Studien zum Physik- und Chemielernen H. Niedderer, H. Fischler, E. Sumfleth [Hrsg.] 218 Martina Brandenburger Was beeinflusst den Erfolg beim Problemlösen in der Physik? Eine Untersuchung mit Studierenden λογος Studien zum Physik- und Chemielernen Herausgegeben von Hans Niedderer, Helmut Fischler und Elke Sumfleth Diese Reihe im Logos-Verlag bietet ein Forum zur Ver ̈ offentlichung von wissenschaftlichen Studien zum Physik- und Chemielernen. In ihr wer- den Ergebnisse empirischer Untersuchungen zum Physik- und Chemie- lernen dargestellt, z. B. ̈ uber Sch ̈ ulervorstellungen, Lehr-/Lernprozesse in Schule und Hochschule oder Evaluationsstudien. Von Bedeutung sind auch Arbeiten ̈ uber Motivation und Einstellungen sowie Interessensge- biete im Physik- und Chemieunterricht. Die Reihe f ̈ uhlt sich damit der Tradition der empirisch orientierten Forschung in den Fachdidaktiken verpflichtet. Die Herausgeber hoffen, durch die Herausgabe von Studien hoher Qualit ̈ at einen Beitrag zur weiteren Stabilisierung der physik- und chemiedidaktischen Forschung und zur F ̈ orderung eines an den Ergeb- nissen fachdidaktischer Forschung orientierten Unterrichts in den bei- den F ̈ achern zu leisten. Hans Niedderer Helmut Fischler Elke Sumfleth Was beeinflusst den Erfolg beim Problemlösen in der Physik? Eine Untersuchung mit Studierenden von der Pädagogischen Hochschule Freiburg zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation von Martina Brandenburger aus Speyer Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ̈ uber http://dnb.d-nb.de abrufbar. c © Copyright Logos Verlag Berlin GmbH 2016 Alle Rechte vorbehalten. ISBN 978-3-8325-4409-6 Logos Verlag Berlin GmbH Comeniushof, Gubener Str. 47, 10243 Berlin Tel.: +49 (0)30 42 85 10 90 Fax: +49 (0)30 42 85 10 92 INTERNET: http://www.logos-verlag.de Inhaltsverzeichnis I. Einleitung 1 II. Theoretischer Teil 9 1. Expertiseforschung 11 1.1. Begriffsbestimmung „Expertise“ und „Experte“ . . . . . . 12 1.1.1. Der Begriff des Experten nach Posner (1988) . . . . 12 1.1.2. Der Begriff des Experten nach Krems (1994) . . . . 14 1.1.3. Der Begriff des „Novizen“ . . . . . . . . . . . . . . 14 1.1.4. Entwicklung des Expertisebegriffs . . . . . . . . . . 16 1.2. Der Experten-Novizen-Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.3. Entstehung und Entwicklung von Expertise . . . . . . . . . 24 1.3.1. Intelligenz und Expertise . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.3.2. Wissen und Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1.3.3. Erfahrung und Expertise . . . . . . . . . . . . . . . 34 1.3.4. Nicht-kognitive Komponenten und Expertise . . . . 36 1.4. Zusammenfassende Betrachtungen zur Expertiseforschung . 38 2. Problemlösen 41 2.1. Begriffsbestimmung „Problem“ . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.1.1. Definition „Problem“ nach Dörner . . . . . . . . . . 42 2.1.2. Definition „Problem“ nach Smith . . . . . . . . . . 43 2.2. Einteilung von Problemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.3. Komplexe Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.4. Modelle zum Problemlösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.4.1. Modell des Problemlösens nach Dewey . . . . . . . 56 i Inhaltsverzeichnis 2.4.2. Modell des Problemlösens nach Pólya . . . . . . . . 60 2.4.3. Problemlösen als Informationsverarbeitung . . . . . 64 2.4.4. Problemlösekompetenz nach PISA . . . . . . . . . . 81 2.4.5. Wissenszentriertes Problemlösen nach Friege (2001) 90 2.4.6. Begründung der Wahl des Modells nach Friege (2001) 93 2.5. Strukturierung des Problemlöseprozesses . . . . . . . . . . 96 2.5.1. Problemrepräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2.5.2. Auswahl / Erarbeitung eines Problemschemas . . . 98 2.5.3. Erarbeitung einer Lösung . . . . . . . . . . . . . . 100 2.5.4. Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2.5.5. Nachvollziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2.6. Abgrenzung zum Modellieren . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2.6.1. Modellbegriff in der Physik . . . . . . . . . . . . . 108 2.6.2. Modellierung in der Mathematik . . . . . . . . . . . 116 2.6.3. Vergleich „Modellierung“ in Physik und Mathematik und der Bezug zum Problemlösen . . . . . . . . . . 118 2.7. Einflussfaktoren auf den Erfolg beim Problemlösen . . . . 125 2.7.1. (Fach-)Wissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2.7.2. Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2.7.3. Selbstkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2.7.4. Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2.7.5. Unterschiede zwischen Experten und Novizen . . . 142 2.8. Zusammenfassung zum Problemlösen . . . . . . . . . . . . 146 3. Forschungsfragen und Hypothesen 149 3.1. Beschreibung der Fähigkeit zum Problemlösen . . . . . . . 150 3.2. Einflussfaktoren auf das Problemlösen . . . . . . . . . . . . 153 3.3. Typische Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 III. Empirischer Teil 157 4. Anlage der Untersuchung 159 4.1. Überblick über die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . 160 ii Inhaltsverzeichnis 4.2. Beschreibung der Stichproben . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4.2.1. Pilotierung I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4.2.2. Pilotierung II und III . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4.2.3. Hauptstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4.3. Beschreibung der Untersuchungsinstrumente . . . . . . . . 166 4.3.1. Problemlösetest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 4.3.2. Skalen zur Erhebung des Selbstkonzepts . . . . . . 189 4.3.3. Skalen zur Erhebung der Beliebtheit von Tätigkeiten 200 4.3.4. Fachwissen Mathematik . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.3.5. Fachwissen Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 4.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 5. Auswertung 223 5.1. Überblick über die Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 5.2. Stufen der Problemlösefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 229 5.3. Stufen des Fachwissens Mechanik . . . . . . . . . . . . . . 233 5.4. Stufen des Fachwissens Mathematik . . . . . . . . . . . . . 235 5.5. Klassen des Selbstkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 5.6. Klassen der Beliebtheit von Tätigkeiten . . . . . . . . . . . 240 5.7. Verteilung der Prädiktoren auf die Stufen des Problemlösens 243 5.8. Vergleich der Stufen- bzw. Klassenzugehörigkeiten . . . . . 246 5.8.1. Fachwissen Mechanik vs. Problemlösen . . . . . . . 247 5.8.2. Fachwissen Mathematik vs. Problemlösen . . . . . . 251 5.8.3. Selbstkonzept vs. Problemlösen . . . . . . . . . . . 255 5.8.4. Beliebtheit von Tätigkeiten vs. Problemlösen . . . . 258 5.9. Korrelationen der einzelner Prädiktoren . . . . . . . . . . . 261 5.10. Untersuchung des Erfolgs beim Problemlösen durch lineare Regression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5.10.1. Indirekte Effekte auf den Erfolg beim Problemlösen 264 5.10.2. Direkte Effekte auf den Erfolg beim Problemlösen . 273 5.10.3. Zusammenfassendes Modell unter Berücksichtigung der Hypothesen zu Forschungsfrage 2 . . . . . . . . 276 iii Inhaltsverzeichnis 5.11. Qualitative Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 5.11.1. Typische Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 5.11.2. Argumentationsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . 282 5.12. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . 287 IV. Zusammenfassung 291 V. Anhang 309 A. Statistische Dokumentationen 311 A.1. Beschreibung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 A.2. Bewertungsschema des Problemlösetests . . . . . . . . . . 312 A.3. Skalen zum Selbstkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 A.3.1. Items der Skalen zum Selbstkonzept . . . . . . . . . 313 A.3.2. Reliabilitätsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 A.3.3. Faktorenanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 A.4. Fachwissenstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 B. Instrumente 323 Literaturverzeichnis 347 Danksagung 357 iv Teil I. Einleitung 1 Einleitung „ Problem solving is an essential prerequisite for flexible per- formance, is widely needed, and is particularly important in scientific or other complex domains. It is also of paramount importance in education, especially since problem solving can be quite difficult. “ Reif, 2008, S. 189 Problemlösen ist eine wesentliche Voraussetzung für das Handeln in allen Bereichen des Lebens: In einfachen Alltagssituationen, bei (natur-) wis- senschaftlichen Fragestellungen oder bei komplexeren gesellschaftlich re- levanten politischen und ökonomischen Problemen spielt die Lösung von Problemen eine Rolle. Insbesondere innerhalb des schulischen und univer- sitären Kontextes, z.B. beim Lernen und der Leistungsüberprüfung oder in internationalen Schulleistungsstudien werden Probleme bearbeitet. Funke (2003) fasst die Vielfalt von Situationen, in denen Probleme gelöst wer- den müssen, treffend zusammen: „ Es gibt eigentlich kaum einen Bereich menschlichen Lebens, in dem Problemlösen nicht bedeutsam wäre! “ (Fun- ke, 2003, S. 13). Entsprechend lange stehen Untersuchungen zum Problemlösen schon im Fokus der Lehr-Lern-Forschung. Bereits um 1900 beschäftigte sich John Dewey damit, wie Menschen im Alltag Probleme lösen (z.B. Wie komme ich am schnellsten von A nach B?) und wie diese Art des Denkens geför- dert werden kann. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Untersuchung des Problemlösens anhand von wohldefinierten Puzzeln (z.B. Turm von Hanoi) in der Mitte des 20. Jahrhunderts (s.h. z.B. Newell & Simon, 1972; Dörner, 1976). Später verschob sich der Fokus weg von einfachen Situationen hin zu komplexen (Überblick: Frensch & Funke, 1995) und domänenspezifischen 3 Problemen (z.B. Chi et al., 1981; Pólya, 1985; Smith, 1991b; Friege, 2001; Reif, 2008), auch aus dem schulischen und universitären Kontext. In jüngerer Vergangenheit rückte das Problemlösen vor allem durch in- ternationale Schulleistungsstudien (wie TIMSS 1 oder PISA 2 ) wieder in den Vordergrund – es bestand die Befürchtung, dass die von den Schülerinnen und Schülern gelernten Inhalte nicht ausreichten, um reale Problemstellun- gen im Alltag bewältigen zu können (vgl. Leutner et al., 2004). Problemlö- sekompetenz wird als zentrale „Schlüsselkompetenz“ angesehen (vgl. z.B. Rumann et al., 2010; Fleischer et al., 2010) und in Kerncurricula und na- tionalen Bildungsstandards als zu erwerbende Kompetenz gefordert (vgl. KMK Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2005). Auch außerhalb internationaler Vergleichsstudien nehmen Probleme, bei- spielsweise in Form von Übungsaufgaben oder zur Leistungskontrolle, im schulischen und universitären Umfeld einen wichtigen Platz ein (vgl. z.B. Fischer & Draxler, 2001; Friege & Lind, 2003; Kühn, 2011). Wie bereits das Anfangszitat von Frederick Reif ausdrückt, ist angemessenes und er- folgreiches Problemlösen sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Studierende oft schwierig. Ausgehend davon erscheint es sinnvoll, genauer zu untersuchen, was für erfolgreiches Problemlösen benötigt wird und wie diese Erkenntnisse für das Unterrichten genutzt werden können (vgl. Reif, 2008). Insbesondere die Physik erweist sich als ein geeignetes Themenfeld zur Untersuchung von erfolgreichem Problemlösen – einerseits wird die Do- mäne gemeinhin als schwierig eingeschätzt, andererseits ist die Physik und insbesondere der Teilbereich der Mechanik trotz der Anforderungen grund- sätzlich simpel und wohldefiniert (vgl. Heller & Reif, 1984) und kann zu systematischen Untersuchungen herangezogen werden. Aus vorangegangenen Studien sind einige Einflussfaktoren auf das er- folgreiche Problemlösen bekannt (Smith, 1991b; Jonassen, 2000; Lauken- mann et al., 2000; Friege, 2001). Vor allem das domänenspezifische Fachwis- 1 Third International Mathematics and Science Study 2 Programme for International Student Assessment 4 sen steht hierbei im Vordergrund. Aber auch kognitiv-emotionale Einflüsse (z.B. das Selbstkonzept) werden als wichtig angesehen, jedoch in vielen Studien nicht genauer untersucht bzw. miterhoben (vgl. Friege, 2001). Ei- ne genauere quantitative Untersuchung der verschiedenen Einflüsse findet, vor allem in den letzten Jahren, weniger statt. Aufriss des Forschungsvorhabens Vor dem angerissenen traditionsreichen Forschungshintergrund des Pro- blemlösens fokussiert die vorliegende Arbeit auf einen kleinen Teilbereich aus der Menge von möglichen Untersuchungsgegenständen – auf den Er- folg von Studierenden beim Problemlösen in Physik. Die täglichen Erfah- rungen des Lehrbetriebs an Hochschulen machen deutlich, dass Teile der Studierenden große Schwierigkeiten haben, Probleme erfolgreich zu lösen. Sie scheitern sowohl an der Erarbeitung eines Lösungsansatzes als auch bei der Durchführung der (mathematischen) Lösung. Andererseits gibt es auch Studierende, welche die gestellten Probleme gut lösen können. Die Diskrepanz zwischen der Wichtigkeit des Problemlösens und den Schwierigkeiten, die Bearbeitende haben, ist der Ausgangspunkt für die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit: Was unterscheidet „gute“ von „schlechten“ Problemlösern und welche Faktoren beeinflussen den Er- folg beim Problemlösen? Mit Hilfe einer empirischen Untersuchung soll dazu beigetragen werden, bereits bekannte Erkenntnisse aus der traditionsreichen Forschung zum Problemlösen zu bestätigen (z.B. die Bedeutung des domänenspezifischen Fachwissens oder des Selbstkonzepts), zu quantifizieren und zueinander in Beziehung zu setzen. Es sollen sowohl quantitative als auch qualitati- ve Eigenschaften „guter“ und „schlechter“ Problemlöser herausgearbeitet werden. Die Studie beschränkt sich auf Studierende an Universitäten und Päd- agogischen Hochschulen, die Physik als Nebenfach oder Studienschwer- punkt belegen. Als Teilgebiet der Physik, aus dem die untersuchten Proble- me stammen, wurde die Mechanik gewählt, die repräsentativ für die Phy- 5 sik und, wie oben bereits angerissen, hinreichend komplex aber aufgrund der wenigen grundsätzlichen Prinzipien (z.B. Energieerhaltung, Kraftan- satz etc.) trotzdem wohldefiniert ist. Zur Erhebung des Erfolgs beim Problemlösen wurde ein spezielles Testin- strument entwickelt, das basierend auf dem Modell des wissenszentrierten Problemlösens (nach Friege, 2001) die verschiedenen Phasen des Problem- lösens getrennt voneinander erhebt. Neben einer differenzierten Beschrei- bung der vorhandenen Problemlösefähigkeit der untersuchten Stichprobe werden die gewonnenen Daten des Weiteren mit verschiedenen, aus der Theorie bekannten Einflussfaktoren (Fachwissen Mechanik und Mathema- tik, Erfahrung mit dem Problemlösen, Aspekte des domänenspezifischen und situationsbezogenen Selbstkonzepts, Aspekte des Interesses) in Bezie- hung gesetzt. Hieraus wird ein Modell entwickelt, das den Zusammenhang zwischen den Einflussfaktoren und dem Erfolg beim Problemlösen quanti- tativ beschreibt. Aufbau der Arbeit Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Die Abbildung auf Seite 8 gibt einen Überblick über die Struktur der Arbeit. Teil II arbeitet die theoretischen Hintergründe des Untersuchungsgegenstandes auf. Den allgemeinen Rah- men bildet die Expertiseforschung, deren grundsätzliche Ideen, Arbeits- weisen und Erklärungsmodelle in Kapitel 1 dargelegt werden. Das Pro- blemlösen stellt, wie sich in den Ausführungen zeigt, einen speziellen Teil der Expertiseforschung dar, der sich mit der Bearbeitung (domänenspe- zifischer) Herausforderungen beschäftigt. Kapitel 2 grenzt den Begriff des „Problems“ näher ein und gibt einen Überblick über das umfangreiche For- schungsgebiet des Problemlösens. Es wird eine angemessene Strukturierung physikalischer Problemlöseprozesse vorgestellt, die maßgeblich auf der Ar- beit von Friege (2001) basiert. Um die Begrifflichkeit des „Problemlösens“ besser abzugrenzen, wird ein Vergleich zum Begriff „Modellieren“ durch- geführt, sowohl aus Sicht der Physik- als auch der Mathematikdidaktik. Abschließend werden Faktoren vorgestellt, von denen aus vorangegange- 6 nen Forschungen ein Einfluss auf den Erfolg beim Problemlösen erwartet werden kann. Ausgehend vom theoretischen Rahmen werden in Kapitel 3 Forschungsfragen und Hypothesen formuliert, welche die grundsätzliche Fragestellung der vorliegenden Arbeit genauer differenzieren. Teil III legt die empirische Untersuchung des Forschungsgegenstandes dar. In Kapitel 4 werden die Anlage der Untersuchung und die verwende- ten Instrumente vorgestellt. Die Auswertung der Daten in Kapitel 5 bein- haltet kategoriale und kontinuierliche Betrachtungen, die zu einem Modell des Zusammenspiels der verschiedenen Einflussfaktoren zur Erklärung von erfolgreichem Problemlösen führen und „gute“ bzw. „schlechte“ Problemlö- ser über die erhobenen Prädiktorvariablen charakterisiert. Ergänzt werden die quantitativen Auswertungen durch qualitative Betrachtungen zu typi- schen Fehlern und Argumentationsmustern mehr oder weniger erfolgreicher Problemlöser. Im Teil IV werden die theoretischen Hintergründe und empirischen Er- gebnisse zusammengefasst und diskutiert. Abschließend wird ein Ausblick auf Forschungsfelder, die an die Untersuchung anschließen, gegeben. 7 I Einleitung II Theoretischer Teil 1 Expertise- forschung Begriffsbestimmung Experten-Novizen Vergleich Entstehung & Ent- wicklung v. Expertise 2 Problemlösen Begriffsbestimmung Modelle zum Problemlösen Strukturierung des Problemlöseprozesses Abgrenzung „Modellieren“ Einflussfaktoren 3 Forschungsfragen & Hypothesen III Empirischer Teil 4 Anlage der Untersuchung Beschreibung der Stichproben Design der Studie Vorstellung der Instrumente Problemlösetest, Skalen Selbstkonzept und Inter- esse, Fachwissen Mathe, Fachwissen Mechanik 5 Auswertung Kategoriale Betrachtungen Stufen- & Klassenein- teilungen, Kreuztabellen Kontinuierliche Betrachtungen Korrelationen, linea- re Regression (in- direkt und direkt) Qualitative Betrachtungen IV Zusammenfassung 8 Teil II. Theoretischer Teil 9 1. Expertiseforschung Dieses Kapitel beleuchtet die Expertiseforschung als grundsätzlichen theo- retischen Rahmen der vorliegenden Arbeit, in die auch die weiteren Aus- führungen zum Problemlösen eingebettet sind (Kapitel 2) .Erfolgreiches Problemlösen wird, wie später erläutert, als Zeichen von Expertise gese- hen, so dass sich bei seiner Erklärung viele Überschneidungen mit der von Expertise ergeben. Im Allgemeinen beschäftigt sich die Expertiseforschung mit der Untersuchung herausragender menschlicher Leistungen (den Leis- tungen von Experten), mit den Bedingungen ihres Zustandekommens und den Möglichkeiten, den Erwerb von Expertise zu unterstützen (vgl. Gruber, 2010). Die folgenden Kapitel beleuchten verschiedene Aspekte der Experti- seforschung, beginnend mit einer Begriffsbestimmung und der historischen Entwicklung der Vorstellung von Expertise (Kapitel 1.1), einer anschlie- ßenden Beschreibung der gängigen Forschungsmethoden (Kapitel 1.2) und der abschließenden Darlegung verschiedener Begründungen zur Entstehung und Entwicklung von Expertise (Kapitel 1.3). Zur Veranschaulichung wer- den Beispiele aus verschiedenen Domänen 1 gewählt, insbesondere aus der Physik (in Bezug auf die Domäne dieser Arbeit) und der schachpsychologi- schen Forschung, die als vergleichsweise einfach zu untersuchende Domäne eine große Tradition innerhalb der Expertiseforschung besitzt (vgl. Gruber, 1994). 1 Unter „Domäne“ versteht man den Bereich, in dem expertenhafte Leistungen untersucht werden, z.B. Physik oder Schach. 11 1. Expertiseforschung 1.1. Begriffsbestimmung „Expertise“ und „Experte“ „Experte“ ist ein in der Alltagssprache vorkommender Begriff, der in sei- ner grundlegenden Ausrichtung mit dem psychologischen Begriff überein- stimmt, jedoch weniger scharf zu verwandten Begriffen abgegrenzt ist. So bezeichnet man im Alltag einen Experten als eine Person, der „ getraut werden kann, [die] über eine Sache viel weiß und sie in der Regel fachmän- nisch, korrekt und kompetent zu Ende führt “ (Gruber, 1994, S. 9). Hierbei wird zwischen handwerklichen Tätigkeiten („Fachmann“) und dem Vorhan- densein von viel Wissen („Experte“) unterschieden. Bei der Benutzung im normalen Sprachgebrauch wird dem Experten, über sein eigenes Themen- feld hinaus, eine generelle Überlegenheit zugeschrieben. So geht der Laie davon aus, dass Schachmeister eine grundsätzlich höhere Intelligenz besit- zen, die sich beispielsweise auch in erhöhten mathematischen Fertigkeiten zeigt. Blickt man in die Forschung zur Expertise, stellt man fest, dass viele Autoren auf eine theoriegeleitete Definition von „Experte“ verzichten und den Begriff vielmehr über die Art der Operationalisierung eingrenzen - als Experte wird derjenige verstanden, der vorgegebene, domänenspezifische Kriterien überdurchschnittlich erfüllt. Ausgehend von diesem kleinsten ge- meinsamen Nenner werden im Folgenden zwei gängige Definitionen des „Experten“ vorgestellt. 1.1.1. Der Begriff des Experten nach Posner (1988) Posner (1988) greift in seiner Einleitung zum Sammelband „ The nature of expertise “ (Chi et al., 1988) den kleinsten gemeinsamen Nenner verschie- dener Forschungen zur Expertise auf und hält fest: „ Ein Experte ist eine Person, die auf einem bestimmten Ge- biet dauerhaft (also nicht zufällig und singulär) herausragende Leistungen erbringt. “ (Posner, 1988 zitiert nach Gruber, 1994, S. 10). Problematisch an dieser Definition ist, dass sie sehr weit gefasst ist und so 12