F+ | 14.05.2025 06:50 Weblink Intelligente Systeme KI-Agenten sind das neue Normal Open AI, Google oder Microsoft setzen auf KI-Agenten. Selbst SAS, ein Technologieunternehmen der alten Schule, integriert agentische KI in seine Produkte. Ein neuer Mainstream ist gesetzt. Flüge buchen, Meetings planen und ei- ne Marketingstrategie entwickeln: KI- Agenten werden als Heilsbringer der Automatisierung gehandelt. Anders als Chatbots benötigen sie nicht für jede Aufgabe einen neuen Befehl, sondern können eigenständig entscheiden und Aufgaben erledigen. Die neue Tech- nologie gilt als disruptiv, sowohl für bestehende Geschäftsmodelle als auch den Arbeitsmarkt: Wenn der digitale Agent die Arbeit macht, was bleibt dann für den Menschen zu tun? Der wird zum Orchestrator, der Aufga- ben verteilt und überwacht. Jim Good- nights Tech-Unternehmen SAS ist fast ein halbes Jahrhundert alt. Eigentlich hält der Amerikaner generative KI für „overhyped“. Trotzdem schaffen es die KI-Agenten in seine Cloud-Plattform. Vergangene Woche lädt SAS, ehemals SAS Institute, zur hauseigenen Konfe- renz „Innovate“ nach Orlando in Florida ein. Das Unternehmen mit Hauptsitz in North Carolina ist vorwiegend in Fach- kreisen bekannt und ein Spezialist für Analytics-Software, mit der Daten auf- bereitet, interpretiert und genutzt wer- den. SAS sieht sich auch als KI-Unter- nehmen, wobei weniger Large Langua- ge Models, sondern „klassische KI“, also vorwiegend quantitative Methoden ge- meint sind. Die Lösungen von SAS sind in vielen deutschen Unternehmen in- stalliert, zum Beispiel in der Deutschen Kreditbank oder der Barmenia Versi- cherung. In Heidelberg beschäftigt das Unternehmen rund 300 Mitarbeiter, in- ternational sind es etwa 12.000. Zu den Kunden gehören vor allem Banken, Ver- sicherer oder die Industrie, etwa um mithilfe der Datenmagie Betrüger zu entlarven oder die Produktion zu opti- mieren. In Orlando präsentiert sich SAS inno- vativ und amerikanisch: Die Unterneh- menslenker werden wie Berühmtheiten bejubelt, auf der Bühne wird gewitzelt, und auch Influencer sind vor Ort, um die Ankündigungen ins rechte Licht zu rücken. Im Vordergrund stehen Kunden wie Orlando Magic, ein amerikanisches Basketball-Team, das die SAS-Software zur Verbesserung der Kundenbindung nutzt. Bei den Ankündigungen bedient sich SAS großzügig aus der großen Zau- berkiste der Produktinnovation: Es geht um einen Copilot, digitale Zwillinge, synthetische Datengenerierung, quan- tengestützte KI und natürlich die KI- Agenten. Die Welt setzt auf KI-Agenten Außerhalb des SAS-Universums be- schleunigt sich das Wettrennen um agentische KI rasant: Open AI sorg- te im Januar mit der Forschungsvor- schau „Operator“ für Aufsehen – ein Browser Agent, der selbständig Tickets bucht, Formulare ausfüllt und künftig Teil des ChatGPT Abonnements wer- den soll. Aus dem Hause Open AI folg- te „Deep Research“, eine in ChatGPT integrierte Funktion, die stundenlange Internetrecherchen automatisiert und auf Minuten herunterbricht. Kommen- de Woche will Google auf seiner Ent- wicklerkonferenz I/O 2025 neue De- tails zu „Project Astra“ und „Mariner“ nachreichen. Beide basieren auf Gemi- ni 2.0 und versprechen Agenten, die in Workspace Apps und im offenen Web komplette Aufgabenketten ausführen. Microsoft erklärte sein Semantic Ker- nel Agent Framework, eine Plattform für die Entwicklung von KI-Agenten, bis Ende des ersten Quartals für pro- duktionsreif – inklusive Orchestrator für Multi Agenten Workflows in Azu- re, während Databricks sein Mosaic AI Agent Framework Ende März allge- mein freigegeben hat. Auch Branchen- riesen rüsten auf: Siemens erweitert seine Industrial Copilot Familie um au- tonome Fertigungsagenten, SAP veran- kert Joule Agenten tief in komplexe Geschäftsprozesse, und Salesforce skiz- ziert eine Zukunft, in der ein „Agen- t in Chief“ ganze Schwärme speziali- sierter Helfer koordiniert. Wenn nun ein so vorsichtiges Unter- nehmen wie SAS auf KI-Agenten setzt, sollte man aufhorchen. Über die SAS- Software könnte die Technologie noch eher auch bei Kunden aus risikobehaf- teten Branchen landen, die es schwer haben, die über die Jahre entwickel- ten Strukturen zu modernisieren und zu automatisieren. KI-Agenten unter- nehmensreif zu machen, erfordert eine andere Herangehensweise, als KI-Agen- ten für die Websuche und die private Urlaubsplanung zu bauen. Zuverlässig- keit, Sicherheit und eine enge Verzah- nung mit den Unternehmensprozessen spielen dafür eine wichtige Rolle. Ein Spagat zwischen Innovation und Si- cherheit SAS steht jedoch gerade erst in den Startlöchern und muss nun die Verspre- chen mit seinen Kunden technisch rea- lisieren. Die Agenten sind ein neuer Be- standteil der Cloud-Plattform Viya und sollen die Automatisierung von Prozes- sen auf die nächste Stufe heben. SAS- Kunden können eigene Automatisie- rungsabläufe zusammenstellen und be- liebig viele interne Prozesse in Reihe schalten: sei es die Analyse großer Do- ©2025 PMG Presse-Monitor GmbH & Co. KG 1/3 kumente mithilfe Large Language Mo- dels oder eine Datenanalyse mithilfe klassischer quantitativer Verfahren. So verknüpfen die KI-Agenten be- stehende und neue Prozesse zu einem automatisierten Workflow. Das klingt weniger mysteriös als die KI-Agenten von Open AI, über deren Aufbau bislang wenig bekannt ist. Für die Kunden von SAS darf es aber auch nicht mysteriös sein – immerhin wird die Software in vielen Hochrisikobereichen eingesetzt, von Banken über Versicherer und Re- gierungen, und nicht „nur“ für die Rei- seplanung. SAS will auf der eigenen Plattform Viya den Spagat zwischen innovativen Tech- nologien und maximaler Sicherheit für die Kunden schaffen. Während das Un- ternehmen mit KI-Agenten vorprescht, befindet sich der angekündigte Copi- lot noch in der Testphase und soll nicht vor dem dritten Quartal veröf- fentlicht werden. „Um so was fehlerfrei in einer gewissen Größenordnung zu veröffentlichen, braucht es mehr Test- zeit“, sagt die Produkt-Marketingmana- gerin Marinela Profi. Auch die hoch an- gepriesene Zusammenarbeit zwischen SAS, dem amerikanischen Verpackungs- hersteller Georgia-Pacific und dem Ent- wicklerstudio Epic Games befindet sich noch in der Pilotphase. Mithilfe von Un- real Engine, einer Echtzeit-3D-Entwick- lungsplattform für Videospiele aus dem Hause Epic Games, sollen Produktions- stätten in digitale Zwillinge verwandelt werden. Goodnights Strategie für SAS: Safety first So innovativ sich das Unternehmen auch zeigt: Im Kern bleibt man dem al- ten Modell der „klassischen“ KI treu, das hier und da mit den neuen Sprach- modellen verfeinert wird. Die konser- vative Strategie hat aber auch zur Fol- ge, dass SAS der Konkurrenz teilweise hinterherhinkt. Mit der eigenen Cloud- Plattform kam SAS erst 2016 um die Ecke, während Google, Amazon oder das damalige Start-up Databricks schon längst auf die Cloud gesetzt hatten. SAS teilt zwar keine Daten über die tat- sächliche Nutzerzahl ihrer Cloud-Platt- form, doch das Umsatzwachstum in die- ser Sparte ging zuletzt zurück. Im Jahr 2023 wuchs der Umsatz mit Viya im Ver- gleich zum Vorjahr um 30 Prozent. 2024 betrug das Wachstum nur noch 24 Pro- zent. Dass es im kommenden Jahr etwas zu feiern gibt, ist aber schon sicher. Dann hat SAS sein fünfzigjähriges Jubiläum. An der Spitze des Unternehmens steht seit jeher Gründer und CEO James „Jim“ Goodnight, der mit seinen 82 Jahren schon zur älteren Riege der Unterneh- mensführer gehört. Fragen über seine Nachfolger wiegelt Goodnight aber ab. Als Unternehmenschef verfolgt er ei- ne eher konservative Innovationsstra- tegie. Generative KI hält er für „over- hyped“ und setzt für die Datenanalyse lieber auf bewährte, klassische KI-Ver- fahren. Er findet, Sprachmodelle wür- den einen „okayen“ Job beim Program- mieren machen, könnten professionel- le Entwickler aber aktuell nicht erset- zen. In vielen Aspekten ähnelt seine Strategie der einer deutschen Unter- nehmensführung: lieber erst mal ab- warten, bevor man der neuen Techno- logie vorschnell verfällt. Kritik für die US-Regierung Auch aufgesetzten Marketingsprech mit amerikanischer Überfreundlichkeit gibt es bei ihm nicht. Er scheut sich nicht, auch mal ein scharfes Wort über die Republikaner und die US-Politik zu verlieren. „Unter den Republikanern scheinen einige nicht zu wollen, dass viele Leute aufs College gehen. Denn wenn man auf ein College geht, wird man ein Liberaler“, sagt Goodnight im Interview mit einem Augenzwinkern. Die Vernachlässigung des Bildungswe- sens bereitet ihm Sorge: „Wenn die Zu- kunft Amerikas im verarbeitenden Ge- werbe liegt, wovon einige Leute über- zeugt sind, verstehen sie nicht, dass dieses Gewerbe aus Robotern bestehen wird.“ Er ergänzt: „Und man braucht hoch talentierte Leute, die diese Ro- boter warten, programmieren und am Laufen halten. Das wird der Schulab- gänger ohne weiterführenden Colle- ge-Abschluss nicht schaffen.“ Börsengang lässt auf sich warten Überraschend legt Goodnight im In- terview offen, dass der geplante Bör- sengang noch nicht in greifbarer Nähe liegt. Seit Juli 2021 stellt sich SAS öffent- lich auf einen Börsengang ein. Damals versprach Goodnight, bis 2024 „IPO re- ady“ zu sein. Seither hat das Unter- nehmen den Zeithorizont immer wie- der verschoben – erst auf 2025, zuletzt auf „abwarten und sehen“. Seit Mai ist Gavin Day neuer COO, der SAS auf die finanziellen Anforderungen eines börsennotierten Unternehmens vorbe- reiten soll. Doch neben bürokratischen Hürden ist auch das Marktumfeld mit hohen Leitzinsen und politischer Unsi- cherheit zurzeit nicht optimal für einen Gang an die Börse. Dass der noch 2025 stattfindet, scheint unrealistisch. In der Zwischenzeit wagt SAS eben den Blick auf neue Technologien. Kunden sollen künftig etwa synthetische Da- ten generieren können, um einen Man- gel an Daten auszugleichen. Und na- türlich sind da die neuen KI-Agenten – ein wachsender Markt. Schon 2028 soll ein Drittel aller Unternehmensanwen- dungen agentische Funktionen enthal- ten, erwartet der Marktforscher Gart- ner. Der Vorstoß von SAS ist dieses Mal kein Nachzüglermanöver, sondern ein Signal: Wenn selbst der „Safety firs- t Pionier“ seine Plattform für KI Agen- ten öffnet, ist das neue Normal gesetzt. ©2025 PMG Presse-Monitor GmbH & Co. KG 2/3 Wörter: 1.328 Autor/-in: Nina Müller Ressort: PLUS Medienkanal: ONLINE Mediengattung: Online News Medientyp: ONLINEMEDIEN Jahrgang: 2025 Ausgabe: Einzelausgabe Weblink: https://www.faz.net/pro/digitalwirtschaft/kuenstliche-intelligenz/ki-agenten-sind-das-neue-nor- mal-110470965.html Abbildung: Startbahn für Innovation: In Orlando präsentiert SAS seine KI-Agenten. Fotograf/-in: Picture Alliance ©2025 PMG Presse-Monitor GmbH & Co. KG 3/3