Beckengürtelschmerz in der Schwangerschaft, ... ein Überblick Schmerzen im Bereich von Becken, Kreuzbein, Leiste oder Schambein gehören zu den häu fi gsten Beschwerden in der Schwangerschaft. Beckengürtelschmerz ist selten ein isoliertes Problem einzelner Strukturen. Meist spiegelt er veränderte Statik, hormonelle Anpassungen und zunehmende mechanische Belastung wider. Der Körper reorganisiert sich, um Platz, Stabilität und Beweglichkeit für das wachsende Kind zu schaffen. Gerät dieses Zusammenspiel aus dem Gleichgewicht, reagiert häu fi g zuerst der Beckengürtel. Dieses Skript dient ausschließlich der allgemeinen Information und als begleitendes Material zu einer laufenden therapeutischen Begleitung. Es ersetzt keine individuelle fachliche Beratung, Diagnostik oder ärztliche Abklärung. Bitte besprich die dargestellten Inhalte und Übungen vor einer eigenständigen Anwendung mit deiner Hebamme, deiner Ärztin bzw. deinem Arzt oder deiner betreuenden Therapeutin bzw. deinem Therapeuten. Was ist Beckengürtelschmerz? Beckengürtelschmerz beschreibt Beschwerden rund um die Iliosakralgelenke, die Symphyse und angrenzende Muskulatur. Typische Symptome: • Schmerzen im unteren Rücken, Gesäß, in der Leiste oder im Schambereich • Beschwerden beim Gehen, Treppensteigen, Drehen im Bett oder längerem Stehen Häu fi ge Auslöser: - Hormonell bedingte Lockerung der Bänder (v. a. Relaxin) - Instabilität im Beckenring - Ungleichgewicht zwischen Beweglichkeit und muskulärer Führung - Einseitige Belastung im Alltag ... die Strukturen des Beckengürtels Der Beckengürtel besteht aus zwei Beckenhälften, die vorne über die Symphyse und hinten über die Iliosakralgelenke mit dem Kreuzbein verbunden sind. Diese Struktur trägt das Körpergewicht und überträgt Kräfte zwischen Oberkörper und Beinen. Stabilisierende Muskulatur: • Tiefe Bauchmuskulatur • Beckenboden • Rücken-, Gesäß- und Hüftmuskulatur In der Schwangerschaft nimmt die passive Stabilität ab, während die aktive muskuläre Führung stärker gefordert ist. Kann diese nicht ausreichend kompensieren, entstehen Schmerzen und Unsicherheit im Becken. ... warum schmerzt der Beckengürtel? Hormonelle Veränderungen machen Bänder und Gelenkkapseln elastischer. Gleichzeitig steigt das Gewicht, der Bauch verlagert den Schwerpunkt nach vorne und die Beckenposition verändert sich. Fehlt eine fein abgestimmte muskuläre Kontrolle, entstehen: • Mikroinstabilitäten in den Iliosakralgelenken • Zug- und Scherkräfte an der Symphyse • Überlastung der Gesäß- und Adduktorenmuskulatur Der Schmerz ist kein Zeichen von Schwäche , sondern Ausdruck von Anpassungsstress im System. ... was der Beckengürtel widerspiegelt Der Beckengürtel ist Zentrum von Tragfähigkeit, Aufrichtung und Übergang. Er verbindet Ober- und Unterkörper und ist entscheidend für Stand, Gang und innere Stabilität. Viele Frauen berichten bei Beckengürtelschmerzen von Unsicherheit beim Gehen oder beim Drehen im Bett. Schutzstrategien wie vorsichtiges Bewegen sind sinnvoll, können sich aber bei Dauerbelastung festsetzen. Der Körper reagiert oft mit erhöhter Spannung in Gesäß, Rücken oder Oberschenkeln. Bewegungen werden kleiner, weniger fl ießend, die Wahrnehmung für das eigene Becken verändert sich. Aus Sicht der Körperarbeit ist Beckengürtelschmerz daher nicht nur mechanisch, sondern ein Hinweis darauf, dass Stabilität, Beweglichkeit und innere Regulation neu ausgehandelt werden müssen . Ziel ist eine tragfähige, adaptive Balance. Sanfte, bewusst geführte Bewegungen, langsame Gewichtsverlagerungen und Aufrichtung helfen dem Nervensystem, wieder Sicherheit zu entwickeln. Sichtweise der TCM In der TCM steht der Beckengürtel in Verbindung zu Niere und Blase , die für Tragfähigkeit, Stabilität und Versorgung des unteren Rückens und Beckens zuständig sind. Häu fi ge energetische Muster: • Nieren-Schwäche: Instabilität im unteren Rücken, Müdigkeit, ziehende Schmerzen • Blasen-Stagnation: akute Spannung im Kreuzbein- und Gesäßbereich • Kälte im Becken: dumpfer Schmerz, Besserung durch Wärme Die Schwangerschaft stellt eine hohe energetische Anpassungsleistung dar. Fehlt aus reichende Regeneration, reagiert der Körper mit Spannung und Schmerz. Akupressur & Selbsthilfe Sanfte Akupressur kann helfen, Spannung zu regulieren und das Körpergefühl zu unterstützen. Geeignete Punkte (sanft, ohne starken Druck): • BL23 Shènshu – zweites Sakralloch, Kreuzbeinmitte; unterstützt unteren Rücken und Beckenstabilität • BL32 Cìliáo – S2, lateral vom Kreuzbein; löst sanft Spannung im Beckenbereich • GB29 J ū liáo – lateral Oberschenkel; reguliert Gesäß- und Hüftspannung • GB30 Huántiáo – zwischen Hüfte und Gesäßfalte; löst Verspannungen im Piriformis-/Gesäßbereich • KI3 Tàix ī – hinter dem Innenknöchel; stärkt die Verbindung Fuß–Bein–Becken Anwendung: sanfter Druck oder kleine Kreisbewegungen, 30–60 Sekunden pro Punkt, angenehm, nicht schmerzhaft. Idealerweise in Seitenlage oder Sitzen. Hilfreiche Übungen Beweglichkeit & Entlastung • Beckenkreisen – auf Ball oder im Stehen, langsam in beide Richtungen • Vierfüßlermobilisation (Cat-Cow) – Rücken abwechselnd runden und senken • Child’s Pose angepasst – Knie schulterbreit, Stirn Richtung Boden/ Kissen Stabilisierende Übungen • Beckenbodenaktivierung (Kegel) – sanft nach innen/oben ziehen, 8–10 Wiederholungen, 2–3 Serien • Seitliches Beinheben im Liegen – stärkt Glutealmuskulatur • Pelvic Tilts (Becken kippen) – im Stehen, Rückenlage oder Vierfüßlerstand, sanftes Kippen Sanfte Dehnungen • Hüftöffner (Schmetterling) • Piriformis-/Gluteusdehnung (Sitz oder liegend) Hinweise: langsam, kontrolliert, auf Atmung achten, Schmerzen sind Warnsignal, keine ruckartigen Rotationen. Hilfsmittel & Unterstützung für zu Hause • Pelvic Belt / Beckenstützgürtel – stabilisiert das Becken bei Belastung • Kissen & Lagerungshilfen – Seitlage mit Kissen zwischen den Knien, Schwangerschaftskissen • Rutschfeste Matten & Schuhe – reduziert Sturzrisiko • Ergonomische Hilfen – Stuhl, Hocker, Fußbank • Wärme – Wärm fl asche oder warme Umschläge im Becken-/Lendenbereich FAQ – Häu fi ge Fragen • Kann ich alle Übungen in jeder Schwangerschaftswoche machen? Intensität und Positionen anpassen; ab ca. 30. Woche Bauchlage vermeiden. • Muss ich Schmerzen ignorieren? Nein, akute oder stechende Schmerzen sind Signal zum Stoppen. • Wie oft üben? 2–3x/Woche stabilisierend, Mobilisation täglich 10–15 Minuten. • Wirken die Übungen sofort? Wirkung oft erst über Wochen spürbar; Geduld ist entscheidend. CAVE – Vorsichtsmaßnahmen • Keine ruckartigen Bewegungen oder Sprünge • Schmerzen, Taubheit oder Kribbeln = Pause • Einseitige Belastungen vermeiden • Instabiles Becken, Blutungen oder Komplikationen = sofortige Rücksprache mit Ärzt:in oder Hebamme Disclaimer Die Inhalte dienen ausschließlich der Information und ersetzen keine individuelle medizinische oder physiotherapeutische Beratung. Jede Schwangerschaft ist individuell. Bitte kläre vor Beginn der Übungen mit deiner Hebamme, Gynäkolog:in, oder Physiotherapeut:in, welche Übungen für dich sicher sind. Dieses Skript erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ist nicht zur Weitergabe oder Veröffentlichung freigegeben. Der Autor übernimmt keine Haftung für körperliche Schäden durch eigenständige Übungsdurchführung.