Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM Soziologie und Sozialpolitik Herausgegeben von Bernhard Badura, Christian von Ferber, Franz-Xaver Kaufmann, Eckart Pankoke, Theo Thiemeyer Band 3 R. Oldenbourg Verlag München Wien 1983 Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM Laienpotential Patientenaktivierung und Gesundheitsselbsthilfe Herausgegeben von Christian von Ferber und Bernhard Badura R. Oldenbourg Verlag München Wien 1983 Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM CIP-KuratiteUufhahme der Deutschen Bibliothek Laienpotential, Patientenaktivierung und Gesund- heitsselbsthilfe / hrsg. von Christian von Ferber u. Bernhard Badura. - München ; Wien : Oldenbourg, 1983. (Soziologie und Sozialpolitik : Bd. 3) ISBN 3-486-51771-6 NE: Ferber, Christian von (Hrsg.): GT © 1983 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege sowie der Speicherung und Auswertung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben auch bei auszugsweiser Verwertung vorbehalten. Werden mit schriftlicher Einwilligung des Verlages einzelne Vervielfältigungsstücke für gewerbliche Zwecke hergestellt, ist an den Verlag die nach § 54 Abs. 2 Urh. G. zu zahlende Vergütung zu entrichten, über deren Höhe der Verlag Auskunft gibt. Gesamtherstellung: Hofmann-Druck KG, Augsburg ISBN 3-486-51771-6 Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM Inhalt A. Einleitung: Perspektiven sozialwissenschaftlicher Gesundheits- forschung Bernhard Badura B. Gesundheitsselbsthilfegruppen Arbeitsweise von Gesundheitsselbsthilfegruppen und Anregungen zu ihrer sozialpolitischen Unterstützung 9 Jörn-Uwe Behrendt, Christiane Deneke, Astrid Estorff, Heide Guderian, Edith Halves, Ralf Itzwerth, Eva-Maria Schorsch, Alf Trojan 1. Forschungsziele und Forschungsfeld 9 2. Zur Arbeitsweise und den Wirkungen von Selbsthilfegruppen 17 3. Zur Förderung von Selbsthilfezusammenschlüssen 27 Lebensalltag und medizinisch-politisches Gesundheitssystem 37 Wilfried Nelles 1. Anpassungsprobleme 39 2. Leistungsdefizite 40 3. Sinn- und Identitätsprobleme 44 C. Selbsthilfe im Familienhaushalt Zum Verhältnis von Selbsthilfe und medizinischer Fremdhilfe 51 Dieter Grunow, Helmut Breitkopf, Vera Grunow-Lutter, Wolfgang Paulus 1. Allgemeine Fragestellungen und Ziele des Projekts 51 2. Sind Fremdhilfe und Selbsthilfe austauschbar? 52 3. Zur Bestimmung "selbsthilfearmer" Bevölkerungsgruppen 70 Zur Selbsthilfe im Gesundheitswesen Anmerkungen zum Projekt: Gesundheits- und Krankheits- bezogene Selbsthilfe im Haushalt 79 Ute Canaris 1. Zum Untersuchungsziel und -ansatz 80 2. Zu den gewählten Vorgehensweisen und Methoden 81 3. Zu den bisher absehbaren Ergebnissen und ihren Verwertungsmöglichkeitftn für die Gesundheitserziehung 85 3.1 Formen und Inhalte gesundheitsbezogener Selbsthilfe 85 3.2 Die Bedeutung der sozialen Netzwerke 86 3.3 Das Verhältnis von professionellem und Laiensystem 87 3.4 Aktivierung von Selbsthilfepotentialen 89 3.5 Selbsthilfe in der Familie, außerfamiliäre Bezugsgruppen und Selbsthilfeorganisationen 90 3.6 Umsetzungsmöglichkeiten 91 Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM II Inhalt D. Gesundheitsvorsorge in der Gemeinde Perspektiven der Gesundheitsvorsorge am Beispiel des Kreises Mettmann 95 Hans Günter Abt, Otto Gieseke 1. Förderung des Gesundheitsverhaltens in der Gemeinde bei Vielfalt der Trägerschaften 95 2. Die Bedeutung unterschiedlicher Trägerorientierungen für die Forderung des Gesundheitsverhaltens 98 3. Erste Ergebnisse der Untersuchung im Kreis Mettmann 105 4. Angebotsqualität: professionelle Sichtweisen und Laienkompetenz 113 5. Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Gesundheits- vorsorge 115 Können gemeindezentrierte Interventionsstudien zur Verbesserung der Gesundheit beitragen? 119 Jürgen von Troschke 1. Einleitung 119 2. Merkmale gemeindezentrierter Interventionsstudien 121 3. Vorteile des gemeindebezogenen Interventionsansatzes 123 4. Nutzung der Vorteile des gemeindebezogenen Interventions- ansatzes durch die 'Aktion Gesundheit' der AOK Mettinann 129 5. Anwendungsorientierte Empfehlungen 130 6. Zusammenfassung 137 E. Patientenorientierte Intensivmedizin Einige strukturelle und interaktionelle Bestimmungselemente für ihre Realisierung 141 Claudia von Grote, Anne Sprenger, Elmar Weingarten, Hans-Peter Schuster 1. Einleitung: Fragestellung ünd Ziel des Projekts 141 2. Rahmenbedingungen für die Konstituierung eines therapeutischen Milieus: Räumliche Anordnung und Pflegeorganisation 145 3. Der Umgang mit Patientenbedürfnissen im Verlauf einer technischen Maßnahme 173 4. Überlegungen zu einer patientenorientierten Intensiv- medizin aus ärztlicher Sicht (H. P. Schuster) 183 4.1 Das Raumproblem 183 4.2 Das Personalproblem 186 4.3 Die Interaktion von Ärzten, Schwestern und Pflegern 187 4 4 Verhalten bei der Indikationsstellung zur Intensivtherapie 188 F. Herzinfarktrehabilitation und soziale Unterstützung Erste Ergebnisse der Oldenburger LongitudinalStudie 191 Bernhard Badura, Josef Bauer, Gary Kaufhold, Harald Lehmann, Miliard Waltz Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM Inhalt III 1. Vorbemerkungen 191 2. Anlage der Untersuchung 193 3. Stichprobenbeschreibung 195 4. Zur stationären Behandlung von Infarktpatienten 199 5. Zur Aufnahme in die stationäre Rehabilitation 204 6. Die Bedeutung des Laiensystems für den Rehabilitations- verlauf 205 7. Auswirkungen ärztlicher Information und Beratung 213 8. Optionen der Rehabilitationsorganisation 214 9. Stärkung des Laiensystems durch Netzwerkförderung 219 Patienten-Aktivierung und soziale Selbsthilfe bei chronischer Krankheit und Behinderung Anmerkungen zur Oldenburger Longitudinalstudie 221 Ernst-Otto Krasemann 1. Vorbemerkungen 221 2. Genesungserfolg 223 3. Lebensqualität 227 4. Ambulante Rehabilitation 231 5. Kritikpunkte der Untersuchungen der Arbeitsgruppe Badura 232 6. Empfehlungen zur organisatorischen Verbesserung und 2u Änderungen der Therapiestraße 234 G. Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz Gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung Sozialepidemiologische Untersuchung in einem Stahlwerk 237 Liselotte von Ferber, Wolfgang Siesina, Andreas Renner, Alfons Schröer 1. Gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung 237 2. Das integrierte Verfahren zur Analyse arbeitsbedingter Krankhe iten 243 3. Arbeitsbelastung und Krankheit - Die Mikroepidemiologie des Betriebes 246 Bedingungen und Grenzen der Umsetzung mikroepidemiologischer Forschungsergebnisse in die Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz 255 Willi Pöhler 1. Problembestimmung: Worum geht es? 255 2. Der mikroepidemiologische Ansatz und seine Bedeutung für die Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz 257 3. Das Problem der Umsetzung von Ergebnissen 259 4. Thesen der Umsetzung 260 5. Konsequenzen: Zum Verhältnis von Forschern und Betroffenen 262 H. Laienpotential, Patientenaktivierung und Gesundheitsselbsthilfe. Zur Soziologie des Laien vor den Ansprüchen der Medizin 265 Christian von Ferber Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM IV Inhalt 1. Ist es ein soziologisches Problem? 265 2. Interaktion zwischen Laien und Professionellen 270 3. Zivilisationstheoretische Perspektive 282 Literatur 295 Register 304 Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM A. Einleitung: Perspektiven sozialwissenschaftlicher Gesundheitsforschung Bernhard Badura Als die an diesem Band beteiligten Wissenschaftler vor nunmehr 1) vier Jahren ihre gemeinsame Arbeit aufnahmen, taten sie dies in der Uberzeugung, vermehrte Anstrengungen im Bereich sozial- wissenschaftlicher Gesundheitsforschung könnten zur Leistungs- fähigkeit und zur Humanisierung unseres Gesundheitswesens bei- tragen. Wieweit diese Annahme zutrifft, hängt jetzt nicht nur ab von der Qualität und Relevanz der im folgenden in Form einer Zwischenbilanz vorgelegten Forschungsarbeiten. Es hängt auch ab von der Bereitschaft jener, die durch ihr praktisches Han- deln auf den Gesundheitszustand unserer Gesellschaft einwir- ken - und das sind letztlich wir alle, Laien wie Experten -, diese Forschungsarbeit zur Kenntnis zu nehmen und in ihrer Alltagspraxis zu verwerten. Der vorliegende Band wendet sich darüber hinaus auch an unsere sozialwissenschaftlichen Fach- kollegen, und lädt sie ein zu einer kritischen Würdigung der von uns aufgeworfenen Fragestellungen, unserer Perspektiven, Methoden und empirischen Befunde. Um dem Leser den Zugang zu den einzelnen Beiträgen zu erleichtern, sollen im folgenden einige Prämissen und Leitvorstellungen unserer gemeinsamen Forschungsanstrengungen und erste Einschätzungen von seiten der gesundheitspolitischen Praxis kurz dargelegt werden. Ohne den je spezifischen Fragestellungen und Zielsetzungen der beteiligten Forschungsgruppen Gewalt anzutun, kreisen unser aller Bemühungen stets um zwei u.E. für das Verständnis moder- ner Gesundheitsversorgung zentrale Problemfelder: zum einen um den Beitrag der Bürger, Laien, Konsumenten zur Gesundheits- förderung, m.a.W. um die mittlerweile in aller Munde geführte Selbsthilfe außerhalb oder innerhalb der medizinischen Versor- gung; zum zweiten um die psychosoziale Problematik unserer Gesellschaft, genauer, um die durch die gesellschaftliche Entwicklung hervorgerufenen psychosozialen Belastungen und die dadurch mitbedingte Erosion soziokultureller Bindungen und psychosozialer Ressourcen. Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM 2 . A. Einleitung 1. Der unterschätzte Laie Das Spektrum gesundheitsbezogener Selbsthilfeaktivitäten reicht von individueller Gesundheitsvorsorge etwa durch angemessenes Verhalten im Straßenverkehr oder durch regelmäßiges Zähneputzen über gegenseitige Hilfe in der Familie, etwa bei der Versorgung chronisch kranker Angehöriger, der Teilnahme an einer Selbst- hilfegruppe bis zur Nutzung medizinischer Dienste. Das Spektrum reicht also bis hin zu der Situation, in der der zum Patienten gewordene Bürger - bei gegebenen Voraussetzungen - trotz Abhängigkeit vom medizinischen Rat und von medizinischer Tat, meist erheblich, wenn nicht maßgeblich an seiner Wiedergenesung mitzuwirken vermag. Wir glauben, daß die Rolle, die dem Gesund- heitsverhalten der Bürger für den Erhalt der Volksgesundheit insgesamt zukommt, bisher weit unterschätzt und die Möglich- keiten medizinischer Intervention umgekehrt weit überschätzt wurden. Unsere Ergebnisse zeigen, daß Selbsthilfe und Laien- aktivitäten eine in der Regel verläßliche, leistungsfähige und jedermann zugängliche Gesundheitsressource bilden. Gesundheits- selbsthilfe in der Familie beispielsweise ist die älteste und sie ist die heute - trotz der ungeheuren Expansion bezahlter und hochspezialisierter medizinischer Dienste - immer noch verbreitetste Form der Gesundheitsversorgung. Christian von Ferber spricht deshalb sehr zu Recht von der Familie als "Basis der Laienmedizin" (1975, S. 143 ff.). Jahrtausendelang gelingt der Gattung Mensch das Uberleben ohne profesäionalisierte medi- zinische Versorgungssysteme. Selbst noch im letzten Jahrhundert starben Menschen vorzeitig, weniger weil sie medizinisch unter- versorgt, sondern weil sie vor allem schlecht ernährt und unter zum Teil höchst ungesunden Verhältnissen zu wohnen und zu ar- beiten gezwungen waren. Dies ist die inzwischen weithin akzep- tierte Botschaft des englischen Sozialmediziners und Sozial- historikers Thomas McKeown. Sein Buch über "Die Bedeutung der Medizin" (deutsch: 1982) gehört zur Pflichtlektüre jedes Gesundheitsexperten und jedes Medizinstudenten. Solange wir fälschlicherweise Gesundheitspolitik gleichsetzen mit Standes- politik derer, die als Anbieter medizinischer oder pflegeri- scher Dienstleistungen tätig sind, solange verstellen wir uns den Blick für die gesellschaftlichen Voraussetzungen von Gesundheit und Wohlbefinden - Voraussetzungen, die uns anderer- seits oft selbstverständlich sind und die deshalb und weil sie Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM Perspektiven sozialwissenschaftlicher Gesundheitsforschung 3 bisher zu wenig wissenschaftlich bearbeitet wurden, in der Praxis unserer Versorgungssysteme eine sehr weitgehende Ver- nachlässigung erfuhren. Amerikanische Autoren sprechen daher mit Blick auf die gesundheitsbezogene Selbsthilfe von einem "versteckten Gesundheitswesen" (Levin/Idler 1981). Offenbar weil sie über Jahrzehnte hinweg in eine "medizinische Kultur" (Powles 1973) sozialisiert wurden, neigen die meisten Menschen immer noch, und oft wider besseren Wissens, zu der Annahme, Gesundheitssicherung sei gleichzusetzen mit medizinischen Diensten, und sie neigen zu dem Glauben, der Gang zum Arzt sei das beste Mittel zur Krankheitsverhütung und Gesundheitsbewäl- tigung. Wie die hier zusammengetragenen Erkenntnisse zeigen (vgl. dazu auch Badura/v. Ferber 1981), bildet die Selbsthilfe medizinischer Laien auch in hochindustrialisierten und wohl- habenden Gesellschaften wie der Bundesrepublik (wir wenden nahezu ein Drittel unseres Sozialprodukts für soziale Sicher- heit und Gesundheitsdienste auf) eine immer noch zentrale Ressource. Selbsthilfeaktivitäten verschiedenster Art sind für unser aller Lebensqualität zu wichtig, um mißachtet oder unter- schätzt zu bleiben. Sie sollten vielmehr aktiver gefördert oder zumindest vor Übergriffen durch Markt oder Staat besser ge- schützt werden. Die Zeit ist reif für eine entmedikalisierte Gesundheitsphilosophie, für eine Gesundheitsphilosophie, die gesundheitsbezogene Entwicklungen auch außerhalb der medizini- schen Praxis und gesundheitsbezogene Faktoren auch jenseits des Paradigmas der traditionellen Schulmedizin berücksichtigt. Was in der Familie, in der Schule oder am Arbeitsplatz ge- schieht, ist für den Gesundheitszustand der Bevölkerung insge- samt von weit größerer Bedeutung als alle noch so verdienst- vollen Leistungen und Anstrengungen der modernen Medizin. 2. Die psychosoziale Problematik hochindustrialisierter Gesellschaften Unser Plädoyer für eine entmedikalisierte Gesundheitsphilo- sophie drängt nicht nur auf eine realitätsgerechtere Ein- schätzung von Selbsthilfe unter den Bedingungen einer immer stärker expandierenden und technisch hochgerüsteten Medizin; diesem Plädoyer zugrunde liegt zugleich der "Zweifel" an der Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM 4 A. Einleitung "nur naturwissenschaftlichen Grundlage der Medizin" und "der Wille zu einem Neuaufbau auf breiteren Fundamenten", zu einer "Erweiterung und Verschiebung des Heilzieles" (v. Weizsäcker 1925); diesem Plädoyer zugrunde liegt also eine durch die Psychoanalyse angestoßene und von der frühen Psychosomatik aufgegriffene Idee einer gewandelten Gesundheitstheorie. Diese Idee hat die Forschung der vergangenen Jahrzehnte stark be- fruchtet und ist dabei, unser Wissen über die gesellschaft- lichen Bedingungen von Krankheit und Gesundheit auf eine brei- tere Grundlage zu stellen. Der Streßforschung, der Sozialepi- demiologie und der Medizinsoziologie verdanken wir theoreti- sche Einsichten und empirische Erkenntnisse, die zeigen, wel- che hohe Bedeutung psychosozialen Faktoren sowohl bei der Ent- stehung wie auch bei der Bewältigung psychischer und somati- scher Massenkrankheiten zukommt (z.B. Henry/Stephens 1977; Medical Care 15/1977; Gerhardt/Friedrich 1982). Und langsam beginnt sich die Auffassung durchzusetzen, daß das psycho- soziale Defizit der modernen Medizin nicht nur ein "Schönheits- fehler" ist, sondern "auch die Effektivität der Medizin selbst in Frage stellt", und daß "seelenlose Krankenhäuser mit Hospi- talismus und Humanmedizin ohne Humanität mit Kostenexplosionen zusammenhängen" (v. Uexküll 1981, S. 2). Sowohl von seiner phylogenetischen wie auch von seiner ontogenetischen Bestim- mung her scheint der Mensch angewiesen zu sein auf emotionale Zuwendung und Anerkennung aus seiner sozialen Umwelt, auf soziale Bindungen, auf ein in irgendeiner Form befriedigendes Gruppenleben sowie auf einen gemeinsam akzeptierten und sinn- stiftenden soziokulturellen Kanon. All die genannten Bedingun- gen bilden offenbar zentrale Voraussetzungen für seelisches Gleichgewicht, Selbstwertgefühl und soziale Identität und da- mit letztlich auch - so müssen wir heute annehmen, auch auf- grund eigener Forschungsresultate - für das psychische und somatische Wohlergehen des einzelnen. Dies zumal unter gesell- schaftlichen Bedingungen, die permanente Diskrepanzen zu er- zeugen scheinen zwischen den Bedürfnissen, Erwartungen und Fähigkeiten des Menschen auf der einen und den Zwängen, Anfor- derungen und Optionen der sozialen Umwelt auf der anderen Seite (Badura 1981). Für Gesundheitsforschung, Gesundheits- politik und für die Praxis unseres Gesundheitswesens ergeben sich aus all dem weitreichende Konsequenzen. Wie ist vermehrte Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM Perspektiven sozialwissenschaftlicher Gesundheitsforschung 5 G e s u n d h e i t s f ö r d e r u n g a n s t e l l e v o n K r a n k h e i t s b e k ä m p f u n g m ö g l i c h ? W i e l a s s e n s i c h p s y c h o s o z i a l e B e l a s t u n g e n r e d u z i e r e n , w i e p s y c h o s o z i a l e W i d e r s t a n d s k r ä f t e s t ä r k e n ? W i e l a s s e n s i c h L a i e n u n d P a t i e n t e n für i h r e G e s u n d h e i t s b e l a n g e a k t i v i e r e n ? W o l i e g e n d i e M ö g l i c h k e i t e n , w o d i e G r e n z e n e i n e r n i c h t n u r i n d i v i d u a l - t h e r a p e u t i s c h v e r f a h r e n d e n , s o n d e r n d i e A r b e i t s w e l t u n d d i e G e m e i n d e e i n b e z i e h e n d e n G e s u n d h e i t s s i c h e r u n g ? S c h w e r w i e g e n d e F r a g e n w i e d i e s e k ö n n e n in e i n e r Z w i s c h e n b i l a n z n i c h t p a u s c h a l , s o n d e r n n u r a n d e u t u n g s w e i s e u n d a u s d e r S i c h t d e r e i n z e l n e n P r o j e k t e b e a n t w o r t e t w e r d e n . 3. Zur g e s u n d h e i t s p o l i t i s c h e n Z w i s c h e n b i l a n z A l s w i r F r a g e s t e l l u n g e n u n d e r s t e E r g e b n i s s e u n s e r e r F o r - s c h u n g s v o r h a b e n im N o v e m b e r 1 9 8 2 a u f e i n e r F a c h t a g u n g v o n S o z i a l - u n d G e s u n d h e i t s e x p e r t e n p r ä s e n t i e r t e n , m ü n d e t e d i e s i n e i n e s e h r i n t e n s i v e D i s k u s s i o n v o r a l l e m i h r e r g e s u n d h e i t s - p o l i t i s c h e n I m p l i k a t i o n e n . W i r h a l t e n e s für s i n n v o l l , e i n i g e in d e r S c h l u ß d i s k u s s i o n g e m a c h t e u n d u . E . für d a s V e r s t ä n d n i s d e r G e s a m t t h e m a t i k z e n t r a l e Ä u ß e r u n g e n k u r z z u s a m m e n f a s s e n d w i e d e r z u g e b e n . E i n g e s u n d h e i t s p o l i t i s c h e r V e r t r e t e r d e r B e r l i n e r G r ü n e n v e r - w i e s d a r a u f , d a ß m a n i n d e r B u n d e s r e p u b l i k z w a r zu R e c h t v o n e i n e r n e u e n G e s u n d h e i t s b e w e g u n g s p r e c h e n d ü r f e , w a r n t e z u g l e i c h a b e r v o r e i n e r R e i h e v e r b r e i t e t e r F e h l d e u t u n g e n . Z u n ä c h s t e i n - m a l g e l t e e s , d e u t l i c h z w i s c h e n d e r " L a i e n s e l b s t h i l f e " , v e r - k ö r p e r t i n d e r w a c h s e n d e n Z a h l v o n G e s u n d h e i t s s e l b s t h i l f e g r u p - p e n u n d S e l b s t h i l f e v e r e i n i g u n g e n a u f d e r e i n e n u n d d e r " k r i t i - s c h e n E x p e r t e n b e w e g u n g " a u f d e r a n d e r e n S e i t e z u u n t e r s c h e i d e n . D i e in B e r l i n u n d H a m b u r g m i t g r o ß e m W i d e r h a l l a b g e h a l t e n e n G e s u n d h e i t s t a g e h ä t t e n m i t d e m , w a s ü b l i c h e r w e i s e u n t e r L a i e n - s e l b s t h i l f e v e r s t a n d e n w e r d e , " a b s o l u t n i c h t s z u t u n " . H i e r b e i h a n d e l e e s s i c h v i e l m e h r u m " e i n e A r t S e l b s t h i l f e b e w e g u n g v o n f r u s t r i e r t e n Ä r z t e n , K r a n k e n s c h w e s t e r n , S o z i a l a r b e i t e r n u n d P s y c h o l o g e n " , u m d e n V e r s u c h , " e i n e G e g e n p e r s p e k t i v e a u f z u - z e i g e n " zur " Ü b e r w i n d u n g d e r e i g e n e n B e r u f s s i t u a t i o n , d e r L e i s t u n g s i n s u f f i z i e n z d e r M e d i z i n u n d d e r S o z i a l a r b e i t h e u t z u - t a g e " . E r s t im B ü n d n i s d e r e r , d i e a u ß e r h a l b d e s M e d i z i n s y s t e m s z u r S e l b s t h i l f e g r e i f e n u n d d e r B e w e g u n g , d i e a u s d e m M e d i z i n - Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM 6 A. Einleitung system heraus erwächst, liege das "innovative Potential" ver- änderter Gesundheitsarbeit. Im übrigen müsse man (in Perlin) davon ausgehen, daß eine von den Experten unabhängige Selbst- hilfe gar nicht stattfinde. "Die Regel ist die Kooperation zwischen kritischen Experten und emanzipationswilligen und Selbstbestimmung fordernden Laien." Eine Vertreterin der Weltgesundheitsorganisation aus Kopenhagen verwies darauf, daß die WHO ihr in Alma Ata verabschiedetes Konzept "basisorientierter Gesundheitsdienste" inzwischen modifiziert habe. Während anfangs im Mittelpunkt dieses Konzep- tes noch eine basisorientierte medizinische Versorgung stand, werde heute das Laiensystem "dezidiert miteinbezogen". Im übrigen habe sie gestört, daß auf der Tagung so wenig über das Problem der Machtverteilung im Gesundheitswesen gesprochen wor- den sei. Schließlich dürfe man ja nicht übersehen, daß der Konsument hier einem System gegenüberstehe, in dem jeder Arzt und jede Krankenschwester durch mächtige Organisationen ver- treten werde, nur er selber nicht. Auch solle man bei derartig weitgespannten Forschungsvorhaben mehr Mut zur Utopie zeigen. Sie forderte die Wissenschaftler auf, über alternative Szena- rien zur Entwicklung des Gesundheitswesens nachzudenken, z.B. über die Frage, "Was heißt öffentliches Gesundheitswesen und öffentliche Gesundheitsverpflichtung in den achtziger Jahren?"; und: "Auf welche Art und Weise muß die Partizipation der Bevöl- kerung auf den verschiedenen Ebenen gesundheitspolitischer Entscheidungsfindung gewährleistet sein?". Sie warnt im übrigen bei Überlegungen zur Selbsthilfe vor der Uberbetonung der Selbsthilfegruppen; auch solle man das Gesundheitspotential anderer sozialer Bewegungen wie z.B. der Umweltbewegung nicht unterschätzen. Am Ende ihrer Ausführungen schlug sie vor, die Erkenntnisse und Erfahrungen in den verschiedenen Forschungs- gebieten in konkreten Modellversuchen zu erproben. Solange sich die Kritiker des Gesundheitswesens nicht auf eine gemeinsame gesundheitspolitische Strategie verständigen könn- ten - so ein Vertreter des DGB -»dürfe auch nicht mit einer Beseitigung vorhandener Mängel und Defizite gerechnet werden. Hauptziel einer solchen Strategie muß die "Rückgewinnung der Kompetenz" auf Seiten der Laien und der Krankenkassen sein. Der Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM Perspektiven sozialwissenschaftlicher Gesundheitsforschung 7 "Dominanz der Anbieter" könne nur durch gemeinsame Aktionen der Selbsthilfebewegung und kritischer Potentiale in den bestehen- den Institutionen begegnet werden. Neben diesen Grundsatzfragen kamen auch eine Reihe Einzelpro- bleme zur Sprache. Ein Vertreter des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes verdeutlichte am Beispiel der Altenhilfe, daß bestehende Regelungen im Bereich des BSHG "letzte Möglich- keiten der Gestaltung der Selbsthilfe" für alleinlebende alte Menschen bedrohen; wenn etwa der Gang ins Heim die einzige Möglichkeit bleibt, in den Genuß, wenn auch noch so kleiner Freibeträge zu kommen. Der gleiche Redner betonte die "Mangel- situation, daß das Gesundheitswesen auf den Übergang von der akuten medizinischen Behandlungsphase zum alltäglichen Leben wirklich nur unzureichend vorbereitet und ihn nur unzureichend begleitet". Mit der Entstehung von Selbsthilfegruppen habe hier sicherlich ein wünschenswerter Entwicklungsprozeß stattgefun- den, der "aus Behandelten auch Handelnde" gemacht habe. Er forderte eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen An- bietern und Konsumenten von Gesundheitsleistungen; und darüber, wie er sich eine solche partnerschaftliche Beziehung vor- stellte, sagte er: "Partner sind nicht notwendigerweise gleich. Sie sind auch nicht notwendigerweise gleichberechtigt, aber sie sind vielleicht gleichwertig, gleichrangig und ebenbürtig." Er betonte jedoch ausdrücklich, Selbsthilfe müsse "von Betroffenen geleistet, gestaltet und geleitet werden" und sie "müsse sich auch wieder auflösen" oder "sich zurückziehen" können. Im übrigen dürfe man nicht glauben, Selbsthilfe sei stets ein billiges Mittel zur Beseitigung von Versorgungslücken: "Selbst- hilfe könne durchaus teuer sein". Ein Vertreter der Betriebskrankenkassen verwies auf einen wei- teren ökonomisch relevanten Effekt der Selbsthilfe, wenn etwa der Patient "in einer Art individueller Negativ-Selbstmedi- kation" dazu übergehe, ein Medikament, von dem er annehme, daß es ihm nicht geholfen habe, in eigener Entscheidung abzusetzen. Am Ende der Diskussion vertrat ein Vertreter der Medizinsozio- logie die Auffassung, bei der Behandlung psychosozialer Folgen von Krankheit komme es letztlich darauf an, dem Betroffenen "die Sinnhaftigkeit eines Lebens mit der Krankheit" zu ver- mitteln. Was den Anwendungsbezug der vorgetragenen Ergebnisse Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM 8 A. Einleitung betrifft, äußerte er sich eher skeptisch. Seiner Meinung nach verfügten die Sozialwissenschaften "über sehr wenig Erfahrung im Bereich der experimentellen Verwirklichung" ihrer eigenen Erkenntnisse. "Ich glaube, wir werden Erfahrungen sammeln müssen, wie die Naturwissenschaftler, wie die Mediziner auch, denen man immer viel Zeit einräumt, um von einer Grundlagen- idee in die Entwicklung, in die technologische Umsetzung, in die Praxis zu gelangen. Sozialwissenschaftler geraten oft unter den Druck von vorschnellen, kurzfristigen, zeitbezogenen Mo- dellen und Problemdefinitionen", wodurch beide, die Grundideen und ihre Verwirklichung zu Schaden kämen. Dieser Band zieht eine Zwischenbilanz der Forschungsergebnisse aus sechs Projekten, die in dem Verbund "Laienpotential, Patientenaktivierung und Gesundheitsselbsthilfe" zusammenarbeiten. Der Verbund wird vom Bundesministerium für Forschung und Technologie im Programm "Forschung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit" gefördert. Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM B. Gesundheitsselbsthilfegruppen Arbeitsweise von Gesundheitsselbsthilfegruppen und Anregungen zu ihrer sozialpolitischen Unterstützung Jörn-Uwe Behrendt, Christiane Deneke, Astrid Estorff, Heide Guderian, Edith Halves, Ralf Itzwerth, Eva-Maria Schorsch, Alf Trojan 1. FORSCHUNGSZIELE UND FORSCHUNGSFELD 1.1 Allgemeine Fragestellungen und Ziele des Projekts Im Hamburger Projekt des Forschungsverbundes "Laienpotential, Patientenaktivieruhg und Gesundheitsselbsthilfe" werden die Ent- stehung, Arbeitsweise, Verläufe und Erfolge von Gesundheits- selbsthilfegruppen erforscht. Das aus verschiedenen qualitativen und quantitativen Teilstudien bestehende Forschungsvorhaben hat einen noch weitgehend explora- tiven Charakter. Sein Ziel ist zunächst, deskriptive Grundkennt- nisse zu erarbeiten über: a) die quantitative Verbreitung von Gesundheitsselbsthilfegrup- pen (exemplarisch für den Hamburger Raum) b) die Problembereiche, die in Gesundheitsselbsthilfegruppen (im folgenden meist verkürzt: "Selbsthilfegruppen") reprä- sentiert sind c) relevante Kriterien einer Typologisierung von Selbsthilfe- gruppen d) die Motive, Beitrittswege und Sozialdaten der Mitglieder e) verschiedene Arbeitsweisen der Gruppen f) die Aktivitäten und Wirkungen von Selbsthilfegruppen g) die Beurteilung der Wirkungen von Selbsthilfegruppen (durch Mitglieder und Professionelle) h) Entwicklungsprozesse in den Gruppen i) Art und Umfang der Mitwirkung von Professionellen in den Gruppen k) Einstellungen von Professionellen zu Selbsthilfegruppen und ggf. ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Selbsthilfe- gruppen 1) das Verhältnis zwischen den Gruppen und dem System profes- sioneller Versorgung *) Wir danken den weiteren Mitarbeitern des Projektes, die in verschiedenen Phasen zum Fortgang unserer Arbeit beigetragen haben. Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM 10 B. Gesundheitsselbsthilfegruppen Die weitergehende Analyse der grundlegenden Informationen kon- zentriert sich auf die Beantwortung folgender forschungsleiten- der Fragestellungen: 1. Welchen (quantitativen und qualitativen) Beitrag leisten die verschiedenen Typen von Gesundheitsselbsthilfegruppen für die Verhütung und Bewältigung gesundheitlicher Probleme? (vgl. a - c) . 2. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen.Merkmalen der Mitglieder und der Gruppen einerseits und den Wirkungen (Erfolgen/Miß- erfolgen) der Selbsthilfegruppenteilnahme andererseits? (vgl. d - h) . 3. Welche Forderungen ergeben sich für die allgemeine Förderung von gesundheitsrelevanten Selbsthilfezusammenschlüssen und die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsselbsthilfegruppen und dem System professioneller Versorgung? Hierzu beziehen wir auch im folgenden Beitrag aufgrund der bis- herigen, vor allem qualitativen Forschungsergebnisse aus Inten- sivinterviews und teilnehmender Beobachtung Stellung: im 1. Ab- schnitt zur Strukturierung des vielfältigen Bereichs gesundheit- licher Selbsthilfe, in Abschnitt 2 zu qualitativen Leistungen (Arbeitsweise•und Wirkungen) von Selbsthilfegruppen und in Ab- schnitt 3 zur Förderung von Selbsthilfegruppen^'. 1.2 Zur Strukturierung des Bereichs "gesundheitlicher Selbst- hilfe" Unter "gesundheitlicher Selbsthilfe" als Oberbegriff müssen alle Individuellen und kollektiven Handlungsformen verstanden werden, die der Vorbeugung und besseren Bewältigung von Befindlichkeits- störungen und Krankheiten ohne Inanspruchnahme professioneller Dienste durch die Betroffenen selbst dienen. Dieses weite Ver- ständnis entspricht auch dem "Self-Help"-Konzept D. Robinsons, der 1982 im Auftrag der WHO einen ersten Vorschlag für eine inter- national brauchbare Terminologie für diesen Bereich unterbreitet hat. Thema unserer weiteren Diskussion werden vor allem "Selbsthilfe- gruppen" , d.h. eine spezielle Form kollektiver Selbsthilfe, sein. Für den Bereich der individuellen Selbsthilfe und der familiären Selbsthilfe verweisen wir insbesondere auf das Bielefelder Pro- jekt unseres Verbundes. Als Oberbegriff für kollektive Selbsthilfe (außerhalb der Fami- lie) benutzen wir im Hamburger Projekt den Ausdruck "Selbsthilfe- zusammenschlüsse" . Die 5 wichtigsten allgemeinen Definitions- Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM Arbeitsweise und Anregungen zu ihrer Unterstützung 11 merkmale für Selbsthilfezusammenschlüsse sind: - Betroffenheit der Mitglieder durch ein gemeinsames Problem - keine oder geringe Mitwirkung professioneller Helfer - keine Gewinnorientierung - gemeinsames Ziel: Selbst- und/oder soziale Veränderung - Arbeitsweise: Betonung gleichberechtigter Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfe. Als Selbsthilfeorganisationen bzw. -verbände bezeichnen wir Zusammenschlüsse, die mehr als eine Gruppe (bzw. als einen Landesverband) umfassen und/oder deren Arbeitsweise nicht durch eine kontinuierliche Gruppenarbeit gekennzeichnet ist (d.h. deren Treffen seltener als ca. einmal monatlich stattfinden) . Selbsthilfegruppen unterscheiden sich von Selbsthilfeorganisa- tionen durch die Kontinuität ihrer gemeinsamen Arbeit, die meist wöchentliche, in der Regel aber mindestens monatliche Treffen 2) erfordert Unsere definitorischen Festlegungen sind dadurch legitimiert, daß sie sowohl mit dem sozialpsychologischen als auch mit dem Alltagsverständnis der Begriffe "Gruppe" und "Organisation" korrespondieren. Mißverständnisse können sich jedoch dadurch er- geben, daß wiederum in Wissenschaft und Alltag - die Begriffe "Gruppe" und "Organisation" ganz unterschiedlich weit ausgelegt und verstanden werden. Diese Feststellung gilt insbesondere für den Begriff "Selbsthilfegruppen". Ein enges Verständnis begreift Selbsthilfegruppen nur als Ge- sprächsgruppen, in denen gegenseitige Hilfe geboten wird. Oft wird der Begriff sehr viel weiter, d.h. für alle Selbsthilfezu- sammenschlüsse, nämlich Gruppen und Organisationen, benutzt, so offenbar auch von der "Gesundheitsministerkonferenz", die sich auf ihrer 5o. Tagung im Dezember 1982 mit diesem Thema befaßt und eine positive Stellungnahme verabschiedet hat. Das weiteste Verständnis offenbart sich in einer großen Anfrage der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus (DS 9/349 v. 8.2.82). Die Anfrage bezieht sich auf "Alternatives Leben" und verwendet den Ausdruck "Selbsthilfegruppen" für alle Zusammenschlüsse der "Alternativ-Szene". Die folgende Übersicht geht von dem weitesten Verständnis aus und versucht eine Zusammenschau zu geben des gesamten Bereichs der auch in der Presse immer häufiger als "Selbsthilfegruppen" bezeichneten Zusammenschlüsse. In der Wissenschaft scheint sich Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM 12 B. Gesundheitsselbsthilfegruppen für d i e s e n B e r e i c h d e r Begriff " S e l b s t o r g a n i s a t i o n e n " d u r c h z u - 3) s e t z e n , i m A l l t a g s s p r a c h g e b r a u c h w i r d h ä u f i g d e r A u s d r u c k " S e l b s t h i l f e i n i t i a t i v e n " für a l l e F o r m e n s e l b s t o r g a n i s i e r t e r L a i e n - und P r o f e s s i o n e l l e n - G r u p p e n v e r w e n d e t . Ü b e r s i c h t : " S e l b s t o r g a n i s a t i o n e n " ( b z w . " S e l b s t h i l f e i n i t i a t i v e n " ) (= s e l b s t o r g a n i s i e r t e Z u s a m m e n s c h l ü s s e m i t den H a u p t k e n n z e i c h e n v o n " B e d a r f s o r i e n t i e r u n g als d o m i n a n t e m Ziel" u n d e i n e r " p a r t i - z i p a t i v e n E n t s c h e i d u n g s s t r u k t u r " ) Selbstorganisationen: Teilbereich des "autonomen" (="dritten" ="voluntary non-profit") Bereiches neben staatlichem und privatwirtschaftlichem Bereich 0 Selbsthilfe- Zusammenschlüsse selbstorganisierte Fremdhilfe- Zusammenschlüsse o i O 2. Selbst- | 4. Laien- hilfe- I helfer- organi- 1 gruppen sationen J (Selbsthilfe-u .Fremdhilfe- prinzips vermischen sich) i 1. Selbst- hilfe- 5. wohl- finanz.staatl. Förderung 1 t 3. Alternative (Selbsthilfe-) Projekte Uberwiegen des Selbsthilfe- Prinzipsfin: - Projekten des primären Sektors (Landwirtschaft) - Projekten des sekundären Sektors (Güterproduktion) Gleichrangigkeit oder Über- | wiegen des Fremdhilfe-Prinzips , in: Projekten des tertiären Sektors (Erbringung von Dienstleistungen) Unauthenticated Download Date | 7/4/19 6:06 AM