Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt (Hrsg.) Digitale Infrastrukturen für die germanistische Forschung Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Germanistische Sprachwissenschaft um 2020 Herausgegeben von Albrecht Plewnia und Andreas Witt Band 6 Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Digitale Infrastrukturen für die germanistische Forschung Herausgegeben von Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Die Open-Access-Publikation dieses Bandes wurde gefördert vom Institut für Deutsche Sprache, Mannheim. ISBN 978-3-11-053675-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-053866-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-053681-2 Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz. Weitere Informationen finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Foto Einbandabbildung: © Oliver Schonefeld, Institut für Deutsche Sprache, Mannheim Portrait Ludwig M. Eichinger, Seite V: © David Ausserhofer, Leibniz-Gemeinschaft Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Ludwig M. Eichinger gewidmet Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Vorwort Wo steht die germanistische Sprachwissenschaft aktuell? Der vorliegende Band mit dem Titel „Digitale Infrastrukturen für die germanistische Forschung“ ist der sechste Teil einer auf sechs Bände angelegten Reihe, die eine zwar nicht exhaustive, aber doch umfassende Bestandsaufnahme derjenigen Themen- felder innerhalb der germanistischen Linguistik bieten will, die im Kontext der Arbeiten des Instituts für Deutsche Sprache in den letzten Jahren für das Fach von Bedeutung waren und in den kommenden Jahren von Bedeutung sein werden (und von denen nicht wenige auch vom Institut für Deutsche Sprache bedient wurden und werden). Jeder einzelne Band behandelt ein abgeschlos- senes Themengebiet und steht insofern für sich; in der Zusammenschau aller Bände ergibt sich ein Panorama der „Germanistischen Sprachwissenschaft um 2020“. Anlass des Erscheinens dieser Bände ist der Eintritt des langjährigen Direktors des Instituts für Deutsche Sprache, Ludwig M. Eichinger, in den Ruhestand. Ludwig M. Eichinger leitete das Institut von 2002 bis 2018. Seine akademische Laufbahn begann er als Wissenschaftlicher Assistent an der Uni- versität Bayreuth; anschließend war er Heisenberg-Stipendiat an der Ludwig- Maximilians-Universität München. Ab 1990 hatte er eine Fiebiger-Professur für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Passau inne, 1997 wurde er auf den Lehrstuhl für Deutsche Philologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel berufen. Mit seiner Ernennung zum Direktor des Instituts für Deutsche Sprache im Jahr 2002 wurde er auch Ordinarius für Germanistische Linguistik an der Universität Mannheim. Ludwig M. Eichinger ist Ehrendoktor der Panno- nischen Universität Veszprém und der Universität Bukarest. Er ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz und der Österreichi- schen Akademie der Wissenschaften; außerdem ist er Ständiger Gastprofessor an der Beijing Foreign Studies University. Ludwig M. Eichinger hat das Institut in den Jahren seines Wirkens ent- scheidend geprägt; in Anerkennung und Dankbarkeit seien ihm diese Bände gewidmet. Albrecht Plewnia und Andreas Witt – Reihenherausgeber – Open Access. © 2018 publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110538663-203 Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Inhalt Vorwort VII Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt Organisierte Kooperativität – Forschungsinfrastrukturen für die germanistische Linguistik 1 I Kooperation und Verbünde Thomas Gloning 1 Forschungsinfrastrukturen und Informationssysteme im Zeichen der Digitalisierung: Aspekte der Kollaboration und der Nutzer- Einbindung 11 Erhard Hinrichs 2 Digitale Forschungsinfrastrukturen für die Sprachwissenschaft 33 Stefan Schmunk, Frank Fischer, Mirjam Blümm und Wolfram Horstmann 3 Interoperabel und partizipativ 53 Karlheinz Mörth und Tanja Wissik 4 Digitale Sprachressourcen in Österreich 73 II Sprachwissenschaft und Sprachtechnologie Hannah Kermes und Elke Teich 5 Generische Infrastruktur und spezifische Forschung: Angebote und Lösungen 91 Kerstin Eckart, Markus Gärtner, Jonas Kuhn und Katrin Schweitzer 6 Nützlich und nutzbar für die linguistische Forschung: Sprachtechnologische Infrastruktur 115 Alexander Mehler, Wahed Hemati, Rüdiger Gleim und Daniel Baumartz 7 VienNA 149 Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM X Inhalt Hans-Jürgen Bucher und Philipp Niemann 8 Infrastrukturen zur Erforschung medienspezifischer Sprachverwendung 177 III Korpora und Informationsysteme Ruxandra Cosma und Marc Kupietz 9 Von Schienen, Zügen und linguistischen Fragestellungen 199 Alexander Geyken, Matthias Boenig, Susanne Haaf, Bryan Jurish, Christian Thomas und Frank Wiegand 10 Das Deutsche Textarchiv als Forschungsplattform für historische Daten in CLARIN 219 Andrea Rapp 11 Digitale Forschungsinfrastrukturen für die Germanistische Mediävistik 249 Martine Dalmas und Roman Schneider 12 Die grammatischen Online-Angebote des IDS aus Sicht der Germanistik im Ausland 269 IV Annotation und Modellierung C. M. Sperberg-McQueen 13 Kernideen der deskriptiven Textauszeichnung 291 Michael Beißwenger 14 Internetbasierte Kommunikation und Korpuslinguistik: Repräsentation basaler Interaktionsformate in TEI 307 Gerhard Heyer, Gregor Wiedemann und Andreas Niekler 15 Topic-Modelle und ihr Potenzial für die philologische Forschung 351 Register 369 Autorinnen und Autoren 371 Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt Organisierte Kooperativität – Forschungs- infrastrukturen für die germanistische Linguistik Abstract: Der vorliegende Band befasst sich mit dem Stand und der Entwicklung von Forschungsinfrastrukturen für die germanistische Linguistik und einigen angrenzenden Bereichen. Einen zentralen Aspekt dabei bildet die Notwendig- keit, Kooperativität in der Wissenschaft im institutionellen Sinne, aber auch in Hinsicht auf die wissenschaftliche Praxis zu organisieren. Dies geschieht in Verbünden als Kooperationsstrukturen, wobei Sprachwissenschaft und Sprach- technologie miteinander verbunden werden. Als zentraler Forschungsressour- ce kommen dabei Korpora und ihrer Erschließung durch spezielle, linguistisch motivierte Informationssysteme besondere Bedeutung zu. Auf der Ebene der Daten werden durch Annotations- und Modellierungsstandards die Vorausset- zung für eine nachhaltige Nutzbarkeit derartiger Ressourcen geschaffen. Keywords: Kooperation, Forschungsverbund, Infrastruktur, Sprachwissen- schaft, Sprachtechnologie, Korpus, Informationssystem, Annotation, Model- lierung 1 Einführung Noch vor wenigen Jahren wäre ein Band wie der vorliegende zu digitalen Infra- strukturen für die sprachgermanistische Forschung kaum zu realisieren gewe- sen. Das liegt nicht allein daran, dass die Digitalisierung erst seit etwa 20 Jah- ren nach und nach ihre volle Wucht auch in den Geisteswissenschaften entfaltet hat. Forschungsinfrastrukturen lassen sich nicht ohne Kooperation Henning Lobin, Justus-Liebig-Universität, Institut für Germanistik, Otto-Behaghel-Str. 10 D, D-35394 Gießen, E-Mail: Henning.Lobin@germanistik.uni-giessen.de Roman Schneider, Institut für Deutsche Sprache, R5 6–13, D-68161 Mannheim, E-Mail: schneider@ids-mannheim.de Andreas Witt, Universität zu Köln, Institut für Digital Humanities / Sprachliche Informations- verarbeitung & Institut für Deutsche Sprache, Mannheim, E-Mail: andreas.witt@uni-koeln.de & witt@ids-mannheim.de Open Access. © 2018 Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110538663-001 Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM 2 Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickeln und betreiben, und das Prinzip der Kooperativität war in der geisteswissenschaft- lichen Forschung nicht so ausgeprägt wie in Disziplinen, die schon immer auf Großgeräte angewiesen waren. Zum „Großgerät“ der germanistischen Linguistik sind heute vernetzte (Korpus-)Infrastruktursysteme geworden, und dieser Band will Stand und Perspektiven dieses neuen, wichtigen Bereichs behandeln. Beginnend mit den Strukturen der Kooperation in Verbünden wird der Gegen- stand theoretisch, methodisch und beispielhaft empirisch entfaltet. Fallstudien, wie Sprachkorpora in Verbindung mit sprachtechnologischen Verfahren zur Erkenntnisgewinnung eingesetzt werden, die hypermediale Vermittlung derart erarbeiteter Forschungsergebnisse sowie exemplarische Korpussysteme ver- mitteln ein Bild von den Möglichkeiten, die aufgrund von Forschungsinfra- strukturen schon heute bestehen. Eine zentrale Grundlage dafür spielen Verab- redungen zur Anreicherung von Texten mit Metadaten und wiederkehrenden Datenstrukturen. All diese Aspekte werden im Folgenden in vier Kapiteln be- handelt. Ludwig M. Eichinger hat in den 16 Jahren seiner Tätigkeit als Direktor des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim die Bedeutung dieser Ent- wicklungen so frühzeitig erkannt, dass das IDS nicht nur für die germanis- tische Linguistik, sondern für die Sprachwissenschaft in Deutschland über- haupt in vielen Bereichen zu einem Zentrum der Infrastrukturentwicklung werden konnte. Die Beiträge in diesem Band zeigen, dass das IDS aufgrund dieser Weichenstellung heute nicht nur in institutioneller Hinsicht, sondern auch bei Sprachressourcen und in der korpuslinguistischen Forschung eine zentrale Position in der Forschungslandschaft einnimmt. 2 Zu den Beiträgen in diesem Band 2.1 Kapitel I – Kooperationen und Verbünde Im ersten Teil des Bandes, „Kooperationen und Verbünde“, wird in vier Beiträ- gen die gegenwärtige Situation im Bereich von Forschungsinfrastrukturen und -ressourcen beleuchtet. Im einleitenden Beitrag legt Thomas Gloning dar, auf welcher Traditionsgrundlage in einem Fach wie der Germanistik die heutige Entwicklung von Forschungsinfrastukturen zu betrachten ist und wie sehr auch bislang schon Formen der Kollaboration den wissenschaftlichen Diskurs geprägt haben. Trotzdem führt die Digitalisierung auch in dieser Disziplin zu massiven Veränderungen, die eine Neubestimmung zukünftiger Aufgaben in Funktionsbereichen wie Kommunikation, Information und Publikationswesen Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Organisierte Kooperativität – Forschungsinfrastrukturen 3 als notwendig erscheinen lässt. Glonings Beitrag mündet in die Formulierung von sechs Aufgabenbereichen für den Ausbau von Infrastrukturangeboten aus der Perspektive wissenschaftlicher Nutzer. Auch Erhard Hinrichs stellt die aktuelle Entwicklung von Infrastrukturen für Forschungsdaten in einen historischen Kontext: In der Entwicklung der Sprachwissenschaft im 20. Jahrhundert ist schon lange die Tendenz zu einer Verbreiterung ihrer empirischen Grundlagen zu verzeichnen. Mit der Digita- lisierung treten dabei nicht nur viel mehr, sondern auch andere Arten von Sprachdaten in Erscheinung, und durch diese werden besondere Anforderun- gen an Forschungsinfrastrukturen gestellt. Hinrichs exemplifiziert anhand des Verbundprojekts CLARIN, wie solchen Anforderungen in internationalen Verbünden begegnet werden kann und dabei vielfältige Rückwirkungen auf nationale Planungen zu verzeichnen sind. Stefan Schmunk , Frank Fischer , Mirjam Blümm und Wolfram Horst- mann setzen in ihrem Beitrag sogar noch einen Schritt früher an: Sie stellen die Entwicklung geistes- und sozialwissenschaftlicher Forschungsinfrastruk- turen insgesamt dar, da diese in vielen Disziplinen ausgehend von den existie- renden Infrastruktureinrichtungen wie wissenschaftlichen Bibliotheken bereits seit den 1970er Jahren zunehmend zum Thema geworden sind. Die Digitali- sierung bedeutet dabei nicht nur eine Chance, sondern produziert selbst auch neue Probleme wie die nachträgliche digitale Erfassung analoger Datenträger. Ähnlich wie im Bereich der Sprachwissenschaft mit CLARIN existiert für die Geistes- und Sozialwissenschaften insgesamt ein internationaler Forschungs- verbund, DARIAH, der eine nationale Spiegelung in Deutschland erfahren hat. Schmunk et al. lassen die Darstellung von DARIAH in die Formulierung von Designprinzipien münden, die bei der Entwicklung digitaler Forschungsinfra- strukturen zu beachten sind. Karlheinz Mörth und Tanja Wissik wenden den Blick in ein anderes deutschsprachiges Land. Sie zeigen, wie in Österreich in verschiedenen Schwerpunktbereichen Sprachressourcen aufgebaut worden sind. Anders als in Deutschland besitzt Österreich mit dem Austrian Centre for Digital Humani- ties (ACDH) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaft einen zentra- len Knotenpunkt für eine Vielzahl forschungsinfrastruktureller Aktivitäten, der auch als österreichischer Partner sowohl im CLARIN- als auch im DARIAH- Netzwerk fungiert. 2.2 Kapitel II – Sprachwissenschaft und Sprachtechnologie Der zweite Teil des vorliegenden Bandes, „Sprachwissenschaft und Sprachtech- nologie“, befasst sich mit der Nutzung sprachwissenschaftlicher Forschungs- Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM 4 Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt infrastruktur bei der Beantwortung konkreter Forschungsfragen. Hannah Kermes und Elke Teich entwickeln in ihrem Beitrag eine generische Methodik für die Erstellung und Analyse von Textkorpora, die bei den Rohdaten ansetzt und über Vorverarbeitung und linguistische Annotation unter Verwendung automatisierter Verfahren zu einer standardisierten Grundlage für empirische Analysen führt. Wie darauf basierende Korpusanalysen durchgeführt werden können, erläutern sie an einem Beispiel, das insbesondere das Wechselspiel zwischen den vorgegebenen Möglichkeiten derartiger Infrastruktursysteme und stets notwendigen individuellen Anpassungen und Ergänzungen in den Blick nimmt. Auch Kerstin Eckart , Markus Gärtner , Jonas Kuhn und Katrin Schweitzer befassen sich in ihrem Beitrag mit methodischen Aspekten, hier allerdings bezogen auf Korpora gesprochener Sprache. Einen zentralen Aspekt ihrer Über- legungen bilden Qualität und Konsistenz der Korpusdaten, für die sie als einen praktikablen Kompromiss die „Silberstandard-Methode“ vorschlagen. Exem- plarisch zeigen auch sie, wie integrative Forschungsinfrastruktursysteme ge- nutzt werden können, um neuartige Fragestellungen effektiv zu bearbeiten. Alexander Mehler , Wahed Hemati , Rüdiger Gleim und Frank Baumartz stellen die Entwicklung von Forschungsinfrastrukturen in den Kontext gene- reller Digitalisierungstendenzen und zeigen, wie man dies als einen evolutio- nären Prozess zu neuartigen Systemen auffassen kann. Neben Infrastrukturen zur Visualisierung von Korpusanalyseergebnissen betrachten sie Infrastruktur- systeme für linguistische Netzwerke, die in Gestalt von Wikipedia neue Mög- lichkeiten der Netzwerkanalyse sprachlicher Kommunikation eröffnen. Im letzten Beitrag dieses Teils wenden sich Hans-Jürgen Bucher und Philipp Niemann der Medienwissenschaft zu, in der zwar gesprochene oder schrift- liche sprachliche Daten eine wichtige Rolle spielen, dies aber eingebettet in eine Vielzahl anderer Modalitäten und Medien. Sie weisen auf einen Nachhol- bedarf von Infrastrukturen für die Medienforschung hin und zeigen am Bei- spiel der qualitativen Rezeptionsanalyse, wie durch kleine Forschungseinhei- ten und einen realistischen Umgang mit Standardisierungserwartungen in Verbindung mit einem Stufenmodell der Entwicklung von Infrastrukturen For- schungsmöglichkeiten geschaffen werden können, die auch bei solchen Er- kenntnisinteressen einen erheblichen Mehrwert für die Forschung versprechen. 2.3 Kapitel III – Korpora und Informationssysteme Im dritten Teil dieses Bandes werden einige ganz bestimmte Korpora und Infor- mationssysteme mit ihren Eigenschaften und in ihrer Genese betrachtet. Den Auftakt dazu machen Ruxandra Cosma und Marc Kupietz mit einer Darstel- Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Organisierte Kooperativität – Forschungsinfrastrukturen 5 lung von Korpora und der Korpusinfrastruktur am Institut für Deutsche Spra- che, bei der sie eine Parallele zum Infrastrukturbereich des Schienenverkehrs ziehen. Mit der Digitalisierung wird das „Gleissystem“ ausgebaut und die „Geschwindigkeit“ der „Züge“ größer, so dass leistungsfähige Netze entstehen, an denen das IDS maßgeblich beteiligt ist. Aus dem deutschen Referenzkorpus erwächst inzwischen der Plan eines parallelen europäischen Referenzkorpus, dessen Entwicklung mit dem Sprachpaar Deutsch-Rumänisch bereits begon- nen worden ist. Ein zweites Korpus, das von einer kompletten Korpusinfrastruktur um- geben ist, stellen Alexander Geyken , Matthias Boenig , Susanne Haaf , Bryan Jurish , Christian Thomas und Frank Wiegand vor. Für das Deutsche Text- Archiv (DTA) wurden verschiedene Werkzeuge zur Erstellung und Annotation von Textressourcen entwickelt, die durch eine Umgebung zur kollaborativen Qualitätssicherung ergänzt werden. Auch für die Datenanalyse wurden DTA- spezifische Visualisierungsmöglichkeiten für historische Wortverläufe und Kollokationen geschaffen. Da diese Arbeiten parallel zum Aufbau des CLARIN- Verbundes stattgefunden haben und mit diesem abgestimmt wurden, können nach offizieller Beendigung des Projekts sämtliche Angebote im Rahmen von CLARIN weitergeführt werden. Andrea Rapp verlängert in ihrem Beitrag die historischen Linien bis ins Mittelalter. Sie erläutert die integrative Kraft, die die kollaborative Arbeit an Quellensammlungen, Korpora und Wörterbüchern für die Mediävistik aufweist. Die digitale Bearbeitung historischer Quellen gliedert sich dabei in eine Traditionslinie ein, die zur Ausprägung des Forschungsgebietes der Digital Humanities geführt hat. Martine Dalmas und Roman Schneider befassen sich das Kapitel ab- schließend mit einem anderen Typ digitaler Sprachressourcen, mit Online- Grammatiken. Das weit ausgebaute Angebot des IDS bietet für sie die Grund- lage für die Erörterung der Frage, wie digitale grammatische Informationssys- teme insbesondere aus Sicht der Auslandsgermanistik eingesetzt werden kön- nen und welche Erwartungen dabei bestehen. Sie betonen, dass grammatische Traditionen in der Kontrastsprache einerseits, strukturelle Differenzen zwi- schen den Sprachen andererseits dazu führen müssen, die spezifische Perspek- tive von Forschenden und Sprachlernenden mit einem anderen erstsprach- lichen Hintergrund zu berücksichtigen. 2.4 Kapitel IV – Annotation und Modellierung Im letzten Kapitel des vorliegenden Bandes wird der Bogen beendet, der mit dem ersten Kapitel begonnen wurde. Um funktionierende Kooperationen und Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM 6 Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt Verbünde zu ermöglichen, ist es notwendig, Daten in standardisierter Form mit Zusatzinformationen anzureichern und die entstehenden Datenstrukturen durch Regeln zu beschreiben, so dass die aufwändig entwickelten Verarbei- tungsverfahren auch auf zukünftige Daten angewandt werden können. Diesen Aspekt von Annotation und Modellierung führt C. M. Sperberg-McQueen an Hand der Extensible Markup Language (XML) aus. In XML lassen sich alle Elemente für die Gewährleistung von Interoperabilität finden: eine definierte Syntax der Annotation, ein definiertes Datenmodell und die Möglichkeit, mit einer „Datengrammatik“ die Korrektheit der Annotation zu überprüfen. Anfor- derungen an die Interoperabilität bestehen aber auch in einem weitergehenden inhaltlichen Sinne hinsichtlich der Datenstrukturierung. Michael Beißwenger zeigt in seinem Beitrag, wie die für textbezogene Forschung in den Geisteswissenschaften entwickelten Dokumentgrammatiken der Text Encoding Initiative für Kommunikate der internetbasierten Kommuni- kation erweitert werden können. Dieser Kommunikationstyp eröffnet aufgrund seiner Unmittelbarkeit und der prinzipiellen Vollständigkeit seiner Erfassung eine interessante Forschungsperspektive für die germanistische Linguistik, führt aber auch zu praktischen Erfassungs- und Annotationsproblemen, zu deren Behebung die auf traditionellen Texttypen entwickelten Verfahren ange- passt werden müssen. Abschließend vollziehen Gerhard Heyer , Gregor Wiedemann und Andreas Niekler den Übergang in die Semantik-Modellierung: Sie zeigen in ihrem Bei- trag, wie mit dem Konzept des Topic Modeling mit statistischen Mitteln Themen in Texten identifiziert und in ihrer Entwicklung in einem Korpus verfolgt wer- den können. Der Aspekt der Modellierung tritt dabei in einem erweiterten Sinne in Erscheinung: Nicht nur die Strukturen der Annotation sind Gegen- stand der Modellierung und werden als solche auf den Text übertragen, viel- mehr werden aus dem Text selbst Strukturen extrahiert, die als Grundlage für weitergehende Analysen fungieren. 3 Perspektiven Die Vision einer vollständigen Interoperabilität sämtlicher Forschungsdaten mit all ihren Metadaten ist noch lange nicht erreicht. In den letzten Jahren wurden jedoch viele wichtige Fortschritte erzielt, wie die Beiträge in diesem Band zeigen. Als wichtigste Aufgabe für die Zukunft wird es sich erweisen, die entstanden Infrastrukturverbünde langfristig in ihrer Existenz abzusichern und dadurch eine konzertierte Weiterentwicklung der Technologien zu gewährleis- ten. Auch erweiterte Möglichkeiten der kooperativen Arbeit an den Ressourcen Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Organisierte Kooperativität – Forschungsinfrastrukturen 7 selbst sowie an den empirischen und qualitativen Ergebnissen ihrer Nutzung stellen ein wesentliches Desiderat dar. Für all das, was in der Vergangenheit bereits geleistet worden ist und was zukünftig noch geleistet werden muss, hat Ludwig M. Eichinger mit seiner Tätigkeit am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim wesentliche Grundlagen gelegt. Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM Thomas Gloning 1 Forschungsinfrastrukturen und Informationssysteme im Zeichen der Digitalisierung: Aspekte der Kollaboration und der Nutzer-Einbindung Abstract: Mit der Digitalisierung sind weitreichende Veränderungen der germa- nistischen Forschung und Lehre verbunden. In diesem Beitrag skizziere ich zunächst wesentliche Veränderungen, die sich aus der Verfügbarkeit digitaler Daten und Werkzeuge ergeben haben. Ich behandle dann die Frage, wie Infra- strukturverbünde zur Gestaltung der Arbeitslandschaft und der Forschungs- möglichkeiten beitragen können und wie fachliche Nutzergruppen hierbei pro- duktiv eingebunden werden können. Keywords: Germanistik, Digitalisierung, Forschungsinfrastrukturen, Nutzer- einbindung, CLARIN-D, DARIAH-DE 1 Einleitung In den letzten beiden Jahrzehnten haben sich die Arbeitsbedingungen in vielen Bereichen der germanistischen Forschung und Lehre dramatisch verändert. Im Zeichen der Digitalisierung sind nun viele Arten und große Mengen von Sprach-Daten auch elektronisch verfügbar, z. B. historische Texte, Ton- und Videoaufnahmen, gegenwartssprachliche Korpora zu gesprochener, geschrie- bener und computervermittelter Sprache. Gleichzeitig sind neue und mächtige Werkzeuge für die Erzeugung und die Analyse digitaler Daten verfügbar. Im Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation, Kollaboration und Präsenta- tion dienen Werkzeuge wie E-Mail, Mailinglisten, viele Arten von Social Media und Videokonferenztools, aber auch Präsentationsmittel wie PowerPoint und seine Alternativen sowie eine Vielzahl weiterer Angebote der Bewältigung un- Anmerkung: Für ihre Unterstützung danke ich sehr herzlich den Herausgebern, Henning Lobin, Roman Schneider und Andreas Witt, sowie Melanie Grumt Suárez (CLARIN-D). Thomas Gloning, Institut für Germanistik, Justus-Liebig-Universität Gießen, D-35394 Gießen, E-Mail: thomas.gloning@uni-giessen.de Open Access. © 2018 Thomas Gloning, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110538663-002 Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM 12 Thomas Gloning terschiedlichster wissenschaftlicher Aufgaben. In der akademischen Lehre sind digitale Plattformen eine wesentliche Grundlage für die Organisation und die Zusammenarbeit. Auch die Publikation und Rezeption wissenschaftlicher Lite- ratur wird zunehmend durch digitale Angebote ergänzt. Mit der Digitalisierung sind neue Formen der Zusammenarbeit und des „community building“ verbunden, die zum Teil auf den genannten Kommuni- kationswerkzeugen beruhen, aber zum Teil auch durch gemeinsame Interessen bedingt sind. Thematisch fokussierte wissenschaftliche Mailinglisten sind Beispiele für inzwischen etablierte Formen der gemeinschaftlichen Zusam- menarbeit und des wissenschaftlichen Austauschs zu bestimmten Themen und Themenfeldern. Aber auch die Abonnements von wissenschaftlichen Blogs oder themenspezifischen Twitter-Accounts sind neuartige Formen der Gemeinschaftsbildung, die teilweise eigene Spielarten der Vernetzung hervor- bringen können. Unterschiedliche Formen des Community Building wurden und werden darüber hinaus im Rahmen des Aufbaus von Infrastrukturverbünden planvoll betrieben. So haben zum Beispiel die großen Infrastrukturprojekte CLARIN-D und DARIAH-DE eigene Formate der Einbindung von Nutzergruppen entwickelt und implementiert. 1 Während viele Germanistinnen und Germanisten daneben nach wie vor und je nach Forschungsgegenstand und Zielsetzung mit gutem Recht tradi- tionelle Methoden der germanistischen Forschung anwenden und keine digita- len Ressourcen einsetzen, gehören digitale Daten und Werkzeuge doch zuneh- mend zum wissenschaftlichen Alltag. Dabei zeigt sich, dass digitale Sprachdaten und Werkzeuge für verschiedene Forschungsfragen in unterschiedlicher Weise relevant sind. Wer eine literaturwissenschaftliche Forschungsarbeit zu Rilkes fünfter Duineser Elegie im Kontext der bisherigen Rilke-Forschung oder eine wissenschaftsgeschichtliche Arbeit über Jacob Grimms Stellung zum Fremd- wort schreibt, wird eher traditionelle Verfahren nutzen müssen: Texte lesen, Notizen machen, Gliederungsentwürfe schreiben usw. Aber selbst bei einer solchen Arbeit werden inzwischen E-Mail, computergestützte Textverarbeitung und die Nutzung digitaler Bibliotheksangebote eine wichtige Rolle spielen, auch wenn die eigentliche intellektuelle Arbeit vielleicht ohne nennenswerte digitale Anteile stattfindet. Wer demgegenüber zum Beispiel eine sprachwissenschaftlich-diskursorien- tierte Forschungsarbeit zum Wortgebrauch im Flüchtlings- und Migrationsdis- 1 In CLARIN-D sind dies u. a. die Facharbeitsgruppen: https://www.clarin-d.net/de/fach arbeitsgruppen (20. 1. 2018). In DARIAH gehören sog. „Working Groups“ dazu: https://www. dariah.eu/activities/working-groups-list (20. 1. 2018). Aber auch Instrumente wie Befragungen, Workshops, Schulungen usw. werden hierfür genutzt. Unauthenticated Download Date | 3/8/19 4:59 AM