An- Seit Jahren verzögert sich die Einführung einer elek- wendungsformen wie der elektronischen Patienten- tronischen Patientenakte in Deutschland – im inter- akte flächendeckend und konsequent einzuführen. nationalen Vergleich hinkt die Bundesrepublik Dabei soll das Parlament die Selbstverwaltung – na- mittlerweile insbesondere Vorreiterländern skandi- mentlich die gematik – stärker als bisher „eng […] navischer Prägung weit hinterher (Amelung et al. begleiten, den Ausgleich zwischen widerstrebenden 2016). Interessen […] fördern, ordnend und nötigenfalls Rein theoretisch kann die Einführung der elek- auch korrigierend ein[zu]greifen“. Zudem hat die tronischen Gesundheitskarte, basierend auf dem Bundesregierung angekündigt, bis Ende des Jahres GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2018 eine Strategie zur U msetzung von Digitalvor- 2003, als Beginn der Erneuerung und Digitalisie- haben zu beschließen (Gerlof 2018). rung des deutschen Gesundheitswesens in der Bun- desrepublik angesehen werden (Bundesanzeiger 2003). Mit dem am 21. Dezember 2015 verabschie- 1.1.1 Elektronische Patientenakten – deten E-Health-Gesetz (Gesetz für sichere digitale Ein buntes Potpourri Kommunikation und Anwendungen im Gesund- an Begrifflichkeiten heitswesen) wurde die Einführung einer elektroni- schen Patientenakte in Deutschland auch formal als Das Verständnis über elektronische Patientenakten wesentlicher Teil der Telematikinfrastruktur ver ist national wie auch international nicht immer ein- ankert (Bundesanzeiger 2015). deutig. Synonym werden dabei häufig Begriffe und Zwar erfolgte die Einführung der elektronischen Abkürzungen beziehungsweise Akronyme verwen- Gesundheitskarte durch die Gesellschaft für Telema- det wie beispielsweise tikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gema- 44Elektronische interne Patientenakte (iEPA; im tik) stufenweise seit dem 01. Oktober 2011 und gilt Englischen als Electronic Medical Record seit 01. Januar 2015 als ausschließlicher Berechti- (EMR) oder Electronic Patient Record (EPR) gungsnachweis für die Inanspruchnahme von ärztli- bezeichnet), chen Leistungen. Doch neben diesem einfachen 44Elektronische Gesundheitsakte (eGA oder Update der Krankenversichertenkarte ist von den ELGA), hochgesteckten Zielen der in der gematik vertrete- 44Einrichtungsübergreifende medizinische nen wichtigen Institutionen des Gesundheitswesens Fallakte (eFA), bisher wenig ersichtlich und erfolgreich: Angefan- 44Einrichtungsübergreifende Elektronische gen von der Telematikinfrastruktur über „nutzbrin- Patientenakte (eEPA; im Englischen als gende Telematikanwendungen“ wie einem Notfall- Electronic Health Record (EHR) oder Electronic datenmanagement, den Aufbau „einrichtungsüber- Patient Record (EPR) bezeichnet), greifender Kommunikationsinfrastruktur“ wie dem 44Persönliche Elektronische Patientenakte elektronischen Arztbrief bis hin zu einer „elektroni- (pEPA; im Englischen als Personal Electronic schen Fallakte“ oder elektronischen Patientenakte Health Record (PHR) oder Personally Cont- (GKV-Spitzenverband 2018a). rolled Health Record (PCHR) bezeichnet) oder Gemäß aktuellem Koalitionsvertrag der Bundes- 44Patienten- (im Englischen als Patient Portal regierung ist die Einführung einer elektronischen bezeichnet) oder Bürgerportal (im Englischen Patientenakte bis 2021 vorgesehen (Bundesregie- als Citizens oder State Portal bezeichnet), rung 2018). In einem gerade erschienenen Positions- papier zu E-Health weist die Arbeitsgruppe Gesund- die nicht immer klar voneinander abgegrenzt wer- heit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundes- den und sich hinsichtlich der gespeicherten Daten, tag (2018) ferner daraufhin, dass eine Neuauflage Funktionen, Verwaltung sowie der Zugriffsrechte des E-Health-Gesetzes notwendig sei, um die Digi- unterscheiden (Amelung et al. 2016; Arbeitskreis talisierung im Gesundheitswesen allgemein voran- EPA/EFA 2011; Haas 2017; Krüger-Brand 2018). 1.1 · Einleitung 5 1 ..Tab. 1.1 Auswahl der Bandbreite an potenziellen Inhalten und Funktionalitäten, die in elektronische Patientenakten integriert werden können (adaptiert nach Amelung et al. 2016 und Rode et al. 2012) 1.) Patientengerichtete Dokumente Medizinische Radiologieakte Dokumentation Pläne Medikationsplan Laborakte Ausweishefte Blutspendeausweis Medizingerätediagnostik (Zahnärztliches) Bonusheft Arztbriefe Untersuchungsheft für Kinder Telemonitoring Pässe Impfpass Homecare Allergiepass Erweiterte Wechselwirkungsprüfung medizinische Brillenpass Kontraindikationsprüfung Dokumentation Mutterpass 3.) Kostenträgergerichtete Dokumente Verfügungen Organspende Abrechnungsrele- Arbeitsunfähigkeits Körperspende vante Dokumente bescheinigung Patientenverfügung Leistungsabrechnung Einwilligungserklärungen 4.) Vom Patienten selbst erhobene Daten Organisation Terminverwaltung Patiententagebuch Informationsportale Vitalparameter wie Gewicht 2.) Leistungserbringergerichtete Dokumente oder Blutzucker Medizinische Anamnesebögen Daten aus Webanwendungen Dokumentation und Apps wie Fitnessdaten Medizinische Basisdokumentation Eingabe von nicht apotheken- Behandlungsdokumentation pflichtigen Arzneien in den Pflegedokumentation Medikationsplan Krankenhaus-Report 2019 Im Folgenden soll der Fokus auf der einrich- 1.1.2 Funktionalitäten und Potenziale tungsübergreifenden elektronischen Patientenakte elektronischer Patientenakten liegen. Diese wird definiert als Medium, das „die wichtigsten Daten und Dokumente aller Behand- Das deutsche Gesundheitssystem ist gekennzeichnet lungen eines Patienten über alle Gesundheitsversor- durch fragmentierte Versorgungsstrukturen, was gungseinrichtungen hinweg“ dokumentiert. Dar- eine koordinierte und sektorenübergreifende Versor- unter fallen zum Beispiel ärztliche Befunde und gung von Patienten erschwert und zu erheblichen Diagnosen, Therapien, Impfungen, Entlassberichte Mehrkosten für das Gesundheitssystem führen kann, oder Notfalldaten von Versicherten. Die elektroni- beispielsweise bedingt durch Informationsverluste sche Patientenakte ermöglicht demnach aufgrund zwischen Behandlern, unnötigen (Doppel-)Untersu- der vollständigen Abbildung der Versorgungspro- chungen oder unkoordinierten Behandlungsprozes- zesse eine sektoren- beziehungsweise einrichtungs- sen (Haas 2017). Durch den Einsatz einer elektroni- übergreifende Kommunikation über die Gesund- schen Patientenakte sollen auch in Deutschland diese heitsdaten der Versicherten (Arbeitskreis EPA/EFA Barrieren überwunden und Transparenz, Effektivität 2011). und Effizienz der Versorgung gesteigert werden (Heinze und Hilbert 2008; Schneider 2016). Wie . Tab. 1.1 eindrucksvoll unterstreicht, sind die Funktionalitäten und Potenziale einer elektroni- schen Patientenakte sehr umfassend. 6 Kapitel 1 · Einführung einer elektronischen Patientenakte in Deutschland Durch digitale Lösungen kann die sektoren- Mit Hilfe der elektronischen Patientenakte kann 1 übergreifende Koordination und Kommunikation ebenso der administrative Aufwand für die an der zwischen den verschiedenen Akteuren im Gesund- Versorgung beteiligten Akteure reduziert werden. heitssystem optimiert werden. Die Dokumentation Benötigt der Arzt spezielle Informationen über den aller Diagnosen und Therapien aus der Behand- Patienten, kann er im Vergleich zur papierbasierten lungshistorie in einer elektronischen Patientenakte Dokumentation effizienter nach bestimmten In kann eine Informationstransparenz schaffen, auf halten suchen. Aufgrund der digitalen Speicherung deren Datenbasis beteiligte Leistungserbringer umfassender, sektoren- und einrichtungsübergrei- sowie Patienten selbst adäquate Therapieentschei- fender Daten eines Patienten kann auf die Anforde- dungen treffen können. Neben einer zielgerich rung von Daten wie Diagnosen oder Behandlungen teten Behandlung können auf diesem Wege au anderer Leistungserbringer verzichtet werden, was ßerdem unnötige Doppeluntersuchungen oder sich im Versorgungsalltag zeitsparend auswirken unnötige Folgebehandlungen reduziert oder ver- kann. Die freiwerdende Zeit kann potenziell zielge- mieden werden. Darüber hinaus kann beispiels- richteter genutzt werden, beispielsweise für eine weise durch die Speicherung des stationären Ent- zeitintensivere Patientenversorgung (Nguyen et al. lassungsberichts der Übergang zur anschließenden 2014; Schneider 2016). ambulanten Versorgung oder die weitere Versor- Die Fähigkeit eines Patienten zum Selbstma- gung durch verschiedene Fachärzte besser koordi- nagement im Hinblick auf seine Gesundheit kann niert stattfinden (Haas 2017; Krüger-Brand 2018; sich durch eine elektronische Patientenakte mit Schneider 2016). entsprechendem Patientenzugriff verbessern. Der Der hohe Bedarf an koordinierter, digitaler Überblick über die eigenen Krankheits- und Ge- Versorgung ist unter anderem bedingt durch die sundheitsdaten führt potenziell zu einem besseren Zunahme an multimorbiden Patienten oder Patien- Krankheitsverständnis und damit auch zu einer ten mit chronischen Erkrankungen. Gerade im besseren Therapietreue. Indem behandelnde Ärzte Kontext solch komplexer Krankheitsbilder kann einen Gesamtüberblick über alle bisherigen Be- mit Hilfe elektronischer Patientenakten die Ge- handlungen eines Patienten erhalten, können sundheitsversorgung durch eine niedrigschwellige Behandlungsentscheidungen auf einem breiteren Informationsverfügbarkeit potenziell kosteneffek Datengerüst aufbauen. Zudem kann das Vertrauens- tiver und qualitativ besser organisiert werden (Gua- verhältnis zwischen Arzt und Patienten durch die gliardo 2018; Heinze und Hilbert 2008). Nutzung einer elektronischen Patientenakte positiv Zudem kann durch die Speicherung von Medi- beeinflusst werden (Eckrich et al. 2016). kationsdaten die Arzneimitteltherapiesicherheit Zusammenfassend ergibt sich ein weitreichen- gesteigert werden. Ziel ist hierbei, Medikationsfeh- des Verbesserungspotenzial durch den Einsatz einer ler und unerwünschte Neben- und Wechselwir- elektronischen Patientenakte mit dem Hauptziel, kungsrisiken für Versicherte zu vermeiden. Die die Patientenversorgung aufgrund einer verbesser- Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit wird ten, transparenteren Informationsbasis und den durch elektronische Patientenakten erleichtert. So damit zusammenhängenden Auswirkungen ent- können Ärzte oder Apotheker sowie Patienten scheidend zu optimieren sowie unnötige Ausgaben selbst ad hoc einsehen, ob ein zusätzlich verordnetes zu vermeiden und die Gesundheit und Lebensqua- Präparat im Medikationsplan eventuell ein Gesund- lität der Menschen zu verbessern sowie die Hand- heitsrisiko darstellt (Heinze und Hilbert 2008). lungskompetenzen der Patienten zu stärken (Gua Bei Verknüpfung der elektronischen Patienten- gliardo 2018; Schneider 2016). akte mit entscheidungsunterstützenden Systemen können patientenindividuelle Informationen der Akte beispielsweise mit evidenzbasiertem Wissen kombiniert werden, was wiederum zu einer leit liniengerechteren Behandlung der Patienten führen kann (Moja et al. 2014). 1.2 · Elektronische Patientenakten in Europa 7 1 1.2 Elektronische Patientenakten 44infrastrukturelle Voraussetzungen (u. a. Ver- in Europa fügbarkeit von Breitband-Internetzugang oder Frequenz der Internetnutzung), 1.2.1 Europäischer Vergleich zum 44politische und rechtliche Rahmenbedingungen Stand der Implementierung (u. a. rechtliche Verankerung der elektroni- elektronischer Patientenakten schen Patientenakte oder fest definierte Stan- dards die Interoperabilität betreffend), Der Implementierungsprozess einer elektronischen 44Nutzung und Implementierung (u. a. Grad der Patientenakte in Deutschland stellt sich sehr kom- Implementierung elektronischer Patienten plex dar. Bis heute werden auf der elektronischen akten bei Haus- oder Fachärzten) sowie Gesundheitskarte keine gesundheitsbezogenen 44Inhalte und Funktionen (u. a. elektronisches Daten der Versicherten gespeichert (GKV-Spitzen- Rezept oder Zugang von Patienten zu ihren verband 2018a). Vorteile einer elektronischen Pa Daten) tientenakte werden in der Bundesrepublik nicht genutzt. Im Vergleich zu Deutschland sind hier der elektronischen Patientenakten untersucht wur- international strukturähnliche Länder bei der Eta den, nur im unteren Mittelfeld dieses Rankings lan- blierung von elektronischen Patientenakten sehr dete, waren die skandinavisch geprägten Länder viel weiter (Amelung et al. 2016). Dänemark, Schweden und Estland die am weitesten Während Deutschland bei einer Untersuchung fortgeschrittenen Länder (Amelung et al. 2016). Wie zum Stand der Implementierung der elektronischen eine Nachfolgeuntersuchung aus dem Jahr 2018 Patientenakte auf nationaler Ebene (European zeigte, wurde Deutschland mittlerweile von weiteren Scorecard) aus dem Jahr 2016, bei der Indikatoren Ländern im Ranking der European Scorecard über- wie holt (. Tab. 1.2; Oliveira Gonçalves et al. 2018). ..Tab. 1.2 Platzierung der 20 betrachteten Länder der European Scorecard zum Stand der Implementierung der elektro- nischen Patientenakte auf nationaler Ebene (adaptiert nach Amelung et al. 2016 und Oliveira Gonçalves et al. 2018) Platzierung Ranking 2016 Ranking 2018 1 Dänemark, Schweden Dänemark 2 Estland, Finnland, Slowakei Finnland, Schweden 3 Portugal Estland, Spanien 4 Spanien Schweiz 5 Österreich Slowakei, Vereinigtes Königreich 6 Schweiz Portugal 7 Belgien Frankreich 8 Deutschland, Litauen, Niederlande Niederlande, Österreich 9 Vereinigtes Königreich Belgien, Deutschland, Litauen, Polen 10 Italien Tschechische Republik 11 Frankreich, Slowenien Italien, Slowenien 12 Polen Irland 13 Tschechische Republik 14 Irland Krankenhaus-Report 2019 8 Kapitel 1 · Einführung einer elektronischen Patientenakte in Deutschland Insbesondere Länder mit einem steuerfinan- PIN), der auch eine elektronische Signatur ermög- 1 zierten System nach Beveridge schneiden in die- licht (Oderkirk 2017). sem Vergleich besser ab als beitragsfinanzierte Im Jahr 2008 wurde in Estland ein landesweites S ozialversicherungssysteme nach Bismarck be E-Health-System eingeführt mit dem Ziel, Gesund- ziehungsweise „Mischsysteme“. Es darf die These heitsressourcen effizienter zu nutzen, „Papierkram“ aufgestellt werden, dass die Struktur der Gesund- zu reduzieren, Doppeluntersuchungen zu vermei- heitssysteme (u. a. Art der Finanzierung, Anzahl den und medizinische Statistiken zu verbessern. (Selbstverwaltungs-)Partner und Player im System, Vor allem der estnische Kostenträger Eesti Haige- potenzielle Interessenskonflikte) einen Einfluss kassa kann hier als besonders frühzeitiger Trigger auf die Digitalisierung des Gesundheitswesens für eine Digitalisierung von Abrechnungsdaten im und damit einhergehend mit der Ausgestaltung Gesundheitswesen identifiziert werden (Lai et al. und Fortschrittlichkeit elektronischer Patienten 2013). akten hat. Gesetzliche Grundlagen für das estnische E- Um herauszufinden, was die erfolgreichen Vor- Health-System bilden unter anderem das Gesetz reiterländer im Vergleich zur Bundesrepublik an- über das Gesundheitsinformationssystem aus dem ders – sprich: besser – gemacht haben, sollen im Jahr 2007 sowie das Staatliche Regulierungsgesetz Folgenden deshalb Estland und Dänemark in Form für den Austausch von Gesundheitsinformationen, kurzer Case Studies näher betrachtet werden. das im Folgejahr verabschiedet wurde (WHO 2016). Die Verantwortung der Umsetzung der estnischen E-Health-Strategie liegt generell zwar beim Sozial- 1.2.2 Case Study 1: e-Estland – ministerium (Sotsiaalministeerium), doch dieses Digitalisierung nahezu aller gründete 2005 die E-Health Foundation (Eesti E- Lebensbereiche tervise Sihtasutus) als multidisziplinäres Leitungs- gremium zusammen mit drei großen Kranken Estland wird in den Medien immer wieder als euro- häusern sowie drei Berufsverbänden. Ihre Haupt- päischer Vorreiter rund um die Digitalisierung des aufgabe besteht in der Entwicklung, Förderung, öffentlichen Lebens und des Gesundheitswesens Betreibung und Verwaltung des nationalen E- genannt. Das 1,3 Millionen Einwohner zählende Health-Systems einschließlich seiner Komponenten nördlichste baltische Land konnte seit seiner (neuer (Lai et al. 2013). lichen) Unabhängigkeit am 20. August 1991 kom- Estland setzte bei der Umsetzung seiner E- plett neue Verwaltungsstrukturen aufbauen und Health-Strategie auf einen Mix aus gesetzlichen setzte dabei von Anfang an auf digitale Lösungen Vorschriften sowie finanziellen Anreizen und (Statistikaamet 2018). Hierfür wurde bereits im Jahr Sanktionen, um Leistungserbringer zur Mitarbeit 2001 mit der sogenannten X-Road eine Infrastruk- zu motivieren (Lai et al. 2013). tur zum sicheren Datenaustausch zwischen öffent Im Wesentlichen stellt das estnische E-Health- lichen und privatwirtschaftlichen Einrichtungen System eine flächendeckende Plattform dar, deren implementiert und von da an stets weiterentwickelt Sicherheit über die sogenannte Blockchain-Techno- (Mikk 2018). Seit dem Jahr 2005 sind beispielsweise logie sichergestellt werden soll. Gegenwärtig um- Wahlen niedrigschwellig via Internet (E-Voting) fasst das System die folgenden Funktionalitäten möglich (Friedrich 2017). Mittlerweile können (Friedrich 2017; Lai et al. 2013): nahezu alle Behördengänge (E-Government; Aus- 44Elektronische Patientenakte einschließlich nahmen bilden hier lediglich Heirat und Schei- eines Patientenportals dung) und Rechtsgeschäfte (Ausnahme Immobilien 44Elektronischer Medikationsplan käufe) online getätigt werden (Deutsch-Baltische 44Elektronisches Rezept Handelskammer in Estland Lettland Litauen e. V. 44Digitales Bild- und Laborbefundarchiv 2017). Dies geschieht über die Authentifizierung im 44Elektronische Notfallbehandlungslösungen Internet über den estnischen Personalausweis einschließlich eines vernetzten Krankenwagen- (Identifikationskarte (ID-Karte) mit zugehöriger systems 1.2 · Elektronische Patientenakten in Europa 9 1 44Informationsaustauschsystem zwischen inaus können die integrierten Leistungserbringer h verschiedenen Leistungserbringern digital kommunizieren und untereinander bei- 44Elektronisches Buchungstool für Facharzt spielsweise Ergebnisse von Laboruntersuchungen termine an Krankenhäusern und Bildgebung austauschen (Oderkirk 2017; Sta- 44Statistikmodule tistikaamet 2018). Das durch das estnische Unternehmen Helmes Die elektronische Patientenakte stellt im Prinzip seit innerhalb von nur drei Jahren bei Kosten von ledig- dem Jahr 2008 die gesamte medizinische Geschich- lich 300.000 Euro entwickelte elektronische Rezept te jedes Esten von der Geburt bis zum Tod dar und zählt – neben der elektronischen Steuererklärung umfasst nahezu die gesamte Bevölkerung des – zu den erfolgreichsten und meistgenutzten digita- Landes (über 98 Prozent) (WHO 2016). Über das len Anwendungen in Estland (Deutsch-Baltische Patientenportal (www.digilugu.ee) haben estnische Handelskammer in Estland Lettland Litauen e. V. Patienten durch Authentifizierung via ID-Karte 2017; Friedrich 2017). Nur 15 Monate nach der Im- Zugriff auf Gesundheitsinformationen sowie all plementierung des elektronischen Rezepts wurden ihre medizinischen Unterlagen. Sie können Kon- 85 Prozent der Rezepte digital ausgestellt und mitt- taktinformationen und demografische Angaben lerweile erfolgen über 98 Prozent aller Verschrei- anpassen, Leistungserbringern Zugang zu medizi- bungen auf elektronischem Wege (Friedrich 2017; nischen Unterlagen gewähren oder verwehren, Zu- WHO 2016). gangsprotokolle einsehen – das heißt abklären, wer Mit dem Estonian eHealth Strategic Develop- Zugriff auf ihre persönlichen Daten genommen hat ment Plan 2020 hat das estnische Sozialministerium –, auf digitale Rezepte zugreifen, Bluttransfusions-, den Grundstein für die Weiterentwicklung des E- Organ- sowie Körperspendebereitschaft für wissen- Health-Systems gelegt. So sollen die Dateninfra- schaftliche Zwecke signalisieren oder sich Gesund- struktur der X-Road weiter ausgebaut, die Qualität heitszeugnisse und Atteste ausstellen lassen (Lai et und Austauschmöglichkeiten von Daten verbessert al. 2013; Oderkirk 2017). Das System hält darüber oder digitale Lösungen zur Behandlungsunterstüt- hinaus Schnittstellen für kommerzielle Anbieter zung entwickelt werden. Hierbei soll insbesondere von Apps oder Fitnessgeräten vor. So können Esten die personalisierte Medizin (personalised medicine) beispielsweise eine App des estnischen Anbieters im Vordergrund stehen, die durch die Daten Medikeep nutzen, um potenziell gefährliche Wech- integration unterschiedlicher Quellen (unter ande- selwirkungen von Arzneimitteln im elektronischen rem elektronische Patientenakten, (Krebs-)Register Medikationsplan aufzudecken (Deutsch-Baltische oder die Biodatenbank des Universitätsklinikums in Handelskammer in Estland Lettland Litauen e. V. Tartu) ermöglicht werden soll (Deutsch-Baltische 2017). Handelskammer in Estland Lettland Litauen e.V. Esten haben eine sogenannte Opt-out-Möglich- 2017; Volmer 2018). keit, das heißt sie können die elektronische Patien- tenakte ganz oder teilweise sperren lassen. Dass nur 0,6 Prozent der Einwohner von dieser Option 1.2.3 Case Study 2: Dänemark – Gebrauch gemacht haben, unterstreicht, wie hoch Eine über 20-jährige Vorreiter das Vertrauen der Bevölkerung in die E-Health- rolle bei der Digitalisierung Strategie des Landes ist (Deutsch-Baltische Han- des Gesundheitswesens delskammer in Estland Lettland Litauen e. V. 2017). Fast alle Haus- und über die Hälfte der Facharzt- Auch das dänische Gesundheitswesen ist – analog praxen sowie alle 55 estnischen Krankenhäuser sind zum estnischen – durch eine umfangreiche Digita- mittlerweile Bestandteil des E-Health-Systems und lisierung mit enger elektronischer Kommunikation somit in der Lage, die elektronische Patientenakte zwischen den Leistungserbringern, einschließlich einzusehen, um aktuelle Diagnose- und Behand- digitalisierter Arbeitsverfahren sowie einer syste- lungsinformationen zu ergänzen oder Medikations- matischen Nutzung von Daten, charakterisiert pläne von Patienten zu aktualisieren. Darüber (Sundheds- og Ældreministeriet 2016). Insbeson- 10 Kapitel 1 · Einführung einer elektronischen Patientenakte in Deutschland dere die Tatsache, dass das Vertrauen der etwa 5,8 angesehen werden (Kierkegaard 2013), denn diese 1 Millionen Dänen in ihre Regierung und deren Reform veränderte nachhaltig das Machtverhältnis Handeln hoch ist, erleichtert häufig im Vergleich zu zwischen den Regionen (und Gemeinden) gegen- anderen Staaten die Einführung moderner Techno- über der Zentralregierung. Vor der Reform hatten logien auf nationaler Ebene (Harrell 2009; Statistics nur die Regionen (und Gemeinden) Entschei- Denmark 2018). dungsbefugnisse im Gesundheitswesen und dem- Bereits im Jahr 1977 wurde in Dänemark durch entsprechend beispielsweise Etathoheit über poten- die Implementierung eines landesweiten Patienten- zielle Investitionen in Bezug auf Digitalisierung registers, das Ärzte – zunächst aus Erstattungsgrün- oder Entscheidungsfreiheiten bezüglich techni- den – dazu verpflichtete, jeden Patientenbesuch scher Standards und Schnittstellen. Nun liegen die- beim staatlichen Gesundheitsdienst zu melden, se Zuständigkeiten verstärkt in den Händen des quasi der Grundstein für die spätere erfolgreiche Gesundheitsministeriums (Sundheds- og Ældremi- Einführung einer elektronischen Patientenakte nisteriet) (Grosen 2009). Dieses Vorgehen hat die gelegt (Harrell 2009). Ein erster nationaler Aktions- Verbreitung gemeinsamer IT-Standards erleichtert plan zur Digitalisierung des dänischen Gesund- und ermöglicht mittlerweile die elektronische heitssystems wurde schließlich im Jahr 1996 einge- Kommunikation zwischen allen Akteuren des Ge- führt und seither in Form weiterer sogenannter sundheitswesens (Krankenhäuser, Haus- und Fach- nationaler Strategien (2000 bis 2002, 2003 bis 2007, ärzte, Labore, Pflegedienste oder lokale Behörden) 2008 bis 2012, 2013 bis 2017, 2018 bis 2022) stetig (Sundheds- og Ældreministeriet 2016). weiterentwickelt (Bruun-Rasmussen et al. 2008; Schon im Jahr 2003 ging in Dänemark ein Pa Grätzel 2018; Olejaz et al. 2012; Sundheds- og tientenportal (www.sundhed.dk) als digitale Platt- Ældreministeriet 2018). form in Form einer abgesicherten Cloud-Lösung Seit dem Jahr 2004 sind Hausärzte, die in Däne- online. In dieses sind mittlerweile alle Patienten mark als Gatekeeper fungieren, verpflichtet, eine daten der unterschiedlichen Leistungserbringer elektronische Patientenakte zu nutzen und digitale und Systeme integriert (Multi-Vendor-Strategie). Kommunikationswege zu verwenden. Dieses haus- Der Patient legitimiert seinen unmittelbaren Zu- ärztliche System wurde von MedCom, einer 1994 griff mittels Eingabe seiner zehnstelligen (unver- vom Gesundheitsministerium, den Regionen und wechselbaren) Sozialversicherungsnummer (Nem Gemeinden gegründeten non-Profit-Organisation, ID) zusammen mit einem privaten Zugangsschlüs- entwickelt und ermöglicht die Verwaltung von sel, der – ähnlich dem TAN-Verfahren für das Inter- Arztberichten, Medikationslisten, bildgebender netbanking – dem Nutzer für den Einmalgebrauch Diagnostik, Laborergebnissen sowie das Versenden zur Verfügung gestellt wird oder in Verbindung mit von beispielsweise Terminerinnerungen an Patien- einer Smartphone-App. Auch Krankenhaus- und ten (Kierkegaard 2015; Olejaz et al. 2012). Den niedergelassene Ärzte sowie weitere Leistungs Hausärzten folgte im Jahr 2006 der fachärztliche erbringer haben nach entsprechender Einwilligung Bereich (Amelung et al. 2016). des Patienten Zugang zur elektronischen Patienten- Die Implementierung elektronischer Patienten- akte (Haas 2017; Hostenkamp 2017; Nørgaard akten im stationären Sektor kam jedoch über einzel- 2013). ne „Insellösungen“ – einhergehend mit etwaigen Über das Portal sind mittlerweile die nachfol- Schnittstellenproblematiken – zunächst nicht hin- genden Funktionalitäten integriert (Europäische aus (Kierkegaard 2015). Diese Problematik löste Kommission 2014; Kierkegaard 2015; Lang 2016; sich insbesondere durch die Strukturreform, die im Nørgaard 2013; Sundhed.dk 2016; Sundheds- og Jahr 2007 durchgeführt wurde, bei der die Zahl von Ældreministeriet 2012, 2016): 16 Regionen und 271 Gemeinden auf nur noch fünf 44Zentralisierte Datenbank mit Informationen Regionen und 98 Gemeinden reduziert wurde. von Haus- und Fachärzten und anderen – auch Diese Reform kann als essenzieller Trigger bei der privaten – Leistungserbringern (P-Journalen) Koordinierung, Durchsetzung und Implementie- sowie des stationären Sektors aus allen fünf rung einer Gesundheits-IT auf nationaler Ebene Regionen (E-Journalen) 1.2 · Elektronische Patientenakten in Europa 11 1 44Digitales Bild- und Laborbefundarchiv verpflichtet, Patienteninformationen digital zu er- 44Elektronischer Medikationsplan fassen (Europäische Kommission 2014). 44Elektronisches Rezept einschließlich Folge Dänemark führte für die elektronische Patien verschreibungen tenakte keine separaten Gesetze oder Regularien 44Elektronisches Impfregister den Datenschutz und die Privatsphäre betreffend 44Elektronische Patientenverfügung ein. Für diese gelten die gleichen Gesetze, die zuvor 44Elektronische Organspenderegistrierung auch schon bei papierbasierten Patientenakten gal- 44Weitere Anwendungen wie zum Beispiel ten. Der dänischen Gesundheitsforschung stehen Online-Terminvereinbarungen, Abrufen von darüber hinaus Daten aus der elektronischen Pa Echtzeitwartezeiten aller öffentlichen Kran- tientenakte auch ohne vorherige, explizite Zustim- kenhäuser, Bewertungen von Krankenhaus mung seitens der Patienten als Sekundärdaten zur aufenthalten, Einschreibung in Screening Verfügung (Amelung et al. 2016). programme, Registrierung als Blut- oder Zahlen aus der Praxis unterstreichen eindrucks- Eizellspender, Einschreibung in medizinische voll den Erfolg der dänischen E-Health-Strategie, Studien oder webbasierte Kommunikation mit denn bereits im Jahr 2013 nutzten nahezu alle Haus- behandelnden Leistungserbringern ärzte und Apotheker, 98 Prozent der Fachärzte, 85 Prozent der Chiropraktiker sowie 50 Prozent der Eine mittlerweile ins Portal integrierte Interaktions- Zahnärzte Dänemarks die elektronische Patienten- datenbank beschreibt Wechselwirkungen mit Medi- akte einschließlich digitaler Wege zur Kommunika- kamenten und bietet den Bürgern die Möglichkeit, tion und zum Datenaustausch (Kroigaard 2013). Im diese online zu überprüfen (Venkatraman et al. Jahr 2014 waren 85 Prozent der dänischen Kranken- 2015). häuser an die elektronische Patientenakte ange- Über das Patientenportal besitzt der Patient schlossen (Europäische Kommission 2014). Inzwi- bestimmte Schreibrechte. So kann er beispiels schen sind dies alle dänischen Leistungserbringer weise seine Adressdaten aktualisieren oder Kon- (Gerlof 2017). Mindestens 85 Prozent aller Rezepte taktdaten von Verwandten hinterlegen. Medizini- werden aktuell auf elektronischem Wege versendet sche Inhalte jedoch können lediglich durch (nicht-) (Kostera und Briseño 2018). Durch eine stetig stei- ärztliches Personal hinzugefügt oder geändert wer- gende Zahl an Zugriffen auf sundhed.dk kann auch den (Lang 2016). Unter der Rubrik My log hat ein das Patientenportal als Erfolg angesehen werden. So Patient Einsicht, welcher Leistungserbringer wann besuchen pro Monat im Durchschnitt 1,7 Millionen auf seine Daten zugegriffen hat. Jeder Datenzugriff Dänen das Portal (Gerlof 2017). wird transparent mit dem Namen des Leistungs Die aktuelle nationale Strategie zur digitalen anbieters sowie Datum und genauer Uhrzeit des Gesundheit für die Jahre 2018 bis 2022 sieht unter Zugriffs protokolliert (Europäische Kommission anderem vor, Patienten noch mehr als bisher einzu- 2014). binden und den Austausch von Behandlungsdaten Im dänischen (Rechts-)Verständnis wird ge weiter zu verbessern sowie Datensicherheits- und nerell unterstellt, dass ein Patient durch seine Zu- Vertraulichkeitsaspekte zu optimieren. Ein Fokus stimmung zu einer Behandlung gleichzeitig dem soll ferner auf populationsbezogenen Gesundheits- behandelnden Leistungserbringer die Zustimmung maßnahmen und Prävention liegen. Die gegenwär- erteilt, die für die Behandlung notwendigen und tig etablierte E-Health-Infrastruktur soll darüber relevanten Informationen in der elektronischen Pa- hinaus flexibler werden, das heißt, das Andocken tientenakte einsehen zu dürfen. Allerdings können mobiler Anwendungen, beispielsweise zur Unter- Patienten von einer Opt-out-Möglichkeit Gebrauch stützung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils, machen und einem bestimmten Leistungserbringer soll ermöglicht werden. Durch die Fokussierung auf die Zugriffrechte auf seine Gesundheitsdaten ver- vorausschauende Analytik soll aus der datenüber- weigern. Eine leistungserbringerseitige Opt-out- mittelnden, elektronischen Patientenakte langfristig Möglichkeit besteht in Dänemark nicht – die Leis- eine Plattform für personalisierte Präzisionsmedi- tungserbringer sind mittlerweile alle gesetzlich zin werden. Eine Anbindung der Akte an eine natio 12 Kapitel 1 · Einführung einer elektronischen Patientenakte in Deutschland nale Genomdatenbank ist – wie in Estland – per von Kartenlesegeräten an Desktop-Computern als 1 spektivisch auch für Dänemark angedacht (Grätzel alleinige, vorgeschriebene Login-Variante ist in je- 2018; Sundheds- og Ældreministeriet 2018). dem Fall […] nicht der Zugang, den sich die Bürger im Jahre 2018 mehrheitlich wünschen – und vor allem auch nicht nutzen werden“ (Becker und Mihm 1.3 Schlussfolgerungen 2018). Dies erinnert stark an das estnische Vor und Ausblick gehen, wo die erfolgreiche Einführung der elektro- nischen Patientenakte im Tandem mit der Imple- Während die zuvor vorgestellten europäischen Vor- mentierung von E-Government-Anwendungen reiterländer Estland und Dänemark in ihren natio- stattfand. nalen E-Health-Strategien für die kommenden Jah- Sowohl der Koalitionsvertrag als auch die Äu re bereits darüber nachdenken, wie die etablierten ßerungen des Bundesgesundheitsministers lassen elektronischen Patientenakten verbessert und mit jedoch gleichzeitig darauf schließen, dass gegen- weiteren Datenbanken verknüpft werden können wärtig völlig unklar ist, ob die elektronische Patien- (Deutsch-Baltische Handelskammer in Estland tenakte in Deutschland derart ausgestaltet wird, wie Lettland Litauen e.V. 2017; Sundheds- og Ældremi- von Seiten der gematik seit nunmehr über 14 Jahren nisteriet 2018), steckt Deutschland betreffend der gedacht und vorangetrieben. Es scheint so, als sei Entwicklung, Implementierung und effektiven Nut- die Zeit der Ausblendung alternativer, internationa- zung einer elektronischen Patientenakte nach wie ler, empirisch erprobter Best-Practice-Konzepte vor in den Kinderschuhen. hinsichtlich der Ausgestaltung und Umsetzung der Ob zeitnah große Meilensteine in Sachen elek elektronischen Patientenakte seitens deutscher Po- tronischer Patientenakte in Deutschland erreicht litik vorbei. Dies ist insbesondere mit Blick auf die werden können, wird sich in unmittelbarer Zukunft in den Case Studies betrachteten Vorreiterländer zeigen, denn positive Grundvoraussetzungen sind skandinavischer Prägung ein längst überfälliger gegenwärtig dafür vorhanden. Im aktuellen Koali Schritt – sowohl in Politik als auch im Gesundheits- tionsvertrag der amtierenden Regierungskoalition wesen. aus CDU, CSU und SPD heißt es auf Seite 99 im Ab- Die deutsche Politik und die Selbstverwaltungs- satz Prävention „[m]it einem Nationalen Gesund- partner sollten sich Best-Practice-Länder zum Vor- heitsportal wollen wir, dass sich die Patientinnen bild nehmen sowie deren Wissensvorsprung durch und Patienten verlässlich schnell und umfassend im gezielten Wissenstransfer für die Bundesrepublik Internet […] informieren können“. Ebenso im Koa- nutzbar machen, wie dies schon beispielhaft und litionsvertrag findet sich im Absatz E-Health und erfolgreich bei der Einführung des DRG-Systems Gesundheitswirtschaft der Passus „[w]ir werden die anhand eines australischen Vorbildes durch das Telematikinfrastruktur weiter ausbauen und eine Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenver elektronische Patientenakte für alle Versicherten in sicherung (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) dieser Legislaturperiode einführen“ (Presse- und im Jahr 2003 erfolgte (GKV-Spitzenverband 2018b), Informationsamt der Bundesregierung 2018). Diese denn Absätze deuten darauf hin, dass das Voranbringen 44warum sollten Fehler, die andere Länder bei einer elektronischen Patientenakte in Deutschland der Etablierung elektronischer Patientenakten einen neuen Impuls seitens Politik erfahren wird. begangen haben, wiederholt werden? und Diese Beobachtungen werden durch Aussagen des 44warum sollten komplett eigene Lösungen amtierenden Bundesministers für Gesundheit, Jens kreiert werden, statt bereits etablierte und Spahn (CDU), unterfüttert. Diesem zufolge sind unter Alltagsbedingungen funktionsfähige derzeit alternative Lösungsansätze – wie die Kopp- Standards zu übernehmen? lung einer elektronischen Patientenakte an das von der Bundesregierung geplante Bürgerportal als Dies muss nicht zwangsläufig die Übernahme eines sogenannter elektronischer Kommunikations kompletten Systems eines Landes und dessen voll- plattform im Internet – denkbar, denn „[d]ie Zeit ständige Übertragung und Adaption an das deut- 1.3 · Schlussfolgerungen und Ausblick 13 1 sche Gesundheitssystem und die Bedarfe von so- eispielsweise an der Organspendebereitschaft der b wohl Patienten als auch Leistungserbringern und Bevölkerung ablesen. Kostenträgern bedeuten. Vielmehr können auch Obwohl im deutschen Diskurs um die elektro- besonders erfolgreiche und zuverlässige Teilmodule nische Patientenakte stets eine Patientenzentrie- aus anderen Ländern „eingekauft“ und als Blau rung postuliert wird – der Patient als „Herr“ seiner pause für die deutsche Patientenakte nutzbar ge- Daten –, ist davon im Sachkontext meistens wenig macht werden. Durch das Importieren von Know- zu spüren. Während Dänemark und Estland ihre how aus Vorreiterländern könnte Deutschland den Patienten synonym als Bürger wahrnehmen, die als entstandenen Rückstand bei der Implementierung solche Zugang zu ihren Daten haben, bleiben Pa einer elektronischen Patientenakte und ihrer vielen tienten im Deutschland des 21. Jahrhunderts potenziellen Funktionen leichter aufholen. Dies schlicht Patienten. Die Tatsache, dass Patienten sollte auch unter der Maßgabe geschehen, dass daten in Deutschland an den unterschiedlichsten perspektivisch die elektronische Patientenakte ein Stellen liegen und für Patienten alles andere als zentrales Element im zukünftigen gesamteuropäi- transparent und verfügbar sind, wird in Diskussio- schen Versorgungsprozess darstellen wird. nen über elektronische Patientenakten und deren Für eine solche Strategie ist es entscheidend, Potenziale zumeist komplett außen vor gelassen. dass die gegenwärtig heterogene IT-(Infra-)Struk- Insbesondere die Case Study Dänemark konnte tur in Deutschland, die bisweilen durch geringe aufzeigen, dass ein solides Grundvertrauen sowohl Internetgeschwindigkeiten und einen Mangel an in die Entscheidungsträger als auch in digitale Lö- Interoperabilität gekennzeichnet ist, schnellstmög- sungen essenziell dafür ist, dass eine elektronische lich in Angriff zu nehmen. Ob hierfür das im E- Patientenakte erfolgreich umgesetzt und imple- Health-Gesetz vorgesehene Interoperabilitätsver- mentiert werden kann. Die Tatsache, dass partiell zeichnis eine ausreichende und zufriedenstellende destruktive, irrationale und ambivalente Daten- Lösung ist, Kompatibilität herzustellen, darf be- schutzdiskussionen – Stichworte sind hierbei, zweifelt werden, denn die bestehenden Interessens- neben weiteren, der „Gläserne Patient“ oder der konflikte der Selbstverwaltungspartner können „Gläserne Arzt“ – den Einsatz von Technologie im damit keineswegs beseitigt werden. Die Grund Gesundheitswesen in Deutschland behindern prämisse des deutschen Weges, komplett auf die (Amelung et al. 2016), zeigt, dass dieses Grundver- Anwender zu setzen und diese im gesamten Prozess trauen anwenderseitig gegenwärtig lediglich spora- mitzunehmen, ist prinzipiell sinnvoll, doch sollte disch vorhanden ist und entsprechend an Relevanz dieser Bottom-Up-Ansatz, der seit fast zwei Deka- und Aktualität nicht verloren hat. So ergab eine den die deutsche Gesundheitspolitik bestimmt, als aktuelle Befragung1 zur E-Government-Situation gescheitert angesehen werden, da die konträren und zur Zufriedenheit von Anwendern in Deutsch- Interessen zu erheblichen Verzögerungen geführt land, dass 55 Prozent der Befragten Datenschutz haben. Es bedarf nunmehr einer stärkeren Gover- bedenken hegen, 54 Prozent Angst vor Datendieb- nance, wie sie in den Case Studies von Dänemark stahl haben und 55 Prozent kein Vertrauen in die und Estland deutlich wurde, wo der Staat die Spe Sicherheit bei der Datenübertragung aufweisen zifikationen vorgab, die dann von den jeweiligen (Initiative D21 e.V. 2017). Eine Umfrage2 des Digi- Anbietern von E-Health-Lösungen eingehalten talverbands Bitkom und der Bayerischen Telemed- werden mussten. Insbesondere Dänemark zeigt Allianz ergab, dass 60 Prozent der Befragten eine hier, dass Top-Down-Entscheidungen schnell für elektronische Patientenakte nutzen würden und nur Einheitlichkeit sorgen und Politik, Ärzte, Kranken- 34 Prozent dieser ablehnend gegenüber eingestellt häuser und Patienten dennoch an einem Strang ziehen können. Dass die beiden Vorreiterländer 1 Basis der Erhebung: 483 Personen zu Bedenken bei Daten sicherheit/-schutz (Initiative D21 e.V. 2017). Opt-Out-Regulatorien gewählt hatten, hat die 2 Basis der Erhebung: 1.003 Personen zu Fragen rund um Ge- Durchdringung der elektronischen Patientenakte sundheitsdaten, die in Arztpraxen, Kliniken oder anderen zusätzlich beflügelt. Wie erfolgreich Opt-In- Gesundheitseinrichtungen anfallen (Rohleder und Jedam- Möglichkeiten sind, lässt sich in Deutschland zik 2017). 14 Kapitel 1 · Einführung einer elektronischen Patientenakte in Deutschland sind (6 Prozent keine Angabe oder „weiß nicht“) 44Investitionsvolumina, 1 (Rohleder und Jedamzik 2017). 44Inhalte und Funktionen, Datenschutzbedenken überblenden zumeist, 44technische und Interoperabilitätsstandards, dass ausgereifte elektronische Patientenakten, wie sie 44Datenstrukturen, in den betrachteten Ländern skandinavischer Prä- 44Terminologien sowie Zugriffsmanagement gung implementiert wurden, stets eine Rückverfolg- sowie barkeit von (unrechtmäßigen) Datenzugriffen er- 44Datenschutzbestimmungen möglichen und Sanktionen von Datenmissbrauch durch Dritte klar geregelt sind, Datenschutz- und zur elektronischen Patientenakte formulieren. Nur -sicherheitsanforderungen ausreichend Genüge tra- auf dieser Grundlage von identischen Standards gen und sowohl in Estland als auch in Dänemark können durchaus auch Akten verschiedener An Missbrauchsfälle kaum bekannt sind. Der Blick ins- bieter parallel existieren. Unter Beachtung dieser besondere nach Dänemark zeigt, dass dort in der Maßgaben sowie durch eine Neujustierung der öffentlichen Wahrnehmung eine umgekehrte Sicht- Aufgabenfelder der gematik kann die elektronische weise zur deutschen vorherrscht: Die Verfügbarkeit Patientenakte vielleicht auch in Deutschland ir- essenzieller Informationen für Leistungserbringer gendwann wie insbesondere in Skandinavien als gebündelt an einer Stelle, die in entscheidenden Situ- Erfolgsgeschichte gefeiert werden. ationen mitunter Leben retten können, hat hier einen höheren Stellenwert inne als zum Teil unberechtigte jjDanksagung datenschutzrechtliche Bedenken. Die Tatsache, dass Die Erstellung der European Scorecard im Jahr 2016 weder in Estland noch in Dänemark eine Evaluation und deren Update im Jahr 2018 wurde von der Stif- der elektronischen Patientenakte durchgeführt wird, tung Münch unterstützt. suggeriert, dass hier ein höheres Vertrauen in Politik und Technik gesetzt wird. Es wird anerkannt, dass die Digitalisierung auch vor dem Gesundheitswesen Literatur nicht Halt macht (Amelung et al. 2016). Amelung V, Binder S, Bertram N, Chase DP, Urbanski D (2016) Dass elektronische Patientenakten Effizienz Die elektronische Patientenakte – Fundament einer effek- und Transparenz im Gesundheitswesen enorm tiven und effizienten Gesundheitsversorgung. medhoch- steigern können und Anwendungen wie das elek zwei Verlag, Heidelberg, S 1–123 AOK-Bundesverband (2017) AOK startet Gesundheitsnetz tronische Rezept oder der elektronische Medika werk mit digitaler Akte in zwei Regionen. www.aok-bv. tionsplan einen unmittelbaren Patientennutzen de/presse/pressemitteilungen/2017/index_19382.html. haben können, steht außer Frage. Dies haben auch Zugegriffen: 09. Mai 2018 einige deutsche Kostenträger erkannt und entwi- Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Fraktion im ckeln gegenwärtig – partiell losgelöst von der gema- Deutschen Bundestag (2018) Die Digitalisierung des Gesundheitswesens entschlossen vorantreiben – Posi- tik – eigeninitiativ elektronische Patientenakten in tionspapier E-Health der Arbeitsgruppe Gesundheit der Form sogenannter „Insellösungen“. Sowohl die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. www. Techniker Krankenkasse in Zusammenarbeit mit cducsu.de/sites/default/files/2018-06/Die%20Digitali IBM als auch die AOK Nordost zusammen mit sierung%20des%20Gesundheitswesens%20entschlos- Cisco entwickeln im Moment eigene Akten, die sen%20vorantreiben20%28003%29.pdf. Zugegriffen: 05. Juli 2018 kompatibel zur Telematikinfrastruktur sein sollen Arbeitskreis EPA/EFA (2011) Elektronische Akten im Gesund- (AOK-Bundesverband 2017; Handelsblatt 2018). heitswesen – Ergebnisse des bundesweiten Arbeitskrei Damit hieraus – sobald weitere Kostenträger dieses ses EPA/EFA. https://egesundheit.nrw.de/wp-content/ Geschäftsfeld für sich entdecken – kein „Flicken uploads/2013/08/21092011_AKEPA-eFA_Elektronische teppich“ nicht kompatibler Anwendungen entsteht, AktenimGesundheitswesen_web_ger.pdf. Zugegriffen: sollte der Gesetzgeber schnellstmöglich verbind 19. Juni 2018 Becker KB, Mihm A (2018) „Ein digitaler Zugang zu allen liche und bundesweit einheitliche Leistungen des Staates“. www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ 44Zielsetzungen, jens-spahn-ueber-digitale-loesungen-fuer-das-gesund- 44zeitliche Rahmen, heitssystem-15576807.html. Zugegriffen: 15. Mai 2018 Literatur 15 1 Bruun-Rasmussen M, Bernstein K, Vingtoft S (2008) Ten years drg/fragen_und_antworten_drg.jsp. Zugegriffen: 03. 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Mai 2018 Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz(http://creativecommons. org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Kapitel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. 17 2 Benchmarking der Kranken- haus-IT: Deutschland im internationalen Vergleich Victor Stephani, Reinhard Busse und Alexander Geissler © Der/die Autor(en) 2019 J. Klauber et al. (Hrsg.), Krankenhaus-Report 2019 https://doi.org/10.1007/978-3-662-58225-1_2 Zusammenfassung Der Transformationsprozess in eine digitale Welt macht auch vor Krankenhäusern nicht halt. Jedoch ist unklar, wie fortgeschritten der Einsatz von Informationstechnologie (IT) in Deutschland ist. Daher analysiert dieser Beitrag den Digitalisierungsgrad deutscher Krankenhäuser im internationalen Vergleich. Dazu wird die Logik des „Electronic Medical Record Adoption Model“ (EMRAM) genutzt, das die Krankenhäuser anhand einer Skala von 0 (keine Digitalisierung) bis 7 (papierloses Krankenhaus) bewertet. Nach der EMRAM-Logik errei- chen die deutschen Krankenhäuser im Durchschnitt einen Wert von 2,3 und sind damit im Vergleich zu an- deren Ländern nur unterdurchschnittlich digitalisiert. Der Abstand zum europäischen Durschnitt (3,6) hat sich zudem in den letzten Jahren vergrößert. Länder wie die Türkei (3,8) oder die USA (5,3) sind deutlich weiterentwickelt. Auch gibt es derzeit in Deutschland kein einziges Krankenhaus auf Stufe 7. Andere Evalua- tionsmethoden, wie zum Beispiel die des European Hospital Survey, bestätigen die Resultate des EMRAM und zeigen, dass Deutschland im digitalen Bereich zunehmend den Anschluss verliert. Als Gründe für diese schlechte Bilanz lassen sich unter anderem mangelnde Investitionen, Datenschutz-Bedenken, die Benutzerun- freundlichkeit der eingesetzten IT-Systeme, aber auch der lahmende Breitbandausbau in Deutschland identi- fizieren. Es ist wichtig, dass künftig erreichbare Ziele und einheitliche Standards definiert und vorhandene Ressourcen zielführend zum IT-Ausbau eingesetzt werden. Nur durch die Schaffung grundlegender IT-Struk- turen können neue Technologien implementiert und nachhaltig genutzt werden. Digitalisation is finding its way into German hospitals. However, the level of information technology (IT) utilisation remains unclear. Therefore, this paper analyses the degree of digitalisation of German hospitals from an international perspective. For this purpose, the logic of the “Electronic Medical Record Adoption Model” (EMRAM) is used, which rates hospitals on a scale from 0 (no digitalisation) to 7 (paperless hospital). Accor- ding to the EMRAM logic, German hospitals achieve an average value of 2.3 and are therefore digitised only below average compared to other countries. The gap to the European average (3.6) has also widened in recent years. Countries such as Turkey (3.8) or the USA (5.3) are much more advanced. Currently, there is not a single hospital at Level 7 in Germany. Other evaluation methods, such as the “European Hospital Survey”, confirm the results of EMRAM and show that Germany is increasingly losing ground in the digital field. The reasons for this poor balance include a lack of investment, data protection concerns, the user-unfriendliness of the IT systems used and the sluggish broadband expansion in Germany. It is important to define achievable goals and to use existing resources carefully for IT expansion. Only by creating uniform standards and a reli- able IT infrastructure, new technologies can be implemented sustainably. 18 Kapitel 2 · Benchmarking der Krankenhaus-IT: Deutschland im internationalen Vergleich 2.1 Einleitung den. Ein Laborbericht, der analog als Dokument vorlag und einfach eingescannt wird und dann digi- Die Digitalisierung der Krankenhäuser rückt zu- tal als Bilddatei benutzt wird, bietet zunächst keinen 2 nehmend in den Fokus gesundheitspolitscher Aus- Zusatznutzen. Denn die einzelnen Laborwerte kön- einandersetzungen. In der Diskussion um die digi- nen in der Regel ohne zusätzliche Texterkennung tale Transformation fallen mittlerweile schnell von Computern nicht erkannt werden und müssen Begriffe wie Big Data, Blockchain oder Machine somit am Ende wieder manuell ausgelesen und Learning, die einen Aufbruch in ein neues Zeitalter übertragen werden. Auch bieten digitale Inseln in- und einen Umbruch in der Art und Weise, wie wir nerhalb eines Krankenhauses, die aufgrund von Prozesse bisher verstehen und gestalten, verspre- unterschiedlichen IT-Standards nicht interoperabel chen. Jedoch bleibt die Auseinandersetzung mit sind, nur einen eingeschränkten Zusatznutzen, da diesen Themen häufig oberflächlich. Eine Präzisie- auch hier die Übertragung von Daten zwischen ein- rung ist hier aber notwendig, um den wirklichen zelnen Abteilungen nicht automatisch und ohne Nutzen der Informationstechnologie (IT) zu verste- Medienbrüche erfolgen kann. Ebenso kann eine hen, auszuschöpfen und nicht zuletzt auch um benutzerunfreundliche EPA zu einer schlechten Skepsis und Ängste zu nehmen. Deswegen sollten, Akzeptanz führen, falls der Arzt mehr Zeit damit bevor über aus heutiger Perspektive entfernte Zu- verbringt, auf eine Sanduhr auf dem Bildschirm zu kunftsthemen gesprochen wird, grundlegende blicken als Patienten zu behandeln. Dinge analysiert und diskutiert werden. Denn IT All diese Aspekte sollen deswegen in dem fol- stiftet ihren Nutzen mit Hilfe von bereits längst ver- genden Beitrag einbezogen und analysiert werden. fügbaren Mitteln: Im Mittelpunkt steht dabei die Als Grundlage wird auf die derzeitige Standardi elektronische Patientenakte (EPA) und die dadurch sierung von IT in Krankenhäusern geblickt und sofortige Verfügbarkeit aller klinisch relevanten In- die Interoperabilität der verschiedenen Systeme formationen eines Patienten (Kluge 2014). Darüber bzw. das Vorhandensein von digitalen Inseln be- hinaus kann auf Basis einer EPA eine IT-gestützte trachtet. Im Anschluss wird die Vielschichtigkeit Entscheidungsfindung dem Arzt mit Vorschlägen der Digitalisierung anhand der Systematik des bei Diagnose, Therapie, Medikationsplanung etc. EMRAM (Electronic Medical Record Adoption zur Seite stehen, sowohl bei der Dokumentation als Model) vorgestellt. Mit Hilfe dieses Modells wird auch bei der Verordnung (Musen et al. 2014). Ein daraufhin der Digitalisierungsgrad der deutschen weiteres Beispiel für den nutzenstiftenden Einsatz Krankenhauslandschaft im Vergleich zu anderen von IT im Krankenhaus ist die IT-Unterstützung im Ländern analysiert. Zusätzlich wird noch eine wei- Medikationsprozess. Grundlage hierfür ist, dass vie- tere Messung der Krankenhaus-IT, der „European le Medikationsfehler im Krankenhaus vermeidbar Hospital Survey“, vorgestellt. Abschließend werden sind: unter anderem bei der Verschreibung (z. B. wichtige Digitalisierungshemmnisse diskutiert. durch schlechte Lesbarkeit der Handschrift des Arz- tes) oder bei der Abgabe des Medikaments an den Patienten (z. B. durch Verwechslung). Hier bietet 2.2 Interoperabilität und Standards Software die Möglichkeit auf einen Fehler, der sonst in deutschen Krankenhäusern durch „menschliches Versagen“ verursacht werden kann, hinzuweisen bzw. diesen rechtzeitig zu ver- Die Möglichkeit, dass Informationen ohne eine ge- hindern (Agrawal 2009). Ferner stellt die digitale sonderte Absprache effizient über Systemgrenzen Anbindung mit externen Leistungserbringern bzw. hinweg ausgetauscht werden können, wird als Inter telemedizinische Leistungen ein weiteres Potenzial operabilität bezeichnet (Pedersen und Hasselbring dar, da sie durch zeit- und ortsunabhängige Konsul- 2004). Sie bildet die Grundlage für eine nutzenstif- tationen eine höhere Verfügbarkeit von Experten- tende Digitalisierung. Um ein interoperables IT- wissen ermöglicht (Totten et al. 2016). Ökosystem für den Gesundheitssektor zu schaffen, Gleichzeitig ist nicht jede Art der Digitalisie- sind deswegen eine Standardisierung und die Schaf- rung automatisch mit einem Zusatznutzen verbun- fung von gemeinsamen Schnittstellen unausweich- 2.2 · Interoperabilität und Standards in deutschen Krankenhäusern 19 2 lich. Internationale Organisationen wie zum Bei- 2.2.2 Syntaktische Interoperabilität spiel Integrated Health Enterprise (IHE) geben deswegen Empfehlungen zur Nutzung bereits exis- Die nächste Interoperabilitätsebene ist die syntakti- tierender Standards heraus (Bergh et al. 2015). Im sche Ebene. Sie definiert die Struktur der übermit- Folgenden sollen gängige Standards und damit die telten Informationen und gewährleistet, dass das Interoperabilität in der deutschen Krankenhaus- empfangende System die Anordnung der Informa- landschaft anhand der technisch/strukturellen, der tionseinheiten korrekt erkennt und versteht. Be- syntaktischen und der semantischen Ebene analy- kommt ein Krankenhaus zum Beispiel digitale siert werden (Johner 2018). Medikationslisten zu verschiedenen Patienten zu- geschickt, muss es wissen und verstehen, wo die Datenfelder für Name, Vorname, Dosis, Wirkstoff 2.2.1 Technische Interoperabilität etc. in dieser Datei stehen. Vertauscht das System die Datenfelder (z. B. Nachname mit Wirkstoff), Die grundlegendste Form ist die technische Inter weil es einen anderen Standard verwendet, kann das operabilität. Diese ermöglicht, dass Daten zwischen zu einem unbrauchbaren Datensatz führen. Im Ge- zwei Akteuren ausgetauscht werden können. Sie sundheitssystem gibt es seit Jahren Ansätze und stellt den Transport, die Sicherheit und die Logistik Bemühungen, syntaktische Struktur beim Informa- sicher. Konkret kann das durch eine Internetverbin- tionsaustausch zu schaffen. Am weitesten verbreitet dung oder eine Netzstruktur erfüllt werden. Die sind hier die Standards der Organisation Health Datenzustellung muss an den korrekten Adressaten Level 7 (HL7) (Hooda et al. 2004). erfolgen können und nach einem standardisierten HL7 ist eine Not-for-Profit-Organisation, die Protokoll ablaufen (z. B. TCP/IP). In Deutschland sich die Spezifikationen von Standards im klini- sind die meisten Krankenhäuser auf der techni- schen Bereich zur Aufgabe gemacht hat. Sie wurde schen Interoperabilitätsebene grundsätzlich über in den 1980er Jahren in den USA gegründet und ist das Internet miteinander verbunden. Theoretisch seitdem zu der Standardisierungsorganisation im ist hier ein Datenaustausch jederzeit möglich. Prak- Gesundheitswesen gewachsen. In den 1990er Jah- tisch findet die Kommunikation zwischen den ver- ren wurde der deutsche Ableger HL7 Deutschland schiedenen Leistungserbringern aber immer noch e.V. gegründet (Haas 2006). Im Gegensatz zur hauptsächlich über das Telefon, die Post oder das bereits erwähnten IHE, die Empfehlungen zur Nut- Fax statt (Ärzte Zeitung 2017). Zukünftig soll eine zung von existierenden Standards gibt, erarbeitet einheitliche digitale Kommunikationsplattform HL7 diese Standards. über das Netzwerk der Telematik-Infrastruktur ge- Der weltweit am meisten benutzte Standard ist schaffen werden (gematik 2017). HL7 Version 2, der in den 1990er Jahren entwickelt Neben dem ob ist zusätzlich zu beachten, wie die worden ist. Damit wurde versucht, die von der deutschen Krankenhäuser miteinander vernetzt Industrie geschaffenen „Insellösungen“ und den sind. Der Breitbandausbau in Deutschland kommt klinischen Nachrichtenaustausch (z. B. Patienten- nur schleppend voran. Es gibt viele Regionen, in daten-Administration, Befundkommunikation, denen nur in 50–75 Prozent des Gebiets eine Breit- Leistungsanforderung und -übermittlung) zu stan- bandverfügbarkeit von über 50 Mbit/s besitzen dardisieren (HL7 2018). In Deutschland ist HL7 (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infra- Version 2 zum Nachrichtenaustausch zwischen den struktur 2018). Gerade für den Austausch von einzelnen IT-Systemen, z. B. zwischen dem Kran- Daten zwischen Krankenhäusern sind hohe Band- kenhausinformationssystem (KIS) und Laborsys- breiten jedoch notwendig, da die anfallenden und tem, weit verbreitet (. Abb. 2.1) (Hübner et al. zu bearbeitenden Datenmengen bereits heute sehr 2018). Der direkte Nachfolger, HL7 Version 3, der hoch sind. Eine 3D-Computertomographie bean- im Jahr 2005 veröffentlicht wurde, hat sich bisher sprucht bspw. im Durchschnitt 1 Gigabyte Speicher nicht durchsetzen können (Onken 2017). Er gilt in (DataCore Software 2015). seinen Spezifikationen als zu komplex und un flexibel und erfordert eine Ressourcen-intensive 20 Kapitel 2 · Benchmarking der Krankenhaus-IT: Deutschland im internationalen Vergleich 100% 83% 86% 2 80% 60% 39% 40% 16% 20% 0% DICOM HL7 V2 HL7 V3 HL7 CDA Krankenhaus-Report 2019 ..Abb. 2.1 Gebräuchliche syntaktische Standards und deren Verbreitung in deutschen Krankenhäusern Adaption (Meredith 2017). Ein Teil der HL7-V3- zukünftige, noch nicht abzuschätzende Entwick- Familie ist der Clinical-Document-Architecture lungen gewappnet sein möchte (Onken 2017). Da- (CDA)-Standard. Der CDA spezifiziert den Aufbau mit soll dieser das Fundament für die technologi- von klinischen Dokumenten, wie zum Beispiel schen Entwicklungen der nächsten Jahre bilden der Entlassungsbrief, und ist mittlerweile auch als (bvitg 2017). Ein Beispiel: In einer jüngst veröffent- ISO-Standard (ISO 10781) veröffentlicht, der in lichten Studie wurden elektronische Patientenakten der deutschen Anpassung meist unter dem Namen mit Hilfe von Deep-Learning (DL)-Algorithmen SCIPHOX (Standardized Communication of Infor- analysiert. Die Akten lagen syntaktisch (nicht se- mation Systems in Physician Offices and Hospitals mantisch) strukturiert im FHIR-Format vor. Durch using XML) vorzufinden ist, jedoch nur in 16 Pro- DL konnten auf der Grundlage von FHIR akkurate zent der Krankenhäuser eingesetzt wird (. Abb. 2.1) medizinische Vorhersagen über die jeweiligen Pa (Hübner et al. 2018). In der Regel erfolgt der Auf- tienten getroffen werden, die zum Teil genauer als bau solcher klinischen Dokumente nicht standar die Einschätzungen der Ärzte waren (Rajkomar et disiert bzw. unstrukturiert in Form von Word al. 2018). und anschließend PDF-Dokumenten (Thun und Dewenter 2017). Im Bilddatenmanagement (Picture Archiving and Communication System, kurz PACS) 2.2.3 Semantische Interoperabilität ICOM (Digital Imaging and Communcia- hat sich D tions in Medicine) mittlerweile fest etabliert und Neben der syntaktischen Interoperabilität ist die wird von einem Großteil der Krankenhäuser be- semantische Interoperabilität von IT-Systemen nutzt. DICOM standardisiert die Speicherung und wichtig. Sie stellt das gemeinsame Verständnis der den Austausch von Daten der bildgebenden Sys Daten sicher. Werden einheitliche Ordnungssys teme wie z. B. Bilder und Informationen von Mag- teme, Nomenklaturen und Kodiersysteme verwen- netresonanztomographen. det und bilden sie ein übergreifendes Verständnis Der Nachfolger von HL7 Version 3 ist der Stan- von verwendeten Abkürzungen, Fachbegriffen etc.? dard Fast Healthcare Interoperability Resources Grundlage dafür bieten meist sogenannte Referenz- (FHIR, ausgesprochen wie engl. fire). An FHIR wer- terminologien. den große Erwartungen gesetzt, da dieser versucht, Eine der bekanntesten semantischen Referenz- die Fehler zu vermeiden, die bei HL7 Version 3 ge- terminologien in der Medizin ist der Katalog der macht worden sind. Vor allem soll dieser Standard International Classification of Diseases (ICD), ein anpassbarer an neu entstehende Anwendungsfelder von der WHO entwickeltes Kodierungssystem für im Gesundheitssystem (z. B. Integration von durch Krankheiten, Symptome und Beschwerden mit Wearables generierte Daten) sein, wodurch man für 150.000 Codes, welches für den deutschen Kontext 4.3 · Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM) 21 2 leicht modifiziert wurde (German Modification, höchste Stufe (Stufe 7) einem papierlosen Kranken- ICD-GM). Im klinischen Bereich gilt als am detail- haus entspricht. liertesten die Terminologie von SNOMED CT. Das EMRAM-Modell wurde im Jahr 2005 in Diese wurde vom College of American Pathologists den USA von der HIMSS Analytics, einem Tochter- entwickelt und enthält rund 800.000 Begriffe, die unternehmen der HIMSS (Healthcare Information eine Fülle von gesundheitsspezifischen Begriffen and Management Systems Society), entwickelt. Diese und deren Relation zueinander abbilden. Jedoch wurde 1961 gegründet und ist eine weltweite Non- findet SNOMED CT bisher in Deutschland keine Profit-Organisation mit dem selbsterklärten Ziel, Anwendung (Dewenter und Thun 2017). die Gesundheitsversorgung durch den Einsatz von Hier finden bei der semantischen Standardisie- IT zu verbessern. Sie besteht aus überwiegend frei- rung hauptsächlich der Operationen- und Prozedu- willigen Mitgliedern (derzeit ca. 64.000), die aus ren-Schlüssel (OPS) und die ICD-Codes Verwen- allen Bereichen des Gesundheitssystems kommen. dung. Andere Bereiche aus dem klinischen Alltag Der europäische Ableger der HIMSS Analytics ist sind in der Theorie ebenfalls durch Nomenklaturen die HIMSS Analytics Europe (HIMSS Europe 2014). standardisiert (zum Beispiel die Medikation durch die Pharmazentralnummer), jedoch ist unklar, in- wiefern diese außerhalb von Logistikketten und 2.3.1 Wie wird zertifiziert? Verwaltung in der klinischen Praxis auch tatsäch- lich Verwendung finden. Grundsätzlich zertifiziert die HIMSS. Die Kontakt- Hinsichtlich der Interoperabilität lässt sich zu- aufnahme kann initiativ vom Krankenhaus erfol- sammenfassend sagen, dass es eine syntaktische gen, sofern dieses sich zertifizieren lassen will. Standardisierung zum Austausch von klinischen Ebenfalls werden die Krankenhäuser und IT-Her- Nachrichten gibt, vor allem durch den in den 1990er steller von KIS-Systemen über die Zertifizierungs- Jahren entwickelten HL7-V2-Standard, der in erster möglichkeiten informiert. Außerdem gibt es in Linie die Kommunikation zwischen Abteilungen einigen Ländern Kooperationen mit dem Gesund- wie dem Labor und der Apotheke sicherstellt. An- heitsministerium (z. B. in der Türkei). dere Bereiche, wie zum Beispiel Arztbriefe, bleiben Soll ein Krankenhaus zertifiziert werden, wird aber syntaktisch weitestgehend unstrukturiert und ein Online-Fragebogen von der HIMSS an den/die sind deswegen ohne manuelle Hilfe nicht auswert- IT-Verantwortliche/n, CIO (Chief Information bar. Semantisch finden sich im deutschen Gesund- Officer) bzw. Mitarbeitenden mit detaillierten heitssystem viele Nomenklaturen, jedoch ist unklar, Kenntnissen über die IT-Infrastruktur des Kran- wie flächendeckend diese auch im klinischen Alltag kenhauses verschickt. Das Ausfüllen des Frage Anwendung finden. Mit Hilfe von syntaktischen bogens dauert in etwa 2–4 Stunden und wird an die Standards und Deep-Learning-Algorithmen könnte HIMSS zurückgeschickt, wo diese im Anschluss auf die semantische Interoperabilität zukünftig aber Konsistenz, Plausibilität und fehlende Informatio- eine untergeordnete Rolle spielen. nen überprüft wird. Ausstehende Fragen werden anschließend in einem iterativen Prozess zwischen der HIMSS und dem Krankenhaus geklärt. Ab- 2.3 Electronic Medical Record schließend erfolgt die Einordnung in eine Stufe. Adoption Model (EMRAM) Falls das Krankenhaus sich für die Stufe 6 oder 7 qualifiziert, wird ein gesondertes, zusätzliches Au- Ein Modell, um den Digitalisierungsgrad innerhalb dit-Verfahren durchlaufen: Dann muss ein Experte eines Krankenhauses zu messen, ist das Electronic der HIMSS die Prozesse vor Ort begutachten, ggf. Medical Record Adoption Model (kurz EMRAM). mit Hilfe von zwei unabhängigen Inspektoren, wie Dieses setzt sich aus acht Stufen zusammen. Prinzi- beispielsweise IT-Manager aus anderen Kranken- piell gilt: je höher die Stufe, desto digitaler das Kran- häusern (Stufe 7) (EMRAM). Die Evaluation ist kenhaus. Die niedrigste Stufe (Stufe 0) bedeutet, kostenpflichtig. Und die Zertifizierung ist im An- dass kaum digital gearbeitet wird, während die schluss für drei Jahre gültig. Danach verfällt diese 22 Kapitel 2 · Benchmarking der Krankenhaus-IT: Deutschland im internationalen Vergleich und das Krankenhaus hat die Möglichkeit, sich re- Stufe 6/7 zertifizieren zu lassen. Ab Stufe 6 gehört das Krankenhaus zum sogenann- ten „Stage 6 and 7 Club“. Ab dieser Stufe wird eine 2 intelligentere CDS gefordert, die bereits bei der 2.3.2 Wie ist die Skala aufgebaut? Dokumentation Patienten-individuelle (und nicht generische) Hilfestellungen anbieten soll, z. B. Die EMRAM-Logik setzt sich zum Ziel, den Durch- durch das Vorschlagen eines weiteren Behandlungs- dringungsgrad der IT anhand von acht Stufen zu pfads, der sich auf den einzelnen Patienten mit sei- beschreiben. . Tab. 2.1 zeigt die einzelnen Stufen nen Charakteristika bezieht. Außerdem muss das und die jeweiligen Kriterien zum Erreichen dieser. Krankenhaus einen geschlossen digital arbeitenden Medikationsprozess, eine sogenannte Closed Loop Stufe 0–2 Medication, vorweisen. Das bedeutet, dass Ver- Zum Erlangen der Stufe 1 muss ein Krankenhaus in schreibung, Bereitstellung/Dosierung und Verab- der Radiologie, dem Labor und der Krankenhaus- reichung von Medikamenten, z. B. durch den Ab- apotheke digital arbeiten. Dies kann auch als Stan- gleich von Bar-/QR-Codes, digital unterstützt dalone-Lösung, d. h. als Insellösung innerhalb des werden. Die höchste Stufe (Stufe 7) beschreibt Krankenhauses realisiert werden. Bereits auf Stufe 2 schließlich ein vollkommen papierloses Kranken- muss ein sogenanntes Clinical Data Repository haus ohne Medienbrüche: d. h. jede einzelne Abtei- (CDR) vorhanden sein. Dies ermöglicht den behan- lung greift auf eine vollkommen integrierte, elektro- delnden Ärzten, über eine Datenbank auf die erwei- nische Patientenakte zu und garantiert eine syntak- terten Systeme (wie z. B. Labor oder Radiologie) tische Standardisierung der klinischen Dokumen zuzugreifen. Die CDR stellt eine rudimentäre Form tation (Continuity of Care Document – CCD). Die der elektronischen Patientenakte dar – wichtige elektronische Patientenakte in der EMRAM-Logik Funktionen, wie zum Beispiel die digitale Form der geht über eine einfache Datenbank hinaus und sogenannten Fieber-Kurve (die u. a. den zeitlichen umfasst Komponenten wie CDS, CPOE oder die Verlauf von verschiedenen Vitalparametern dar- vollumfängliche Interoperabilität der Akte mit stellt), sind aber noch nicht integriert. anderen Akteuren außerhalb des Krankenhauses (Garets und Davis 2006). Stufe 3–5 Der Sprung auf die Stufen 6 und 7 gilt als beson- Ab Stufe 3 müssen die Krankenhäuser eine grund- ders herausfordernd und kostenintensiv. Es wird legende Form der computergestützten Entschei- davon ausgegangen, dass der Nutzen der Digitalisie- dungsunterstützung (clinical decision support, kurz rung erst ab hier erreicht wird, da der Informations- CDS) vorweisen können, wie zum Beispiel der Er- fluss im gesamten Krankenhaus (und nicht nur in kennung von Duplikaten (z. B. doppelte Verord- einzelnen Abteilungen) weitestgehend durchgängig nung eines MRTs) oder der passiven Hervorhebung und ohne Medienbrüche digital erfolgen kann. von kritischen Laborwerten (z. B. durch fette Mar- Krankenhäuser des „Stage 6 and 7 Club“ werden kierungen des Wertes). Zusätzlich müssen ab Stufe 3 durch die HIMSS gesondert ausgezeichnet und auf das Pflegepersonal in mindestens einer Station digi- der Website besonders erwähnt. tal dokumentieren und Ärzte elektronisch Verord- nungen durchführen können. Ab Stufe 4 muss es in mindestens einer Abteilung eine elektronische Arz- 2.3.3 Weiterentwicklung des EMRAM neimittelverordnung (Computerized Physician seit 2018 Order Entry, kurz CPOE) durch den Arzt geben. Dabei muss das CDS-System zusätzlich Wechsel- Seit dem 1.1.2018 wurden die Kriterien der wirkungen von den verschriebenen Medikamenten EMRAM-Stufen erstmals leicht modifiziert. Zu erkennen können und automatisch darauf hinwei- einem wurden die europäischen Kriterien den sen. Auf Stufe 5 wird gefordert, dass alle filmbasier- US-amerikanischen EMRAM-Kriterien angepasst. ten Bilder durch digitale Lösungen ersetzt sind. Diese waren bis dahin leicht unterschiedlich – ins- 2.3 · Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM) 23 2 ..Tab. 2.1 EMRAM Stufenmodell mit einzelnen Kriterien und Anteil der deutschen Krankenhäuser (2017) Stufe Kriterien Anteil der KH in D [%] Stufe 7 Lückenlose elektronische Patientenakte integriert in alle klinischen Bereiche (z. B. 0,0 Ambulanz, Intensivstation, Notaufnahme), die alle (medizinischen) Papierakten ersetzt; Einsatz von Standards zum Datenaustausch für die integrierte Versorgung; Data Warehouse als Basis für klinische und betriebliche Analysen. Stufe 6 Klinische Dokumentation interagiert mit intelligenter klinischer Entscheidungs 1,2 unterstützung (basierend auf diskreten Datenelementen) UND Vorhandensein eines IT-gestützten, geschlossenen Medikationsprozesses (closed loop medication). Stufe 5 Integrierte Bildmanagementlösung (z. B. PACS) ersetzt alle filmbasierten Bilder. 18,0 Stufe 4 Elektronische Verordnung mit klinischer Entscheidungsunterstützung in 5,4 mindestens einem klinischen Bereich und für Medikation. Stufe 3 IT-gestützte klinische Dokumentation sowie Einsatz elektronischer Verordnungen 9,0 durch Ärzte bzw. Pflegepersonal. Dies beinhaltet auch die Dokumentation der Medikamentengabe (eMAR). Stufe 2 Eine elektronische Patientenakte (bzw. ein Clinical Data Repository) ermöglicht die 26,9 Zusammenfassung und Normalisierung von Daten aus verschiedenen klinischen Quellen im gesamten Krankenhaus. Stufe 1 Informationssysteme für die großen diagnostischen und versorgenden 1,2 Abteilungen (Labor, Radiologie, Apotheke) sind installiert. Stufe 0 Informationssysteme für die großen diagnostischen und versorgenden 38,3 Abteilungen (Labor, Radiologie, Apotheke) sind nicht installiert. N 167 EMRAM-Mittelwert 2,3 Krankenhaus-Report 2019 besondere Stufe 5 und 6 waren sie „vertauscht“, d. h. lisierung nicht nur begleitet, sondern auch als Im- in den USA wurde eine Closed Loop Medication pulsgeber betrachtet bzw. das Stufensystem weiter- bereits ab Stufe 5 gefordert und die Digitalisierung hin als Roadmap zur Umsetzung der Digitalisierung der filmbasierten Bilder auf Stufe 6. benutzt werden kann (Marabu 2018). Neben der Vereinheitlichung des Systems wur- den die Kriterien insgesamt den technischen Ent- wicklungen angepasst. Da die Digitalisierung von 2.3.4 Deutschland im internationalen filmbasierten Bildern mittlerweile in fast allen Vergleich Krankenhäusern Standard ist, wird diese von nun ab Stufe 1 Pflicht sein (statt bisher ab Stufe 5). Im Jahr 2017 hatten die deutschen Krankenhäuser Zudem wird auf einem umfassenderen Einsatz der einen durchschnittlichen EMRAM-Score von 2,3. Technologien Wert gelegt. In Stufe 3 müssen jetzt Dieser Wert wurde auf Grundlage von insgesamt mehr als 50 Prozent aller Pflegekräfte digital doku- 167 Krankenhäuser erhoben, die sich seit 2014 zer- mentieren, in Stufe 4 90 Prozent. Ab hier müssen tifizieren lassen haben. auch mehr als 50 Prozent aller Medikamente in Die Digitalisierung in den deutschen Kranken- einem geschlossenen Medikationsausgabeprozess häusern befindet sich demnach noch in den Kinder- verabreicht werden, anstatt wie bisher nur in einem schuhen. Vor allem die hohe Zahl an Häusern, die Bereich. Auch sind jetzt verschiedene Aspekte zur gar nicht digital arbeiten (knapp 40 Prozent auf der IT-Sicherheit eingebaut. Mit diesen Änderungen Stufe 0) ist erstaunlich. Immerhin, die Vorstufe der will die HIMSS erreichen, dass EMRAM die Digita- EPA, die CDR, wird in rund einem Viertel der Häu- 24 Kapitel 2 · Benchmarking der Krankenhaus-IT: Deutschland im internationalen Vergleich ser benutzt (Stufe 2). Funktionen wie die CDS oder wohingegen kleine Krankenhäuser mit einem CPOE werden auf dieser Stufe jedoch noch nicht durchschnittlichen Wert von 1,3 deutlich darunter genutzt. liegen. Aufgeteilt nach Trägerschaft zeigt sich, dass 2 Positiv ist, dass sich 20 Prozent der Häuser auf öffentliche Kliniken digitaler arbeiten (2,7) als frei- Stufe 5 zertifizieren lassen konnten. Hier werden gemeinnützige (2,1) und private (1,5). Arzneimittelverordnungen durch den behandeln- Wird die Entwicklung der EMRAM-Profilkurve den Arzt elektronisch eingegeben und es erfolgt in Deutschland im zeitlichen Verlauf betrachtet eine erweiterte klinische Entscheidungsunterstüt- (. Abb. 2.2) fällt auf, dass die deutsche Kranken- zung (z. B. Erkennung von Duplikaten oder poten- hauslandschaft innerhalb der letzten Jahre kaum ziellen Wechselwirkungen der Medikamente). Au- digitaler geworden ist. Der durchschnittliche ßerdem sind alle filmbasierten Bilder digitalisiert. EMRAM-Wert hat sich nur marginal von 1,8 auf Auf Stufe 6 konnten sich bisher lediglich zwei 2,3 verbessert. Die Täler und Berge der „EMRAM- Kliniken in Deutschland zertifizieren: das Medius Kurve“ lagen im Jahr 2012 an den gleichen Stellen Klinikum Nürtingen und das Agaplesion Diakonie- wie im Jahr 2017. Einzig: Lag die Zahl der Häuser klinikum Rotenburg (HIMSS 2018). Diese Kran- auf Stufe 0 im Jahr 2012 noch bei über 40 Prozent, kenhäuser haben also eine intelligentere klinische ist dieser Wert mittlerweile leicht unter 40 Prozent Entscheidungsunterstützung durch patientenange- gesunken. Zuwächse sind insbesondere auf Stufe 5 passte Therapievorschläge und eine IT-gestützte, zu verzeichnen, wo es einen Anstieg von 10 Prozent geschlossene Medikamentenvergabe. auf 18 Prozent gab. Seit der Einführung des Modells Auf Stufe 7 gab es bisher nur das Universitätskli- in Europa wurden in Deutschland über 400 Kran- nikum Hamburg-Eppendorf (UKE) (7 Kapitel 6 in kenhäuser evaluiert, jedoch hat sich die Anzahl der diesem Band) von 2012 bis 2015. Obwohl sich die zertifizierten Häuser zwischen 2012 und 2017 hal- Anforderungen des EMRAM bis zum 1.1.2018 biert. (s. o.) nicht verändert haben, konnte das UKE diese Kommt die Digitalisierung also langsam, aber Stufe bei der Re-Zertifizierung nicht mehr errei- stetig in Deutschland voran oder passiert insgesamt chen und wurde auf Stufe 5 re-zertifiziert. In zu wenig? Ein internationaler Vergleich hilft dabei, Deutschland gibt es demnach derzeit kein nach die bisherige Entwicklung in Deutschland besser Stufe 7 zertifiziertes bzw. aktiv mit digitalen Patien- einordnen zu können. . Abb. 2.3 zeigt exemplarisch tendaten arbeitendes Krankenhaus. die Profil-Kurven von 2012 und 2017 der US-ame- Nach Größe (Bettenzahl) und Trägerschaft rikanischen Krankenhäuser. Und für weitere Län- betrachtet (. Tab. 2.2) ist zu erkennen, dass große der fasst . Tab. 2.3 die EMRAM-Ergebnisse aus öffentliche Kliniken in der Regel digitaler arbeiten dem Jahr 2017 zusammen, ergänzt durch deren zeit- als kleine private. Der durchschnittliche EMRAM- liche Entwicklung in . Abb. 2.4. Wert von Häusern mit über 500 Betten beträgt 3,4, Viele andere Länder haben einen höheren IT- Durchdringungsgrad als Deutschland. Der Abstand ..Tab. 2.2 EMRAM-Score in Deutschland (2017) nach Deutschlands zum europäischen Durchschnitt hat Bettengröße und Trägerschaft innerhalb der letzten Jahre sogar deutlich zugenom- Bettengröße EMRAM-Mittelwert N men: Während dieser im Jahr 2011 nur 0,2 auf der EMRAM-Skala betrug, ist er im Jahr 2017 auf 1,3 < 200 Betten 1,3 60 angestiegen. Das liegt unter anderem an dem immer 200–499 Betten 2,4 66 noch sehr hohen Anteil an Krankenhäusern in ≥ 500 Betten 3,4 41 Deutschland, die nicht einmal eine Basis-Digitali- Trägerschaft sierung besitzen (Stufe 1). Länder wie Spanien, die Privat 1,5 30 Türkei oder das Vereinigte Königreich besitzen Gemeinnützig 2,1 66 kaum ein Krankenhaus, das gar nicht digitalisiert arbeitet bzw. sich auf Stufe 0 befindet (in Deutsch- Öffentlich 2,7 71 land sind dies immerhin knapp 40 Prozent). In den Krankenhaus-Report 2019 Niederlanden gibt es sogar gar keins und in Däne- 2.3 · Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM) 25 2 50% 50% 40% 40% 30% 30% 20% 20% 10% 10% 0% 0% 0 1 2 3 4 5 6 7 0 1 2 3 4 5 6 7 Krankenhaus-Report 2019 ..Abb. 2.2 EMRAM-Profil Deutschland 2012 (n = 340) vs 2017 (n = 167) 50% 50% 40% 40% 30% 30% 20% 20% 10% 10% 0% 0% 0 1 2 3 4 5 6 7 0 1 2 3 4 5 6 7 Krankenhaus-Report 2019 ..Abb. 2.3 EMRAM-Profil USA 2012 (n = 5.458) vs 2017 (n = 5.487) 7 6 + Dänemark + + + + USA 5 + Niederlande 4 Spanien UK 3 Türkei 2 Europa Österreich 1 Deutschland 0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Krankenhaus-Report 2019 ..Abb. 2.4 Durchschnittliche EMRAM-Werte in ausgewählten Regionen seit 2011 26 Kapitel 2 · Benchmarking der Krankenhaus-IT: Deutschland im internationalen Vergleich ..Tab. 2.3 Anteil der Krankenhäuser in den verschiedenen EMRAM-Stufen in verschiedenen Ländern/Regionen (2017) [%] Deutsch- Öster Europa UK Türkei Spanien Nieder- USA Däne- land reich lande mark 2 Level 7 – – 0,3 – 0,1 – 5,6 6,4 Level 6 1,2 5,6 13,4 2,9 24,2 5,1 5,6 33,8 4,2 Level 5 18,0 11,1 30,0 52,4 19,1 50,0 66,7 32,9 95,8 Level 4 5,4 – 4,9 3,8 6,5 4,5 – 10,2 – Level 3 9,0 – 5,2 – 5,9 3,2 – 12,0 – Level 2 26,9 50,0 28,8 14,3 32,3 26,3 19,4 1,8 – Level 1 1,2 5,6 6,0 9,5 5,0 1,9 2,8 1,5 – Level 0 38,3 27,8 11,4 17,1 7,0 9,0 – 1,4 – N 167 18 1.455 105 682 156 36 5.487 24 EMRAM- 2,3 2,3 3,6 3,7 3,8 3,9 4,8 5,3 5,4 Mittelwert Krankenhaus-Report 2019 mark sind fast alle auf Stufe 5 evaluiert. Einzig bei der vor allem darauf geachtet wurde, dass nicht Österreich weist ein ähnliches Profil wie Deutsch- nur eine elektronische Patientenakte flächende- land auf und besitzt den gleichen Durchschnitts- ckend eingeführt wird, sondern diese dabei auch wert (2,3). „sinnvoll“ benutzt wird („meaningful use“) (Hoggle Ein interessantes Länder-Beispiel stellt die Tür- 2012). Außerdem werden seit 2015 Krankenhäuser kei dar. Hier wird EMRAM offiziell als nationale unter dem Medicare-Programm sanktioniert, so- Richtlinie für den Digitalisierungsprozess der Kran- fern sie keine elektronische Patientenakte benutzen. kenhäuser genutzt. Dazu hatte das türkische Ge- Dies hat unter anderem dazu geführt, dass der An- sundheitsministerium angeordnet, dass sich bis teil von Krankenhäusern, die auf den Stufen 0–2 des 2019 alle öffentlichen Krankenhäuser anhand des EMRAM-Modells liegen, auf weniger als 3 Prozent EMRAM evaluieren lassen müssen. Zusätzlich wur- geschrumpft ist und sich knapp 40 Prozent mittler- de als Ziel ausgegeben, bis 2017 über 100 Häuser auf weile auf Stufe 6 oder 7 befinden. EMRAM-Stufe 6 zu bringen. Dieses Ziel wurde im Abschließend sei noch einmal darauf hingewie- Jahr 2017 mit 154 Krankenhäusern (24,2 Prozent) sen, dass die EMRAM-Klassifizierung seit Jahres erreicht (HIMSS Europe 2018). beginn 2018 heraufgesetzt wurde. Es wird also In den USA werden fast alle Kliniken durch spannend sein zu sehen, welche Krankenhäuser ihre EMRAM zertifiziert, weswegen die Grundgesamt- Klassifizierung halten können und in welchem Um- heit der Erhebung in den letzten Jahren sehr gleich- fang die Werte dadurch beeinflusst werden. mäßig bei ca. 5.450 lag. Bemerkenswert ist der dor- tige starke Ausbau der Digitalisierung. Zwischen 2011 und 2017 hat sich der EMRAM-Durchschnitt 2.3.5 Kritik am EMRAM von 3,2 auf 5,3 erhöht (Zum Vergleich: In Deutsch- land ist dieser Wert seit 2011 bei n = 340 lediglich Die Entscheidung zur Teilnahme an einer EMRAM- um 0,6 Punkte gestiegen). Dies wird auf die US- Evaluation ist in der Regel freiwillig bzw. hängt von amerikanische Gesetzgebung und damit verbun dem einzelnen Krankenhaus ab. Damit ist die Re- dene finanzielle Anreize zurückgeführt. Unter präsentativität der Stichprobe nicht gewährleistet. anderem wurde die HITECH-Initiative (Health In- In Deutschland wurden innerhalb der letzten vier formation Technology for Economic and Clinical Jahre insgesamt 167 Krankenhäuser und seit 2011 Health) im Jahr 2009 für diesen Zweck eingeführt, über 400 Krankenhäuser evaluiert. In anderen Län-
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