Die ordnungspolitische Haltung Frankreichs im Prozeß der europäischen Einigung S C H R I F T E N Z U R W I R T S C H A F T S T H E O R I E U N D W I R T S C H A F T S P O L I T I K Hans-Markus Johannsen Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Seit ihrer Gründung ist die Europäische Gemeinschaft hin- und hergerissen zwischen einer marktwirtschaftlichen und einer interventionistischen Wirtschaftsordnung. Über einen Zeitraum von 1955 bis heute wird die französische Europapolitik in dieser Arbeit auf ihre ordnungspolitischen Konstanten und deren Ursprungsmotive untersucht. Frankreich hat sich beharrlich für die Errichtung einer makroökonomischen Gesamtsteuerung in Europa eingesetzt. Statt an die Selbstheilungskräfte des Marktes zu glauben, hat sich die französische Europapolitik dem wirtschaftlichen Allgemeininteresse verschrieben, dessen Verwirklichung aus französischer Sicht ohne staatliche Interventionen in den Wirtschaftsablauf nicht denkbar ist. Die Ursprungsmotive der französischen Binnenmarktpolitik werden über die Wirtschaftsstilanalyse auf die Wertewelt und den Vernunftglauben der französischen Aufklärung zurückgeführt. Hans-Markus Johannsen, geboren 1966 in Heide (Holstein), studierte nach der Ausbildung zum Offizier von 1988 bis 1992 Betriebswirtschaftslehre an der Universität der Bundeswehr Hamburg. Während seiner anschließenden Tätigkeit in der Bundeswehr war er zunächst externer Doktorand, ab 1995 dann Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik dieser Universität. Promotion 1998. S C H R I F T E N Z U R W I R T S C H A F T S T H E O R I E U N D W I R T S C H A F T S P O L I T I K Hans-Markus Johannsen Die ordnungspolitische Haltung Frankreichs im Prozeß der europäischen Einigung Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Die ordnungspolitische Haltung Frankreichs im Prozeß der europäischen Einigung Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access SCHRIFTEN ZUR WIRTSCHAFTSTHEORIE UND W1 RTSCHAFTSPOLITI K Herausgegeben von Rolf Hasse, Jörn Kruse, Wolf Schäfer, Thomas Straubhaar und Klaus W. Zimmermann Band 15 • PETER LANG Frankfurt am Main • Berlin • Bern • New York • Paris • Wien Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Hans-Markus Johannsen Die ordnungspolitische Haltung Frankreichs im Prozeß der europäischen Einigung ~ PETER LANG Europäischer Verlag der Wissenschaften Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Open Access: The online version of this publication is published on www.peterlang.com and www.econstor.eu under the interna- tional Creative Commons License CC-BY 4.0. Learn more on how you can use and share this work: http://creativecommons.org/ licenses/by/4.0. This book is available Open Access thanks to the kind support of ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. ISBN 978-3-631-75122-0 (eBook) Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Johannsen, Hans-Markus: Die ordnungspolitische Haltung Frankreichs im Prozeß der europäischen Einigung/ Hans-Markus Johannsen. - Frankfurt am Main ; Berlin ; Bern ; New York ; Paris ; Wien : Lang, 1999 (Schriften zur Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik ; Bd. 15) Zugl.: Hamburg, Univ. der Bundeswehr, Diss., 1998 ISBN 3-631-34468-6 = P Gedruckt mit Unterstützung der Universität der Bundeswehr Hamburg. Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier. D705 ISSN 1433-1519 ISBN 3-631-34468-6 © Peter Lang GmbH Europäischer Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 1999 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany 1 3 4 5 6 7 Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access meinen Eltern gewidmet Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access „Das Schicksal einer Kulturepoche, die vom Baum der Erkenntnis gegessen hat, ist es, wissen zu müssen, daß wir den Sinn des Weltgeschehens nicht aus dem noch so sehr vervollkommneten Ergebnis seiner Durch- forschung ablesen können, sondern ihn selbst zu schaffen imstande sein müssen, daß » Weltan- schauungen« niemals Produkt fortschreitenden Erfah- rungswissens sein können und daß also die höchsten Ideale, die uns am mächtigsten bewegen, für alle Zeit nur im Kampf mit anderen Idealen sich auswirken, die anderen ebenso heilig sind, wie uns die unseren." Max Weber Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Mai 1998 vom Fachbereich Wirtschafts- und Organi- sationswissenschaften der Universität der Bundeswehr Hamburg als Dissertation ange- nommen. Sie entstand zunächst parallel zu meiner Berufstätigkeit; abschließen konnte ich sie als Mitarbeiter am Lehrstuhl meines Erstgutachters, Prof. Dr. Rolf H. Hasse, am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität der Bundeswehr Hamburg. Herrn Professor Has- se bin ich für die Bereitschaft, mich als Doktoranden zu betreuen, zu großem Dank verpflichtet. Ohne seine Bereitschaft, stets für Fragen zur Verfügung zu stehen, und ohne die wertvollen Anregungen aus den Diskussionen mit ihm wäre es unendlich viel schwerer gewesen, diese Arbeit zu Ende zu führen. Für die Übernahme des Zweitgutachtens danke ich Herrn Prof. Dr. Franco Rheiter. Auch er war mir stets Förderer und gab mancherlei Impulse, die wesentlich zum Fort- gang der Arbeit beigetragen haben. In meinen Dank einschließen möchte ferner ich alle Freunde und Kollegen, die mir mit kritischen Anregungen und hilfreichen Aufmunterungen halfen. Dies gilt vor allem für Herrn Dr. Michael Schleicher, der die Entstehung der vorliegenden Arbeit von der er- sten Stunde an begleitet hat und jederzeit mit Rat und Tat zur Verfügung stand. Dan- ken möchte ich darüber hinaus Herrn Peter und Frau Eva Lambrecht, die mir in schwierigen Tagen immer wieder das Refugium geboten haben, in dem ich Kraft und Motivation tanken konnte und in dem mehrere Abschnitte dieser Arbeit entstanden sind, sowie meiner Schwester, Ellen Johannsen, für ihre tatkräftige Mitarbeit bei der orthographischen Bereinigung der Arbeit. 9 Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 15 Einleitung 17 A Wirtschaftsordnung und Ordnungspolitik 1 Die ökonomische Bedeutung der Wirtschaftsordnung 21 2 Die politische Bedeutung der Wirtschaftsordnung 29 3 Die Kulturbedeutung der Wirtschaftsordnung 32 4 Implikationen für den Gang der Untersuchung 38 B Der französische Ordnungsentwurf für den Gemeinsamen Markt 1 Die Regierungsverhandlungen zum EWG-Vertrag 1 Die politische und wirtschaftliche Lage Frankreichs vor den 47 Verhandlungen 2 Die Mitarbeit am Spaak-Bericht 49 3 Die Vorbereitung der Regierungsverhandlungen 53 4 Die Positionen Frankreichs in den Regierungsverhandlungen 1 Die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen 55 2 Die Harmonisierung der Soziallasten 57 3 Interventionen und Schutzklauseln 59 4 Der Investitions- und Anpassungsfonds 62 5 Die Koordination der Wirtschaftspolitik 63 6 Die Koordination der Währungspolitik 66 7 Die Errichtung der Zollunion und Außenhandelspolitik 68 8 Die Koordination der Agrarpolitik 70 5 Die ordnungspolitische Orientierung der französischen Europapolitik 75 während der IV. Republik 2 Frankreichs Binnenmarktpolitik unter Charles de Gaulle 1958 - 1969 1 Die europapolitische Konzeption 1 Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen 79 2 Der Inhalt der europapolitischen Konzeption 80 3 Die Umsetzung der europapolitischen Konzeption 86 2 Die Wirtschaftspolitik 1 Der Übergang zur Zollunion 92 2 Die Landwirtschaftspolitik 98 3 Die Koordinierung der Wirtschaftspolitik 104 4 Die Industriepolitik 112 11 Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access 3 Die Währungspolitik 1 Die währungspolitische Ausgangssituation 117 2 Das „Collective Reserve Units"-Konzept Giscard d'Estaings 118 3 De Gaulle und die Rückkehr zum Goldstandard 122 4 Der Goldkrieg und die Verteidigung des Franc 125 4 Die ordnungspolitische Orientierung der französischen 132 Binnenmarktpolitik unter Charles de Gaulle 3 Frankreichs Binnenmarktpolitik unter Georges Pompidou 1969 -1974 12 1 Die europapolitische Konzeption 1 Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen 137 2 Der Inhalt der europapolitischen Konzeption 140 3 Die Umsetzung der europapolitischen Konzeption 145 2 Die Wirtschafts- und Währungsunion 151 3 Die Wirtschaftspolitik 1 Die Industriepolitik 158 2 Die Sozialpolitik 166 3 Die Außenwirtschaftspolitik 168 4 Zusammenfassung 172 4 Die Währungspolitik 1 Europa als währungspolitische Einheit 174 2 Der Übergang zum Paritätengitter 182 3 Der Übergang zum Währungskorb und zum Floating 192 4 Zusammenfassung 197 5 Die ordnungspolitische Orientierung der französischen 199 Binnenmarktpolitik unter Georges Pompidou 4 Frankreichs Binnenmarktpolitik unter Valery Giscard d'Estaing 1974-1981 1 Die europapolitische Konzeption 1 Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen 2 Der Inhalt der europapolitischen Konzeption 3 Die Umsetzung der europapolitischen Konzeption 2 Die Wirtschaftspolitik 3 Die Währungspolitik 4 Die ordnungspolitische Orientierung der französischen Binnenmarktpolitik unter Valery Giscard d'Estaing 204 207 211 215 222 234 Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access 5 Frankreichs Binnenmarktpolitik unter Fran\:ois Mitterrand 1981-1992 1 Die europapolitische Konzeption 1 Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen 2 Der Inhalt der europapolitischen Konzeption 3 Die Umsetzung der europapolitischen Konzeption 2 Die Wirtschaftspolitik 1 Die wirtschaftspolitische Konzeption 2 Die Industriepolitik 1 Erste Anläufe 2 Eureka 3 Die Außenwirtschaftspolitik 4 Die Sozialpolitik 5 Zusammenfassung 3 Die Währungspolitik 1 Die Stärkung des EWS 2 Die Wirtschafts- und Währungsunion 3 Zusammenfassung 4 Die ordnungspolitische Orientierung der französischen Binnenmarktpolitik unter Fran~ois Mitterrand 6 Ein interventionistischer Ordnungsentwurf für Europa C Der französische Ordnungsentwurf und die Wirtschaftsordnung im Gemeinsamen Markt 1 Die ordnungspolitische Leitidee 2 Die Verträglichkeit von französischer Ordnungskonzeption und Wettbewerbsordnung 3 Die Übertragbarkeit des französischen Ordnungsentwurfs auf den Gemeinsamen Markt Literaturverzeichnis 237 241 246 252 259 267 272 278 285 288 295 306 309 316 323 332 341 345 13 Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Abkürzungsverzeichnis BIZ CRU DGAEF EA ECU EFWZ EG EGKS ERE EVG EWA EWG EWV EU EUREKA GATT HDTV IWF MAE MEF PE OECD OEEC SDI SZR Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Currency Reserve Unit Direction Generale des Affaires Economiques et Financieres Europa-Archiv European Currency Unit Europäischer Fonds für Währungspolitische Zusammenarbeit Europäische Gemeinschaften Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäische Rechnungseinheit Europäische Verteidigungsgemeinschaft Europäisches Währungsabkommen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wechselkursverbund Europäische Union European Research Coodination Agency General Agreement on Tariffs and Trade High Definition Television Internationaler Währungsfonds Ministere des Affaires Etrangeres Ministere de l'Economie et des Finances La Politique Etrangere de la France - Textes et Documents (Bulletin des Außenministeriums) Organization for Economic Cooperation and Development Organization for European Economic Cooperation Strategie Defense Initiative Sonderziehungsrechte 15 Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Einleitung Seit ihrer Gründung ist die Europäische Gemeinschaft, jetzt Union, hin- und hergeris- sen zwischen einer marktwirtschaftlichen und einer interventionistischen Wirtschafts- ordnung. Zwar wurde schon in den Römischen Verträgen festgelegt, daß die zu grün- dende Zollunion eine marktwirtschaftliche Wettbewerbsordnung erhalten sollte, gleichzeitig wurde diese aber mit zahlreichen Ausnahmebestimmungen durchsetzt. Die größte unter ihnen stellt die europäische Agrarpolitik dar. Sie repräsentiert ordnungs- politischen Interventionismus in Reinkultur, indem sie gleich einen gesamten Wirt- schaftssektor vom Marktwettbewerb freistellt. Widersprüche dieser Art finden sich auch im revidierten EG-Vertrag von Maastricht, der eingangs die gemeinsame Wirt- schaftspolitik auf die Prinzipien eines freien Wettbewerbs und offener Märkte festlegt, in Artikel 130 aber die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zur Gemeinschaftsaufgabe erklärt. Streitigkeiten über die ordnungspolitische Ausrichtung des Binnenmarktes haben den europäischen Einigungsprozeß von Beginn an begleitet. Mit der bevorstehenden Voll- endung der Wirtschafts- und Währungsunion ist die Frage, wie die Ordnung der Wirt- schaftsabläufe im europäischen Binnenmarkt erfolgen soll, aktueller denn je. Die ge- meinsame Währung wird zu transparenteren Preisen und darüber zu mehr Wettbewerb zwischen den Unternehmen im Binnenmarkt führen. Um zu überleben, werden die Unternehmen mehr denn je auf die Wettbewerbsbedingungen vor Ort achten und so einen schärferen Wettbewerb der Standorte entfachen. Seine Brisanz erhält dieser Standortwettbewerb aus der Tatsache, daß sich mit einer gemeinsamen Währung der verbleibende Handlungsspielraum der Regierungen zur Durchführung der notwendigen Strukturreformen deutlich verringert. So fallen nicht nur der Wechselkursmechanismus und die Geldpolitik als Anpassungsinstrumente weg, gleichzeitig steht den meisten Mitgliedstaaten durch die im Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbarte Begrenzung der Haushaltsdefizite auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts auch die Fiskalpolitik nicht mehr zur Verfügung. Zur Schaffung wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstrukturen bleiben den Regierungen nur Anpassungs- maßnahmen im Bereich der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Angesichts der bisher heterogenen ordnungspolitischen Auffassungen über die ,,richtige" Nutzung von Instrumenten aus diesen Bereichen, birgt die Währungsunion ein hohes Konfliktpoten- tial. Frankreich und Deutschland waren in der Diskussion um die ordnungspolitische Ausrichtung des Binnenmarktes seit jeher Schrittmacher und Wortführer unter- schiedlicher Lager zugleich. Die bevorstehenden Debatten um die weitere Ausgestal- tung des Wirtschaftsstandorts Europa machen es daher aus deutscher Sicht mehr denn je erforderlich, sich mit den ordnungspolitischen Prioritäten der französischen Bin- nenmarktpolitik auseinanderzusetzen. 17 Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, den aus französischer Sicht optimalen Ord- nungsentwurf für den europäischen Binnenmarkt zu ermitteln und diesen im Hinblick auf seine Ziele, seine Ursprungsmotive sowie seine Verträglichkeit mit einer markt- wirtschaftlichen Wirtschaftsordnung zu untersuchen. Da die französische Europapoli- tik der gegenwärtigen Regierung ebenso wenig repräsentativ sein dürfte wie jene der letzten zwei oder fünf Regierungen, bleibt nichts anderes, als den Betrachtungszeit- raum über den gesamten Prozeß der europäischen Einigung auszudehnen. Dabei soll die französische Binnenmarktpolitik auf ihre ordnungspolitische Konstanten hin unter- sucht werden, um diese anschließend zu einem einheitlichen, ,,idealtypischen" Ord- nungsgefüge zusammenzusetzen. Der auf diese Weise ermittelte Ordnungsentwurf bil- det dann die Basis für die weitere Untersuchung hinsichtlich seiner Ursprungsmotive und seiner Verträglichkeit mit einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung. Die vorliegende Arbeit ist in drei Abschnitte gegliedert. Der Teil A. ist methodischen Überlegungen gewidmet. In ihm wird dargelegt, welche Herangehensweise dem Unter- suchungsgegenstand „ordnungspolitische Haltung Frankreichs im Prozeß der europäi- schen Einigung" am besten gerecht wird. Wirtschaftsordnungen sind letztlich Kultur- produkte, und so wird es im Verlauf der Untersuchung darum gehen müssen, neben den ökonomischen Ordnungsvorstellungen auch jene sozialphilosophisch begründeten Werte zu ermitteln, die dazu geführt haben, daß der französische Ordnungsentwurf für den Binnenmarkt „so und nicht anders" aussieht. Als Verfahren dazu wird in dieser Arbeit auf die Wirtschaftsstilanalyse zurückgegriffen werden, für die im Falle Frank- reichs bereits detaillierte Forschungsergebnisse vorliegen. Der Vergleich des französi- schen Ordnungsentwurfs für den Binnenmarkt mit einer marktwirtschaftlichen Ord- nung setzt ferner die Benennung einer „klassisch-liberalen" Wirtschaftsordnung als Richtmaß voraus. Als solches werden im Rahmen dieser Arbeit die „Prinzipien der Wettbewerbsordnung" Verwendung finden wie sie Walter Eucken formuliert hat. Im Teil B. erfolgt die historisch-beschreibende Ermittlung der von Frankreich ge- wünschten Ordnungskonzeption für den Binnenmarkt, während in Teil C. die Aus- wertung der Ergebnisse vorgenommen wird. Festgehalten werden kann, daß Frank- reich sich über den gesamten Prozeß der europäischen Einigung hinweg konsequent um eine „Politisierung" der Wirtschaftsabläufe im Binnenmarkt bemüht hat. Nicht um die Koordination wirtschaftlicher Interessen und Abläufe im Wettbewerb ging es der französischen Binnenmarktpolitik, sondern um deren konsequente Ausrichtung auf politisch bestimmte, strategische Entwicklungsziele. In diesem Sinne drängte Frank- reich über den gesamten europäischen Einigungsprozeß auf die Institutionalisierung einer makroökonomischen Gesamtsteuerung, bei der alle Bereiche der europäischen Wirtschafts- und Währungspolitik integriert und auf intergouvernementaler Ebene ko- ordiniert werden sollten. Nachhaltig wehrte es sich gegen alle Versuche, die Gestal- tungsmacht der nationalen Regierungen einzuschränken und bedeutende Entschei- dungsrechte an Gemeinschaftsinstitutionen abzutreten. 18 Hans-Markus Johannsen - 978-3-631-75122-0 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 08:04:25AM via free access