Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) GUFOVA – Growing Up Free of Violence and Abuse (Aufwachsen frei von Gewalt und Misshandlung) – Aufbau von Resilienz und Stärkung von Kindern, die häusliche Gewalt erlebt haben Patricia Bell, Ravi K. Thiara und Christine Harrison Aus dem Englisch von Elke Raab phoenix@phoenix-team.net Einleitung Prävalenz von häuslicher Gewalt1 und ihre Auswirkungen auf Kinder Anstoß zum Projekt GUFOVA, das von Februar 2019 bis Jänner 2021 von der Europäischen Union im Rahmen des Programms „Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerscha3“ 5nanziert wurde, 2 gab die Tatsache, dass häusliche Gewalt für eine äußerst große Anzahl von Frauen ein Problem darstellt und viele von ihnen zu dieser Zeit mit Kindern zusammenleben. Deutschen Stasken zufolge erfahren fast 25 % der Frauen häusliche Gewalt, die Häl3e davon leben zu dieser Zeit mit Kindern zusammen 3; brische Studien zeigen, dass 29,5 % aller Kinder unter 18 Jahre häuslicher Gewalt ausgesetzt sind 4. Österreich und Dänemark geben an, dass rund ein DriDel aller Frauen häusliche Gewalt erfährt, in Bosnien und Herzegowina sind es sogar 38 % 5. Dass äußerst viele Kinder von den Auswirkungen erlebter häuslicher Gewalt betroFen sind, geht aus Untersuchungen hervor, denen zufolge viele Frauen aussagen, dass die häusliche Gewalt rund um die Geburt ihres ersten Kindes begonnen habe oder eskaliert sei6. Kinder im Vorschulalter sind folglich in Haushalten, in denen häusliche Gewalt vorfällt7, überproporonal vertreten; das zeigt, dass Frauen mit minderjährigen Kindern mit dreimal so hoher Wahrscheinlichkeit Opfer von häuslicher Gewalt werden wie Frauen ohne minderjährige Kinder8. Die Kosten der Auswirkungen auf das Leben von Kindern mit Erfahrungen von häuslicher Gewalt werden auf bis zu 0,5% des BIP geschätzt (siehe Method of Calculang Costs von Dr. Karin SchönpNug, GUFOVA website www.gufova.eu). Kinder, die häusliche Gewalt erleben, leiden lange unter den Auswirkungen 9. Die Auswirkungen hängen von ihren spezi5schen Lebenssituaonen und -zusammenhängen ab, von der Häu5gkeit und Schwere der Gewalt sowie von einer Reihe von Resilienzfaktoren, die die langfrisgen Folgen abschwächen können. Es ist allerdings bekannt, dass für Kinder, die häusliche Gewalt miterleben, eine erhöhte Gefahr besteht, selbst körperliche, emoonale und sexuelle Gewalt zu erfahren 10. Gewalt und Misshandlungen enden nicht notwendigerweise mit der Trennung der Eltern 11, es kann weiterhin zu Stalking, Gewalt gegen Frauen, die ihre Kinder zu Kontaktbesuchen begleiten, sowie zu Gewalt gegen Kinder während der Kontaktbesuche kommen 12. Zahlreiche Untersuchungen belegen den anhaltenden EinNuss gewalDäger Ex-Partner auf das Leben von Kindern und deren MüDern noch Jahre nach der Trennung; dazu zählt auch anhaltendes zwangha3es Kontrollverhalten gegenüber den Kindern seitens des nicht sorgeberechgten Elternteils 13. Selbst wenn die Trennung der Eltern den gewalDägen ÜbergriFen zu Hause ein Ende gesetzt haben mag, erfahren Kinder noch jahrelang gezwungenermaßen „gewalDäge Männlichkeit und eingeengte Weiblichkeit“ 1 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) („abusive masculinity and constrained femininity“) 14 in ihrer Lebensrealität, auf die die „abwesende Anwesenheit“ des GewalDäters weiterhin einen SchaDen wir3 15. Kontakte nach der Trennung können schwere und für manche Kinder sogar tödliche Auswirkungen haben 16. Kinder erleben Gewalt sowohl vor als auch nach der Trennung, und es gibt eine Korrelaon zwischen häuslicher Beziehungsgewalt und sexueller Gewalt gegen Kinder 17. Die Prävalenzen sind schwer einzuschätzen, aber eine eine Metaanalyse englischsprachiger Quellen ergab Mindestschätzungen von 15–20 % bei Mädchen und 7–8 % bei Buben 18; vergleichbare Zahlen gibt es aus Deutschland 19. Anders als vielfach angenommen geschieht Gewalt gegen Kinder – ebenso wie gegen erwachsene Frauen – am häu5gsten im häuslichen Bereich 20. Die Schwierigkeiten, die Kinder haben, über ihre Erfahrungen zu sprechen, sind großteils mit den Schwierigkeiten erwachsener Opfer von Beziehungsgewalt vergleichbar, und Untersuchungen zeigen, dass die meisten Kinder nicht darüber sprechen, ehe sie erwachsen sind21. Unterstützung für Frauen und Kinder In den 1970er Jahren boten Frauenhäuser Frauen und ihren Kindern zum ersten Mal lebensreDende Unterstützung. Das erste Frauenhaus eröFnete 1971 in Chiswick, London; es bot Frauen und Kindern, die vor der Gewalt in ihrem Zuhause Nohen, eine Notunterkun3. Die Iniave verbreitete sich schnell in ganz Europa. 1976 gab es schon über 100 Frauenhäuser im Vereinigten Königreich, drei wurden in Deutschland eröFnet (Berlin, Köln und Frankfurt), das erste österreichische Frauenhaus eröFnete 1978 in Wien, das erste dänische 1979. Da die Frauenhausbewegung aus der zweiten Frauenbewegung hervorging, waren die Frauenhäuser als nichthierarchische Einrichtungen auf der Grundlage von Selbsthilfe und gegenseiger schwesterlicher Unterstützung konzipiert. Die Empfehlung des engeren Ausschusses des brischen Parlaments über Gewalt in der Ehe 22, pro 10.000 Einwohner*innen einen Familienplatz zu schaFen, wurde 1975 von der brischen Regierung mit der Begründung abgelehnt, die Frauenhausbewegung sei so neu, dass sie einem Nachholbedarf gegenüberstehe, der aber nicht von Dauer sein werde 23. Dass es aktuell in ganz Europa ein Netzwerk von 1.914 Frauenhäusern gibt24, belegt den weiterhin bestehenden Bedarf, und die in der Istanbul- Konvenon25 verankerte Mindestempfehlung von einem Familienplatz pro 10.000 Einwohner*innen ist weiterhin begründet. Damals wie heute ist das Ziel die Beseigung von männlicher Gewalt gegen Frauen, aber niemand häDe gedacht, dass auch 50 Jahre später Frauenhäuser immer noch Schwierigkeiten haben würden, die Nachfrage nach Unterbringung und Unterstützung für Frauen und Kinder, die vor der Gewalt in ihrem Zuhause geNüchtet sind, zu decken. Die Ra5zierung der Istanbul-Konvenon, die die Länder zur Einhaltung der Vertragsbesmmungen verpNichtet, wurde in Österreich, Bosnien und Herzegowina und Dänemark 2014, in Deutschland 2018 abgeschlossen. Zum Erstellungszeitpunkt dieses Textes Anfang 2021 hat das Vereinigte Königreich das Übereinkommen zwar unterzeichnet, aber noch nicht ra5ziert, und die Türkei ist ausgetreten. Der Erfolg der Frauenhausbewegung als Modell für die Bekämpfung von häuslicher Gewalt ist zweifelsohne dem leidenscha3lichen Einsatz feminisscher Basisiniaven zu verdanken. Das haDe umfassende gesellscha3liche Auswirkungen, unter anderem auf die Schulung einer Vielzahl von 2 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) Fachkrä3en wie Sozialarbeiter*innen und Polizist*innen. Weiters wurden Gesetzesänderungen erreicht: etwa die StraVarkeit von Vergewalgung in der Ehe sowie neue Rechtsschutzbesmmungen, um gewalDäge Männer vom Familienwohnsitz fernzuhalten, um Frauen und Kindern mehr Sicherheit zu gewähren. Ab den 1990er Jahren wurde das Problem gesamtgesellscha3lich immer stärker wahrgenommen und rief zusätzliche Maßnahmen wie etwa Täterprogramme auf den Plan. Darüber hinaus werden die Auswirkungen von häuslicher Gewalt auf Kinder, die bis dahin als „versteckte Opfer“ galten, miDlerweile von staatlichen Einrichtungen weitgehend anerkannt. Allerdings führte das auch zu einer Entpolisierung des Themas und zur Verlagerung des Fokus auf die Frauen. Kinder können heute als Opfer von häuslicher Gewalt anerkannt werden, aber das Ziel, sie vor den Tätern zu schützen, die mit „gemeinsamer elterlicher Sorge“ argumeneren, gilt es noch zu erreichen. Das von der EU 5nanzierte Projekt CEINAV (Cultural Encounters in Intervenons Against Violence, kulturelle Begegnungen bei Intervenonen gegen Gewalt) ermiDelte eine Tendenz zur Standardisierung von Vorgehensweisen, die die Möglichkeiten von Opfern/Überlebenden einschränken, sich in die Entscheidungs5ndung einzubringen. Das stellt eine Gefahr dar, wenn die Anerkennung der Auswirkungen von häuslicher Gewalt auf Kinder auf eine bloße Angelegenheit des Kinderschutzes reduziert wird, bei dem Intervenonen „zu ihrem Besten“ selbst zu einer Form von Zwangskontrolle werden können 26. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Intervenonen sich ausschließlich auf Frauen als „schlechte MüDer“ beziehen, die Täter aber zumeist unangefochten bleiben und so gut wie nie strafrechtlich verfolgt werden. 27. Angesichts von Problemen dieser Art fordern einige eine Wiederbesinnung auf feminissche Polik, um das langfrisge Wohl sowohl von MüDern als auch von deren Kindern tatsächlich zu gewährleisten. Frauenhäuser setzen sich seit jeher für die Anerkennung von Kindern als Opfer von häuslicher Gewalt ein28. Studien zeigen, wie viel fachliche Erfahrung Kinderbereichs-Mitarbeiter*innen in Frauenhäusern und vergleichbaren auf häusliche Gewalt spezialisierten Einrichtungen darin erworben haben, bei Kindern Resilienz, Bewälgungsstrategien und Selbstvertrauen aufzubauen 29. Der Horizont der Kinder erweitert sich durch Gruppenarbeit, Einzelberatung und vielfälge Freizeitakvitäten; das versetzt sie in die Lage, Alternaven zu aggressivem Verhalten zu entwickeln, ihre Erfahrungen zu verstehen, ihr Selbstbild zu verändern und schulischen und beruNichen Erfolg zu haben. Frauenhäuser haben auch Kompetenz darin entwickelt, Tabus über häusliche Gewalt zu brechen, Kindern beim Heilungsprozess nach Gewalt (auch sexueller Gewalt) zu helfen, das Ansprechen zu unterstützen und geschädigte MuDer-Kind-Beziehungen in Ordnung zu bringen 30. Trotz der umfassenden Kenntnisse und Kompetenzen ist die Arbeit mit Kindern in Frauenhäusern ziemlich durchwachsen, was in erster Linie an der unzureichenden Finanzierung dieser Arbeit liegt. In einigen deutschen Frauenhäusern gibt es eingespielte Mitarbeiterinnenteams, die sich der Arbeit mit Kindern widmen, und gut ausgestaDete Freizeitbereiche sowohl im Haus als auch im Freien. Andernorts sind Frauenhäuser bei der BeschaFung von notwendigen Spielmaterialien auf Spenden und auf die Unterstützung von Freiwilligen angewiesen, die mit den Kindern AusNüge unternehmen31. Arbeit mit Kindern zählt nicht zu den wichgsten Tägkeiten, und das Budget dafür wird bei Ressourcenknappheit o3 als erstes gestrichen. Dennoch ist die Unterstützung von Kindern 3 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) eine unschätzbare Hilfe für ihre MüDer. Darüber hinaus verursacht es gesamtgesellscha3lich enorme Kosten, nicht in Hilfsangebote für Kinder zu inveseren: niedriges Bildungsniveau, schlechte Beschä3igungsaussichten und lebenslange psychische Probleme. Frauenhäuser be5nden sich in der einzigargen Lage, Kinder und ihre MüDer zu unterstützen. Während des Aufenthalts einer Familie im Frauenhaus können die anwesenden Kinderbereichs- und andere Mitarbeiter*innen immer wieder ungezwungen mit den Kindern interagieren und so rasch ein Vertrauensverhältnis auVauen. Das Kind begegnet vielleicht zum allerersten Mal einer erwachsenen Person, die oFen über Gewalt spricht, diese verurteilt und das Kind ermugt, über seine Gefühle zu sprechen. Das kann lebensverändernd sein. Von ihrer Konzepon her bieten Frauenhäuser nur vorübergehende Unterbringung; den meisten Kindern stehen die längerfrisgen Unterstützungsleistungen, die die Frauenhäuser ebenfalls anbieten, nicht zur Verfügung. Ihr weiteres Wohlergehen hängt dagegen von anderen Fachkrä3en ab, mit denen sie in der Folge zu tun haben, sowie von der Fähigkeit dieser Fachkrä3e, Kindern qualitav hochwerge Unterstützung zu bieten. Es gibt zweifelsohne einen Bedarf an dauerha3er Unterstützung für Kinder im Anschluss an ihren Aufenthalt im Frauenhaus, ebenso für die unzähligen Kinder, die aus den unterschiedlichsten Gründen niemals in ein Frauenhaus kommen. Hauptziel dieses Projekts ist es also, ausgehend von der fachlichen Erfahrung von Frauenhäusern Schulungen entwickeln und durchzuführen, anhand derer eine Vielzahl von Fachkrä3en erfolgreich am AuVau von Resilienz und an der Stärkung von Kindern, die häusliche Gewalt erlebt haben, arbeiten können. Grenzen der Unterstützung durch Frauenhäuser Die Frauenhausbewegung zeigte auf, dass häusliche Gewalt ein verbreitetes und ernstha3es gesellscha3liches Problem ist, das langfrisge Auswirkungen auf Frauen und Kinder hat, die 5nanziell angemessen ausgestaDete Intervenonen notwendig machen, die sich auf den AuVau von Vertrauen und Selbstwertgefühl bei den Opfern/Überlebenden konzentrieren. Dass häusliche Gewalt 50 Jahre später immer noch nicht Geschichte ist, ist kein Grund aufzugeben, sondern vielmehr dafür, die Unterstützung zu verstärken. Dass Frauenhäuser immer noch voll sind und Frauen und Kinder in Not abweisen müssen, ist kein Zeichen für Versagen, sondern vielmehr für Erfolg, dass solche Wege in die Sicherheit exiseren. Es gibt große FortschriDe beim Ansprechen marginalisierter Gruppen wie etwa mehrfach benachteiligte Frauen und Frauen aus den unterschiedlichsten migranschen Gruppen. In einigen Ländern wie z. B. dem Vereinigten Königreich organisierten sich schon Ende der 1970er Jahre Schwarze und minorisierte Frauen autonom gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder. Änderungen der Gesetzeslage wie etwa die Möglichkeit, gewalDägen Männern den Zugang zum Familienwohnsitz zu verwehren, sowie die Ausweitung von an Frauenhäuser angeschlossene Beratungs- und Betreuungseinrichtungen ermöglichen vielen Frauen die Trennung von einem gewalDägen Partner, ohne ZuNucht im Frauenhaus suchen zu müssen. Diese Veränderungen haben sich auch auf das Bewohnerinnenpro5l der Frauenhäuser ausgewirkt; der Erfahrung der Frauenhausmitarbeiterinnen nach unterstützen sie selten Frauen, deren einziges Probleme häusliche Gewalt ist 32. 4 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) Angesichts der rechtlichen, polischen und angebotsseigen Entwicklungen stehen Frauen bei der Entscheidung, wie sie angesichts von häuslicher Gewalt vorgehen möchten, mehr Möglichkeiten oFen. Sie können von Rechts wegen ihren Partnern den Zugang zum Familienwohnsitz verwehren, und einige schaFen es, eine Wohnung zu mieten oder zu kaufen. Sie können sich an Beratungseinrichtungen wenden, die an Frauenhäusern angeschlossen sind, eng mit diesen zusammenarbeiten oder auch völlig unabhängig von diesen bestehen. Im Vergleich zu den 1970er Jahren , als die ersten Frauenhäuser eröFnet wurden, sind heute viel mehr Frauen berufstäg. Das Angebot an staatlichen Kinderbetreuungseinrichtungen hat sich in mancher Hinsicht verbessert, hinkt aber dem Bedarf weiterhin hinterher. Folglich verdienen mehr Frauen Geld und sind in der Lage, für die notwendige rechtliche Beratung und Unterstützung aufzukommen; allerdings umfasst häusliche Gewalt auch 5nanzielle Gewalt und Kontrolle, und vielen Frauen ist der Zugang zu eigenen MiDeln verwehrt, selbst wenn sie während der Beziehung weiterhin Geld verdient haben. Frauen, die nicht ins Frauenhaus kommen, repräseneren nicht den gesellscha3lichen QuerschniD, sondern spiegeln vielmehr die Auswirkungen von umfassenderer gesellscha3licher Diskriminierung wider. Frauen, die in Frauenhäuser kommen, Nüchten o3 vor einem gewalDägen Partner, leiden aber zugleich an extremer Armut, hohen Schulden, fehlender Unterstützung durch Familie oder soziales Umfeld und sind mit den örtlichen Einrichtungen und Verwaltungsstrukturen ebenso wenig vertraut wie mit der Landessprache. Diesen Frauen können Frauenhäuser Hilfe und Unterstützung anbieten; Bestand und Ausbau von Frauenhäusern sind jedoch weiterhin nicht gesichert. Viele Frauen bekommen Hilfe, aber eine große Gruppe von Frauen hat keinen Zugang zum bestehenden Angebot. Schwarze und minorisierte Frauen stehen aufgrund ihrer intersekonalen Posion in der Gesellscha3 vielfälgen Hindernissen gegenüber, wenn sie versuchen, Gewalt in ihrem Leben zu beenden. Aufgrund von Rassismus, mangelnder Vertrautheit dem Mainstreamsystem sowie des Fehlens angemessener Versorgungsleistungen für sie und ihre Kinder bleiben sie länger in Gewaltbeziehungen. Es ist weithin unumstriDen, dass es zu wenige eigene Einrichtungen von Schwarzen und minorisierten Frauen für Schwarze und minorisierte Frauen gibt. Das von der EU 5nanzierte Projekt SNaP zeigte auf, dass spezi5sche Gruppen von Frauen vom bestehenden Frauenhausangebot in Europa nicht ausreichend erfasst werden. Dazu zählen Frauen, denen gegenüber Ausgrenzungs- und Diskredierungsmechanismen zu einer gesellscha3lich produzierten Behinderung aufgrund körperlicher, kogniver und psychischer Schwierigkeiten führen, weiters migransche und geNüchtete Frauen mit ungewissem Aufenthaltsstatus sowie Frauen mit psychischen Erkrankungen. Auch für Frauen in ländlichen Gegenden und Frauen mit vielen Kindern ist das bestehende Frauenhausangebot nicht ausreichend 33. Vielfach wird vorgebracht, es bestehe ein verstärkter Bedarf an Frauenhäusern auf lokaler Ebene und nicht so sehr an einer Ballung von Frauenhäusern in den Großstädten. Viele Frauenhäuser leisten sehr gute Vernetzungsarbeit und brauchen mehr Ressourcen dafür, zum Beispiel um Zeit für Verfahren vor dem Familiengericht zu haben und im Namen von Kindern auszusagen oder an einrichtungsübergreifenden Fallkonferenzen teilzunehmen. Ihr Wissen und ihre 5 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) Erfahrung sind unerlässlich für den AuVau von Bündnissen für Kampagnen und Lobbyarbeit für die Menschenrechte von Kindern in Bezug auf häusliche Gewalt und ihre Folgen. Anmerkung zu den verwendeten Begri3en In diesem Handbuch werden Frauen und Kinder als Opfer bzw. Opfer/Überlebende von häuslicher Gewalt bezeichnet, Männer und Väter als Täter. Dies geschieht aus Gründen der Lesbarkeit, da männliche Gewalt gegen weibliche Partnerinnen die häu5gste Form von häuslicher Gewalt ist. Damit soll nicht verleugnet oder verschwiegen werden, dass in manchen Fällen Frauen die Täterinnen und Männer die Opfer von häuslicher Gewalt sind und dass häusliche Gewalt auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen vorkommt. „Häusliche Gewalt“ benennt, wo die Gewalt geschieht, nämlich zu Hause; das bedeutet, sie ist allgegenwärg und es gibt keinen Rückzugsort vor der ständigen Bedrohung durch körperliche, verbale, emoonale und sexuelle ÜbergriFe. Die tatsächlichen ÜbergriFe können häu5g und schwerwiegend oder aber auch selten vorfallen und zu keiner bleibenden Verletzung führen; mit dem Täter zusammenzuleben, bedeutet jedoch ständige Gefahr und keinen sicheren ZuNuchtsort. Die Auswirkungen auf Frauen und deren Kinder sind sehr umfassend und beschränken „ihre Freiheit, ohne Bezugnahme auf die potenzielle Gewalt zu leben und zu denken“34. Manchmal wird der BegriF „Beziehungsgewalt“ verwendet, er beschreibt die Beziehung zwischen Opfer und Täter. Der Ausdruck „coercive control“ (Zwangskontrolle) wurde 2015 ins brische und 2020 ins dänische Recht aufgenommen; im deutschsprachigen Diskurs ist er nicht geläu5g. Dennoch ist bekannt, dass es o3 keiner tatsächlichen Gewalt bedarf, um Frauen und Kinder zu kontrollieren und sie dazu zu zwingen, den Erwartungen des Täters zu entsprechen. Es ist auch bekannt, dass die meisten Fälle von häuslicher Gewalt von Zwangskontrolle geprägt sind. Dieses Handbuch stellt Kinder als Subjekte dar, als Individuen mit Rechten, dazu gehört auch das Recht auf ein Leben ohne Gewalt und Misshandlung. Allzu o3 werden Kinder als Objekte behandelt, die ihren Eltern gehören; das wird leider in Streigkeiten um den Kontakt mit dem Kind und um die Wohnsituaon nach der Trennung der Eltern immer wieder klar. In diesem Handbuch geht es um die Perspekve des Kindes, zum Beispiel um das Recht des Kindes auf Kontakt zu beiden Eltern, es sei denn, das wäre schädlich für das Kind. Im Lauf des Projekts haben Österreich und Deutschland Kinderrechte in ihre Verfassung aufgenommen. Es lässt sich noch nicht sagen, welche Auswirkungen das auf die beruNiche Praxis in der Arbeit mit Kindern haben kann. Eine eindeuge Verbesserung liegt darin, dass es manche Kinderschutzverfahren vereinfacht, wenn Kinderrechte staD in einer Unzahl naonaler oder lokaler Besmmungen aus dem Erziehungs-, Sozial- oder Wohnrecht in einem einzigen Rechtsakt eindeug festgelegt sind. In diesem Handbuch werden Praxisbeispiele aus der Berufspraxis der beteiligten Organisaonen aufgezeigt, so etwa die im Frauenhaus Lübeck geübte Praxis, Kindern demokrasche Strukturen nahezubringen, die ihre Rechte schützen. Dafür besuchen die Kinder die Polizei, Kinderschutzeinrichtungen und das Rathaus, um Fachkrä3e – insbesondere jene, die Entscheidungen über das Wohl der Kinder treFen – und Kinder füreinander sichtbar zu machen. So wissen Kinder, 6 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) dass sie Rechte haben, werden dabei unterstützt, sich zu Wort zu melden, und bekommen vermiDelt, wie sie damit wirkungsvoll für diese Rechte eintreten können. Beteiligte Organisationen ZÖF, Zusammenschluss österreichischer Frauenhäuser KJA, Kinder- und Jungendanwaltscha3 Wien Wiener Kinder und Jugendhilfe, Referat Fachentwicklung und Beschwerdemanagement Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie und Kinder- und Jugendhilfe, Krisenzentrum 20 Udružene žene, S3ung vereinigte Frauen, Banja Luka, Bosnien und Herzegowina LOKK, naonale Frauenhausorganisaon, Dänemark Frauenhaus Holstebro, Dänemark Dänisches Kinderministerium, Dänemark Angelou Centre, Newcastle upon Tyne, England Panahghar, Coventry, England Cheshire without Abuse (Cheshire ohne Gewalt), England Hansestadt Lübeck, Fachbereich Kultur und Bildung, Familienhilfen/Jugendamt Frauen helfen Frauen e. V. , Lübeck Landeshauptstadt Hannover, Referat für Frauen und Gleichstellung Frauenhaus Hannover, Frauen helfen Frauen e. V. KIS, Koordinierungs- und Intervenonsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking, Leipzig Stadt Leipzig, Der Oberbürgermeister, Amt für Büro für Jugend, Familie und Bildung, Abteilung Allgemeiner Sozialdienst Alle Beteiligten und Partnerinnen waren mitverantwortlich für die internaonalen TreFen, haben das Schulungshandbuch kommenert und Polikempfehlungen für die beteiligten Länder erarbeitet. Das Handbuch ist auf Dänisch, Deutsch, Englisch und Serbisch im Internet abruVar. Karin SchönpNug vom Instut für Höhere Studien Wien führte eine Bewertung der Kosten durch, die entstehen, wenn Kinder mit Gewalt aufwachsen. Daraus wurde ein Lobbyinstrument für die Arbeit mit Kindern entwickelt, das auf der GUFOVA-Website verfügbar ist. Schulungshandbuch Fachkrä3en, die mit Kindern arbeiten, ist vielleicht nicht bewusst, dass sie Expert*innen für den Umgang mit häuslicher Gewalt sind. Eine Analyse ihres ArbeitsauZommens zeigt bei spezi5scher Berücksichgung von häuslicher Gewalt, dass es bei fast 80 % 35 aller Kinderschutz-Beurteilungen im Vereinigten Königreich um Kinder geht, die häusliche Gewalt erleben. Unabhängig davon, ob das ausdrücklich gewürdigt wird, müssen Fachkrä3e im Kinderschutzbereich Selbstvertrauen und Kompetenzen im Umgang mit Kindern, die von häuslicher Gewalt betroFen sind, auVauen, um 7 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) e[zient zu helfen und die MuDer bei der Erziehungsarbeit zu unterstützen. Zu diesem Zweck müssen sie ● sich darüber im Klaren sein, dass häusliche Gewalt bei Kindern massive Schädigungen hervorru3, ● ihr Wissen über und ihr Bewusstsein für die Bedürfnisse von Kindern und jungen Menschen, die von häuslicher Gewalt betroFen sind oder waren, erweitern, ● diese bei Krisenintervenonen, direkter Arbeit und längerfrisger Unterstützung in einem einrichtungsübergreifenden Zusammenhang anwenden, ● Gelerntes im Hinblick auf die Verbesserung von Angeboten und den organisaonsweiten Umgang mit Frauen und Kindern umsetzen, ● überlegen, wie die Beziehung zwischen Kindern und deren MüDern verbessert werden kann, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden, ● über die komplexen Sicherheitsbedürfnisse von Kindern (und Frauen) Bescheid wissen, wenn der Kontakt zum Vater angedacht, verhandelt oder gerichtlich angeordnet wird, ● sich für die Diversität von Kindern und Frauen, die von häuslicher Gewalt betroFen sind, und für die Auswirkungen mehrfacher Unterdrückung sensibilisieren, ● entlang von (bereits vor ihrer Geburt beginnenden) Entwicklungslinien von Kindern denken, ● bei den Auswirkungen auf Frauen die Auswirkungen auf Kinder berücksichgen und umgekehrt, ● sich darüber im Klaren sein, dass MuDerscha3 eine Zielscheibe von Gewalt und Misshandlung sein kann, ● sich des Ausmaßes und der Auswirkungen der Gewalt nach der Trennung, die manchmal tödlich sein kann, bewusst sein, ● sich darüber im Klaren sein, dass langfrisge Folgen wie etwa eine posDraumasche Belastungsstörung durch andere Formen der Unterdrückung verschlimmert werden können. Struktur des Schulungshandbuchs Das Handbuch ist in drei größere AbschniDe gegliedert: Was erfahren und brauchen Kinder, die häusliche Gewalt erleben? Die Auswirkungen des Erlebens von Gewalt auf die Beziehung des Kindes zur MuDer Die Auswirkungen des Erlebens von Gewalt auf die Beziehung des Kindes zum Vater Zwar kann eine Scheidung das Ende der Beziehung einer Frau zu einem gewalDägen Partner bedeuten, ihre Kinder haben aber möglicherweise weiter Kontakt zu ihrem Vater, und das kann sich jahrelang auf das Leben der Frau und der Kinder auswirken. Daher gibt es einen AbschniD über die Probleme von Kindern (und ihrer MüDer) nach der Trennung, der aufzeigt, welchen anhaltenden EinNuss gewalDäge Männer noch Jahre nach Trennung und Scheidung haben können. Häusliche Gewalt zu überleben, bedeutet mehr als dass nur die körperlichen ÜbergriFe vorbei sind. Überleben bedeutet nicht nur, Gewalt und Misshandlungen benennen zu können, Glauben geschenkt zu bekommen und sicher zu leben. Es bedeutet auch mehr als nur Zugang zu Mechanismen für soziale 8 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) Gerechgkeit und Strafrecht sowie zu primärprävenven Maßnahmen gegen Gewalt wie z. B. Täterprogrammen. Es erfordert langfrisgen Zugang zu prakscher und therapeuscher Hilfe für Frauen und Kinder durch eine Reihe aufeinander abgesmmter Dienstleistungen und Intervenonen. Das versetzt Frauen und Kinder in die Lage, „Handlungsspielräume“ 36 in ihrem Leben zu eröFnen. Die folgenden zwölf Schulungsmodule sind im Sinne der Vernetzung als ganztägige Veranstaltungen konzipiert. Die Entscheidung, die Module als ganztägige Veranstaltungen zu gestalten, ergab sich beim Erproben und Bewerten der Schulungsmodule in Deutschland, England und Österreich. Bei den Pilotschulungen zeigte sich deutlich, wie ungeheuer hilfreich es ist, Fachkrä3en Zeit für das Diskueren der Themenbereiche zu geben. Sie können ihre eigenen Ängste, Unsicherheiten und Bedenken ohne den Druck ausloten, eine rasche lebensverändernde Entscheidung für den Schutz des Wohlergehens eines Kindes treFen zu müssen. Das ermöglicht ihnen, sich im Umgang mit komplexen und schwerwiegenden Problemen kompetenter und selbstbewusster zu fühlen. Außerdem ist es sehr wertvoll, Fachleuten im unmiDelbaren Kontakt mit den Opfern die Möglichkeit zum informellen Austausch mit Kolleg*innen anderer örtlicher Einrichtungen zu geben, und der AuVau der Module bzw. Untermodule lässt den Teilnehmenden Zeit für Erfrischungspausen und Raum für Kennenlernen und Plaudern. Informelle Netzwerke auf lokaler Ebene können bei Gefahr für das Kindeswohl wertvolle Unterstützung leisten und die fachliche Kompetenz verstärken, indem sie durch Verbesserung der einrichtungsübergreifenden Zusammenarbeit Lösungen 5nden. Protokolle über die Zusammenarbeit bestehen vielleicht auf Organisaonsebene, sind aber auf Kommunikaonskanäle zwischen den Mitarbeiter*innen im Erstkontaktbereich angewiesen. Diese Mitarbeiter*innen müssen einen Einblick in Rolle, Verantwortungsbereich, Prioritäten und Belastungsdruck der anderen Einrichtungen gewinnen. Großzügig bemessene Pausen wurden von jenen, die das Glück haDen, an Präsenzschulungsveranstaltungen teilzunehmen, als sehr wertvoll bezeichnet. Steht für die Schulung jedoch weniger Zeit zur Verfügung, kann jedes Modul zweigeteilt werden, also Einleitung und Gruppenarbeit 1 einerseits und Gruppenarbeit 2 und Gruppenarbeit Abschlussrunde andererseits. Alternav kann die* Schulungsleiter*in den Inhalt von Gruppenarbeit 1 in einer ausgedehnteren Einleitungsphase präseneren. Zeit für informelle Vernetzung und Diskussionen ist unentbehrlich für den AuVau eines tragfähigen Unterstützungssystems für Frauen und Kinder, daher werden ganztägige Schulungen nachdrücklich empfohlen. Ziel ist es, Fachkrä3e auf lokaler Ebene zusammenzubringen, und die Schulungsmodule richten sich an einrichtungsübergreifende örtliche Gruppen von Erstkontaktmitarbeiter*innen, die mit Kindern zu tun haben, wie etwa Sozialarbeiter*innen, Lehrer*innen, Kindergärtner*innen, Kinderbetreuer*innen, Gesundheitsfachkrä3e, Polizist*innen, Jurist*innen an Familiengerichten, Jugendbetreuer*innen, Kinder- und Familienberater*innen und ähnliche Fachkrä3e. Die Schulung ist auch hilfreich für Personen, die informell mit Kindern arbeiten, zum Beispiel in Sportvereinen. Kinder suchen sich die Erwachsenen, an die sie sich mit ihren Problemen wenden, nicht anhand ihrer fachlichen Quali5kaon aus. Ein Kind vertraut sich vielleicht der Schulkannenmitarbeiterin oder einer* Freiwilligen an, die das Jugendfußballteam betreut. Diese Menschen sollten in der Lage sein, 9 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) richg zu reagieren, das Kind zunächst zu beruhigen und die Angelegenheit dann einer Person zu übergeben, die imstande sind, sich mit dem Problem zu befassen. Die Schulungen sind speziell dafür konzipiert, die Bedürfnisse sowohl von im Umgang mit der Problemak sehr erfahrenen Fachkrä3en als auch von jenen, die weniger oder gar keine Erfahrung mitbringen, zu erfüllen. Alle Module sind gleich aufgebaut. Um den Austausch zu fördern, sollen die Teilnehmenden Kleingruppen bilden, wobei darauf zu achten ist, dass bei der Gruppenzusammenstellung die einrichtungsübergreifende Vernetzung gefördert wird. Jede Gruppe sollte soweit wie möglich eine Mischung aus unterschiedlichen Fachkrä3en aus unterschiedlichen Einrichtungen mit unterschiedlichen Erfahrungsniveaus sein, also aus „Frischgebackenen“ und „Altgedienten“ bestehen. Die beste Unterstützung für ein Kind, das in irgendeiner Form misshandelt wird oder Schwierigkeiten hat, ist ein e[zientes Netzwerk einschlägiger Fachleute mit Einsicht in die Probleme. Es ist wichg, dass Fachkrä3e Gelegenheit zur Vernetzung bekommen, damit sie verstehen lernen, wie andere Einrichtungen arbeiten, wie sie das Problem betrachten und was ihre Prioritäten sind. Sobald das erreicht ist, ist es möglich, die örtliche Unterstützungsstruktur e[zient zu nutzen. Ziel ist eine gemeinsame Konzeptualisierung des Problems als Ausgangsbasis für weiteres Handeln. Instuonelle Hindernisse für gemeinsames Arbeiten können durch gewonnene Erfahrungen langsam überwunden werden; so können Frauen und Kinder besser unterstützt werden. Das aus Island stammende und in Dänemark weiterentwickelte Konzept des „Childhood House“, das bereits in einigen deutschen Städten umgesetzt wurde, ist ein Modell zur Verbesserung der einrichtungsübergreifenden Zusammenarbeit. Bei Verdacht auf Kindesmisshandlung wird das Kind an einen Ort gebracht, wo es ärztlich untersucht sowie von Polizei und Kinderschutzeinrichtungen befragt wird. Das alles 5ndet in einem Haus staD, das so kinderfreundlich wie möglich gestaltet ist. Dort arbeiten Fachkrä3e aus den verschiedensten Einrichtungen, die speziell im Kontakt mit Kindern geschult sind; die Befragungen werden aufgezeichnet. Die Fachkrä3e tauschen danach die Informaonen untereinander aus; somit müssen die Kinder nicht in jeder einzelnen Einrichtung ihre Aussagen wiederholen. Zur Verbesserung dieses Modells wurde bei den TreFen angeregt, dass die Kinder dort auch weitere Unterstützung erhalten sollten. Derzeit werden diese Childhood Houses von Fachkrä3en genutzt, die in Fällen von Kindesmisshandlung ermiDeln. Sobald die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind, muss die weitere Unterstützung des Kinders – etwa Beratung oder Therapie – gesondert vereinbart werden. Die weitere Unterstützung ist von Ort zu Ort verschieden; im Allgemeinen mangelt es an konnuierlicher therapeuscher Unterstützung für Kinder. Diese Angebote müssen weiter ausgebaut werden. Unterlagen für einrichtungsübergreifende Schulungen Die Unterlagen sind für Mitarbeiter*innen von auf häusliche Gewalt spezialisierten Einrichtungen gedacht, die anhand ihrer prakschen Erfahrung in der Arbeit mit Frauen und Kindern, die in ihrem Zuhause Gewalt erleben oder erlebt haben, Schulungen abhalten können. Diese Erfahrungen und Kompetenzen sind unbedingt erforderlich, nicht nur, damit sie die Schulungsunterlagen durch neue Erkenntnisse und Entwicklungen ergänzen können, die für eine Gruppe von örtlichen Fachkrä3en 10 Co-funded by the Rights, Equality and Cizenship Programme of the European Union (2014- 2020) von Bedeutung sind, sondern auch weil sie die für einen angemessenen Umgang mit Problemen relevanten Zusammenhänge in ihrer ganzen Bandbreite und Tiefe kennen. Es besteht zum Beispiel eine verstärkte Tendenz zur medikamentösen Behandlung der Folgen von häuslicher Gewalt. Das führt zur Individualisierung des Problems, staD den Kontext von häuslicher Gewalt als etwas zu begreifen, das in struktureller geschlechtsspezi5scher Ungleichheit verwurzelt ist. Häusliche Gewalt als von Generaon zu Generaon weitergegebenes Problem für die öFentliche Gesundheit zu betrachten, führt außerdem dazu, andere Formen gesellscha3licher Diskriminierung aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit, Klasse, Gender und Behinderung (sowohl jeweils für sich als auch intersekonal) auszublenden, was die Möglichkeiten einschränkt, wie eine Person Veränderungen bewirken kann37. Es ist viel einfacher, Frustraon über die Unfähigkeit einer Person, Ratschläge und Veränderungsmöglichkeiten umzusetzen, zu äußern, als die Frustraon auf die Ursachen der begrenzten Verfügbarkeit von Ressourcen zu beziehen, an der scheinbar nicht zu rüDeln ist. Der Aufbau der Schulungsmodule Das nachstehende Diagramm veranschaulicht den AuVau der Schulung. Zwischen den einzelnen Arbeitsblöcken sollten großzügig bemessene Erfrischungspausen liegen, in denen sich die Teilnehmenden auf informeller Ebene treFen und vernetzen können. 11 Die* Schulungsleiter*in kann die Handouts, die am Ende der ersten Gruppenarbeitsrunde verteilt werden, vor der Schulung abändern, um neue örtliche Gegebenheiten, Erfahrungen und Entwicklungen einzubeziehen. Die Handouts erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie sollen bestehendes Wissen ergänzen und Fachkrä3en neue Aspekte und Ideen vermiDeln. Die Teilnehmenden sollen sie ergänzen und nach der Schulung mitnehmen. Alle Handouts sollen einen Verweis auf die GUFOVA-Website sowie das EU-Logo tragen. Nach der Abschlussrunde der Gruppenarbeit werden die Plakate aufgehängt und alle lesen sich die Plakate aller Gruppen durch. Eine Alternave zu den Plakaten wäre eine Pinnwand mit verschieden geformten Kärtchen, ein Ablaufdiagramm oder Ähnliches. Auch hier bleibt es je nach behandeltem Thema den Schulungsleiter*innen überlassen, welches Format sie verwenden wollen. Eine bildliche Zusammenfassung des Gelernten ist auf jeden Fall wichg. In der Abschlussphase fasst die* Schulungsleiter*in den Inhalt des Tages zusammen. Inwieweit wurde den teilnehmenden Fachkrä3en klar, welche Veränderungen sie in ihrer Arbeitspraxis vornehmen können, um ihre Arbeit für Kinder zu verbessern? Inwieweit wurde klar, welche Veränderungen erforderlich sind, damit Fachkrä3e ihre Arbeit für Kinder verbessern können? Für diese Veränderungen können sie sich innerhalb von Organisaonen, örtlichen Behörden, gegenüber Lokalpoliker*innen und auf naonaler Ebene einsetzen, sofern Änderungen der Gesetzeslage erforderlich sind. Kinder sind unsere Zukun3, es lohnt sich, für sie zu kämpfen. Die didaksche Herangehensweise38 ist interakv konzipiert und soll die lokalen Gruppen von Fachkrä3en dazu anregen, gemeinsam Lösungen für schwierige Fälle im Kinderschutzbereich zu 5nden. Die Anweisungen für die Schulungsleiter*innen sind ein allgemeiner Lei]aden. Je nachdem, wer an den Schulungen teilnimmt, müssen die Anweisungen, insbesondere für die zweite Gruppenarbeits-Runde jedes Moduls, angepasst werden, da vielleicht nicht alle vorgeschlagenen Diskussionspunkte von Bedeutung sind. In jeder der drei Kategorien – Kind, MuDer und Vater – gibt es vier Module, die sich mit einer spezi5schen Situaon befassen. Jedes Modul bildet einen ganzen Schulungstag und zwar: Modul 1: bei einer Krisenintervenon Modul 2: bei Verdacht auf häusliche Gewalt Was brauchen Kinder? Modul 3: nach der Trennung der Eltern Modul 4: bei Verdacht auf sexuelle Gewalt Modul 5: Auswirkungen der Gewalt auf die MuDerrolle Modul 6: Auswirkungen auf die Kind-MuDer-Beziehung Kind-MuDer-Beziehung Modul 7: Arbeit mit der Gesam]amilie Modul 8: gemeinsame Arbeit mit MüDern und Kindern Modul 9: gemeinsame elterliche Sorge Modul 10: Arbeit mit Vätern Kind-Vater-Beziehung Modul 11: Kontakt zwischen Kind und Vater 12 Modul 12: Unterstützung für Kinder bei Gerichtsverfahren 13 Modul 1: Was brauchen Kinder, die häusliche Gewalt erlebt haben bzw. weiterhin erleben, bei einer Krisenintervention? Einleitung Die* Schulungsleiter*in heißt die Gruppe bei der Schulungseinheit willkommen und biDet alle, ihren Namen, den Namen ihrer Organisaon und ihre Rolle innerhalb der Organisaon zu nennen. Danach gibt die* Schulungsleiter*in einen kurzen Überblick über das Thema. Das sollte nicht länger als 10 Minuten dauern und folgende Punkte umfassen: ● Für Kinder, die häusliche Gewalt miterleben, besteht eine erhöhte Gefahr, selbst körperliche, sexuelle und emoonale Gewalt zu erfahren. ● Wenn sie verbale, körperliche und sexuelle Gewalt sowie zwangha3es Kontrollverhalten gegenüber ihrer MuDer miterleben, ist das Gewalt gegen Kinder. ● Das Miterleben von häuslicher Gewalt führt bei Kindern zu langfrisgen Beeinträchgungen; sie brauchen als Opfer von häuslicher Gewalt selbst Unterstützung. ● Für Kinder besteht nach Trennung oder Scheidung ihrer Eltern die Gefahr weiterer schwerer Schädigungen. Einstieg Im Anschluss an die Einleitung sollen die Teilnehmenden Gruppen zu viert oder zu fün3 bilden. Es ist wichg, dass die Gruppen in Hinblick auf beruNiche Rolle und Arbeitsplatz der Teilnehmenden gut gemischt sind. Da sich die Schulung an Fachkrä3e wendet, die mit Kindern arbeiten, ist davon auszugehen, dass alle eine gewisse Erfahrung im Umgang mit häuslicher Gewalt mitbringen. Ziel dieser ersten Gruppenarbeit ist es, herauszu5nden, was die Teilnehmenden bereits über das Thema wissen. Alle Gruppen sollen dieselbe Situaon besprechen. Sie haben Zeit, über ihre AuFassung der Situaon und ihre Erfahrung damit zu sprechen. Zugleich lernen sie einander kennen und erfahren, welche verschiedenen Rollen, Verantwortungen und Prioritäten die einzelnen Kinderschutzeinrichtungen haben. Sie schaFen auch einen Rahmen für die Informaonen, die im nächsten SchriD eingebracht werden. Gruppenarbeit 1 – zu besprechende Situation Sie werden kontakert, um in einer Krise zu intervenieren; es ist Gewalt vorgefallen, und alle beteiligten Erwachsenen sind extrem emoonalisiert und angespannt. Was brauchen Kinder in dieser Situaon? Die Situaon ist absichtlich vage formuliert, und die Teilnehmenden können überlegen, wie sie mit verschiedenen Möglichkeiten umgehen würden, z. B. wenn die MuDer sofort ins Spital gebracht werden muss, die Kinder noch im Vorschulalter sind etc. Die Gruppenaufgabe besteht darin, ein Stück weit eine gemeinsame Sicht auf die zu besprechende Situaon zu entwickeln sowie mögliche Erwartungen an die Schulung hinsichtlich des Umgangs mit dieser Situaon zu klären. 14 Bei allen Übungen sollte die* Schulungsleiter*in darauf achten, dass die Teilnehmenden Intersekonalität berücksichgen und die Bedürfnisse von Schwarzen und minorisierten Frauen, von Kindern mit interethnischen Wurzeln sowie von Frauen und Kindern mit körperlichen und psychischen Problemen mit einbeziehen. Die besonderen Bedürfnisse jeder einzelnen Familie sind dadurch geprägt, wie diese und andere Faktoren sich darauf auswirken, ob und wie sie sich Zugang zu Ressourcen und Unterstützung verschaFen kann. Aufgabe der* Schulungsleiter*in ist es, zwischen den Gruppen herumzugehen, da und dort zuzuhören, gegebenenfalls zusätzliche Informaonen zu geben, die Diskussion zu lenken oder Ideen zusammenzuführen. Nach einiger Zeit (jede*r sollte genug Zeit haben, sich einzubringen) präsenert jede Gruppe den anderen eine Zusammenfassung ihrer Diskussion. Anhand dieser Präsentaonen erfährt die* Schulungsleiter*in, wer was weiß. Das ist weniger langweilig für jene, die bereits viel Erfahrung mit oder Wissen über das Schulungsthema mitbringen, denn sie können sich stärker in die Diskussion einbringen, und diejenigen, für die die Informaonen neu sind, können durch die Diskussion lernen, sodass danach alle annähernd dieselbe Ausgangsbasis haben. Im Verlauf der Präsentaonen kann die* Schulungsleiter*in die nachstehenden Punkte ansprechen. Dieses BlaD kann kopiert, gegebenenfalls ergänzt und abgeändert und verteilt werden. Im Anschluss an Feedback und Diskussion geben Sie der Gruppe Zeit für eine großzügig bemessene Pause, in der die Teilnehmenden Punkte informell weiter besprechen können. Handout M1:1 Sie werden kontaktiert, um in einer Krise zu intervenieren; es ist Gewalt vorgefallen, und alle beteiligten Erwachsenen sind extrem emotionalisiert und angespannt. Was brauchen Kinder in dieser Situation? Kinder brauchen Informaonen. ● Kinder müssen wissen, dass Gewalt nicht normal und nicht ihre Schuld ist (selbst wenn etwas, das sie getan haben, den Ausbruch ausgelöst hat). ● Kinder müssen wissen, wohin sie sich um Hilfe wenden können und wen sie in einer Krise ansprechen können. ● Kinder müssen wissen, was ihre Rechte sind und worauf sie sich einstellen müssen (etwa wenn die Polizei in ihre Wohnung gerufen wird). ● In Krisensituaonen sollen Kinder Unterstützung bekommen, damit ihnen klar wird, dass sich Dinge verändern werden, und sie auf möglicherweise umfassendere Veränderungen in ihrem Leben vorbereitet sind. ● Wenn Kinder aus ihrem Zuhause weggebracht werden (mit oder ohne MuDer), wissen sie dann, wo sie sind und warum? Gibt es im Frauenhaus/Kinderheim kindgerechten LesestoF? ● Wissen Kinder, welche Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen (telefonische Anlaufstellen für Kinder, Bücher oder Ähnliches, Unterstützungseinrichtungen)? 15 Kinder brauchen Intervenonen. ● Kinder brauchen eine eigene Sicherheitsplanung. Sind sie in der Schule und auf dem Weg zur und von der Schule sicher? ● Aufmerksamkeit sollte nicht nur Kindern gewidmet werden, deren Verhalten Anlass zu Sorge gibt; auch Kinder, die sich übermäßig anpassen, brauchen vielleicht Unterstützung. ● Kinder brauchen Unterstützung bei der KonNiktbewälgung, wenn sie sich in einem LoyalitätskonNikt zwischen beiden Elternteilen und anderen Angehörigen, auch ihren Geschwistern, hin und her gerissen fühlen. ● Das Wichgste müssen Sicherheit und Schutz sein; am besten lässt sich das erreichen, indem Ressourcen akviert werden und Kindern geholfen wird herauszu5nden, bei welchen Menschen und an welchen Orten sie Sicherheit und Unterstützung bekommen. ● Es kann nög sein, Tabus (etwa, dass Probleme in der Familie geheim gehalten gehören oder dass Erwachsene Schwierigkeiten bekommen könnten) anzusprechen, um Kindern zu ermöglichen, ihre Ängste und Sorgen auszudrücken. ● Kindern eine Sprache zu geben, in der sie ihre Gefühle und Bedürfnisse ausdrücken können, ist eine Prävenvmaßnahme. ● Kinder sollten soweit wie möglich in ihrer Erstsprache unterstützt werden. ● Kinder mit Behinderungen haben dieselben Rechte und Bedürfnisse wie andere Kinder, allerdings braucht eine Fachkra3 spezielle Kompetenzen im Bereich Kommunikaon und direkter Arbeit. Alle Kinder in dieser Situaon haben dieselben Rechte und Bedürfnisse, aber wie diese ausgedrückt und befriedigt werden, hängt vom Alter des Kindes und dessen spezi5schem Umfeld ab. Bilden Sie neue Gruppen, sodass in jeder Gruppe jetzt Teilnehmende sind, die zuvor noch nicht in derselben Gruppe waren. Alle Gruppen bekommen dieselben Informaonen und haben dieselbe Aufgabe. Es gibt drei Texte, die die Gruppenmitglieder lesen sollen; um Zeit zu sparen, verteilen Sie die Texte unter den Mitgliedern jeder Gruppe, damit jede Person nur einen Text lesen muss. Die Texte behandeln folgende drei Themen: ● Wie lässt sich aus der Perspekve der Kinderrechte arbeiten ● Prävenonsarbeit – ein paar Beispiele ● Wie lässt sich bei Kindern Resilienz auVauen Die Gruppenaufgabe besteht NICHT darin, LÖSUNGEN ZU FINDEN, sondern vielmehr HINDERNISSE UND SCHWIERIGKEITEN HERAUSZUARBEITEN. Gruppenarbeit 2 – zu besprechende Situation Um noch einmal auf die in der letzten Runde besprochene Krisenintervenon zurückzukommen: Überlegen Sie, inwieweit Sie aus der Perspekve der Kinderrechte arbeiten, Prävenonsarbeit leisten und die Resilienz von Kindern im Umgang damit stärken können. 16 Die Informaonen, die die Gruppen erhalten, erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit; sie sollen zu neuen Ideen und neuen Arbeitsmodi führen. Welche Veränderungen können erforderlich sein … ● in der eigenen Arbeitsweise, ● in der Arbeitsweise ihrer Organisaon, ● auf instuoneller Ebene, ● auf rechtlicher Ebene. ● Lassen sich Vorgehensweisen vereinfachen? ● Was bedeutet das für den die Ressourcenbedarf? ● Was wäre wirklich hilfreich für ein posives Ergebnis? Jede Gruppe präsenert die Ergebnisse ihrer Diskussion. Da sich alle Gruppen mit denselben Informaonen befassen müssen, muss die* Schulungsleiter*in die wichgsten Fragen und Probleme aus allen Gruppen erfassen. Während dieses Feedbackgesprächs kann sich unter der Anleitung der* Schulungsleiter*in jede*r einzelne durch Beantworten der Fragen und Finden von Lösungen für die Probleme einbringen. Nach dieser Runde gibt es eine Erfrischungspause, in der Zeit für informelle Gespräche und Vernetzungen ist. Handout M1:2 Die Perspektive der Kinderrechte ● Kinder haben ein Recht auf ein Leben frei von Gewalt; sie haben ein Recht auf konnuierlichen Kontakt zu beiden Elternteilen, es sei denn, das wäre für sie schädlich. ● Auch Kleinkinder können ausdrücken, ob und in welchem Ausmaß sie Kontakt zu beiden Elternteilen wollen oder nicht. Es ist wichg, einem Kind zuzuhören, und es hat das Recht, im Lauf der Zeit seine Meinung zu ändern. ● Kinder brauchen ein Gefühl der Zugehörigkeit, sie sind aber nicht Eigentum ihrer Eltern, sondern Menschen mit eigenen Rechten. ● Kindern muss eine Smme gegeben und zugehört werden. Niemand soll für sie sprechen. ● Fachkrä3e, die mit Kindern arbeiten und demokrasche Strukturen entwickelt haben, um Kindern zuzuhören, können deren Interessen vertreten und müssen als Expert*innen anerkannt werden. ● „Perspekve der Kinderrechte“ bedeutet, dass diejenigen Fachkrä3e, die am engsten mit Kindern arbeiten, bei der Vertretung der Interessen von Kindern an der Spitze der Hierarchie stehen. ● Wesentlich für den Kinderschutz sind lokale Netzwerke aller Fachkrä3e, die mit Kindern zu tun haben, zum Beispiel Bildungseinrichtungen (Schule und Kindergarten), Polizei, Sozialarbeit, Jurist*innen an Gerichten, Gesundheitsfachkrä3e und Fachkrä3e aus spezialisierten Einrichtungen wie Frauenhäusern oder Kinderberatungsstellen. ● Solche Netzwerke stärken die einrichtungsübergreifende Arbeit und bauen professionelle Beziehungen auf. Das versetzt die verschiedenen Einrichtungen in die Lage, bei Verdacht auf oder Vorliegen von Gewalt gegen Kinder koordiniert vorzugehen, und erspart es den Kindern, immer wieder aufs Neue über quälende Dinge sprechen zu müssen. 17 ● Fachkrä3e, die mit Kindern arbeiten, übernehmen die wichge Aufgabe, unsere zukün3ige Gesellscha3 zu gestalten. Diese Arbeit ist zu würdigen, und es erfordert höhere Invesonen zum Ausbau der Kapazitäten. ● Fachkrä3e, die für die Vertretung von Kindern verantwortlich sind, sollten sich wieder auf ihre polischen Wurzeln besinnen. Kinderrechte sind Menschenrechte und unsere Zukun3. Handout M1:3 Präventionsarbeit – ein paar Beispiele Schulen ● Es ist notwendig, Kindern beizubringen, was eine gesunde Beziehung und was eine Gewaltbeziehung ist. ● Es ist notwendig, Kinder über ihr Recht auf ein Leben frei von Gewalt zu informieren. ● Das sollten die Lehrer*innen machen, die auch sonst an der Schule unterrichten, um zu unterstreichen, dass die Schule ein sicherer Ort für Kinder ist und dass Lehrer*innen angemessen reagieren können, wenn Kinder Hilfe brauchen. ● Kinder müssen wissen, an wen sie sich in ihrer Schule und in ihrem sozialen Umfeld wenden können, wenn sie über ihre Gewalterfahrungen sprechen möchten. ● Größere Kinder können als Peer Counsellors in der Beratung und Unterstützung von Gleichaltrigen geschult werden, das baut Barrieren für Kinder ab, die Hilfe suchen. Kinderschutzeinrichtungen/Jugendämter ● könnten Gruppen für MüDer und Kinder anbieten, um Barrieren abzubauen, die daran hindern könnten, um Hilfe zu biDen. ● Sicherheitseinschätzungen für Kinder, die häusliche Gewalt erlebt haben oder erleben, müssen eine Selbstverständlichkeit sein. o Wissen zum Beispiel Lehrer*innen, wer Kinder von der Schule abholen darf und wer nicht? Sind die Kinder auf dem Weg zur und von der Schule sicher? Wissen sie, wo an den Orten, an denen sie sich o3 au_alten, geschützte Räume bzw. vertrauenswürdige Ansprechpersonen be5nden? o Es ist ein guter Ausgangspunkt, die Bemühungen einer MuDer, ihr Kind zu schützen, anzuerkennen und wertzuschätzen. Frauen dürfen nicht für Männergewalt verantwortlich gemacht werden; viele von ihnen haben darum gerungen, unter schwierigen Umständen das Beste für ihre Familie zu tun. Einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit ● Um unkoordiniertes Vorgehen zu vermeiden, brauchen Fachkrä3e genormte Praxisprotokolle; diese müssen mit anderen Einrichtungen im Einklang stehen, es muss zum Beispiel einheitliche Protokolle für den Informaonsaustausch zwischen Einrichtungen geben (Polizei, Gerichte, Kinderfürsorge, Frauenhäuser etc.). Das Thema Vertraulichkeit ist auf eine Weise zu lösen, die den Kinderrechten und dem Kindeswohl zuträglich ist: Darf zum Beispiel die Polizei Einsicht in Paent*innenakten fordern? ● Divergierende Herangehensweisen verschiedener Einrichtungen, die mit Fällen von Gewalt gegen Kinder befasst sind, sind im Interesse des Kindeswohls zu lösen. Kommunikaon und Transparenz sind wesentlich, und Projekte wie „Childhood Houses“ (siehe Praxisbeispiele) können dazu beitragen, damit verbundene Probleme zu lösen. ● Interpreeren alle Einrichtungen, die mit dem Kindeswohl befasst sind, Gesetze und Vorschri3en gleich? Ist das von Ort zu Ort unterschiedlich? De5nieren zum Beispiel alle 18 Einrichtungen es als Gewalt gegen Kinder, wenn diese Zeug*innen von häuslicher Gewalt werden? Diese Fragen sind zu klären und zu lösen, um eine kohärente Rechtsanwendung zu gewährleisten. Handout M1:4 Wie lässt sich bei Kindern Resilienz aufbauen ● Resilienz ist die Fähigkeit, sich an Schicksalsschläge oder unerwünschte Veränderungen anzupassen; alle Einrichtungen, die mit Kindern interagieren, die häusliche Gewalt miterleben, können dazu beitragen, die Resilienz eines Kindes aufzubauen. ● Das Miterleben von häuslicher Gewalt (also Beziehungsgewalt zwischen ihren Eltern oder Eltern5guren) macht Kinder anfälliger dafür, selbst körperliche, emoonale, 5nanzielle und sexuelle Gewalt zu erfahren. ● Es ist wichg zu erkennen, dass in den allermeisten Fällen die Beziehung des Kindes zu seiner MuDer ein ganz wesentlicher Resilienzfaktor ist. ● Selbst posive Intervenonen – zum Beispiel wenn die MuDer den gewalDägen Partner verlässt – bringen ihre Lebenssituaon (wo sie wohnen, wo sie in die Schule gehen, ihren örtlichen Freund*innenkreis) durcheinander. ● Unter Umständen stehen sie vor zusätzlichen Entwicklungsbarrieren, weil sie ethnischen Minderheiten angehören, oder sind aufgrund ihrer eigenen körperlichen oder psychischen Behinderung (oder der eines Elternteils) mit Diskriminierungen konfronert. ● Resilienz baut auf äußeren und inneren Schutzfaktoren und Ressourcen auf. ● Äußere Faktoren: o Kinder brauchen Zugang zu einer smulierenden Lernumgebung, nicht nur in der Schule, sondern auch in ihrer Freizeit. Sie brauchen die Möglichkeit, sich mit anderen Kindern anzufreunden (was zuvor möglicherweise nur eingeschränkt möglich war). o Kinder brauchen Kontakt zu posiven Rollenmodellen und vertrauenswürdigen Erwachsenen, auf die sie sich verlassen können. ● Innere Ressourcen: o Kinder bauen Vertrauensverhältnisse auf, in denen sie sich wertgeschätzt, respekert und akzepert fühlen. o Durch Spielen und andere gemeinsame Freizeitakvitäten lernen Kinder, mit Problemen umzugehen und Lösungen zu 5nden. Das stärkt ihre Fähigkeit, mit Stress umzugehen, Verantwortung zu übernehmen und sich aus der Opferrolle heraus zu einer selbstbewussten Person zu entwickeln, die Erfolg haben kann. ● Es ist wichg, dass Fachkrä3e Kindern dabei beistehen, zu erkennen, welche inneren und äußeren Faktoren ihnen beim AuVau von Resilienz helfen. ● Es ist notwendig, Kompetenzen, Eigenscha3en oder Talente herauszuarbeiten, die Kinder haben; diese können entwickelt werden, um Kindern posive Rückmeldungen zu geben. ● Zu welchen Ressourcen (Sporteinrichtungen, Schüler*innen-Bands, Vereine etc.) kann ihnen der Zugang ermöglicht werden? ● Welche Hilfe gibt es bereits für sie? ● Welche Faktoren (Personen und Orte), die ihnen dabei helfen, unangenehme Lebenserfahrungen abzufedern, können Kinder in ihrem eigenen Leben erkennen? 19 ● Wie können Fachkrä3e ihnen dabei helfen, sich Informaonen und Ressourcen zu verschaFen, mit denen sie die Charakterzüge entwickeln können, die ihre Verletzlichkeit verringern und ein geschütztes Umfeld auVauen? ● Sorgen Sie dafür, dass Kinder wissen, was geschieht, was möglicherweise mit ihnen passieren wird, was ihre Rechte sind und wo sie Informaonen und Rat bekommen. Gruppenarbeit, Abschlussrunde Ziel dieser Abschlussrunde ist das Konsolidieren und Bewerten der Lernerfahrung. Alle Gruppen bekommen dieselbe Aufgabe: auf einem Plakat oder dergleichen eine bildliche Zusammenfassung des Gelernten zu geben und aufzuzeigen, welche SchriDe unternommen werden können, um die Probleme zu lösen und die Fragen zu beantworten, die in der zweiten Gruppenarbeits-Runde aufgetaucht sind. In dieser Phase ist es wichg, aufzuzeigen, was die Teilnehmenden in ihrer eigenen Arbeitspraxis tun können, um die neuen Herangehensweisen und Ideen umzusetzen, um den Bedürfnissen von Kindern, mit denen sie in ihrer täglichen Arbeit zu tun haben, gerecht zu werden. Die Plakate werden aufgehängt und alle lesen sich die Plakate aller Gruppen durch. In der Abschlussphase fasst die* Schulungsleiter*in den Inhalt des Tages zusammen. Inwieweit wurde den teilnehmenden Fachkrä3en klar, welche Veränderungen sie in ihrer Arbeitspraxis vornehmen können, um ihre Arbeit für Kinder zu verbessern? Inwieweit wurde klar, welche Veränderungen erforderlich sind, damit Fachkrä3e ihre Arbeit für Kinder verbessern können? Es ist wichg, dafür zu sorgen, dass jede* Teilnehmende am Ende der Schulung mindestens eine Idee, die sie* in der Arbeit umsetzen kann, und hoFentlich einen nützlichen neuen Kontakt mitnimmt. PRAXISBEISPIEL M1: KINDER IM FRAUENHAUS WILLKOMMEN HEISSEN Es ist wichg, Kinder, die in ein Frauenhaus kommen, in ihrem neuen Zuhause willkommen zu heißen. Im Frauenhaus Lübeck bekommen Kinder eine Informaonsbroschüre, die eigens für sie erstellt wurde, sie ist mit Kinderkunst geschmückt und enthält Aussagen von Kindern darüber, wie es ist, im Frauenhaus zu leben. Das hil3 ihnen dabei, sich dort ebenfalls zu Hause zu fühlen. Sie bekommen auch ein WillkommensNugblaD, das in mehreren Sprachen verfasst ist. Im dänischen Frauenhaus Holstebro bekommen Kinder beim Einzug ins Frauenhaus einen Rucksack mit Spielsachen, prakschen Gegenständen und schri3lichen Informaonen für sie. Diese werden von einer S3ung von Prinzessin Mary zur Verfügung gestellt. Das Frauenhaus verteilt an Kinder und deren MüDer auch Exemplare der UN-Kinderrechtskonvenon, auf denen seine Arbeit fußt. 20 Modul 2: Was brauchen Kinder, bei denen der Verdacht auf das Miterleben von häuslicher Gewalt besteht? Einleitung Die* Schulungsleiter*in heißt die Gruppe bei der Schulungseinheit willkommen und biDet alle, ihren Namen, den Namen ihrer Organisaon und ihre Rolle innerhalb der Organisaon zu nennen. Danach gibt die* SchulungsleiterIn einen kurzen Überblick über das Thema. Das sollte nicht länger als 10 Minuten dauern und folgende Punkte umfassen: ● Für Kinder, die häusliche Gewalt miterleben, besteht eine erhöhte Gefahr, selbst körperliche, sexuelle und emoonale Gewalt zu erfahren. ● Wenn sie verbale, körperliche und sexuelle Gewalt sowie zwangha3es Kontrollverhalten gegenüber ihrer MuDer erleben, ist das Gewalt gegen Kinder. ● Fachkrä3e im Kinderschutzbereich brauchen Unterstützung, um die Kompetenzen und das Selbstvertrauen zu entwickeln, mit Kindern über den Verdacht auf Gewalt in ihrem Zuhause zu sprechen39. Einstieg Im Anschluss an die Einleitung sollen die Teilnehmenden Gruppen zu viert oder zu fün3 bilden. Es ist wichg, dass die Gruppen in Hinblick auf beruNiche Rolle und Arbeitsplatz der Teilnehmenden gut gemischt sind. Da sich die Schulung an Fachkrä3e wendet, die mit Kindern arbeiten, ist davon auszugehen, dass alle eine gewisse Erfahrung im Umgang mit häuslicher Gewalt mitbringen. Ziel dieser ersten Gruppenarbeit ist es, herauszu5nden, was die Teilnehmenden bereits über das Thema wissen. Alle Gruppen sollen dieselbe Situaon besprechen. Sie haben Zeit, über ihre AuFassung der Situaon und ihre Erfahrung damit zu sprechen. Zugleich lernen sie einander kennen und erfahren, welche verschiedenen Rollen, Verantwortungen und Prioritäten die einzelnen Kinderschutzeinrichtungen haben. Sie schaFen auch einen Rahmen für die Informaonen, die im nächsten SchriD eingebracht werden. M2: Gruppenarbeit 1 – zu besprechende Situation Sie wissen oder vermuten, dass ein Kind, das Probleme hat, häusliche Gewalt erlebt. Wie gehen Sie es an, mit dem Kind darüber zu sprechen? Die Gruppenaufgabe besteht darin, ein Stück weit eine gemeinsame Sicht auf die zu besprechende Situaon zu entwickeln sowie mögliche Erwartungen an die Schulung hinsichtlich des Umgangs mit dieser Situaon zu klären. Bei allen Übungen sollte die* Schulungsleiter*in darauf achten, dass die Teilnehmenden Intersekonalität berücksichgen und die Bedürfnisse von Schwarzen und minorisierten Frauen, von Kindern mit interethnischen Wurzeln sowie von Frauen und Kindern mit körperlichen und psychischen Problemen mit einbeziehen. Die besonderen Bedürfnisse jeder einzelnen Familie sind dadurch geprägt, wie diese und andere Faktoren sich darauf auswirken, ob und wie sie sich Zugang zu Ressourcen und Unterstützung verschaFen kann. 21 Aufgabe der* Schulungsleiter*in ist es, zwischen den Gruppen herumzugehen, da und dort zuzuhören, gegebenenfalls zusätzliche Informaonen zu geben, die Diskussion zu lenken oder Ideen zusammenzuführen. Nach einiger Zeit (jede*r sollte genug Zeit haben, sich einzubringen) präsenert jede Gruppe den anderen eine Zusammenfassung ihrer Diskussion. Anhand dieser Präsentaonen erfährt die* Schulungsleiter*in, wer was weiß. Das ist weniger langweilig für jene, die bereits viel Erfahrung mit oder Wissen über das Schulungsthema mitbringen, denn sie können sich stärker in die Diskussion einbringen, und diejenigen, für die die Informaonen neu sind, können durch die Diskussion lernen, sodass danach alle annähernd dieselbe Ausgangsbasis haben. Im Verlauf der Präsentaonen kann die* Schulungsleiter*in die nachstehenden Punkte ansprechen. Dieses BlaD kann kopiert, gegebenenfalls ergänzt und abgeändert und verteilt werden. Im Anschluss an Feedback und Diskussion lassen Sie der Gruppe Zeit für eine großzügig bemessene Pause, in der die Teilnehmenden Punkte informell weiter besprechen können. Handout M2:1 Sie wissen oder vermuten, dass ein Kind, das Probleme hat, häusliche Gewalt erlebt. Wie gehen Sie es an, mit dem Kind darüber zu sprechen? ● Nehmen Sie sich bei jeder Gelegenheit Zeit für Kinder, zeigen Sie, dass Sie sich für sie interessieren und dass sie mit Ihnen sprechen können. Weniger ist mehr. Mit kleineren Kindern können Sie auf spielerische Weise Kontakt aufnehmen, z. B. über Singen oder Gedichte. ● Es kann sein, dass Kinder Zeit brauchen, um über ihre Probleme oFen zu sprechen, und erst ein Vertrauensverhältnis auVauen müssen. Vielleicht testen sie Erwachsene, indem sie ein bisschen erzählen und abwarten, wie die Erwachsenen reagieren. Bleiben Sie ruhig und unterstützend und sagen Sie den Kindern, dass Sie sich freuen, dass sie mit Ihnen sprechen, und dass Sie ihnen helfen wollen. ● Beobachten Sie, wie Kinder sich gegenüber anderen und untereinander verhalten. Jedes Kind ist anders. Wie Kinder Beziehungen zu Erwachsenen herstellen, hängt von Alter, Geschlecht, Fähigkeiten/Einschränkungen und ethnischer Zugehörigkeit ab. Es kann hilfreich sein, wenn Kinder sich in den Fachkrä3en gespiegelt sehen, mit denen sie zu tun bekommen. ● Gewalt in ihrem Zuhause hat Kindern möglicherweise nahegelegt, es sei ihre Aufgabe, ruhig und loyal zu sein. Es kann sehr schlimm für sie sein, mit jemandem außerhalb der Familie über etwas zu sprechen, das vielleicht ein großes Familiengeheimnis ist. Häusliche Gewalt kann sowohl die Familie als Ganzes als auch einzelne Familienmitglieder voneinander isolieren. ● Es ist wichg, Kinder dahingehend zu beruhigen, dass das, was geschehen ist, nicht ihre Schuld war. ● Kinder brauchen Unterstützung dabei, sich ihre Erlebnisse ins Bewusstsein zu rufen und wieder Zugang zu ihren Gefühlen zu bekommen. ● Beachten Sie das Besondere und das Allgemeine in dem, was Kinder Ihnen erzählen 40. Im DurchschniD erleben Kinder aus Flüchtlings- und ethnischen Minderheitengemeinscha3en länger 22 häusliche Gewalt, weil es für sie schwieriger ist, Hilfe zu suchen. So können etwa manche Kinder aus ethnischen Minderheiten befürchten, sie selbst oder ihre MuDer könnten ausgewiesen werden, wenn sie etwas sagen. Sie können Rassismus erlebt oder Angst davor haben. Manche Kinder aus LGBTIQ-Familien sind PNege- oder Adopvkinder und befürchten vielleicht, ihren Familien weggenommen zu werden. Hören Sie den Kindern zu und nehmen Sie ihre Sorgen ernst. ● Kinder sind verschieden und es ist darauf zu achten, zum Beispiel Kindern mit Behinderungen zu ermöglichen, dass ihre Erfahrungen anerkannt werden. Kinder mit Behinderungen kommunizieren möglicherweise nonverbal. ● Stülpen Sie Kindern nicht die Denkweisen und Normen Erwachsener über. Hören Sie sich an, was sie Ihnen erzählen, und verwenden Sie ihre Sprache, um zu beschreiben, was geschehen ist. Finden Sie heraus, welche Sorgen sie haben – sie sind vielleicht beunruhigt über Drohungen, die ausgesprochen wurden. ● Denken Sie daran, dass Kinder, die eine Unmenge FantasiebegriFe verwenden, wenn sie beschreiben, was geschehen ist, unter Umständen traumasiert sind. ● Manche Frauen haben keinen Anspruch auf öFentliche MiDel, ihre Kinder haben dennoch Anspruch auf Unterstützung und sollen diese erhalten. ● Untersuchungen in Deutschland41 und Norwegen42 zeigen, dass Fachkrä3e im Kinderschutzbereich besonders ungern mit Kindern über den Verdacht auf Gewalt, insbesondere zu Hause, sprechen. ● MüDer sind eine unschätzbare Informaonsquelle über das Wohlergehen der Kinder, zum Beispiel wie sie sich zu Hause verhalten, ob sie gut schlafen oder Albträume haben. Wenn eine Frau spürt, dass ihre Bemühungen um den Schutz ihres Kindes anerkannt und wertgeschätzt werden, wird sie Unterstützung beim Schutz ihres Kindes gern annehmen. Weitere Informaonen über die Rolle der MüDer siehe Module 5–8. Bilden Sie neue Gruppen, sodass in jeder Gruppe jetzt Teilnehmende sind, die zuvor noch nicht in derselben Gruppe waren. Alle Gruppen bekommen dieselben Informaonen und haben dieselbe Aufgabe. M2: Gruppenarbeit 2 – zu besprechende Situation Nach dem Gespräch mit dem Kind ist Ihnen klar, dass häusliche Gewalt in seinem Zuhause ernstha3e schädliche Auswirkungen auf das Kind hat. Was tun Sie und was brauchen Sie für eine erfolgreiche Lösung? Die Gruppenaufgabe besteht NICHT darin, LÖSUNGEN ZU FINDEN, sondern vielmehr HINDERNISSE UND SCHWIERIGKEITEN HERAUSZUARBEITEN. Welche Veränderungen können erforderlich sein … ● in der eigenen Arbeitsweise, ● in der Arbeitsweise ihrer Organisaon, ● auf instuoneller Ebene, ● auf rechtlicher Ebene. ● Lassen sich Vorgehensweisen vereinfachen? 23 ● Was bedeutet das für den die Ressourcenbedarf? ● Was wäre wirklich hilfreich für ein posives Ergebnis? Jede Gruppe präsenert die Ergebnisse ihrer Diskussion. Da sich alle Gruppen mit denselben Informaonen befassen müssen, muss die* Schulungsleiter*in die wichgsten Fragen und Probleme aus allen Gruppen erfassen. Während dieses Feedbackgesprächs kann sich unter der Anleitung der* Schulungsleiter*in jede*r einzelne durch Beantworten der Fragen und Finden von Lösungen für die Probleme einbringen. Nach dieser Runde gibt es eine Erfrischungspause, in der Zeit für informelle Gespräche und Vernetzungen ist. Handout M2:2 Die Bedeutung von einrichtungsübergreifender Vernetzung Die Untersuchung von Bookhagen43 über jene Faktoren, die die anhaltende Präsenz verschiedener Formen von Gewalt nach einer Trennung aufgrund häuslicher Gewalt beeinNussen, zeigte auf, welche Paradoxa und Dilemmata es im Intervenonssystem gibt, die durch einrichtungsübergreifende Vernetzung und Zusammenarbeit gelöst werden können, die den Handlungsrahmen verändern. ● Fachkrä3e müssen geschult sein im Erkennen von häuslicher Gewalt, die über körperliche Gewalt und die Folgen des Machtungleichgewichts in der Beziehung hinausgeht. Die ersten damit konfronerten Einrichtungen sind o3 nicht darauf spezialisiert und brauchen Informaonen über häusliche Gewalt. ● Frauen und Kinder sind am gefährdetsten, wenn sie die Gewaltbeziehung verlassen. Zu dieser Zeit kann Gewalt eskalieren und tödliche Folgen haben. Intervenonen müssen zeitlich sorgfälg geplant werden. ● Gelingt es Fachkrä3en nicht, sich mit den Tätern zu befassen, so bedeutet das, dass diese nicht die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Das hat schwerwiegende Folgen, wenn sie nach der Trennung Kontakt zu den Kindern haben. ● Häusliche Gewalt zu beenden, ist ein interdisziplinäres Ziel, aber Besmmungen über die anwaltliche Verschwiegenheit können den Schutz von Kindern erschweren. ● Rollenbeschränkungen und Unterstellungen wirken sich darauf aus, welche Informaonen wem weitergegeben werden und welche Empfehlungen das Handeln besmmen. Das kann dazu führen, dass die am schlechtesten Informierten die größte Entscheidungsmacht haben. ● Es gibt drei grundlegende Paradoxa: o Ein Krisenintervenonssystem steht chronischer Gewalt gegenüber. o Ressourcenintensive Fälle stehen ressourcenschwachen Systemen gegenüber. o Langsame Strafverfolgungsprozesse stehen im Widerstreit zu schnellen Klärungen von Besuchsrechten. Diese Paradoxa lassen sich am besten durch Vernetzungskompetenz lösen. Vernetzungskompetenz bedeutet: 24 ● die Fähigkeit, über den Tellerrand der eigenen Einrichtung hinaus die Perspekve von Prakken anderer Fachkrä3e einzunehmen und dieses Wissen in einem interdisziplinären Rahmen anzuwenden, ● die Bereitscha3 und Fähigkeit, Anregungen aus der gemeinsamen Arbeit mit anderen Fachkrä3en aufzunehmen und in der eigenen Einrichtung anzuwenden, ● die Fähigkeit, instuonellen Widerstand zu bekämpfen und prakkable Alternaven zu entwickeln, ● die Fähigkeit zur (Selbst-) Evaluierung der Ergebnisse, die für jene erzielt wurden, die von häuslicher Gewalt betroFen sind, sowie für deren Kinder 44. Es bedarf angemessener einrichtungsübergreifender Zusammenarbeit, um zu gewährleisten: ● dass Fachkrä3e gut genug über die Dynamiken von häuslicher Gewalt und ihre Auswirkungen auf Kinder Bescheid wissen, ● dass eindeug Stellung gegen häusliche Gewalt bezogen wird, ● dass Ressourcen für das Erstellen einer Wissensgrundlage über den Fall und das Umsetzen von Empfehlungen vorhanden sind, ● dass die VermiDlung von Fachwissen und Empfehlungen an andere Einrichtungen funkoniert. Gruppenarbeit, Abschlussrunde Ziel dieser Abschlussrunde ist das Konsolidieren und Bewerten der Lernerfahrung. Alle Gruppen bekommen dieselbe Aufgabe: auf einem Plakat oder dergleichen eine bildliche Zusammenfassung des Gelernten zu geben und aufzuzeigen, welche SchriDe unternommen werden können, um die Probleme zu lösen und die Fragen zu beantworten, die in der zweiten Gruppenarbeits-Runde aufgetaucht sind. In dieser Phase ist es wichg, aufzuzeigen, was die Teilnehmenden in ihrer eigenen Arbeitspraxis tun können, um die neuen Herangehensweisen und Ideen umzusetzen, um den Bedürfnissen von Kindern, mit denen sie in ihrer täglichen Arbeit zu tun haben, gerecht zu werden. Die Plakate werden aufgehängt und alle lesen sich die Plakate aller Gruppen durch. In der Abschlussphase fasst die* Schulungsleiter*in den Inhalt des Tages zusammen. Inwieweit wurde den teilnehmenden Fachkrä3en klar, welche Veränderungen sie in ihrer Arbeitspraxis vornehmen können, um ihre Arbeit für Kinder zu verbessern? Inwieweit wurde klar, welche Veränderungen erforderlich sind, damit Fachkrä3e ihre Arbeit für Kinder verbessern können? Es ist wichg, dafür zu sorgen, dass jede* Teilnehmende am Ende der Schulung mindestens eine Idee, die sie* in der Arbeit umsetzen kann, und hoFentlich einen nützlichen neuen Kontakt mitnimmt. 25 PRAXISBEISPIEL M2: KINDERN DABEI HELFEN, SICH ÜBER GEFÜHLE KLAR ZU WERDEN UND MIT SORGEN UMZUGEHEN Cheshire without Abuse (Cheshire ohne Gewalt), England, hat die Figur des Monkey Bob entwickelt, um Kindern dabei zu helfen, sich durch Spiel und Ausmalen über ihre Gefühle klar zu werden. Kinder bekommen ein „Sorgenmonster“ und werden angeregt, ihre Sorgen aufzuschreiben oder zu zeichnen und sie an das Sorgenmonster zu „verfüDern“, das ein großes Maul hat und sie alle auFrisst45. 26 Modul 3: Was brauchen Kinder, deren Eltern (oder ElternBguren) sich aufgrund von häuslicher Gewalt getrennt haben? Einleitung Die* Schulungsleiter*in heißt die Gruppe bei der Schulungseinheit willkommen und biDet alle, ihren Namen, den Namen ihrer Organisaon und ihre Rolle innerhalb der Organisaon zu nennen. Danach gibt die* Schulungsleiter*in einen kurzen Überblick über das Thema. Das sollte nicht länger als 10 Minuten dauern und folgende Punkte umfassen: Trennung oder Scheidung wird bei häuslicher Gewalt o3 als Lösung angesehen. Für Kinder und Frauen ist das Problem damit aber noch nicht vom Tisch. Kinder brauchen Zeit und Unterstützung, um sich von der Belastung, in einem gewalDägen Zuhause aufgewachsen zu sein, zu erholen. Manche Kinder wollen vielleicht langfrisg weiterhin mit beiden Elternteilen und mit Verwandten sowohl müDerlicher- als auch väterlicherseits Kontakt haben. Andere Kinder wollen so einen Kontakt überhaupt nicht, sind aber durch gerichtliche Anordnungen dazu gezwungen. Viele Kinder fühlen sich wahrscheinlich zuefst zwiespälg und/oder hin und her gerissen, was den Kontakt zum nicht sorgeberechgten Elternteil und zu anderen Angehörigen betri`. Manchen Familien gelingt es, den Kontakt des Kindes zu beiden Seiten der Familie harmonisch zu gestalten, aber nach einer Trennung aufgrund häuslicher Gewalt kann es schwierig sein, nachhalge konstrukve Kontaktregelungen aufrechtzuerhalten. Untersuchungen zufolge smmten zwar die meisten Frauen, die sich aufgrund häuslicher Gewalt trennten, zunächst dem Kontakt zwischen ihrem Kind und ihrem Ex-Partner zu, aber innerhalb von zwei Jahren machten sich die meisten Frauen Sorgen, weil ihr Ex-Partner schlechten EinNuss ausübte (75 %) und weil er nicht versuchte, ein guter Vater zu sein (66 %), und über die Häl3e haDe Angst um die Sicherheit ihres Kindes und um ihre eigene Sicherheit 46. Kinder wollen nur dann Kontakt mit ihrem Vater, wenn der Kontakt erfreulich und verlässlich ist 47. Für Kinder besteht nach Trennung oder Scheidung ihrer Eltern die Gefahr einer schweren Schädigung: ● durch Stalking und Beläsgung des Kindes oder der MuDer, die in den meisten Fällen die Hauptsorgeberechgte ist, ● indem sie Zeug*innen von Gewalt gegenüber ihrer MuDer werden, wenn sie sie zu Kontaktbesuchen zu ihrem Vater bringt, ● indem sie bei Kontaktbesuchen selbst verbale, emoonale, körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren, ● indem sie dafür benutzt werden, Informaonen über den anderen Elternteil herauszubekommen und Nachrichten zwischen den Eltern zu überbringen, ● indem sie gezwungen werden, sich für einen Elternteil zu entscheiden, ● weil sie einen LoyalitätskonNikt zwischen den Eltern geraten, o3 noch Jahre nach der Trennung und/oder Scheidung der Eltern. Das kann bei Kindern gravierende langfrisge Schädigungen hervorrufen. Für manche kann es tödlich enden. Darüber hinaus leiden manche Kinder darunter, keinen oder zu wenig Kontakt zu ihrem Vater zu haben, weil dieser (als nicht 27 sorgeberechgter Elternteil) nicht gewillt oder nicht imstande ist, Kontakt zu seinen Kindern zu halten. Einstieg Im Anschluss an die Einleitung sollen die Teilnehmenden Gruppen zu viert oder zu fün3 bilden. Es ist wichg, dass die Gruppen in Hinblick auf beruNiche Rolle und Arbeitsplatz der Teilnehmenden gut gemischt sind. Da sich die Schulung an Fachkrä3e wendet, die mit Kindern arbeiten, ist davon auszugehen, dass alle eine gewisse Erfahrung im Umgang mit häuslicher Gewalt mitbringen. Ziel dieser ersten Gruppenarbeit ist es, herauszu5nden, was die Teilnehmenden bereits über das Thema wissen. Alle Gruppen sollen dieselbe Situaon besprechen. Sie haben Zeit, über ihre AuFassung der Situaon und ihre Erfahrung damit zu sprechen. Zugleich lernen sie einander kennen und erfahren, welche verschiedenen Rollen, Verantwortungen und Prioritäten die einzelnen Kinderschutzeinrichtungen haben. Sie schaFen auch einen Rahmen für die Informaonen, die im nächsten SchriD eingebracht werden. M3: Gruppenarbeit 2 – zu besprechende Situation Was brauchen Kinder, deren Eltern (oder Eltern5guren) sich aufgrund von häuslicher Gewalt getrennt haben? Die Teilnehmenden sollen überlegen, was die Kinder zunächst in der „Gesundungsphase“ und danach ihre weitere Kindheit lang brauchen. Die Gruppenaufgabe besteht darin, ein Stück weit eine gemeinsame Sicht auf die zu besprechende Situaon zu entwickeln sowie mögliche Erwartungen an die Schulung hinsichtlich des Umgangs mit dieser Situaon zu klären. Bei allen Übungen sollte die* Schulungsleiter*in darauf achten, dass die Teilnehmenden Intersekonalität berücksichgen und die Bedürfnisse von Schwarzen und minorisierten Frauen, von Kindern mit interethnischen Wurzeln sowie von Frauen und Kindern mit körperlichen und psychischen Problemen mit einbeziehen. Die besonderen Bedürfnisse jeder einzelnen Familie sind davon geprägt, wie diese und andere Faktoren sich darauf auswirken, ob und wie sie sich Zugang zu Ressourcen und Unterstützung verschaFen können. Aufgabe der* Schulungsleiter*in ist es, zwischen den Gruppen herumzugehen, da und dort zuzuhören, gegebenenfalls zusätzliche Informaonen zu geben, die Diskussion zu lenken oder Ideen zusammenzuführen. Nach einiger Zeit (jede*r sollte genug Zeit haben, sich einzubringen) präsenert jede Gruppe den anderen eine Zusammenfassung ihrer Diskussion. Anhand dieser Präsentaonen erfährt die* Schulungsleiter*in, wer was weiß. Das ist weniger langweilig für jene, die bereits viel Erfahrung mit oder Wissen über das Schulungsthema mitbringen, denn sie können sich stärker in die Diskussion einbringen, und diejenigen, für die die Informaonen neu sind, können durch die Diskussion lernen, sodass danach alle annähernd dieselbe Ausgangsbasis haben. 28 Im Verlauf der Präsentaonen kann die* Schulungsleiter*in die nachstehenden Punkte ansprechen. Dieses BlaD kann kopiert, gegebenenfalls ergänzt und abgeändert und verteilt werden. Im Anschluss an Feedback und Diskussion lassen Sie der Gruppe Zeit für eine großzügig bemessene Pause, in der die Teilnehmenden Punkte informell weiter besprechen können. Handout M3:1 Welche langfristige Unterstützung brauchen Kinder, die nicht mehr mit beiden Elternteilen zusammenleben? ● Kinder müssen glücklich sein können und wieder Kinder sein dürfen. Manche von ihnen mussten bei GewalDaten zu viel Verantwortung übernehmen (um ihre MuDer zu schützen, sich um jüngere Geschwister zu kümmern). Wenn so eine „Rollenumkehr“ staDgefunden hat und Kinder die Elternrolle übernommen und sich um jüngere Geschwister gekümmert haben, müssen sie vielleicht von dieser Verantwortung befreit werden. ● Kinder brauchen Zeit für sich und nicht bloß problemzentrierte Aufmerksamkeit. ● Kinder müssen die Möglichkeit haben, sich auszudrücken. Beispiele für Projekte für Kinder in Frauenhäusern sind Radioprojekte, Kunstausstellungen (der Verkauf von Kinderkunst als Mauspads), Buchprojekte, Kinder-Bands und Kindertheatergruppen. All das gibt Kindern Gelegenheit, ihre Gefühle mitzuteilen. Gruppenprojekte für Kinder erfordern professionelle Betreuung, damit Kinder lernen können, gewaltlos mit KonNikten umzugehen. ● Kinder brauchen Zeit mit anderen Kindern, Gleichaltrigen und älteren Kindern, ohne ihre MüDer. ● Kinder brauchen die Möglichkeit zu sprechen, sie brauchen Ansprechpartner*innen (z. B. ältere Kinder mit ähnlichen Erfahrungen, die speziell geschult wurden). ● Kinder haben vielleicht mehrfache Veränderungen und Verluste erfahren – eine ökologische Perspekve48 hil3, diese aus der Perspekve eines Kindes zu verstehen. ● Hören Sie den Kindern zu und nehmen Sie sich Zeit herauszu5nden, was ihre Sorgen sind. Vielleicht fragen sie sich, wie ihr abwesender Elternteil ohne sie zurechtkommt. ● Es braucht mehr Beratungs- und Unterstützungsangebote für Kinder, zum Beispiel: o Online- oder Telefon-Anlaufstellen o Kindern muss es erlaubt sein, in ihrem eigenen Tempo und Rhythmus zu sprechen und den Opferstatus hinter sich zu lassen. o Buben brauchen vielleicht Kontakt zu männlichen Beratern und posiven männlichen Rollenmodellen. o Kinder brauchen möglicherweise Unterstützung dabei, eine nachhalge Beziehung zu ihrem nicht sorgeberechgten Elternteil aufzubauen. ● Manche Kinder, die psychische Gewalt erlebt haben, brauchen Zugang zu professioneller Hilfe. ● Frauenhäuser haben 50 Jahre Erfahrung darin, Kindern zu helfen, und umfassende Kenntnisse und Kompetenzen aufgebaut. Unterstützung dieser Art ist jedoch immer nur kurzfrisg. Eine designierte Kinderschutz-Fachkra3 für jedes Frauenhaus sensibilisiert für die Bedürfnisse von Kindern, um die sich in weiterer Folge die Jugendämter kümmern können, sobald die Kinder mit ihrer MuDer eine neue Wohnung bezogen haben. 29 Bilden Sie neue Gruppen, sodass in jeder Gruppe jetzt Teilnehmende sind, die zuvor noch nicht in derselben Gruppe waren. Alle Gruppen bekommen dieselben Informaonen und haben dieselbe Aufgabe. M3: Gruppenarbeit 2 – zu besprechende Situation Die MuDer von Kindern gemischter ethnischer Herkun3 hat Bedenken, diese ihren Vater besuchen zu lassen. Sie und ihr Partner haDen in der Familie eine sehr tradionelle Rollenverteilung, die Kinder wurden nie von ihrem Vater betreut. Aber er und seine Familie wollen die Kinder sehen und deren Beziehung zu ihrem kulturellen Erbe aufrechterhalten. Was können Sie tun, um diese Frau zu unterstützen? Was ist wichg? Was raten Sie ihr? Die Gruppenaufgabe besteht NICHT darin, LÖSUNGEN ZU FINDEN, sondern vielmehr HINDERNISSE UND SCHWIERIGKEITEN HERAUSZUARBEITEN. Die Informaonen, die die Gruppen erhalten, erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit; sie sollen zu neuen Ideen und neuen Arbeitsmodi führen. Welche Veränderungen können erforderlich sein … ● in der eigenen Arbeitsweise, ● in der Arbeitsweise ihrer Organisaon, ● auf instuoneller Ebene, ● auf rechtlicher Ebene. ● Lassen sich Vorgehensweisen vereinfachen? ● Was bedeutet das für den die Ressourcenbedarf? ● Was wäre wirklich hilfreich für ein posives Ergebnis? Jede Gruppe präsenert die Ergebnisse ihrer Diskussion. Da sich alle Gruppen mit denselben Informaonen befassen müssen, muss die* Schulungsleiter*in die wichgsten Fragen und Probleme aus allen Gruppen erfassen. Während dieses Feedbackgesprächs kann sich unter der Anleitung der/des Schulungsleiter*in jede*r einzelne durch Beantworten der Fragen und Finden von Lösungen für die Probleme einbringen. Nach dieser Runde gibt es eine Erfrischungspause, in der Zeit für informelle Gespräche und Vernetzungen ist. Handout M3:2 Wie lässt sich das Recht des Kindes auf Kontakt zu beiden Elternteilen unterstützen ● Kinder haben ein Recht auf Kontakt zu beiden Elternteilen, solange ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen dabei gewahrt sind. Bei der Verurteilung von Gewalt ist es wichg, dass alle das Verhalten (Gewalt) als falsch, nicht aber den Täter als schlechten Menschen bezeichnen. ● Die elterliche Kompetenz sollte eingeschätzt werden, bevor es zu einem Kontakt kommt. Es sollte möglich sein, in einem Gespräch zwischen Männern zu unterscheiden, die ein wirkliches 30 Interesse daran haben, ihre Kinder zu sehen, und solchen, die den Kontakt mit dem Kind dazu ausnützen wollen, ihre Ex-Partnerin weiterhin zu kontrollieren. ● Weiße Eltern von Kindern gemischter ethnischer Herkun3 können sich im Namen ihrer Kinder an Einrichtungen für Schwarze und minorisierte Gruppen wenden. ● Unter besmmten Umständen ist der Kontakt zwischen Kind und Vater nicht im Interesse des Kindes. In solchen Fällen ist eventuell Kontakt zu anderen Angehörigen (sofern dieser posiv ist und diese einsehen, dass der Schutz des Kindes unbedingte Priorität hat) oder gelegentlicher schri3licher oder indirekter Kontakt (Geburtstagskarten, Schulzeugnisse) möglich. ● Fachkrä3en muss bewusst sein, dass manche MüDer das Gefühl haben, sie müssten Kontaktregelungen zusmmen, auch wenn sie diese für nicht sicher halten, weil sie befürchten, ihr Ex-Partner könnte neuerlich (auch tödliche) Gewalt ausüben oder die Kinder en]ühren. ● Fachkrä3en muss auch bewusst sein, dass migransche Familien und Familien aus ethnischen Minderheiten zusätzliche Ängste haben können, etwa im Zusammenhang mit transnaonaler Gewalt und En]ührung, Bestrafungen im Namen der „Ehre“ oder ihrem Aufenthaltsstatus. ● Kinder wünschen sich vielleicht eine Verbindung zu ihrem früheren Leben und – sofern das auf eine Weise gestaltet werden kann, die dem Wohl des Kindes förderlich ist und die Sicherheit der MuDer nicht gefährdet – zu ihrem Vater. ● Es gilt Kindern zuzuhören, wenn es darum geht, welchen Kontakt sie möchten und wann. Manche Kinder machen deutlich, dass sie überhaupt keinen Kontakt wollen, und das ist zu respekeren. Sie können später ihre Meinung ändern (oder auch nicht), das ist ihr gutes Recht. Kinder „gehören“ ihren Eltern nicht. Ein Aussetzen des Kontakts kann zum Beispiel nach einer GewalDat angebracht sein, wenn diese dazu geführt hat, dass Kind und Vater nicht mehr zusammenleben. In diesem Fall brauchen Kinder (und ihre MüDer) wahrscheinlich Zeit und Unterstützung, um sich wieder zu fangen. ● Es muss mit dem Täter zu den Themen häusliche Gewalt und Elternscha3 gearbeitet werden. Wird der Kontakt wieder aufgenommen, so kann das telefonisch, per Brief oder E-Mail geschehen und sollte von einer erwachsenen Person begleitet werden, damit gewährleistet ist, dass das Kind weder Gewalt noch Zwang noch Manipulaon ausgesetzt ist. ● Die elterliche Kompetenz sollte eingeschätzt werden, bevor es zu einem Kontakt kommt. ● Kontakt muss nicht unter vier Augen und direkt staainden. Manche Väter, die Kontakt haben möchten, haDen nie allein die Verantwortung für das Kind und kennen das Kind, seine Gewohnheiten und Bedürfnisse zu wenig, daher ist Alleinverantwortung unter Umständen nicht ratsam. Manchen ist nicht klar, wie sie kind- und altersgerechten Kontakt zu Kindern gestalten können. Unter Umständen ist professionelle Beratung nög, wenn Kontaktbesuche dem Wohl des Kindes dienen und nicht gefährlich, mit Gewalt verbunden oder schlicht langweilig für das Kind sein sollen. ● Kontakt zu anderen Angehörigen (Großeltern, Tanten, Onkel, sofern sie nicht zur Gewalt beitragen, indem sie zum Beispiel die Auswirkungen der Gewalt bagatellisieren) kann – in oder ohne Anwesenheit des Vaters – sinnvoller sein. ● Wenn es zu direktem Kontakt kommt, sollte sich dieser in den Grenzen halten, innerhalb derer sich das Kind wohlfühlt, vielleicht besser fürs Erste ein paar Stunden staD gleich das ganze Wochenende. Er sollte regelmäßig mit dem Kind besprochen werden. 31 ● Allen Entscheidungen über die Zulässigkeit von Kontakt sollte eine Einschätzung der Sicherheit des Kindes und der Hauptsorgeberechgten/MuDer zugrunde liegen. Wird nach einer Unterbrechung wieder Kontakt aufgenommen, so sollte dies unter professioneller Begleitung geschehen, um die Auswirkungen auf das Kind und sein häusliches Leben zu beurteilen. Alle Veränderungen der Regelungen (etwa der Beginn von Übernachtungen) sind ebenfalls sorgfälg zu beurteilen und zu überprüfen. Die Sicherheit des Kindes steht an erster Stelle, und seine Sorgen sind ebenso wie die Sorgen der Hauptsorgeberechgten/MuDer ernst zu nehmen. ● Wesentlich für das Wohl des Kindes ist die Verfügbarkeit von Ressourcen, die gewährleisten, dass der Kontaktbesuch sicher verläu3, etwa in betreuten Kontaktzentren oder durch Täterprogramme, in denen es auch um Erziehungsfragen geht. ● Sollten Kinder irgendwann in PNege genommen werden müssen, müssen ihre speziellen Bedürfnisse abgedeckt werden, und wenn irgend möglich sollten sie von Menschen ihres kulturellen Umfelds aufgenommen werden. Sollte das nicht möglich sein, ist darauf zu achten, dass ihre Bedürfnisse nicht missachtet werden – dazu zählt richge Haut- und HaarpNege ebenso wie religiöse Gebräuche (auch betreFend Ernährung). Diese Fragen nicht zu beachten, ist instuoneller Rassismus, der für Gesundheit und emoonales Wohlergehen von Kindern schädlich ist. ● Wenn Kinder ihrer MuDer weggenommen werden, muss sie in die Lage versetzt werden, die rechtlichen Verfahren zu verstehen, und dabei unterstützt werden, sich über notwendige Veränderungen klar zu werden und diese umzusetzen, damit ihre Kinder zu ihr zurückkehren können. Gruppenarbeit, Abschlussrunde Ziel dieser Abschlussrunde ist das Konsolidieren und Bewerten der Lernerfahrung. Alle Gruppen bekommen dieselbe Aufgabe: auf einem Plakat oder dergleichen eine bildliche Zusammenfassung des Gelernten zu geben und aufzuzeigen, welche SchriDe unternommen werden können, um die Probleme zu lösen und die Fragen zu beantworten, die in der zweiten Gruppenarbeits-Runde aufgetaucht sind. In dieser Phase ist es wichg, aufzuzeigen, was die Teilnehmenden in ihrer eigenen Arbeitspraxis tun können, um die neuen Herangehensweisen und Ideen umzusetzen, um den Bedürfnissen von Kindern, mit denen sie in ihrer täglichen Arbeit zu tun haben, gerecht zu werden. Die Plakate werden aufgehängt und alle lesen sich die Plakate aller Gruppen durch. In der Abschlussphase fasst die* Schulungsleiter*in den Inhalt des Tages zusammen. Inwieweit wurde den teilnehmenden Fachkrä3en klar, welche Veränderungen sie in ihrer Arbeitspraxis vornehmen können, um ihre Arbeit für Kinder zu verbessern? Inwieweit wurde klar, welche Veränderungen erforderlich sind, damit Fachkrä3e ihre Arbeit für Kinder verbessern können? Es ist wichg, dafür zu sorgen, dass jede* Teilnehmende am Ende der Schulung mindestens eine Idee, die sie* in der Arbeit umsetzen kann, und hoFentlich einen nützlichen neuen Kontakt mitnimmt. 32 PRAXISBEISPIEL M3: DAFÜR SORGEN, DASS DIE STIMMEN DER KINDER GEHÖR FINDEN Es ist unerlässlich, in allen Berichten über häusliche Gewalt die Kinder zu Wort kommen zu lassen, zum Beispiel in Form von Zitaten oder Zeichnungen. Kinder können dazu angeregt werden, sich in Bildern, Theaterprojekten, Radioprojekten, Singen und Musik auszudrücken und ihre Werke ausstellen, veröFentlichen, ausstrahlen und auFühren zu lassen. Kinderkunst kann zum Dekorieren von Gebrauchsgegenständen verwendet und zwecks Spendensammlung verkau3 werden. Das alles stärkt Kinder. 33 Modul 4: Sexuelle Gewalt gegen Kinder Einleitung Die* Schulungsleiterin heißt die Gruppe bei der Schulungseinheit willkommen und biDet alle, ihren Namen, den Namen ihrer Organisaon und ihre Rolle innerhalb der Organisaon zu nennen. Danach gibt die* Schulungsleiter*in einen kurzen Überblick über das Thema. Das sollte nicht länger als 10 Minuten dauern und folgende Punkte umfassen: ● Für Kinder, die mit häuslicher Gewalt aufwachsen, besteht eine erhöhte Gefahr, selbst Misshandlung und sexuelle Gewalt zu erfahren. ● In mehreren Studien über Familien, in denen Kinder von Vätern oder Vater5guren vergewalgt wurden, zeigt sich eine hohe Inzidenz von häuslicher Gewalt gegen die MuDer des Kindes49. ● In retrospekven Studien über Erwachsene, die mit häuslicher Gewalt aufgewachsen waren, zeigte sich, dass mindestens ein DriDel von ihnen als Kind zu Hause sexuelle Gewalt erfahren haDe 50. ● Finkelhor stellt fest, dass der beste Schutz eines Kindes vor sexueller häuslicher Gewalt eine starke MuDer ist51, und Untersuchungen deuten darauf hin, dass die MuDer wahrscheinlich die erste oder sogar die einzige Person ist, der ein Kind von sexueller Gewalt erzählt 52. Häusliche Gewalt untergräbt die Autorität von Frauen in ihrem Zuhause. Sie werden selten Zeuginnen von sexueller Gewalt an einem Kind. Vielleicht scheinen ihnen Verhaltensweisen ihrer Partner „seltsam“ oder bedenklich, aber ihre Fähigkeit, etwas an ihrem Partner infrage zu stellen, wurde durch jahrelange Gewalt ausgehöhlt. ● Die Gesundung von Kindern hängt mit der Gesundung ihrer MüDer zusammen. Die Beziehung zwischen Kindern und ihren MüDern wieder in Ordnung zu bringen oder zu stärken, kann Zeit und Mühe erfordern, aber MüDer sind die wichgste Stütze für Kinder und Jugendliche. Einstieg Im Anschluss an die Einleitung sollen die Teilnehmenden Gruppen zu viert oder zu fün3 bilden. Es ist wichg, dass die Gruppen in Hinblick auf beruNiche Rolle und Arbeitsplatz der Teilnehmenden gut gemischt sind. Da sich die Schulung an Fachkrä3e wendet, die mit Kindern arbeiten, ist davon auszugehen, dass alle eine gewisse Erfahrung im Umgang mit häuslicher Gewalt mitbringen. Ziel dieser ersten Gruppenarbeit ist es, herauszu5nden, was die Teilnehmenden bereits über das Thema wissen. Alle Gruppen sollen dieselbe Situaon besprechen. Sie haben Zeit, über ihre AuFassung der Situaon und ihre Erfahrung damit zu sprechen. Zugleich lernen sie einander kennen und erfahren, welche verschiedenen Rollen, Verantwortungen und Prioritäten die einzelnen Kinderschutzeinrichtungen haben. Sie schaFen auch einen Rahmen für die Informaonen, die im nächsten SchriD eingebracht werden. M4: Gruppenarbeit 1 – zu besprechende Situation Eine Kindergärtnerin wendet sich an Sie und möchte Ihren Rat bezüglich eines vierjährigen Buben, den sie betreut. Sie macht sich Sorgen über das, was der Bub erlebt, wenn er jedes zweite Wochenende bei seinem Vater ist. Seine MuDer hat ihren Partner vor kurzem verlassen und behauptet, er habe sich ihr gegenüber kontrollierend und gewalDäg verhalten. Sie und ihr Sohn 34 leben derzeit in einem Frauenhaus. Der Bub erzählte von lusgen Spielen, die sein Vater mit ihm in der Badewanne spielt, bei denen sein „Pimmel spitz“ wird, und auch von Filmen mit „Damen ohne Kleider, die miteinander spielen“, die er bei seinem Vater sieht. Sie kann nicht glauben, was sie da hört; sie kennt den Vater des Buben, der gebildet und aDrakv ist, einen guten Job hat und ein „vorbildlicher Vater“ ist. Die Gruppenaufgabe besteht darin, ein Stück weit eine gemeinsame Sicht auf die zu besprechende Situaon zu entwickeln sowie mögliche Erwartungen an die Schulung hinsichtlich des Umgangs mit dieser Situaon zu klären. Bei allen Übungen sollte die* Schulungsleiter*in darauf achten, dass die Teilnehmenden Intersekonalität berücksichgen und die Bedürfnisse von Schwarzen und minorisierten Frauen, von Kindern mit interethnischen Wurzeln sowie von Frauen und Kindern mit körperlichen und psychischen Problemen mit einbeziehen. Die besonderen Bedürfnisse jeder einzelnen Familie sind davon geprägt, wie diese und andere Faktoren sich darauf auswirken, ob und wie sie sich Zugang zu Ressourcen und Unterstützung verschaFen können. Aufgabe der* Schulungsleiter*in ist es, zwischen den Gruppen herumzugehen, da und dort zuzuhören, gegebenenfalls zusätzliche Informaonen zu geben, die Diskussion zu lenken oder Ideen zusammenzuführen. Nach einiger Zeit (jede*r sollte genug Zeit haben, sich einzubringen) präsenert jede Gruppe den anderen eine Zusammenfassung ihrer Diskussion. Anhand dieser Präsentaonen erfährt die* Schulungsleiter*in, wer was weiß. Das ist weniger langweilig für jene, die bereits viel Erfahrung mit oder Wissen über das Schulungsthema mitbringen, denn sie können sich stärker in die Diskussion einbringen, und diejenigen, für die die Informaonen neu sind, können durch die Diskussion lernen, sodass danach alle annähernd dieselbe Ausgangsbasis haben. Im Verlauf der Präsentaonen kann die* Schulungsleiter*in die nachstehenden Punkte ansprechen. Dieses BlaD kann kopiert, gegebenenfalls ergänzt und abgeändert und verteilt werden. Im Anschluss an Feedback und Diskussion lassen Sie der Gruppe Zeit für eine großzügig bemessene Pause, in der die Teilnehmenden Punkte informell weiter besprechen können. Handout M4:1 Sexuelle Gewalt gegen Kinder und häusliche Gewalt ● Häusliche Gewalt scha` Bedingungen, unter denen körperliche, emoonale, 5nanzielle und sexuelle Gewalt und Misshandlung von Kindern vorfallen kann und verborgen bleibt. Häusliche Gewalt zeugt von der fehlenden Hemmung, nahe Angehörige zu verletzen, dadurch können Gewalt und Misshandlungen zu „normalem“ Verhalten werden. Beziehungsgewalt geht o3 mit sexueller Gewalt einher. Obwohl sich zeigte, dass nur 10 % der Kinder Augenzeug*innen von sexueller Gewalt gegen ihre MüDer wurden53, haben viele mit angehört, wie ihre MuDer mit sexuell abwertenden Ausdrücken beschimp3 und ihr sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen wurde. Häusliche Gewalt lenkt die Aufmerksamkeit auf den Täter. Das Familienleben richtet sich nicht nach den Bedürfnissen der 35 Kinder, sondern danach, wie Gewalt vermieden, wie mit ihr umgegangen werden und wie man sie überleben kann. Die Elternkompetenz einer MuDer wird beeinträchgt, wenn sie eine gewalDägen Beziehung bewälgen muss, und o3 wird sie vom Täter absichtlich daran gehindert, sich um ihre Kinder zu kümmern54. ● Häusliche Gewalt erschwert das Aufdecken von sexueller Gewalt gegen Kinder, indem sie die Fähigkeit einer MuDer, ihre Kinder zu schützen, trotz all ihrer Bemühungen untergräbt. Frauen sprechen selten mit ihren Kindern über häusliche Gewalt, einige von ihnen hoFen, die Kinder bekommen nicht mit, was vorgeht. Durch diesen „Pakt des Schweigens“ lernen die Kinder, dass über ihre Erfahrungen zu Hause nicht gesprochen werden darf. Um den Schein eines normalen Familienlebens zu wahren, werden Kontakte zu Freund*innen, Nachbar*innen und Angehörigen eingeschränkt. Das isoliert die Familie und verringert die Zahl unterstützender Erwachsener, an die sich Kinder um Hilfe wenden können. Jeder Hinweis darauf, dass ein Kind leidet, wird als Reakon auf die häusliche Gewalt interpreert. ● Wenn häusliche sexuelle Gewalt gegen Kinder ans Licht kommt, können viele Menschen nicht glauben, dass die MuDer wirklich nichts von alldem mitbekommen haben soll, was mit ihrem Kind geschehen ist. Aber was man „mitbekommen“ kann, kann sehr diFus sein. Bei vielen sexuellen ÜbergriFen auf Kinder handelt es sich um Verhaltensweisen, die keine sichtbaren körperlichen Spuren hinterlassen, etwa Masturbaon oder das Zeigen sexualisierter Bilder. In den unterschiedlichen Familien gibt es unterschiedliche Grenzziehungen dahingehend, was als angemessen gilt, zum Beispiel beim Baden von Kindern, beim Baden mit Kindern, bei der gemeinsamen Benutzung des Badezimmers, Nacktheit in der Familie oder dass Kinder und Erwachsene im selben BeD schlafen. Unangemessene sexuelle Kontakte können ganz kurz dauern und unter dem Deckmantel normaler Tägkeiten staainden, etwa beim ZubeDbringen der Kinder. Die Kinder selbst fühlen sich vielleicht unwohl oder verlegen, verstehen aber nicht, was geschieht, und mit der Zeit wird ihr Gespür für Grenzen ausgehöhlt. Sie können dahingehend manipuliert werden, dass sie glauben, sie seien für das, was geschehen ist, verantwortlich oder zumindest mitschuldig daran, weil sie „Belohnungen“ wie Geschenke, Süßigkeiten oder besondere Aufmerksamkeit angenommen haben. Häusliche sexuelle Gewalt gegen Kinder kann jahrelang anhalten und je länger das Kind nichts darüber sagt, desto schwieriger wird es, etwas darüber zu sagen. Das Kind hat vielleicht Angst vor den Auswirkungen auf die Familie und möchte andere Familienmitglieder oder sogar den Täter schützen. ● Das Aussprechen von sexueller Gewalt gegen ein Kind ist nicht in einem Moment abgetan, sondern ist vielmehr ein interakver Prozess der Annäherung an eine Wahrheit, die vielleicht nie völlig ans Licht kommt. Was die MuDer weiß, lässt sich im Verlauf der Jahre aus bruchstückha3en und widersprüchlichen Aussagen des misshandelten Kindes, seiner Geschwister, der gewalDägen Person und der damit befassten Fachkrä3e zusammenstückeln. ● Der Moment, in dem eine elterliche Beziehung aufgrund von häuslicher Gewalt endet, mag vielleicht der Moment sein, in dem Kinder, die zu Hause sexuelle Gewalt ertragen haben, das Gefühl haben, sie könnten anfangen auszusprechen, was ihnen widerfahren ist. Sie leben nicht mehr mit dem Täter zusammen. Häusliche Gewalt wird als solche benannt und als Unrecht verurteilt. Sie erfahren, dass jede und jeder das Recht auf ein Leben ohne Angst vor Gewalt und Misshandlungen hat, bringen diese Informaon mit ihren eigenen Erfahrungen in Zusammenhang und sprechen – möglicherweise zum ersten Mal – darüber. 36 ● Die Gesundung von Kindern hängt mit der Gesundung ihrer MüDer zusammen. Die Beziehung zwischen Kindern und ihren MüDern wieder in Ordnung zu bringen oder zu stärken, kann Zeit und Mühe erfordern, aber MüDer sind die wichgste Stütze für Kinder und Jugendliche. Bilden Sie neue Gruppen, sodass in jeder Gruppe jetzt Teilnehmende sind, die zuvor noch nicht in derselben Gruppe waren. Alle Gruppen bekommen dieselben Informaonen und haben dieselbe Aufgabe. M4: Gruppenarbeit 2 – zu besprechende Situation Das örtliche Frauenhaus hat Sie kontakert. Die Mitarbeiterinnen machen sich Sorgen um eine Bewohnerin, die überlegt, nach Hause zu ihrem Partner zurückzukehren. Er war ihr gegenüber kontrollierend und gewalDäg, hat aber versprochen, er werde sich mehr Mühe geben, ein besserer Ehemann zu sein. Sie meint, er war immer ein guter Vater und ihr Sohn vermisst ihn und möchte nach Hause zurück. Sie möchte, dass ihr Sohn in einem guten, vermögenden Zuhause aufwächst und befürchtet, sie könnte das als alleinerziehende MuDer nicht schaFen. Die Kindergartenbetreuerin hat ihr von ihren Bedenken hinsichtlich dessen erzählt, was ihr Sohn über Besuche bei seinem Vater gesagt hat (SIEHE VORIGE GRUPPENÜBUNG). Sie sagt, ihr Sohn gehöre zurechtgewiesen, weil er so schmutzige Dinge gesagt hat. Sie beharrt darauf, dass ihr Partner nie so etwas machen würde und sicher kein Perverser oder Homosexueller ist! Sie ist empört, dass Leute so über ihre Familie denken können. Die Gruppenaufgabe besteht NICHT darin, LÖSUNGEN ZU FINDEN, sondern vielmehr HINDERNISSE UND SCHWIERIGKEITEN HERAUSZUARBEITEN. Die Informaonen, die die Gruppen erhalten, erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit; sie sollen zu neuen Ideen und neuen Arbeitsmodi führen. Welche Veränderungen können erforderlich sein … ● in der eigenen Arbeitsweise, ● in der Arbeitsweise ihrer Organisaon, ● auf instuoneller Ebene, ● auf rechtlicher Ebene. ● Lassen sich Vorgehensweisen vereinfachen? ● Was bedeutet das für den die Ressourcenbedarf? ● Was wäre wirklich hilfreich für ein posives Ergebnis? Jede Gruppe präsenert die Ergebnisse ihrer Diskussion. Da sich alle Gruppen mit denselben Informaonen befassen müssen, muss die* Schulungsleiter*in die wichgsten Fragen und Probleme aus allen Gruppen erfassen. Während dieses Feedbackgesprächs kann sich unter der Anleitung der* Schulungsleiter*in jede*r einzelne durch Beantworten der Fragen und Finden von Lösungen für die Probleme einbringen. 37 Nach dieser Runde gibt es eine Erfrischungspause, in der Zeit für informelle Gespräche und Vernetzungen ist. Handout M4:2 Mütter dabei unterstützen, ihre Kinder zu unterstützen und zu schützen ● Die Gesundung von Kindern hängt mit der Gesundung ihrer MüDer zusammen. Die Beziehung zwischen Kindern und ihren MüDern wieder in Ordnung zu bringen oder zu stärken, kann Zeit und Mühe erfordern, aber MüDer sind die wichgste Stütze für Kinder und Jugendliche. ● Trotz einer Tendenz in Richtung gemeinsame elterliche Sorge kommt es immer noch vor, dass MüDer für den Schutz des Kindes stärker verantwortlich gemacht werden als Väter. Beim Aufdecken von häuslicher sexueller Gewalt gegen Kinder, die in den allermeisten Fällen von erwachsenen Männern ausgeübt wird, wird o3 gefragt, warum die MuDer ihr Kind nicht geschützt hat. Frauen selbst haben die Erwartungshaltung, dass sie wissen sollten, was ihrem Kind zustößt, und dass sie imstande sein sollten, es auch vor etwas zu schützen, das sie nicht erwarten, miterleben oder erzählt bekommen. ● Wenn Frauen Beweise dafür vorgelegt werden, dass ihr Kind in ihrem Zuhause unangebrachte sexuelle Kontakte erfahren hat, reagieren sie o3 mit Ungläubigkeit. Zum einen fällt es ihnen schwer zu akzeperen, dass ihr Kind von so etwas betroFen war und es ihnen nicht erzählt hat. Zum andren können sie entsetzt sein, dass ein Partner, mit dem sie eine Familie gegründet haben, imstande sein soll, sein eigenes Kind sexuell zu missbrauchen. ● Es kann Verwirrung rund um Bezeichnungen wie „Pädophile“ geben, die darauf hindeuten, dass Männer, die Sexualstra3aten gegenüber Kindern verüben, etwas ganz anderes sind als „Familienväter“, die sich im Großen und Ganzen von erwachsenen Frauen sexuell angezogen fühlen. Ganz ähnlich kann die Gleichsetzung von Männern, die Buben gegenüber sexualisierte Gewalt anwenden, mit Homosexuellen sein. Manche Sexualtäter haben nur Interesse daran, Mädchen zu missbrauchen, andere nur, Buben zu missbrauchen. Andere missbrauchen je nach Gelegenheit sowohl Buben als auch Mädchen. Kinder sind Erwachsenen gegenüber verhältnismäßig machtlos, insbesondere gegenüber Erwachsenen aus ihrer eigenen Familie, die für ihr Wohl verantwortlich sind. Täter nutzen Sex als MiDel zum Ausnützen dieses Machtungleichgewichts. Das sagt nichts über ihre sexuelle Orienerung oder über ihre Beziehungen zu Frauen aus. ● Frauen emp5nden o3 starke Schuldgefühle: weil sie so einen Partner gewählt haben, weil sie so lange bei ihm geblieben sind, weil sie es nicht gescha` haben, ihre Kinder vor Schädigungen zu bewahren, weil sie nicht erkannt haben, was geschieht, und weil ihr Kind sich ihnen nicht anvertrauen konnte. Diese Schuldgefühle werden o3 noch verstärkt durch Vorwürfe und Krik seitens des Kindes oder anderer Angehöriger oder Bekannter. Frauen brauchen Zeit, um zu verarbeiten, was sie gehört haben, und müssen so angesprochen werden, dass ihre Schuldgefühle nicht noch verschlimmert werden. Das würde ihre Abwehrhaltung nur verstärken. ● Der Missbrauch ihres Kindes kann bei ihnen Gefühle wieder hochkommen lassen, die mit sexueller Gewalt zusammenhängen, die sie selbst erlebt haben. Sie brauchen Unterstützung dabei, ihr eigenes Trauma zu verarbeiten. ● Frauen sprechen o3 nur sehr widerstrebend über sexuelle Gewalt, die sie durch ihren Partner erfahren haben. Sie haben vielleicht keine Sprache, um das auszudrücken. Eine SchwiegermuDer spricht vielleicht über eheliche PNicht und sieht Vergewalgung in der Ehe nicht als sexuelle Gewalt. 38 Daher verwendet eine Frau, die sexuelle Gewalt durch ihren Ehemann erfahren hat, vielleicht das Wort Vergewalgung nicht. ● Frauen brauchen Zeit, ihre eigenen Gefühle von Schock, Verlust, Trauer, Schuld und Scham zu verarbeiten und das Vorgefallene zu bewälgen, bevor sie mit ihrem Kind sprechen können. O3 haben sie ein dringliches Bedürfnis, vom Kind zu erfahren, was wann wie geschehen ist. Für das Kind kann sich das wie ein Verhör anfühlen und kontraprodukv sein. Frauen sind möglicherweise besser imstande, ihr Kind zu unterstützen, sobald sie über ihre erste Reakon hinweggekommen sind. ● Wie die MuDer eines Kindes auf das Aussprechen von sexueller Gewalt gegen das Kind reagiert, kann wesentlich für die Heilung der MuDer-Kind-Beziehung sein. Wenn diese Beziehung aufrecht bleibt und gestärkt wird, kann sie Kinder in der Zukun3 vor weiterer oder ähnlicher Gewalt schützen (es sei denn, Familiengerichte verpNichten Frauen dazu, ihre Kinder zu Kontaktbesuchen zu den Tätern zu schicken). ● Es ist wichg, die Unterstützung für Frauen nicht getrennt von der Unterstützung für Kinder zu betrachten. Der Zusammenhang zwischen den Bedürfnissen von Frauen und den Bedürfnissen von Kindern muss erkannt werden, wenn Dienstleistungen erbracht werden. ● MüDer zu unterstützen, ist im Allgemeinen der beste Weg, ein Kind zu unterstützen. In manchen Fällen sind aber MüDer vielleicht nicht imstande oder willens, ihr Kind zu schützen; in diesem Fall kann es zum Schutz des Kindes nög sein, es der Obhut seiner MuDer zu entziehen. Gruppenarbeit, Abschlussrunde Ziel dieser Abschlussrunde ist das Konsolidieren und Bewerten der Lernerfahrung. Alle Gruppen bekommen dieselbe Aufgabe: auf einem Plakat oder dergleichen eine bildliche Zusammenfassung des Gelernten zu geben und aufzuzeigen, welche SchriDe unternommen werden können, um die Probleme zu lösen und die Fragen zu beantworten, die in der zweiten Gruppenarbeits-Runde aufgetaucht sind. In dieser Phase ist es wichg, aufzuzeigen, was die Teilnehmenden in ihrer eigenen Arbeitspraxis tun können, um die neuen Herangehensweisen und Ideen umzusetzen, um den Bedürfnissen von Kindern, mit denen sie in ihrer täglichen Arbeit zu tun haben, gerecht zu werden. Die Plakate werden aufgehängt und alle lesen sich die Plakate aller Gruppen durch. In der Abschlussphase fasst die* Schulungsleiter*in den Inhalt des Tages zusammen. Inwieweit wurde den teilnehmenden Fachkrä3en klar, welche Veränderungen sie in ihrer Arbeitspraxis vornehmen können, um ihre Arbeit für Kinder zu verbessern? Inwieweit wurde klar, welche Veränderungen erforderlich sind, damit Fachkrä3e ihre Arbeit für Kinder verbessern können? Es ist wichg, dafür zu sorgen, dass jede* Teilnehmende am Ende der Schulung mindestens eine Idee, die sie* in der Arbeit umsetzen kann, und hoFentlich einen nützlichen neuen Kontakt mitnimmt. 39
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