Deutschland € 7,50 l CH sfr 13,50 A l B l E l F l FIN l GR l I l L l P (cont.) l SK l SLO: € 8,50 L E A R N G E R M A N | E S T U D I A R A L E M Á N | A P P R E N D R E L ’ A L L E M A N D | I M P A R A R E I L T E D E S C O | N A U K A N I E M I E C K I E G O | У Ч И М Н Е М Е Ц К И Й | A L M A N C A Ö ̆ G R E N M E K 0 9 4 1 96828 507503 Test Erfurt Der mystische Charme der Stadt Deutsch-Boom Wie die Sprache jetzt die Charts dominiert Sprache & Service 2 Wörter lernen: beim Arzt 2 Übungen, Übersetzungen Test Deutsch im Beruf Oktoberfest oder Cannstatter Volksfest? Das Duell Deutsch Beruf im Ihr kostenloser Sprach-Check: www.sprachtest.de Fit in Sprachen? Englisch Französisch Business Englisch Spanisch Italienisch Deutsch als Fremdsprache Testen Sie Ihr Wissen! 3 9/15 Editorial Einladung Ist es eines von diesen verrückten deutschen Wörtern? Ein besonders lyrisches Wort? Oder vielleicht eines, mit dem Sie eine spezielle Erinne- rung assoziieren? Wir würden es gern wissen: Wie heißt Ihr deutsches Lieblingswort? Das suchen wir – das schönste deutsche Wort. Ich lade Sie herzlich ein: Schenken Sie uns doch zwei Minuten Ihrer Zeit! Nennen Sie uns Ihr Lieblingswort, auf www.deutsch-perfekt.com/wort . Wir würden uns auch über eine kurze Erklärung freuen, warum Sie es so mögen. Mit etwas Glück drucken wir das Ganze im übernächs- ten Heft. Denn im November feiern wir zehn Jahre Deutsch perfekt , natürlich mit speziellen Themen wie den Lieblingswörtern unserer Leser. Apropos Wörter: In Erfurt erlebte unser Repor- ter Marcel Burkhardt vor Kurzem ein ziemliches Begriffschaos. Wie so viele Städte wird auch die Hauptstadt Thüringens oft mit anderen Orten vergli- chen. Burkhardt traf dort einen Italiener, den Erfurt an Florenz erinnerte. Nein, sagte er kurz darauf: „Es sieht aus wie Brügge in Belgien.“ Und die Thüringer? Die nennen die Stadt wegen ihrer vielen Kirchen „thüringisches Rom“. Unser Reporter findet: Diese ganzen Vergleiche hat die Stadt gar nicht nötig. „Erfurt steht für sich alleine – und kann für sich alleine stehen.“ Seine Reportage beginnt auf Seite 14. Nicht nur Vergleiche, auch Rekorde sind oft ziemlich relativ. Ein Beispiel ist die Frage: Welches Volksfest in Deutschland ist am größten? Darauf gibt es mehrere Antworten, die ganz unterschiedlich und trotzdem alle korrekt sind. Nimmt man zum Beispiel die durchschnittliche Besucherzahl pro Quadratmeter und Tag als Basis, ist wahrscheinlich auch dieses Jahr wie- der die Cranger Kirmes in Herne (Nordrhein-Westfalen) die Nummer eins. Pro Quadratmeter und Tag kommen dort mindestens vier Besucher. Für das Volksfest-Duell ab Seite 52 hat unsere Redakteurin Anna Schmid aber die größten Volksfeste in zwei etwas einfacheren Kategorien verglichen: das Münchener Oktoberfest (größtes nach absoluter Besucherzahl) und der Cannstatter Wasen in Stutt- gart (größtes nach Fläche). Beide finden übrigens in den nächsten Wochen statt – und beide haben ihren eigenen, sehr speziellen Charme. Jörg Walser Chefredakteur FOTO: GERT KRAUTBAUER Apropos ... franz. Noch eine Ergänzung zum Thema ... erleben hier: als Erfahrung machen das Begr“ffs chaos ≈ Chaos um das richtige Wort relativ hier: individuell verschieden das V¶lksfest, e Veranstaltung draußen mit Karussells und großen Zelten die Redak teurin, nen franz. ≈ Journalistin die Flæche, n ≈ Areal; Platz Übung macht den Meister! Bestellen Sie jetzt! +49 (0)89/8 56 81-16 www.deutsch-perfekt.com/ plus-gratis Neu: Mit Hör- training! Die Themen des Monats September 2015 Die jungen Seiten von Deutsch perfekt Party! Wie junge Deutsche feiern Vor 500 Jahren lebte Martin Luther in Erfurt. Die Stadt war eine der wichtigsten Metropolen in Europa. Heute fühlen sich Besucher fast wie zu dieser Zeit. Denn ihren mystischen Charme hat Thüringens Hauptstadt nicht verloren. 14 Ein Ort wie im Märchen Spezial: Deutsch im Beruf Diskutieren, Telefonieren, E-Mails schrei- ben, Kollegen um Hilfe bitten: Wie fit sind Sie sprachlich für den Berufsalltag in Deutschland? Testen Sie Ihr Wissen! 34 6 Mein Deutschland-Bild Jens Kalaene über tanzende Aliens 8 Panorama Neues, Namen und Zahlen 21 Reisetipps Schwarzwaldbahn • Aachener Dom • Transalp 22 Ja oder Nein? Ehe für alle? 24 Nachrichten Aus Deutschland, Österreich und der Schweiz 27 Auf den zweiten Blick Sprachspiele aus der Presse 28 Made in Germany Das Auto lernt fahren – ohne Fahrer 56 Ein Bild und seine Geschichte Vor 50 Jahren: Das Lottospiel kommt ins Fernsehen 58 Der Blick von außen Danijela Pilic über Schule 65 Mein erster Monat Michael Kyejjusa in Tutzing 66 Kulturtipps Kino • Lesung • Konzert • Ausstellung • Graphic Novel • Buch 68 Kolumne Alia Begisheva über Mütter 69 Nächsten Monat ... in Deutsch perfekt 70 D-A-CH-Menschen Einer von 98 Millionen: Was denken Sie, Jörn Dreuw? 4 9/15 Texte auf Stufe A2 des GER Texte auf den Stufen B2 bis C2 des GER GER Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen Texte auf Stufe B1 des GER In diesem Heft: 16 Seiten Sprache & Service 34 Test Deutsch im Beruf Wie fit sind Sie für den deutschen Berufsalltag? 40 Wörter lernen Beim Arzt 41 Übungen zu den Themen des Monats Mehr Sicherheit mit Wörtern und Texten 42 Grammatik Trennbare und untrennbare Verben 44 Raten Sie mal! • Comic Rätsel zu einem Thema des Monats • Haiopeis 45 Schreiben • Sprechen • Verstehen Sammelkarten Änderungsmitteilung • Vom Urlaub erzählen • Das Navigationsgerät verstehen 48 Lösungen • Kundenservice • Impressum Lösungen der Übungen • Wer macht was bei Deutsch perfekt ? 49 Starthilfe Extra-Service Übersetzungen in Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Polnisch, Russisch, Türkisch Mehr als 800 Erklärungen von schwierigen Wörtern ↔ o ¢ , ¿er lockere Umgangssprache negativ Vorsicht, vulgär! ungefähr, etwa Gegenteil von ... langer, betonter Vokal kurzer, betonter Vokal Plural-Formen Auf www.deutsch-perfekt.com können Sie mit einem Premium-Abo Texte mit diesem Symbol hören. Diesmal: 24 Nachrichten Mehr Geld für den Straßenbau 52 Wiesn oder Wasen? Das Oktoberfest in München und das Cannstatter Volksfest in Stuttgart 6 Party! Alkohol – wer trinkt wie viel? Deutsch perfekt Audio : der Trainer für Hörverstehen und Aussprache, auf CD oder als Download (siehe Seite 71). Achten Sie im Heft auf dieses Symbol! Zu diesen Artikeln können Sie Texte und Übungen auf Deutsch perfekt Audio hören. Deutsch perfekt plus : 24 Seiten Übungen und Tests zu Grammatik, Vokabeln und mehr (siehe Seite 3). Achten Sie im Heft auf dieses Symbol! Zu diesen Artikeln finden Sie Übungen in Deutsch perfekt plus Deutsch perfekt im Unterricht : kostenlos für alle Lehrer, die Deutsch perfekt abonniert haben. www.deutsch-perfekt.com : noch mehr Informationen und Übungen. www.facebook.com/deutschperfekt Kundenservice www.spotlight-verlag.de Tel. +49 (0) 89/8 56 81-16 abo@spotlight-verlag.de Fax +49 (0) 89/8 56 81-159 Lernen mit -Produkten Im September beginnen die beiden größten Volksfeste in Deutschland: das Oktoberfest in München und das Cannstatter Volksfest in Stuttgart. Was macht die beiden so speziell? Und wie unterscheiden sich die Megafeste? Ein Lied mit deutschem Text? Früher war das ziemlich sel- ten in den Charts. Die Musiksprache im Radio war Englisch. Aber plötzlich ist das anders. Deutschsprachige Musik ist so populär wie nie. Warum? 60 Deutsch-Boom in den Charts 52 Wiesn oder Wasen? TITELFOTO: MAURITIUS IMAGES/WESTEND 61; FOTOS: MAURITIUS IMAGES/WESTEND 61; SANDRA LUDEWIG; ISTOCK/THINKSTOCK; ULF BÖTTCHER/LOOK-FOTO m d a ≈ 5 9/15 6 9/15 Fotograf: Jens Kalaene D ie Aliens tanzen auf dem Teufelsberg in Berlin. Eigentlich sind es Tänzer des Friedrichstadt- Palasts in Berlin. Sie waren für eine Werbeaktion an verschiedenen Orten in der Stadt. Ich habe schon viel in Berlin fotografiert. Aber auf diesen Termin habe ich mich sehr gefreut. Ich war nämlich noch nie auf dem Teufelsberg. Ohne eine spezielle Erlaubnis geht das auch nicht. Früher war dort eine Spionage- Station der Amerikaner. Jetzt ist sie eine Ruine. Die Atmosphäre da oben ist wirklich speziell: nicht nur wegen der Architektur, sondern auch wegen der vielen Graffitis. Direkt über den Köpfen der Aliens ist eine Drohne mit einer Kamera geflogen. Dadurch war die Atmosphäre noch etwas mystischer. Das Bild ist ein Gruppenfoto, auf dem alle Tänzer zu sehen sind. Ich habe an diesem Tag aber viel mehr Bilder gemacht. Auch, als die Aliens Selfies von sich gemacht haben. Als Fotograf will ich jedes originelle Motiv bekommen. Aber das ist oft so: Man macht 500 Fotos. In die Medien kommen davon nur zwei oder drei Motive. der Teufel, - das Böse als Person; Satan der Tænzer, - Person: Sie tanzt. der Pal„st, ¿e Schloss; sehr schönes, großes Haus; hier: Theater die W¡rbe- aktion, -en Aktion: Man versucht damit, eine Sache oder ein Produkt sehr bekannt zu machen. die Drohne, -n hier: Fluggerät ohne Pilot an Bord dadurch hier: ≈ deshalb 7 9/15 Mein Deutschland-Bild FOTOS: PICTURE ALLIANCE/DPA (2) Höher geht es nicht in Deutschland Ein Helikopter bringt Material für die neue Bahn auf die Zugspitze 8 9/15 ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 Deutschlands höchster Berg Eine neue Bahn auf die Zugspitze Die Zugspitze ist der höchste Berg Deutschlands. Jetzt bekommt er auf der Route zwi- schen dem Eibsee und der Bergstation eine neue Seilbahn. In die beiden Glaskabinen der neuen Bahn sollen zusammen 240 Leute passen. Das sind dreimal so viele wie heute. Schneller als die alte Bahn soll sie auch werden. Mit ihr sollen jede Stunde 500 Personen auf den Berg kommen. Ein Ausflug auf die Zugspitze ist dann komfortabler als heute. Denn noch müssen Besucher manchmal eine Stunde oder länger auf die nächste Fahrt mit der Eibsee-Seilbahn warten. Nur eine Stütze soll die neue Bahn tragen: Die wird 127 Meter hoch und damit die höchste Seilbahn-Stütze auf der Welt. Das ist nicht einfach. Kompliziert ist die Arbeit daran aber nicht, weil die Zugspitze so hoch ist. Sondern, weil oben wenig Platz ist. Die alte Seilbahn soll noch bis Mai 2017 fahren. Danach kommen die Gäste nur noch mit der Bayerischen Zugspitzbahn nach oben. Die fährt auf Gleisen. Außerdem fährt von der österreichischen Seite aus die Tiroler Zugspitzbahn. Erst im Dezember 2017 soll die neue Eibsee-Seilbahn fertig sein. EINE NEUE BAHN AUF DIE ZUGSPITZE die Seilbahn, -en Transportmittel: Damit kann man auf einen Berg fahren. die St•tze, -n hier: langes, vertikales Ding aus Metall: Es trägt das Ge- wicht der Bahn. Wuppertal Ein kleines Amazon Schuhe, Bücher, eine Kaffeemaschine: Viele Leute kaufen fast alles im Internet. Das ist schlecht für kleine Läden. Sie verkaufen immer weniger. In Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) soll das anders werden. Dort haben viele Ladeninhaber zusammen eine eigene Onlineplattform. Darauf bieten sie ihre Produkte zum Kauf an. Das Portal ist ein bisschen wie Amazon, aber viel kleiner. Die Kunden können bestellen, was sie brauchen. Die Sachen können sie im Laden abholen. Oder sie warten auf ein Paket. Das kommt manchmal schon am gleichen Abend. Die Wuppertaler sind professionell und lernen von den Großen: Sie bieten Workshops an und optimie- ren ihre Seite für Google. Kirchturm von Suurhusen Steht er wirklich stabil? 9 9/15 Panorama ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 REKORDTÜRME schief hier: nicht komplett vertikal der Neigungs- winkel, - hier: Intensität: Um wie viel Grad ist der Turm nicht vertikal? Das liegt „n ... ≈ Das ist so, weil ... so ist. die Art, -en hier: ≈ Substanz; Form; Material der Boden, ¿ Ort: Darauf geht und steht man. FOTOS: BAYERISCHE ZUGSPITZBAHN BERGBAHN AG; PICTURE ALLIANCE/DPA Ostfriesland Rekordtürme Jeder kennt den Schiefen Turm von Pisa. Aber so schief ist er eigentlich nicht. Andere Türme sind viel schiefer. Der Turm von Pisa hat nämlich nur einen Neigungswinkel von 3,97 Grad. Viel schiefer ist der Schiefe Turm von Suurhusen in Ostfriesland (Nie- dersachsen): Sein Neigungswinkel ist 5,19 Grad. Als schiefster Turm auf der Welt steht er im Guinnessbuch der Rekorde . In Ostfriesland gibt es viele schiefe Türme. Das liegt an der Art vom Boden in dieser Region. Auch der Kirchturm der Midlumer Kirche liegt in Ostfriesland. Sein Neigungswinkel: 6,74 Grad. Wenn das stimmt, ist er noch wahr- scheinlicher der schiefste Turm auf der Welt. Er steht aber nicht im Guinnessbuch Die alte Eibsee-Seilbahn gibt es seit 1963. Es war schwer, sie zu bauen – ohne Helikopter und ohne Materialbahn. Sie funk- tioniert bis heute. Aber ihrem Betreiber ist sie nicht mehr modern genug. Sie zu betreiben ist nämlich teurer, als eine neue zu bauen. Das kostet wahrschein- lich 50 Millionen Euro. EIN KLEINES AMAZON der Ladeninha- ber, - Person: Ihr gehört ein Laden. bauen hier: eine Seilbahn machen der Betreiber, - hier: Firma: Ihr gehört eine Bahn und sie kümmert sich darum. 10 9/15 AUF GROSSEM FUSS beeindruckt Part. II von: beeindrucken = einen intensiven positiven Effekt machen übern¶mmen Part. II von: übernehmen = hier: weitermachen die Übergröße, -n Größe, die größer als normal ist, z. B. von Schuhen, Klei- dung ... der Schuh- verband, ¿e Organisation für die Interessen von Schuhmachern und Schuhverkäufern das Ent- w“cklungsland, ¿er Land: Dort gibt es wenig Industrie und viele Menschen sind arm. die Hypophyse, -n (das Geh“rn, -e kleines Organ im Gehirn: ≈ Es reguliert die Funktion anderer Hormonorgane im Körper. Organ im Kopf: Damit fühlt und denkt man.) Dam“t sie n“cht “mmer größer werden ... ≈ Weil sie nicht immer größer werden sollen ... der Leisten, - Modell in der Form von einem Fuß Das k„nn ... dauern. ≈ Es ist möglich, dass es ... dauert. das Paar, -e hier: zwei Schuhe = ein linker und ein rechter Schuh die Konfekti- onsgröße, -n ≈ Standardgröße: Sie ist die Norm. auf einmal hier: bei einem Einkauf 3 Fragen Auf großem Fuß Die Familie von Georg Wessel hat seit 1745 ein Schuhgeschäft in Vreden (Nordrhein-Westfalen). Der 63-jährige Schuhmacher hat sich spezialisiert: Er verkauft besonders große Schuhe. Die macht er auch für die größten Menschen auf der Welt – und bringt sie ihnen selbst. Warum machen Sie Schuhe für die größten Menschen auf der Welt? Mein Vater hat Schuhe für einen 2,42 Meter gro- ßen Mann aus Amsterdam gemacht, als ich vier oder fünf Jahre alt war. Ich glau- be, das hat mich sehr beein- druckt. Als ich in den 70er-Jah- ren das Geschäft übernommen habe, habe ich mich auf Übergrößen spezialisiert. Die Idee war nicht besonders gut: Es gibt hier ja nicht viele Menschen mit großen Füßen. Dann hatte jemand vom Schuhverband eine PR-Idee: Ich sollte Schuhe für die größten Menschen auf der Welt machen. Heute sehe ich das als Mission. Viele von diesen Menschen leben in Entwicklungsländern. Sie werden so groß, weil sie einen Tumor an der Hypophyse haben. Damit sie nicht immer größer werden, brauchen sie medizinische Hilfe. Ich besu- che sie, helfe ihnen finanziell und mache Schuhe für sie. Bezahlen müssen sie das nicht. In den letzten 35 Jahren habe ich ihnen circa 500 Schuhe geschenkt. Ist es schwer, so große Schuhe zu machen? Wichtig sind die Leisten. Wenn es die gibt, kann fast jeder einen Schuh machen. Die Leisten für die größten Menschen der Welt mache ich für jeden individuell. Das kann schon mal ein paar Wochen dauern, und ich muss bei dem Kunden sein. Das größte Paar habe ich in Schuhgröße 70 für einen Jungen in Venezuela gemacht. Ein Schuh in dieser Größe ist einen halben Meter groß. In meinem Geschäft ver- kaufe ich Schuhe ab Größe 42,5 für Frauen und ab 47 für Männer. Die sind aber nicht alle indi- viduell. Ich importiere sie auch aus China. Mit der Hand mache ich nur, was es nicht als Konfektionsgröße gibt. Ein Paar Schuhe in meinem Laden kann 40 Euro kosten – oder auch 1000 Euro. Sie verkaufen Ihre Schuhe nicht über das Internet. Warum nicht? Ein Schuh muss passen. Deshalb kommen die Kunden zu mir ins Geschäft. Sie sind aus der ganzen Welt, zum Beispiel aus Russland oder den USA. Aber das sind natürlich nur die, die auch reisen können. Es gibt ja auch Menschen in Deutschland, die eine Reise zu mir nicht bezahlen können. Manche kommen und kaufen sich ein Paar. Andere kaufen 15 Paar auf einmal. Das gibt es aber heute nicht mehr so oft. Die Leute wissen jetzt nämlich, dass wir den Laden nicht so schnell zumachen. Gerade hat ihn meine jüngste Tochter über- nommen. FOTO: PAUL TOLENAAR ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 Retrotrend Neue alte Taschen Schultaschen sehen heute ganz anders aus als früher: Sie haben viele Farben und sind mit Blumen, Tieren oder Fußballspielern bedruckt. Nicht alle Eltern finden das schön. Auch zwei Berliner Eltern nicht. Ihre Firma Kundschafter macht Schultaschen im Retrolook: Sie sind einfach nur rot, blau oder grün. Die beiden sind sich sicher, dass so eine Schultasche auch ihrem Sohn gefällt. Denn mit ihm hat alles angefangen: Er wollte eine Schultasche in Grün und Orange, ohne andere Farben. Das hat es nicht gegeben. Also haben die beiden Produktdesigner selbst eine Schultasche für ihn gemacht. Heute produzieren sie die Taschen auch für andere Kinder. 500 Exemplare wollen sie dieses Jahr verkaufen. Inspiriert hat sie eine Schultasche aus dem Jahr 1975. Die Marke Scout der Firma Sternjakob aus Frankenthal (Rheinland-Pfalz) ist ein Klassiker. Ihre Schultaschen sind leicht und haben Reflektoren für die Sicherheit. Vorher hatten die Schüler schwere Ledertaschen. Auch heute noch ist der Scout popu- lär. Fast eine Million Kinder in Deutschland haben einen. NEUE ALTE TASCHEN bedr¢ckt so, dass z. B. ein Bild oder Name darauf gedruckt ist einfach hier: ≈ wirklich produzieren machen; herstellen die M„rke, -n Produkt mit bekanntem Namen die Ledertasche, -n (die Haut, ¿e Tasche aus der Haut von Tieren Organ: Es ist außen am ganzen Körper von Menschen und Tieren.) 11 9/15 Panorama ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 FOTOS: PICTURE ALLIANCE/DPA; ISTOCK/THINKSTOCK Presse Emotionen und Sensationen Die Bild -Zeitung kennt in Deutschland jeder. Es ist die größte Boulevardzeitung im Land. Boulevardzeitungen kaufen die meisten Leute einzeln, nur wenige haben ein Abonnement. Jeder soll die Schlagzeilen lesen und neu- gierig werden. Die Buchstaben sind deshalb sehr groß. Die Texte in der Zeitung sind kurz, aber emotional. Das Image der Bild ist zwar schlecht, aber die Zei- tung hat viel Macht: Keine Zeitung in Deutschland hat so viele Leser wie diese. Auch ist sie oft sehr gut infor- miert. Wie fast alle Tages- zeitungen verkauft die Bild -Zeitung seit ein paar Jahren immer weni- ger Exemplare. Umso wichtiger ist bild.de . Aber auch die Onlineseiten von Zeitschriften wie Der Spiegel und Focus berichten oft im Boulevardstil. Sie wollen Klicks wie Zeitungen Käufer. Für schöne und populäre Menschen und ihr Privatleben interessieren sich Zeitschriften wie die Bunte und die Gala . Wer ist dünn, und wer ist dick? Wer trägt Produkte von welchem Designer? Wer heiratet in welchem Kleid? Und der kleine Bauch unter dem Kleid? Ist das vielleicht schon ein Babybauch? Das sind wichtige Fragen für Boulevard- journalisten. In Deutschland gibt es Pressefreiheit Über zu Privates oder Intimes dürfen Journalisten aber trotzdem nicht immer berichten. Erlaubt oder nicht? Manchmal ist das ein Fall für Juristen. Außerdem gibt es in Deutschland auch einen Pressekodex . Darin steht zum Beispiel, dass Medien keine Fotos von Katastrophenopfern zeigen sollen. Manchmal passiert das aber trotzdem. Ein Gesetz ist der Pressekodex nicht. Die meisten Journalisten akzeptieren ihn trotzdem. Aktion Wie heißt Ihr Lieblingswort? Zehn Jahre Deutsch perfekt : Viele deut- sche Wörter haben unsere Leser gelernt. Wir feiern – und wollen wissen: Welches deutsche Wort finden Sie am schönsten? Jetzt mitmachen: www.deutsch-perfekt.com/wort Und? Welches Wort gefällt den Deutsch - perfekt -Lesern am besten? Das steht im Novemberheft – mit etwas Glück mit Ihrer Antwort und Ihrer Erklärung. Denn natürlich interessiert uns auch: Warum finden Sie dieses Wort so schön? EMOTIONEN UND SENSATIONEN einzeln hier: so, dass man z. B. am Kiosk oder im Geschäft kauft das Abonne- ment, -s franz. Bestellung von einer Zeitung oder Zeitschrift nach Hause für mehrere Monate oder Jahre die Schlagzeile, -n große Buchstabenschrift über einem Zeitungstext, meistens auf der ersten Seite zwar ..., aber ... es ist so, dass ..., aber ... die M„cht hier: ≈ Effekt auf Ideen und Meinungen informiert sein Informationen haben }mso ... “st ... hier: Deshalb ist ... besonders ... ber“chten Informationen publizieren ein F„ll sein für ... offiziell untersucht werden müssen von ... das Katastro- phenopfer, - hier: Person: Etwas oder jemand hat sie bei einer Katastrophe verletzt oder totgemacht. das Ges¡tz, -e schriftliche Norm: Die Regie- rung macht sie, und alle müs- sen sich daran orientieren. Feuerwehr Hilfe in Pink Eigentlich sind Feuerwehrautos rot. Aber nicht in Erkrath (Nordrhein-Westfalen). Die Feuerwehr dort hat ein pinkes Auto. Ihr Chef findet: So sehen es mehr Leute. Ein rotes Fahrzeug fällt nämlich fast nicht mehr auf. Außerdem will er die Arbeit von der Feuerwehr bekannter machen. Viele Menschen finden das pinkfarbene Auto gut. Sie winken auf der Straße und lachen. Andere freuen sich aber gar nicht über das pinkfarbene Auto. Sie sagen „Mädchenfeuerwehr“ oder „schwule Feuerwehr“. Aber das ist den Feuerwehrleu- ten in Erkrath egal. Schon seit langer Zeit haben sie nämlich auch weibliche und schwule Mitglieder. Legal ist die Farbe Pink auch. Trotzdem soll das Feuerwehrauto in ein paar Monaten wieder rot werden. 12 9/15 ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 HILFE IN PINK das Fahrzeug, -e Transportmittel, z. B. Auto, Fahrrad, Bus auffallen hier: besonders gut gesehen werden w“nken ≈ mit einer Hand in der Luft Guten Tag sagen gar hier: absolut schwul m homosexuell (bei Männern) das M“tglied, -er Person: Sie ist bei einer (orga- nisierten) Gruppe. FOTOS: FEUERWEHR ERKRATH; PICTURE ALLIANCE/DPA Tanztheater Es geht weiter bei Pina Bausch 2009 ist die Tänzerin und Choreografin Pina Bausch gestorben. 36 Jahre lang hat sie am Tanztheater Wuppertal Pina Bausch gearbeitet. Es trägt ihren Namen. Sie hat das Ensemble nämlich auf der ganzen Welt populär gemacht. Und wegen ihr ist das Tanztheater, was es heute ist. Seit die legendäre Choreografin gestorben ist, hat es in ihrem Haus keine neuen Pro- duktionen mehr gegeben. Jetzt ist die lange Pause zu Ende. Die neue Saison beginnt mit der ersten neuen Produktion seit sechs Jah- ren. Der Performer Tim Etchells, der Tänzer und Choreograf Theo Clinkard, die Tänzerin und Choreografin Cecilia Bengolea und der Tänzer François Chaignaud haben dafür neue Stücke choreografiert. Aber auch zehn klassische Pro- duktionen von Pina Bausch hat das Ensemble wieder im Programm. ES GEHT WEITER BEI PINA BAUSCH die Tænzerin, -nen Frau: Sie tanzt (s. Foto). das Ensemble, -s franz. hier: Gruppe von Tänzern und Tänzerinnen seitdem hier: seit dieser Zeit das Haus, ¿er hier: Tanztheater die Saison, -s franz. hier: Zeit: Dann wird vor Publikum getanzt. das St•ck, -e hier: Ballett Mehr als klassisches Ballett Eine Tänzerin vom Tanztheater Wuppertal in Aktion Pink statt rot Feuerwehrauto in Erkrath ! Tipp des Monats Vorsicht bei der Wohnungssuche Ein Makler sucht für einen Vermieter neue Mieter für eine Wohnung oder ein Haus. Noch vor wenigen Monaten musste der Vermieter dem Makler für diese Arbeit in den meisten Regionen Deutschlands nichts bezahlen. Bezahlen mussten meistens die neuen Mieter – oft mehr als zwei Monatsmieten. Seit dem 1. Juni ist das anders. Jetzt muss der bezahlen, der den Makler bestellt hat. Aber viele Vermieter wollen das Geld für den Makler sparen. Unseriöse Makler versuchen deshalb, sich das Geld weiter von den Mietern zu holen. Zum Beispiel mit einem Formular. Die neuen Mieter sollen unterschreiben, dass sie den Makler bestellt haben. Legal ist das nicht. Juristen sagen: Mieter können dagegen klagen. Ein anderer Trick: Mieter sollen Möbel bezahlen, die in der Wohnung bleiben. Das heißt Ablöse und ist normal. Bei Küchen passiert das oft. Aber es ist nicht mehr normal, wenn der Preis plötzlich sehr hoch ist. Er darf nur 50 Prozent höher sein als der aktuelle Wert. Zahlenspiel Aussehen 62 Prozent von den Deutschen sind mit ihrem Aussehen zufrieden. Experten haben 27 000 Menschen ab 15 Jahren in 22 Ländern gefragt. 55 Prozent davon waren mit ihrem Aussehen zufrieden, zwölf Prozent sogar sehr. 16 Prozent schauen nicht so gern in den Spiegel. Drei Prozent mögen ihr Aussehen gar nicht. In Deutschland sind 12 Prozent von den 1500 Befragten unzufrieden. In den 21 anderen Ländern waren die Ergebnisse bei Männern und Frauen fast gleich. In Deutschland aber sagen 66 Prozent von den Männern, aber nur 59 Prozent von den Frauen, dass sie ihr Aussehen mögen. Und auch wenn sie mehr als nur zwei oder drei graue Haare haben: Menschen ab 50 fühlen sich am besten: Bei den über 50 -Jährigen sind es 65 Prozent und bei den über 60 -Jährigen 66 Prozent. In Frankreich und England kaufen 75 Prozent von den Frau- en mindestens einmal im Jahr Make-up. In Deutschland machen das nicht einmal 50 Prozent . Trotzdem ist der Kosmetikmarkt dort 2014 gewachsen: um 1,8 Prozent auf 11,7 Milliarden Euro. Bin ich schön? Die meisten Deutschen sehen sich positiv Muss der neue Mieter etwas zahlen, um den Vertrag zu bekommen? Legal ist das nicht mehr 13 9/15 Panorama FOTOS: ISTOCK/THINKSTOCK (2) ÜBERSETZUNGEN IN SIEBEN SPRACHEN AUF SEITE 49/50 VORSICHT BEI DER WOHNUNGSSUCHE ¢nseriös d hier: so, dass sie mit nicht korrekten Methoden arbeiten klagen gegen hier: sich bei einer offiziellen Stelle beschweren und die Sache untersuchen lassen wollen der Tr“ck, -s hier: (illegale) Methode der Wert, -e hier: Preis AUSSEHEN sogar ≈ auch schauen sehen gar hier: absolut der/die Befrag- te, -n Person: Sie antwortet auf Fra- gen, z. B. in einem Interview. das Ergebnis, -se Resultat n“cht einmal hier: ≈ weniger als w„chsen größer werden E rfurt ist eine fast 1300 Jahre alte Stadt im Zentrum Deutschlands und hat fast zu viele schöne und historisch wichtige Plätze. Für Menschen, die Erfurt zum ers- ten Mal besuchen, wirkt die Hauptstadt Thüringens wie ein Labyrinth. Es ist nicht leicht, sich darin zu orientieren. Das merkt auch Ugo Venier, ein junger Italiener, der einen Kurzurlaub in Mitteldeutschland macht. „An diesen Punkt hier bin ich aber immer wieder gekommen“, sagt er mit Blick auf eine alte Brücke, die ihn an seine Heimat erinnert. „Sie ist wie die Ponte Vecchio – viel- leicht sogar noch ein bisschen schöner“, sagt Venier mit einem Lächeln. In jedem Fall ist die Krämerbrücke noch ein biss- chen älter als ihre berühmte Schwester in Florenz. Seit 1325 gibt es sie schon. Mit ihren 120 Metern ist sie die längste kom- plett mit Häusern bebaute Brücke Europas. Zu Gast bei Luther Wer darübergeht, sieht deshalb links und rechts des Wegs nichts vom Fluss. Stattdessen wandern die Blicke von einem Schaufenster zum nächsten, in denen Bücher, Geschenkartikel, Kleidung oder Schokolade liegen, in denen manche Händler aber auch traditionelle Hand- werkskunst zeigen. Der Blick in manche Geschäfte lässt einen in Gedanken auf eine Reise gehen, zurück in Zeiten, als Erfurter Händler auf der Krämerbrücke wirkliche Luxusarti- kel verkauften: Gewürze und Gold, Seide und einen speziellen Farbstoff, Waid. Die Pflanze wird seit der Antike verwendet. Aus ihren Blättern kann man nämlich blaue Farbe herstellen. Wegen des guten Klimas wächst die Pflanze in der Umgebung von Erfurt sehr gut. Über Hunderte von Jahren wurde dort deshalb Waid kultiviert und gehandelt. Das machte die Stadt reich. % der P¢nkt, -e hier: Ort; Stelle sogar ≈ auch das Læcheln hier: freundliche Mimik mit einem leichten Lachen bebaut hier: so, dass Häuser darauf stehen stattd¡ssen hier: ≈ im Gegenteil dazu das Schau- fenster, - Fenster eines Geschäfts, in dem die Waren gezeigt werden der Gesch¡nk- artikel, - Dinge, die man schenkt der Hændler, - Verkäufer die H„nd- werkskunst hier: Produkt, das nach alter Tradition mit Händen und Werkzeugen gemacht ist die Seide weicher, teurer Stoff der F„rbstoff, -e (færben Substanz, mit der man etwas färben kann hier: Stoff eine (andere) Farbe geben) die Antike historische Zeit von ungefähr 800 vor Christus bis 500 nach Christus h„ndeln kaufen und verkaufen Erfurts Zentrum ist ein Ort wie im Märchen: Besu- cher fühlen sich dort leicht wie vor 500 Jahren, als Martin Luther in der Hauptstadt Thüringens lebte. Von ihrem mystischen Charme hat sie nichts ver- loren, hat Marcel Burkhardt festgestellt. 9/15 14 % Vor 500 Jahren war Erfurt die viertgrößte Stadt Deutschlands. FOTO: LOOK FOTO/THOMAS STANKIEWICZ Krämerbrücke Die legendäre Brücke ist fast 700 Jahre alt 9/15 15 Erfurt „Viel Neues“ Die Band Lilabungalow, das sind Patrick Föllmer (Gesang, Trompete, Gitarre), David Bönsch (Gesang, Bass) und René Colditz (Schlagzeug). Deutschlandradio Kultur sagt über die Band Lilabungalow: „Großer Pop aus kleiner Stadt!“ Fühlt ihr euch als Kleinstädter? Föllmer: Na ja, so klein ist Erfurt ja auch nicht! Wir kommen gerade von ein paar Konzerten aus der Schweiz zurück, und deshalb können wir sagen: Dort wäre Erfurt auf jeden Fall die Landeshauptstadt. Für Schweizer Verhältnisse sind wir hier wirklich eine Metropole. (lachen) Viele junge deutsche Kreative wollen nach Berlin oder sind schon dort. Wie ist es bei euch? Föllmer: Unsere Stadt ist und bleibt Erfurt. Hier haben wir sehr viel Ruhe, können konzentriert arbeiten. Außerdem gibt es hier ein paar sehr gute, gewachsene kreative Netzwerke. Wir sind Teil davon und wachsen gemeinsam mit anderen weiter. Auf jeden Fall haben wir das Gefühl. Auf den ersten Blick ist Erfurt zwar eine alte, traditionsbewusste Stadt. Aber auf den zweiten Blick gibt es doch eine ziemlich bunte Musikszene, und im Moment wird hier viel Neues gemacht. Es gibt neue Impulse, und das Publikum macht mit. Musikalisch kann man euch schwer einer Kategorie zuord- nen. Colditz: Wir bringen viele Einflüsse mit: Hip-Hop, Country, R’n’B, Rock, Avantgarde, Post- Rock, Grunge, Elektro, Techno – alles super! Der Grund dafür ist auch, dass wir so viel hören. Welche Themen interessieren euch besonders? Föllmer: Ein großes Grundthema ist die Liebe – obwohl wir so richtige Liebeslieder eigent- lich selten machen. Das zwei- te Thema sind die kleinen und großen Lügen in dieser Welt. Es geht um den schönen Schein, der uns hilft, in unseren Illusionen weiterleben zu können und die Wahrheit nicht akzeptieren zu müssen. Aber es geht in unse- ren Liedern auch um Angst und Freundschaft – und was sie mit einem machen können. Woher kommt euer Bandname Lilabungalow? Föllmer: Entstanden ist der auf der Insel Rügen in einem Moment der Betrachtung dieser vielen tristen, grauen Bungalows im Wald. Und da hatte ich so das Gefühl, es wäre eigentlich mal cool, wenn die auch farbig wären – meiner wäre halt lila gewesen. der Ges„ng von: singen die Trompete, -n ≈ Musikinstrument aus Metall, in das man mit dem Mund Luft stößt das Schlag- zeug, -e Rhythmusinstrument, auf das man schlägt die L„ndes- hauptstadt, ¿e hier: Hauptstadt eines Kantons für Schweizer Verhæltnisse ≈ wenn man sich nur an der Größe von Schweizer Städten orientiert gew„chsen hier: ≈ mit vielen ge- meinsamen Jahren das N¡tzwerk, -e hier: Gruppe von Personen, die sich gegenseitig unter- stützen traditionsbe- wusst so, dass man Tradition gut und wichtig findet die Musik- szene ≈ alle Menschen, die im Bereich Musik arbeiten der Einfluss, ¿e hier: ≈ Element aus einer Musikrichtung das Gr¢ndthe- ma, -themen ≈ Basisthema ]s geht ¢m ... Das Thema / Der Inhalt ist ... der schöne Schein m Illusion, dass etwas besser ist, als es wirklich ist entstehen hier: die Idee bekom- men für ... die Betr„ch- tung von: betrachten = ansehen tr“st traurig; hier auch: langweilig h„lt m hier: nach Wunsch Lange vergessen, lässt Rosanna Minelli die alte Tradition wieder aufleben. Als Res- tauratorin und Wandmalerin hat sie einen natürlichen Sinn für das Schöne im Alten. In ihrem Laden zeigt sie den wertvollen, blauen Farbstoff in kleinen und großen Gläsern. Circa 50 Kilogramm Waidblätter braucht sie, um am Ende 80 Gramm Pig- ment zu bekommen. Das braucht viel Zeit. Aber das Ergebnis ist wunderbar anzu- schauen. Minelli färbt damit Kleidungs- stücke, aber auch Kissen und große Stücke Stoff. Warum sie sich so viel Arbeit macht? „Es ist mein kleiner Beitrag, um das his- torische Flair Erfurts zu erhalten“, sagt sie. Denn das hat sie sofort geliebt, als sie Anfang der 90er-Jahre in die Stadt kam. Nach dem Ende der Deutschen Demo- kratischen Republik (DDR) gab es viel zu tun für Restauratoren wie sie. „Die Erfur- ter Altstadt war damals wie viele andere historisch wichtige Orte Ostdeutschlands voller halb verfallener, alter Häuser – ich habe mich wie im Paradies gefühlt“, sagt Minelli mit ehrlichem Enthusiasmus. „Es gab so viel Arbeit, dass ich einfach geblie- ben bin“, sagt sie. „Inzwischen fühle ich mich hier daheim.“ Wer heute durch Erfurt spaziert, kann die Arbeit von Minelli und vieler ihrer Kol- legen sehen. Die Stadt ist wieder in einem sehr guten Zustand. Sie hat eines der am besten erhaltenen mittelalterlichen Stadtzentren Deutschlands. Viele restau- wieder aufle- ben l„ssen hier: die vergessene Technik benutzen und wieder bekannt machen der S“nn hier: Gefühl; Instinkt wertvoll hier: finanziell viel wert der Beitrag hier: Sache, die man für ... tut das Flair franz. ≈ Umgebung, die auf das Gefühl und die Laune wirkt erh„lten hier: alles tun, um das Flair zu schützen die [ltstadt, ¿e historisches Stadtzentrum v¶ller voll mit h„lb verf„llen fast kaputt das Paradies, -e hier: sehr schöner und angenehmer Ort einfach hier: der Grund dafür ist s“ch daheim fühlen südd. sich in fremder Umgebung gut fühlen m“ttelalterlich aus der historischen Zeit von ungefähr 500 bis 1500 nach Christus Martin Luther Vor Beginn der Reformation studierte er in Erfurt Band Lilabungalow „Unsere Stadt ist und bleibt Erfurt“ 16 9/15 % rierte Prachtbauten, der Mariendom und 20 andere Kirchen erinnern dort bis heute an die große Bedeutung Erfurts, das vor mehr als 500 Jahren zu einer wichtigen Handels- und Universitätsstadt wurde. Um das Jahr 1500 herum war Erfurt mit 20 000 Einwohnern nach Köln, Augs- burg und Nürnberg die viertgrößte Stadt Deutschlands. Die Universität war eine der wichtigsten in Europa. Von 1501 bis 1505 studierte dort auch ein junger Mann die deutsche Sprache, Philosophie und Jura. Später sagte er: „Die Erfurter Universität ist meine Mutter, der ich alles verdanke.“ Es sind die Worte Martin Luthers, der nicht als großer Jurist historisch wich- tig geworden ist, sondern als Mann, der die Kirche revolutionierte. Luther, der berühmte Reformator, begegnet einem in Erfurt an vielen Plätzen – und manchmal auch ganz lebendig in Person eines jun- gen, blonden Mannes mit Brille. Das ist dann Matthias Gose, der die Rolle des gro- ßen Kirchenmannes spielt. Ziemlich stolz zeigt der Erfurter eine Zeitschrift, die ihn in historischen Kleidern als Luther zeigt. Meistens führt Gose aber modern gekleidet Erfurts Besucher durch die Stadt – zum Beispiel zum Augustinerkloster, wo Luther zwischen 1505 und 1511 lebte. Vor dem Eingang des Klosters bleibt Gose stehen und wird plötzlich doch wieder zu Luther, wenigstens mit Worten: „So, wie ihr mich hier stehen seht, werdet ihr mich nie wieder sehen“, sagt er und lacht. „Ja, das soll Luther damals zu seinen Freunden gesagt haben, als er ins Kloster ging.“ Dieser Luther hätte eine Karriere als Jurist machen oder den Betrieb seines Vaters weiterführen können. Außerdem soll er als junger Mann große Freude am Studentenleben gehabt haben. Keiner seiner Freunde wollte ihm deshalb glau- ben. Aber Luther ging ins Kloster – und blieb als Mönch dort. „Warum der plötzliche Sinneswan- del?“, fragt Gose seine Gäste. Keiner weiß es. „Na?“ Einer sagt dann leise: „Vielleicht aus enttäuschter Liebe zu einem Mäd- chen?“ – „Das vielleicht auch“, antwortet Gose. Aber die Legende geht anders, und er erzählt sie so, dass man das Gefühl hat, dabei zu sein: „Auf einer Rückreise von seinen Eltern kam Luther nachts allein in ein großes Gewitter ... Plötzlich schlägt ein Blitz direkt neben ihm ein! Luther wirft sich in Todesangst auf die Erde und ruft: ‚Oh heilige Anna, hilf mir! Lässt du mich leben, werde ich ein Mönch.‘ Luther bleibt unverletzt, das Gewitter zieht weiter.“ Wenig später, so Gose, stand Luther genau hier am Eingang des Klosters, das heute ein wichtiges Bildungszentrum ist. Es gibt einen modernen Teil, aber auch immer noch Räume, die sich seit 500 Jah- ren kaum verändert haben. In der Augus- tinerkirche zum Beispiel ist noch immer der Stein, auf dem Luther eine ganze Nacht still liegen musste, bevor er Mönch werden durfte. 2017, so hoffen die Erfurter, kommt ihr Augustinerkloster auf die Welt- erbe-Liste der UNESCO. Wer längere Zeit durch die Altstadt spa- ziert, kann das Gefühl bekommen, von Luther verfolgt zu werden. „Der Mann war – und ist – einfach sehr wichtig für diese Stadt“, sagt Gose. Aber keine Sorge: Wem es zu viel wird, der entkommt dem berühmten Kirchen- mann für eine Zeit lang auch ganz schnell. Dafür muss man nur über eine große Stra- ße mit dem Namen Juri-Gagarin-Ring gehen. Schon ist die Atmosphäre eine ganz andere. Während der DDR-Zeit wurden dort nämlich moderne Wohn- und Geschäfts- der Pr„chtbau, -ten besonders schönes Gebäude die Bedeutung hier: Wichtigkeit ¢m das Jahr 1500 her¢m ≈ ungefähr im Jahr 1500 Jura Studium, bei dem man die schriftlichen Regeln eines Staates studiert verd„nken hier: bekommen haben an der Reforma- tor, Reforma- toren Person, die in der Reformation eine wichtige Rolle gespielt hat begegnen treffen der K“rchen- mann, -männer Mann in einer hohen Position in der Kirche das Augus- tiner kloster, ¿ Kirche mit Wohn- und Ar- beitsgebäuden, in denen sehr religiöse Männer oder Frauen leben und arbeiten. Sie gehört den Augustinern. s¶ll ... gesagt haben man erzählt, dass ... gesagt hat der Betrieb, -e Firma weiterführen als Chef weitermachen der Mœnch, -e Mann, der nur für seine Religi- on lebt, z. B. auch nicht heiratet der S“nnes- wandel ≈ Änderung im Denken N„? m hier: Wer hat eine Idee? die R•ckreise, -n von: zurückreisen einschlagen hier: plötzlich in den Boden oder einen Baum kommen heilig hier: so, dass sie vor langer Zeit ein sehr religiöses Leben gelebt hat und von Christen besonders geliebt wird weiterziehen hier: sich an einen anderen Ort bewegen das B“ldungs- zentrum, -zentren Zentrum, wo es Kurse gibt s“ch verændern anders werden das W¡lterbe Gebäude, Städte und Land- schaften in aller Welt, die man für die Menschen in Zukunft schützen soll verf¶lgen hier: überall treffen einfach hier: wirklich entk¶mmen ≈ weglaufen vor das Geschæfts- haus, ¿er hier: Firma FOTOS: MARCEL BURKHARDT; WIKIMEDIA.ORG; 123RF Viele Gebäude sind restauriert Das Zentrum ist sehr gemütlich 17 9/15 Erfurt Älteste Synagoge Europas Im Zentrum Erfurts gibt es nicht nur 20 alte Kirchen, sondern auch die älteste erhaltene Synagoge Europas. Ein Gotteshaus ist das mehr als 900 Jahre alte Gebäude heute zwar nicht mehr. Besucher können aber in einem Museum sehr viele Informationen über das jüdische Leben im historischen Erfurt bekom- men. Im Keller des Museums gibt es einen 30 Kilogramm schweren historischen Goldschatz zu sehen, der 1998 zufällig bei Bauarbeiten entdeckt worden ist. häuser gebaut, die noch heute das Bild in diesem Teil der Stadt prägen. Der Ita- liener Ugo Venier sagt über den Juri-Ga- garin-Ring: „Du kannst hier noch den kommunistischen Geist spüren – ein guter Gegensatz zum mittelalterlichen Charme der Altstadt.“ Und nur wenige Hundert Meter neben dem modernen Bahnhof von Erfurt liegt der alte Güterbahnhof. Ein großes Areal, das auf den ersten Blick leer wirkt. Ein einsamer Ort, an dem niemand mehr arbeitet? Nein, das stimmt nicht: Aus einem der alten Häuser dort kommt Musik. Moderne Musik. Drinnen üben junge Künstler an ihren Stücken. Der bekannteste unter ihnen ist der Sänger Clueso, der mit seiner Popmu- sik große Konzerthallen füllt. Gemeinsam mit anderen Kreativen hat er das ganze Gebäude vor Jahren von der Bahn gemie- te