1 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 The Tube 1. Motivation........................................................................... .. ...... .. ................ 2 2. Gegenkopplung: Vor - oder Nachteil?.......... .............................................. 3 3. Clipping: hart oder weich?....................................................................16 4. Die gehörrichtige Lautstärkeregelung........................ .. ............................. 18 5. Ansteuerung der Endröhren............................................. ......................... 1 9 6. Zusammenfassung..................................................................... .... ............... 20 7. The Tube Gesamtschaltbild ..................... ..... .............................. ... .............. 21 8. „Making of“ : The Tube..................... .... ................................................ .. ..... 22 - e in Röhrenverstärker der anderen Art - 2 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Motivation: Mit 15 Jahren baute ich meinen ersten Röhrenverstärker. 2 x EL84 in Gegentakt . Schaltungsvorschlag aus Elektor. Der Rest aus alten Radios. Das war 1971. Ein paar Jahre gut für heiße Feten. Nach der Schule Lehre als Radio – u. Fernsehtechniker bei Grundig. Als frischgebackener Geselle eine Verbes - serung für Videorecorder gemacht, die sogar den alten Max Grundig verblüffte. Von da ab erneute Ausbildung und steiler A ufstieg im Bereich Forschung und Entwicklung. Dann der Wechsel zu der damals aufblühenden Fa. Nokia. Auch Entwicklung von digitalen Audioendstufen. Während der Bestzeit dieser Firma außergewöhnliche Anstellung mit der Lizenz zum freien F orschen. Patentanme ldungen im Monatsabstand. Absprung mit der Erfindung des Halios - Messprinzips, besser bekannt durch seine Anwendung als Regensensor zur automatischen Scheibenwischers teuerung Heute sind 85% aller Fahrzeuge weltweit d amit ausgestattet. Eigene Firma gegrü ndet (www.Picosens.de), Schwerpunkt Entwicklung von Zukunftsprojekten. Nebenbei ein Buch geschrieben. Spielt im Jahre 2048 und zeigt, wie dann die Welt aussehen könnte. Jetzt, mit 65 Jahren habe ich mich (fast) zur Ruhe gesetzt. Corona hat mir bei dieser Entsc heidung geholfen. Geblieben ist der Forscherdrang, das präzise Arbeiten, und ein tiefes Verständnis für analoge Schaltungen. Zeit und Ruhe, nochmal die Freude an der Röhre aufleben lassen. Nur diesmal mit der Erfahrung aus 40 Jahre n intensivem Berufsl eben Klein aber fein sollte er werden. 10 – 15 Watt, Gegentakt , 2 x EL84 pro Kanal , genau wie damals. Nostalgi sche Anwandlung? Keine Ahnung ? Röhren faszinieren halt immer noch. Aber andersartig sollte er werden , zu Beginn war nur das Gehäuse gemeint. Auf bau mehrere klassischen Schaltung svarianten Hören, vergleichen, Messen und Kopfschütteln. So nicht! Dann wurde aus „nur zum Spaß“ doch ein richtiges Projekt. Wieviel länger es dauerte und um wieviel teurer es wurde, kann ich nicht sagen. Aber beide Faktoren spiel t en ja keine Rolle Heraus kam dann: The Tube ein Röhrenverstärker der anderen Art Und das Nachfolgende ist für alle, die das Konzept dahinter verstehen oder ihn einmal selbst aufbauen möchten. Viel Spaß dabei! 3 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Gegenkopplung : Vor - oder Nachteil ? Röhrenverstärker sind immer noch ein Muss für viele Audioenthusiasten. Warum? Der angeblich warme Klang, die Gutmütigkeit bei Übersteuerung. Aber schauen wir doch mal genauer hin. Fast alle Schaltungen, die mir bekannt sind und auch die, die im Netz kursie ren, sind mit einer sogenannten „Gegenkoppelung“ aufgebaut. Egal, welche Betriebsart und welche Endröhren. Also, was macht eine solche Gegenkopplung? Fangen wir mit dem Verstärker an. Ein relativ kleines und schwaches Signal, wie es z.B. der CD - Player oder der analoge Plattenspieler liefert, wird in mehreren hintereinandergeschalteten Verstärker - stufen so vergrößert, das damit der Lautsprecher angesteuert werden kann. Und aus fertigungstechnischen Gründen besteht die Spule im Lautsprecher aus relativ wenige n Windungen eines dicken Drahtes. Und darum braucht sie auch eine hohe Stromstärke bei moderater Spannung, um in einem externen Magnetfeld in Bewegung gesetzt zu werden, also um bei entsprechender elektrischer Ansteuerung ein akustisches Signal zu erzeugen Alles kein Problem bei einem Verstärker, der mit Halbleiter aufgebaut ist. Hier werden generell moderate Spannungen verwendet. Aber Röhren brauchen eine viel höhere Spannung. Statt 30 V dann vielleicht 300V. Die kann man natürlich nicht direkt auf den L autsprecher loslassen. D arum ist zwischen der oder den Endröhren und dem Lautsprecher ein sogenannter Ausgangsübertrager vorgesehen. Spannung runter, Strom rauf. Aber das geschieht mit mehr oder weniger kleinen Fehlern. Die Transformation von Spannung in S trom ist abhängig vom Kernmaterial und dessen Volumen, der Verschachtelung der Windungslagen, der Form des Spulenkörpers und noch vielen weiteren Faktoren. Und diese schränken auch den zu übertragenen Frequenzbereich ein, was sich speziell bei tiefen Frequ enzen unschön bemerkbar machen kann. Dies zu optimieren haben sich ganze Generationen von HiFi - Enthusiasten die Köpfe zerbrochen. Neben dem Ausgangsübertrager hat natürlich die Schaltungsphilosophie einen gehörigen Einfluss. Denn eine Verstärkerschaltung mit Röhren ist nicht per se im Nutzbereich linear. Das schwache Eingangssignal soll natürlich unverfälscht, aber in seiner Leistung tausendmal verstärkt, am Lautsprecher ankommen. Und um das ohne viel Aufwand zu erreichen gibt es eine „einfache“ Universall ösung: die Gegenkopplung Ein Teil des direkt am Lautsprecher ankommenden Si gnals wird wieder auf eine der vorderen Verstärkerstufen zurückgekoppelt und wirkt der hohen Verstärkung entgegen, daher auch die Bezeichnung Gegen kopplung. Das Signal am Lautspre cher sieht jetzt genau so aus, wie das Eingangssignal es vorgibt. Auch wenn die Verstärkerkette inklusive Ausgangsübertrager die Frequenzanteile nicht linear verstärkt oder Klirrfaktor produziert. Die Gegenkopplung wird`s schon richten. Und wie funktionier t ` s? Direkt am Lautsprecher wird das Signal abgegriffen und mit dem Eingangssignal verglichen. Tritt eine Nichtl inearität in der Übertragungskette auf, entsteht ein „Korrekturanteil“, der dieser Nicht linearität entgegensteuert. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Verstärkung der ganzen Verstärkerkette wesentlich höher ist, als es ohne Gegenkopplung notwendig wäre. So 5 - 10 mal höher ist ein gängiger Wert. 4 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Und das „ schöne “ für den Entwickler: je tzt darf er schlampern. Er muss nicht auf absolut linearen Frequenzgang achten. Low Cost statt High End tut`s auch. Wie gesagt: die Gegenkopplung richtet`s ja wieder. Typisches Beispiel einer Verstärkerschaltung mit Gegenkopplung: So oder in ganz ähn licher Form ist der Signalweg der Gegenkopplung in nahezu allen mir bekannten Röhrenverstärkerschaltungen realisiert: vom Lautsprecherausgang wird ein Signalanteil zu einer der vorderen Verstärkerstufen phasengedreht zurückgeführt. Dadurch wird die Verstär kung so beein - flusst , dass das Lautsprechersignal exakt dem Eingangssignal folgt. Die Gegenkopplung: ein idealer Schachzug! ...oder vielleicht doch nicht? 5 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Hier einmal eine Verstärkerschaltung die ohne Gegenkopplung von Lautsprechersignal zu einer der vorderen Stufen auskommt Aber w arum soll diese Schaltung nun anders „klingen“? Betrachten wir den Frequenzgang beider Schaltungen. Für die erste der nachfolgenden Messungen wurde der 4 Ohm - Lautsprecher durch einen Lautsprecher - Ersatzwiderstand von 4,0 Ohm ersetzt. Dies ist in der Messtechnik üblich, denn ein 4 Ohm Widerstand ist genau definiert und bei allen Frequenzen gleich. Der Widerstand bei einem Lautsprecher allerdings nie. Jedenfalls beträgt er nicht bei allen Frequenzen 4 Ohm. Darum nimmt man für Messungen einen Ersa tzwiderstand, der ja bei allen Frequenzen den gleichen Wert hat. Um den Strom durch d en Widerstand des Lautsprechers zu bestimmen (was für die späteren Messungen mit realem Lautsprecher wichtig ist) wurde ein Messwiderstand von 0,1 Ohm in Reihe geschaltet und an diesem de r Spannungsabfall gemessen. Dieser ist exakt proportional zum Strom durch den Lautsprecher - Ersatzwiderstand beziehungsweise durch den Lautsprecher Aber zuerst zur Messung mit dem Lautsprecher - Ersatzwiderstand und Gegenkopplung: 6 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Die Spannung am 0,1 Ohm Widerstand repräsentiert somit die Leistung, die über den Lautsprecher - Ersatzwiderstand abfließt. Deutlich zu sehen: die Leistung ist im gesamten Frequenzbereich gleich groß. Sweep 20 Hz – 20 kHz Verstärkerschaltung mit Gegenkopplung Spannung am 0,1 Ohm Messwiderstand (30 mV/Div.) Spannung am Lautsprecher - Ersatzwiderstand (1V/Div.) 0,02 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 kHz grü n orange 7 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Nun die gleiche Messung mit der Verstärkerschal t ung ohne Gegenkopplung Die Spannungsamplitude am Messwiderstand ist bei beiden Verstärkerversionen – mit und ohne Gegenkopplung - im gesamten Frequenzbereich glei ch. Messtechnisch also kein wesentlicher Unterschied. Beide Schaltungsvarianten weisen auf einen idealen Verstärker hin. 0,02 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 kHz Sweep 20 Hz – 20 kHz Spannung am 0,1 Ohm Messwiderstand (30 mV/Div.) Spannung am Lautsprecher - Ersatzwiderstand (1V/Div.) Verstärkerschaltung ohne Gegenkopplung grün orange 8 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Mit oder ohne Gegenkopplung: ist doch beides messtechnisch gleich ! Also egal, welche Schaltung hier eingesetzt wird! Und da die Gegen kopplung für den Entwickler und dem Geldbeutel Vorteile bringt, ist doch klar, wer hier gewinnt !! Oder etwa doch nicht ??? W as passiert, wenn wir den Ersatzwiderstand durch einen reellen Lautsprecher mit seiner komplexen Impedanz ersetzen ? (A nmerkung: die folgenden Tests wurden mit verschiedene n Lautsprechersysteme n – zwei bis V i erwege - Systeme - durchgeführt . Die hier gezeigten Kurven wurden mit einem 2 - We ge - S ystem aufgenommen) 9 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Die gleichen Messungen, aber diesmal mit einem reellen 4 Ohm Lautspreche r : Die Spannung am Lautsprecher bleibt – „dank“ der linearisierenden Gegenkopplung - im gesamten Frequenz bereich gleich A ber nicht der Strom durch den Lautsprecher! Deutlich ist dies nicht nur bei ca. 1 kHz zu sehen sondern auch ganz am Anfang des Frequenzsweeps bei bei ca. 60 Hz 0,02 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 kHz Spannung am 0,1 Ohm Messwiderstand (30 mV/Div.) repräsentiert den Strom durch das Lautsprechersystem Spannung am Lautsprecher system (1V/Div.) blei bt auf Grund der Gegenkopplung konstant Verstärkerschaltung mit Gegenkopplung grün orange erheblicher Leistungseinbruch 10 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Die Spannungsa mplitude am Lautsprecher folgt zwar der „Vorgabe“ des Sweepgenerators, bleibt also im gesamten Frequenzbereich kon stant. Aber nicht der Strom durch die komplexe Impedanz des Lautsprechers!! Deutlich ist im Bereich um 1 kHz ein Einbruch de r Spannung am 0 ,1 Ohm Messwiderstand zu sehen. Somit ist in diesem Frequenzbereich der Strom durch das Lautsprechersystem geringer – und da mit auch die abgegebene Lei stung. Dies resultiert aus der höheren Impedanz des Spule - Membran - Magnetfel dsystems des Lautsprechers, die hier bei ca. 1 kHz ein Maximum ihres Widerstandwertes erreicht (Ähnliche Kurven ergeben sich auch bei Einzellautsprecher, ohne dass hier ein Einflus s einer etwaigen Frequenzweiche auftritt ) Gleichzeitig tritt ein Leistungseinbruch auch bei sehr tiefen Frequenzen auf – aber dazu später mehr. Aber nun zur Verstärkerschaltung ohne Gegenkopplung : 11 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Ohne Gegenkopplung „sieht“ der Ausgangsübertrager jetzt bei 1 kHz ( und bei sehr tiefen Frequenzen ) eine höhere Impedanz. Fazit: die Spannung am Lautsprecher steigt an, da sie ja nicht mehr über die Gegenkopplung auf einen konstanten Wert gehalten wird. Dadurch wird ein deutlicher Teil der sonst fehlenden Energie dem Lautsprecher zugeführt , sichtbar an dem deutlich geringere n Spannungseinbruch am Messwiderstand. 0,02 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 kHz Spannung am 0,1 Ohm Messwiderstand (30 mV/Div.) Spannung am Lautsprecher (1V/Div.) Verstärkerschaltung ohne Gegenkopplung grün orange Zunahme der Spannung am Lautsprechersystem geringerer Leistungseinbruch 12 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Wie schon angedeutet, ergibt sich außer im mittleren Tonbereich auch im Ti eftonbereich je nach Boxe n volumen bei einem Verstärker mit Gegenkopplung ein deutlicher Leistungseinbruch. Hier nochmal die D arstellung des Frequenzganges mit der G egenkopplung: Was nützen uns die besten Boxen mit viel Volumen und vielleicht auch noch Bassreflex - Verfahren, wenn der Verstärker auf Grund der Gegenkopplung nicht die benötigte Leistung rüberbringt? Mit Gegenkopplung: Im gesamten Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 kHz nur ganz vorne sichtbar: der Leistungseinbruch bei der Resonanzfrequenz des Laut - sprechersystems 0,02 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 kHz Spannung am Messwiderstand Spannung am Lautsprechersystem 13 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Folgende Darstellung zeigt den Frequenzbereich von 10 Hz bis 200 Hz Verstärker mit Gegenkopplung: Trotz durch Gegenkopplung fast linearem Frequenzgang der Spannung am Lautsprecher ergibt sich bei 40 - 80 Hz ein deutlicher Leistungseinbruch Verstärker ohne Gegenkopplung: Ohne Gegenkopplung kann die Spannung am Lautsprecher - ausgang in dem Frequenzbereich, in dem der Widerstandswert des Laussprechers ansteigt, ebenfalls ansteigen. Fazit: die Leistung nimmt nur unwesentlich ab. (Leistungsanpassung) Spannung am Messwiderstand Spannung am Lautsprechersystem Spannung am Messwiderstand Spannung am Lautsprechersystem 14 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Das Ganze nun mal in einer anderen Darstellungsart: Bei ca. 10 kHz war zwischen Verstärker mit der üblichen Gegenkopplung und dem Verstärker ohne Gegenkopplung kein Unterschied zu sehen. Der Hintergrund in den Darstellungen zeigt das 10 kHz Signal. Davor ein 6 0 Hz Signal (bei dieser Frequenz war der Leistungseinbruch am deutlichsten). Spannung am Lau t sprecher bei 10 kHz Leistung am Lautsprecher bei 10 kHz Stark reduzierte Lau t sprecherleistung bei 6 0 Hz Spannung am Lau t sprecher bei 6 0 Hz Verstärker mit Gegenkopplung Beide Spannungen sind „idealerweise“ gleich, messtechnisch perfekt, aber genau dadurch entsteht der Leistungseinbruch Verstärker ohne Gegen kopplung Durch die Leistungsanpassung von Ausgangsübertrager zu Lautsprecher ist die Spannungen bei 6 0 Hz größer als bei 10 kHz Die dem Lautsprecher zugeführte Leistung ist bei 10 kHz und 6 0 Hz nahezu gleich 15 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Ein Röhrenverstärker ohne Gegenkopplung vom Lautsprecher zu einer der vorderen Stufen verhält sich also deutlich anders als klassische Verstärker. Darum habe ich zwei ansonsten identische Verstärker aufgebaut – einer mit und einer ohne Gegenkopplung - und mittels direkter Umschaltung verglichen. Nein, vergleichen lassen: viele unterschiedliche Testhörer konnten in Blindversuchen beide Verstärker bewerten. Die Lautstärke wurde bei beiden Verstärkerausführungen bei 300 Hz auf gleichen Wert eingestellt, zur Au swahl kamen unterschiedliche Musikstücke von Klassik bis Pop. Vinyl und CD. Getestet wurde mit drei unterschiedlich aufgebauten Lautsprechersystemen (eines davon: die K1). Und das Ergebnis: eindeutig gewonnen hat der Verstärker ohne Gegenkopplung! Der Klan g wurde im A/B Vergleich als deutlich „wärmer“ und ausgewogener empfunden. Bei anderen Musikstücken wurde der „Druck“ als intensiver empfunden. Insgesamt wurde das Hörerlebnis als „natürlicher, näher am Konzertbesuch“ beschrieben. Und beides war durch die unterschiedlichen Messkurven erklärbar. Bei allen Lautstärke n war außerdem die Genauigkeit der Detailwidergabe und die bessere Ortung der Instrumente auffallend. Ich möchte hier nicht näher auf die einzelnen verwendeten Musikstücke eingehen , denn der Unterschied war bei jedem in seiner Weise deutlich hörbar Natürl ich ist die Verwendung qualitativ hochwertige r Ausgangsübertrager ein Muss. Denn wir haben ja keine Gegenkopplung, die einen vermurksten Frequenzgang wieder richtet. Und lassen Sie die Finger von China - Schrott!! Die besten Ausgangsübertrager fand ich bei Menno V an der Veen 16 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 C lipping , hart oder weich? Sind die Bereichsgrenzen des linearen Bereiches eines Verstärkers erreicht, aber das Signal steigt weiter an, entsteht das Clipping. Das Abschneiden des Signals bei Übersteuerung. B ei Wikipedia lesen wir : „ Transistorverstärker klingen beim Übersteuern besonders unangenehm, während Röhrenverstärker eine weichere Begrenzung des Signales verursachen“ Aber schau e n wir mal genauer hin : s teigt das Signal bei einem Röhrenverstärker über die Aus - steuerungsgrenze, so sind es in der Regel die Endröhren zusammen mit dem Ausgangstrafo , die zuerst aufgeben . Die Vorstufen könnten noch mehr Signal liefern, aber der Trafo bringt`s ja nicht mehr rüber. Und jetzt entsteht ein u nangenehmer Effekt durch die Gegenkopplung. Das Ei ngangssignal steigt an, aber am Lautsprecherausgang kommt es nicht an . Die jetzt nicht mehr wirksame Gegenkopplung reduziert nicht mehr die Verstärkung, der Verstärkungsfaktor der Vorstufe steigt schlagarti g an , und da das Lausprechersignal ja nicht folgen kann , ver zerrt das Signal am Lautsprecher und produziert Klirrfaktor. Nicht schlimm, aber deutlich hörbar. Wesentlich besser verhält sich ein Verstärker ohne Gegenkopplung. Ist die Aussteuerungsgrenze erreicht, „rundet“ er die Signals pitzen ohne weiteren Effekt einfach ab. Der entstehende Oberwellenanteil ist deutlich geringer als mit Gegenkopplung Ohne Gegen kopplung ist das Clipping wirklich weich und kaum hörbar Nun ja, so laut hör ich ja nie, werden S ie jetzt sagen. Dann schauen Sie sich aber mal bei den tiefen Frequenzen um. So ein Ausgangstrafo wirkt keine Wunder. Da ist auch oft bei 20 - 30 Hz Schluss! Un d hier passiert genau das gleiche wie bei voller Aussteuerung. Nur schon bei wesentlich geringeren Lautstärken! Die Phase und Amplitude des Ausgangssignals stimm en bei niedrigen Frequenzen nicht mehr mit der Phase und Amplitude des Ansteuersignals überein – die Gegenkopplung versucht auszugleichen und – verzerrt! Dieser Effekt macht sich besonders bei sehr tiefen Tönen schon bei kleiner bis mittlerer Lautstärke unangenehm bemerkbar. Und mal ganz allgemein gefragt: Warum klinge n verschiedene Verstärker trotz „ linearem “ Frequenz - gang so oft unterschiedlich? Vielleicht weil die Wirksamkeit ihrer Gegenkopplung unterschiedliche Werte hat. Denn diese bestimmt den Klangeindruck stärker, als wir ahnen. 17 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 30 Hz (20 ms/Div) 1 kHz (500 μs/Div) 10 kHz (50 μs/Div) 20 kHz (10 μs/Div) Rot: ohne Gegenkop p lung Grün: mit Gegenkop p lung Im Signal ohne Gegenkopplung sind die Oberwellen durch die Übersteuerung kaum hörbar , mit Gegenkopplung dagegen schon sehr deutlich! Fazit: Bässe klingen mit Gegenkopplun g unsauber , wogegen ein Übersteuerungs - effekt ohne Gegenkopplung kaum wahrnehmbar ist. Rot: ohne Gegenkop p lung Grün: mit Gegenkop p lung Bei 1 kHz ist im Signal ohne Gegenkopplung die Übersteuerung kaum hörbar, dagegen mit Gegenkopplung schon deutlich Rot: ohne Gegenkop p lung Grün: mit Gegenkop p lung Rot: ohne Gegenkop p lung Bei 10 kHz sind im Signal ohne Gegenkopplung deutlich weniger Oberwellen zu sehen, jedoch ist wegen dieser „hohen“ F requenz bei beiden Signalen eine Übersteuerung kaum hörbar. Bei 20 kHz ist der Oberwellenanteil des „verzerrten“ Signals durch die Gegenkopplung nur noch messtechnisch von Bedeutung Grün: mit Gegenkop p lung Für folgende Messungen wurd en beide Verstärker um 10 % übersteuert 18 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Die g ehörrichtige Lautstärkeregelung Immer wieder lese ich von „linear“ und nur das wäre das Wahre! Und nur keine Verfälschung des Klangbildes! Und der „hochwertige“ Verstärker muss einen linearen Frequenzgang haben! Und warum so viel Aufhebens um linear? Weil es - für rein analog aufgebaute Verstärker - keine Lautstärkepotis mit Anzapfungen mehr gibt! Und die im Netz angebotenen „Ersatzschal tungen“ funktionieren nur so - la - la. Da überzeugt man den Käufer doch besser von linear, denn da kann man billige Potis verbauen. Doch mal ehrlich, wer liegt abends entspannt auf dem Sofa und möchte beim Lesen leise Musik hören – aber so ohne saubere Bässe? Früher war das kein Problem. Je leiser die Musik „aufgedreht“ war, desto mehr w urden die Bässe bevorzugt. Gehörri chtige oder auch physiologische Lautstärkeregelung nannte man das. Wegen der Hörcharakteristik unserer Ohren! Und dafür gab`s die Lautstärkepotis mit Anzapfung. Abe r welcher Verstärker hat das noch? So gut wie keiner! Die Geiz - ist - geil - Mentalität lässt grü ßen! Aber man braucht keine Potis mit einer – oder besser noch – drei Anzapfungen. Die gibt es sowieso nicht mehr zu kaufen. Das stufenweise war sowieso keine ideale Lösung. Es geht auch viel einfacher. Von Alps gibt es vier - fach Potentiometer. Zwei für je den Kanal. Und mit so einem Poti und einer einfachen Beschaltung lässt sich ein hervorragender Lautstärkeregler mit gehörrichtiger Lautstärkereglung aufbauen. Wichtig: mit einem einfachen Umschalter lässt er sich von gehörrichtig auf linear umschalten. Ohn e Lautstärkeveränderung. Für folgende Darstellung wurde bei verschiedenen Einstellungen des Lautstärkereglers der Generatorpegel so eingestellt, dass bei 1 kHz ein immer gleich hohes Ausgangssignal entstand. braun: sehr leise dunkelgrün: leise, Hintergrundmusik blau: kräftiger Höreindruck rot: relativ laut (Frequenzgang linear) grün: vollste Lautstärke, kurz vor der Übersteuerung Die Einbrüche im Signal waren übrigens durch die digitale Abtastung im Scope bedingt und weiter nicht zu beachten. Sweep 20 Hz – 1 kHz 19 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Ansteuerung der Endröhren: Push - Pull Ver stärker benötigen bekanntlich einen „Phasendreher“. Diese Schaltungen sind bekannt und es gibt nichts zu verbessern. Oder doch? Die C - R Kombination vor dem Gitter der Eingangsröhre kann auch weggelassen werden , sie schützt jedoch, falls DC am Eingang anliegt. Dies passiert oft bei CD - Spielern , wenn auf dem Auskoppel - C verzichtet wurde. Das ALPS RK 16814 ist zwar ein Motor - Poti, der Motor muss aber nicht beschaltet oder kann auch entfernt werden. Prinzip der Endröhren - Ansteuerung in „ The Tube “ In The Tube werden die Endröhren über jeweils einen eigenen Kathodenfolger angesteuert. Beide sind auch im Anodenkreis symmetrisch aufgebaut. Etwas aufwendigere Schaltung, aber dadurch Minimierung der Verzerrungen und Phasenfehler. Die ausführliche Schaltu ng: Seite 5 20 The Tube Röhrenverstärker der anderen Art © Gerd Reime, Nov. 2021 Zusammenfassung In Wikipedia steht über die Gegenkopplung : „ .... womit bei sorgfältiger Dimensionierung der dafür zuständigen Schaltelemente Klirrverhalten und Frequenzlinearität des Verstärkers positiv beeinflusst werden .... “ Aber dass man auch ohne Gegenkopplung einen ordentlichen Verstärker mit dem typischen Röhrenklang hinbekommt - ohne den Klirrfaktor zu erhöhen , wollte ich hiermit beweisen. Heraus kam ein Verstärker, der im direkten Hörvergleich sogar besser abschnitt als ein hochwertiger Class A Röhrenverstärker für 5000€ oder eine ordentliche Halbleiter - Endstufe. Und bevor hier der Shitstorm losgeht: den „voller en, wärmeren Klang“ haben viele, am Projekt Unbeteiligte bestätigt. Vielleicht ist mein nächstes Projekt ein Röhrenverstärker mit Gegenkopplung. Jawohl sie haben richtig gehört! Mit!! Aber Gegenkopplung nicht wie üblich von der Lautsprecherspannung aus – sondern vom Lausprecherstrom!