Slavistische Beiträge ∙ Band 105 (eBook - Digi20-Retro) Verlag Otto Sagner München ∙ Berlin ∙ Washington D.C. Digitalisiert im Rahmen der Kooperation mit dem DFG- Projekt „Digi20“ der Bayerischen Staatsbibliothek, München. OCR-Bearbeitung und Erstellung des eBooks durch den Verlag Otto Sagner: http://verlag.kubon-sagner.de © bei Verlag Otto Sagner. Eine Verwertung oder Weitergabe der Texte und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlages unzulässig. «Verlag Otto Sagner» ist ein Imprint der Kubon & Sagner GmbH. Jože P ogačnik Von der Dekoration zur Narration Zur Entstehungsgeschichte der slovenischen Literatur Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access S l a v i s t i c h e B e i t r ä g e BEGRÜNDET VON ALOIS SCHMAUS HERAUSGEGEBEN VON JOHANNES HOLTHUSEN UND JOSEF SCHFENK REDAKTION: PETER REHDER B a n d 1 0 5 Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access J O Ž E P O G A Č N I K VON DER DEKORATION ZUR NARRATION Z u r E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e d e r s l o v e n i s c h e n L i t e r a t u r V E R L A G O T T O S A G N E R • M Ü N C H E N 1 9 7 7 Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access ISBN 3 -8 7 6 9 0 - 126־X Copyright by Verlag Otto Sagner, München 1977 Abteilung der Firma Kubon & Sagner, München Druck: Alexander Grossmann Fäustlestr. 1, D -8 0 0 0 München 2 Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access INHALTSVERZEICHNIS וו 4 0 4 9 6 1 8 3 0 4 ו 9 ו ו 4 1 ו 5 6 ו 1 6 5 7 Einleitung I . A u sga ngsp unkt u n d Perspektiven der kulturellen Entwicklung ( F r e i s i n g e r D e n k m ä l e r ) I I . D ie E ntstehung der Schriftsprache I I I . D ie S p ra c h e als G e g e n s ta n d der kulturgeschichtlichen Verwirklichung (Adam B o h o r i č ) IV. D ie Befreiung d e s poetischen A usdrucks (Jurij D a l m a t i n ) V V o n der Versifikation zur Dichtung VI. D a s Entstehen geschichtlicher Tradition u n d ku ltu re lle r Kontinuität ( B a r t h o l o m ä u s K o p i t a r ) V II. Parallele u n d originale Entwicklung V III. D ie R om antik: A usdruck geistiger u n d schöpferischer Freiheit Literaturverzeichnis N achw ort Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access 00051005 4 Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access EINLEITUNG Die G e g e n w a rt verlangt v o n der Wissenschaft vor allem richtige Ant- worten, i s t sich dabei aber z u w enig bew ußt, d a ß e s zum indest eben- s o wichtig, w e n n nicht n o ch wichtiger i s t , richtige F ragen z u s te l- len. Die Fragen der älteren Abschnitte der slovenischen Literatur w e rd e n n och lange, wie K Jaspers s a g e n würde, wie vor e in e m Rätsel kreisen, d a s eine entsprechende u n d gültige wissenschaftliche Lö- sung, in der ein P roblem seine Existenz in der Antwort v e r lie r t, verhindern wird. Dieser T e il der literarischen Diachronie is t n o c h im m e r in erster Linie durch die Tatenlosigkeit der philologischen Methodologie bestimmt, die ih m im R a h m e n d e s slovenischen l i t e r a r i ־ s e h e n L e b e n s einzig u n d a lle in die Rolle eines unum gänglichen Ein- leitungskapitels zuweist. Im G e ge n satz z u anderen slavischen L ite - raturen, in d e n e n die M e n g e d e s Erforschten kontinuierlich zunim m t, b le ib t der slovenische literarische F u n d u s (eine A u s n a h m e bildet Fr Preieren) regelmäßig bei einer ungefähren Katalogisierung stehen u n i s t nur selten G e g e n sta n d vo n Untersuchungen, die die Möglichkeiten einer zeitgem äßen literarhistorischen u n d lite ra tu rk ritis c h e n Auf- fächerung u n d sprachlichen Interpretation der Texte berücksichtigen D a s literarisch e L e b e n im slovenischen S prachraum zw ischen d e n Freisinger D enkm älern (IX. Jahrhundert) u n d Fr. Preseren (1 8 0 0 -1 8 4 9 i s t seiner Natur n a ch eine in sich geschlossene Einheit. D e r M e n s c h tr a t in L e b e n u n d Geschichte dieser Zeit nicht als absolutes u n d freies Subjekt auf. N a c h m itte la lte rlic h e r Auffassung, die bis zur Mitte d e s XVIII. Jahrhunderts g ü ltig b le ib t, w a r er eine c r e a t u r a D e i , wie a u c h a l l das, w a s außerhalb seiner In d iv id u a litä t bestand, v o n Gott geschaffen war. D e r M e n s c h w ar a n Gott u n d damit a n desser g a n z e S chöpfung g eb u nd en Alles w a s sich im Bereich der G eschichte ereignete, ereignete sich in einer geschaffenen Welt. D ie Funktion der Lite ra tur w a r e s nicht in erster Linie, individuelle Erfahrung auszudrücken. W e n n der Sprachschöpfer vo n sich sprach, w a r ih m d a s nur ein M itte l, mit d e m er eine bestim m te im m a n e n te u n d ideale K a t« gorie ausdrückte. D e r Lite ra tur bedeutete O rig in a litä t nicht v ie l; sie wiederholte u n d formte u m , w a s sch o n a m A nbeginn geschaffen w a i D e r Schaffende sprach die W elt aus, er in te rp re tie rte sie nicht; ei s te llte sie nicht dar, er drückte nicht seine M e in u n g über sie a u s , sondern er arbeitete mit ih r mit, lebte in ih r , kurz: der M e n s c h w a r mit der W elt in einer natürlichen Verbindung. D a s L e b e n w a r eir Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access Ritus, der Ritus aber w ar d a s Leben. D iese essentielle Vision der W elt wandelte sich mit der Früh- romantik u n d der R om antik z u einer existentiellen; dam it w ar die erste Stufe d e s menschlichen L e b e n s in der slovenischen Kultur ab- geschlossen. Im R a h m e n dieses allgemeinen P rozesses entstanden im slovenischen S p rachra um einige litera risch e F o rm e n , die a u s ver- schiedenen A n re g u n g e n hervorgingen u n d divergente T e n d e n z e n zeig- ten. Trotz a lle r ünverbundenheit u n d zentrifugalen Kraft zeigte sich aber d o c h d a s zentrale kulturschöpferische Prinzip, d a s sich in folgendem manifestierte : Eine Konfrontation verschiedener G e - schichtskräfte mit der Integrationstendenz, die die Literatur in d e n G riff b e k a m , sie bew egte u n d d a s Kulturbewußtsein auf Univer- s a litä t u n d Geschlossenheit slovenischen sprachlichen Schaffens ausrichtete. E s geht also u m einen Prozeß, in d e m Entwicklungs- tendenzen u n d eine Geschichtsdynamik z u m A usdruck k o m m e n , die die Entwicklung v o n literarischen Texten, die d e m Kirchenleben dienten, zur Inthronisation einer Wortkunst weiterführten, die A usdruck der a u to n o m e n m enschlichen geistigen Tätigkeit im Slovenischen w ar. E s w ar ein e in h e itlich e r u n d in sich geschlossener P rozeß, der d a s literarische L e b e n im slovenischen S p ra ch ra u m bis zur R o m a n tik formte. Weil wir mit verschiedenen T e n d e n ze n konfrontiert sind, die e in e m slovenischen lite ra ris c h -in te g ra tiv e n P ro ze ß widersprechen, k ö n n e n wir die behandelte E p o c h e nicht schlechthin als G eschichte der slovenischen L ite ra tu r bezeichnen. Bei ihrer Entstehung w a re n so viele verschiedene kulturschöpferische Faktoren a m W e rk , d a ß der erw ähnte G e g e n stan d - im G egensatz z u späteren E p o c h e n - nur im R a h m e n d e s Begriffes "lite ra risch e s L e b e n im slovenischen S prach- ra u m H denkbar u n d entwickelbar i s t . Trotz der philosophischen E in h e itlic h k e it der E p o ch e , die v o n ihrer essentiellen W eltschau herrührt, gibt e s in ih r d o c h einige bedeutendere lite ra ris c h e , d a s heißt ideelle u n d s tilis tis c h e Ein- schnitte. D iese sind Abbild eines breiteren europäischen Kontextes, in d e m sch o n vo n allem Anfang a n die Geschichte d e s literarischen L e b e n s im slovenischen S prachraum vor sich geht. D a s heißt, d a ß in der behandelten E p o c h e folgende verhältnismäßig einheitliche, in- haltliche u n d methodologische Einheiten erkennbar sind, u n d zw a r: M itte la lte r, Reformation u n d Gegenreformation, M anierism us u n d B a - rock, Klassizismus u n d Vorromantik, Klassik u n d R om antik. D ie er- w ä h n te n Einheiten sind die G rundlage fü r die äußerliche Aufteilung Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access d e s Stoffes in entsprechende kleinere E p o c h e n • D a b e i b e m e rk e n wir sch o n in der N a m e n s g e b u n g eine nur stufenweise A n n ä h e ru n g a n die Literatur; unser G e d a n k e befaßt sich im Einklang mit d e m G e g e n sta n d , über d e n er nachdenkt, vor allem mit d e n Erscheinungen, die d a s Ent- stehen w ahrer Literatur zur Zeit der Frühromantik u n d der R o m a n tik vorbereiteten u n d ermöglichten. D eshalb berührt er in erster Linie breitere kulturgeschichtliche G rundlagen u n d sucht in deren R a h m e n die A n fä n g e literarischer U rsprünge u n d Strukturen, u m s o U m fa n g u n d Stellenwert im K unstgeschehen z u um reißen. D e r zeitliche B o g e n der behandelten E p o c h e beinhaltet jene P h a s e n d e s geschichtlichen Prozesses, die für E uropa a n sich kennzeichnend sind; möglicherweise aber ka n n m a n sie in zw ei Problemkreisen u m - reißen: a ) D ie Entwicklung der gesellschaftlichen, ästhetischen u n d denkeri- s e h e n D im e n sio n e n d e s wortkünstlerischen Schaffens, deren G run d- läge die europäische R enaissance gelegt hat. b ) D e r B eginn eines n e u e n Zyklus, der Perspektiven für ein n e u e s Strukturbild der Lite ra tu r der Zukunft eröffnet. D e r tschechische Kunsttheoretiker K Chvatik bezeichnet in s e in e m B u c h 5Cruic£ura2isrous und A v a n t g a r d e (1 9 7 0 ) die erw ähnten P rozesse folgenderm aßen: "Seit d e n T a g e n der R enaissance da tiert der V ersuch d e s Künstlers, sich a u s der G ebundenheit durch die Vorschriften der Kirche u n d die handwerkliche Tradition z u befreien, aber a u c h die Tatsache, d a ß er a u s d e n organischen B in dun ge n d e s Feudalgem ein- w e s e n s gerissen is t ; wir se h e n die E rh öh u ng d e s Künstlers z u m freien Schöpfer, der die Art der künstlerischen Betrachtung u n d Gestaltung der Wirklichkeit (die er mit naturwissenschaftlicher Akribie z u studieren beginnt) n a ch eigener Entscheidung u n d auf eigene in d i- viduelle Verantwortung wählt (w obei seine K unst nur n o c h a m R a n d e v o m Einfluß d e s Meisters, der Werkstatt oder der S chule geprägt i s t , a u s der er hervorging) Z u m ersten M a l t r i t t hier in solcher A us- geprägtheit n u n nicht m e h r d a s in d e n Vordergrund, w a s durch kirch- liehe Vorschrift, unw andelbare Tradition u n d kollektives E m p fin d e n der G em einschaft g e g e b e n i s t ; der Künstler f ü l l t also nicht bloß im voraus fe rtig um rissene Konturen aus, sondern le is te t seinen in d i־ viduellen Beitrag, bringt, w a s seine eigene persönliche E ntdeckung i s t : W ie der Künstler die W elt sieht, w a s er in ihr findet u n d w a s er denkt, o ft u m d e n Preis eines Zerwürfnisses mit der Leserschaft, d e m Auftraggeber oder der zeitgenössischen O rd n u n g der M e n s c h e n u n d Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access D inge. V o n d a anf s e it der Befreiung d e s Individuums vo n d e n Fes- sein der feudalen G ebundenheit in der Renaissance, in der sich be- re its die K e im e der bürgerlichen Ö k o n o m ie ankündigen, beginnt eine vier Jahrhunderte w ä h re n d e bahnbrechende Entwicklung z u einer R e - a lit ä t d e s künstlerischen S e h e n s der Welt, in der die Sinne u n d die souverän urteilende Vernunft f r e i eingesetzt w erden, o h n e d a s H e m m n is kirch lich e r N o rm e n , feudaler Gesellschaftskonventionen, o h n e die träge lastende B ü rde künstlerischer Vorschriften, E s i s t der Blick auf eine R ealität, die im Gleichgewicht von S innen u n d Vernunft, vo n Objekt u n d Subjekt, in der klassischen Kontinuität v o n Zeit u n d R a u m betrachtet wird, eine R ealität, in der M itte l- punkt u n d M a ß a lle r D inge der M e n s c h is t , vo n desse n Proportionen sich a u c h die Form enlehre dieser Kunst a b le ite t." (S 32-3.) D a s folgende B u c h spricht von solchen Prozessen in der sloveni- s e h e n L ite ra tu r. Sein Ziel i s t nicht m onographische Ausführlichkeit e s w ünscht aber eine problem gebundene Einheit z u sein. E s hä lt sich bei je n e m Material auf u n d in te rp re tie rt jene D im ensionen, die - n a c h der M e in u n g d e s Autors - fü r die Entstehung u n d die Entwick- lung der P roblem e ausschlaggebend sind. Die bedeutendsten Kapitel der Entstehung u n d Form ierung slovenischer L ite ra tu r sind a u c h v o m Standpunkt gesellschaftshistorischer u n d geistesgeschichtlicher D im e n sio n e n untersucht, trotzdem aber herrschen ästhetische A spekte u n d literarische Neugier vor. Die Verteidigung d e s wortkünstleri- s e h e n Schaffens als einer a u to n o m e n u n d originalen S p h ä re m e n sch - licher Tätigkeit bedeutet natürlich nicht Isolation der Lite ratur v o n der Gesellschaft* Diese Apologie, die in erster Linie ein m etho- dologischer Ausgangspunkt i s t , rührt a u s der Erkenntnis her, d a ß die ästhetische T ätigkeit ein fundamental konstitutives Verhält- nis d e s M e n s c h e n zur W irklichkeit d a r s te llt, d a ß e s seine Artiku- lation der Welt i s t , die eine sinnvolle gegenseitige K om m unikation ermöglicht u n d eine durchschnittliche Existenz in ein menschlich bew uß teres Sein erhöht. A u s der beschriebenen Neugier u n d der er- w ä h n te n Präm isse entstand a u ch der T it e l, d e n d a s B u c h trä g t. V o n d e r D e k o r a t i o n z u r N a r r a t i o n - dieser T ite l e n th ü llt mit seiner begrifflichen Antithese im Literaturplan jenen B o g e n , der a u c h die allgemeinen Determinanten im G eschichtsgeschehen d e s slovenischen M e n s c h e n mit L e b e n e r f ü l l t . Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access I. AUSGANGSPUNKT UND PERSPEKTIVEN DER KULTURELLEN ENTWICKLUNG (FREISINGER DENKMÄLER) Im Einklang mit der inneren Entwicklung der Literaturwissenschaft veränderten sich a u c h die Aspekte in der Erforschung der Freisinger D enkm äler. E Sievers schrieb sch o n im Jahre 1 9 2 5 vo n d ie se m l i t e - rarischen D e n km a l, d a ß e s eine lite rarisch e Struktur hab e Mit der M e th o d e der sogenannten 1 , Schallanalyse" k a m er z u der T hese, d a ß e s sich u m V erse handle, die vo n einer spezifischen M elodie b e ־ stim m t w ürden. Fr. R a m o v Š schrieb in der Beurteilung d e s Sieverschen Versuches, d a ß die literarische F o rm in d e n Freisinger D e n k m ä le rn nicht überrasche. N a c h Inhalt u n d B e s tim m u n g sind sie näm lich s o beschaffen, "d aß der Vers oder die rhythmische Prosa für sie eine sehr adäquate F o rm sei". S c h o n I . Grafenauer suchte d e n schöpferi- s e h e n Anteil d e s unbekannten Urhebers. Er fand ihn in der selbstän- digen A usw ahl denkerischer Prinzipien, die in der ursprünglichen Aufeinanderfolge w iedergegeben sind. S Pirchegger wies auf die sprachlicne Entsprechung der ausgewählten u n d benützten Ausdrucks- m ittel vor allem im Bereich d e s Verbalaspektes hin. Als eines der G rundproblem e w a r die litera risch e Struktur U ntersuchungsgegenstand bei A V Isačenko. In se inem B u c h behandelte er vier A nzeichen l i - terarischer Struktur, die seiner M e in u n g n a c h in dieser Hinsicht relevant sind, u n d zw a r d e n adverbialen G e b ra u ch der Partizipien, die Differenzierung der Zeiten d e s Zeitwortes, die Postposition d e s besitzanzeigenden Fürwortes u n d die Postposition der besitzanzeigen- d e n Eigenschaftswörter. Fr. Grivec untersuchte d a s Verhältnis zwi- s e h e n d e n Freisinger D enkm älern u n d d e m altkirchenslavischen Schrift tu m In Z u s a m m e n h a n g damit sprach er vo n s tilis tis c h e n Finessen (Wortstellung, dichterische Bilder, W ortverbindungen, W iederholunger u n d berührte n a ch I . Grafenauer a u c h die innere Struktur d e s In- halts. A Bajec blieb bei seiner Charakteristik v o m erhöhten u n d nicht alltäglichen S t i l , A Slodnjak aber sprach vo n einer bilder- reichen S prache mit s tilis tis c h e n Finessen. J. Mišianik schrieb v o m literarisch-rhetorischen Charakter, E Georgiev aber erneut v o m h i- storischen Konzept im Geiste m itte la lte rlic h e r kirchlicher Rhetorik vo n e ine m lebendigen S t i l u n d vo n der pathetischen E rh ö h u n g d e s Wortlautes. D ie erw ähnten W e g w e ise r u n d die bereits durchgeführten A nalysen diktieren u n d entschuldigen zugleich die Fragestellung n a c h d e m l i - Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access terarischen W ert der Freisinger D enkm äler. Unter ihnen befinden sich zw e i Form eln, d a s sogenannte erste u n d d r it t e D e nkm al, G e - betsformeln für eine allgemeine Beichte ( c o n f e s s i o g e n e r a l i s ) , die die G läubigen vor der g e m e in s a m e n Absolution beteten; sie konnten aoer a u c h fü r d e n Katechismusunterricht verwendet w erden. D a s zwei- te D e n k m a l i s t eine homiletische Aufforderung zur B u ß e u n d Beichte ( A d h o r t a t i o a d p o e n i t e n t i a m ) , w a s bedeutet, d a ß e s der Them atik n a ch einer stark verbreiteten m itte la lte rlic h e n literarischen G at- tung angehört. Eine Folge dessen i s t , d a ß a lle drei Texte eine v o n vornherein bestim m te Them atik aufweisen u n d eine vo n vornherein g e g e b e n e ideenm äßige Motivierung haben. D e r s to fflic h e u n d gedank- liehe Charakter der Freisinger D enkm äler i s t d e m n a c h objektiv ge- geben; er geht a u s d e m m itte la lte rlic h e n Christentum hervor u n d dient pastoralen Notwendigkeiten in der Missionsarbeit. Die s to ff- liehe u n d gedankliche Bestimmtheit i s t fü r die Literaturgeschichte weniger bedeutsam W ir h a b e n aber in d e n behandelten Texten Schich- ten, die n e b e n d e m ursprünglichen nichtdichterischen Anliegen eine bestim m te ästhetische Substanz beinhalten. Im sogenannten " g ö t t li- c h e n W ort" w urde der R e d n e r z u m Schöpfer u n d hinterließ in ih m S p ure n menschlichen Geistes. W e g e n der stofflich en u n d gedanklichen G ebundenheit dürfen wir diese S puren nicht in der Them atik u n d in der Idee suchen, sondern in deren Übertragung in d e n sprachlichen Ausdruck u n d die in h a ltlic h e Gliederung. D a s heißt: unsere Analyse hat die Absicht, die lite ra ris c h e Struktur der Freisinger D e n km ä le r festzustellen. U m dieses Ziel z u erreichen, wird sie sich a n jene Gesetzmäßigkeiten halten, die die sprachliche Transmission (W ־ort w erdung) u n d ihre Reihenfolge (Aufbau) beherrschen. Mit H ilfe d e s S tils u n d der Komposition wird e s möglich sein, die schöpferische Potenz d e s dam aligen slovenischen W ortes u n d ihres Bildners fest- zustellen• I Die gedanklichen Prinzipien d e s I . u n d I I I . D e n km a ls sind ein- ander ähnlich. In beiden Fällen geht e s u m die A b s a g e a n d e n Teu- f e i, u m d a s Bekenntnis d e s G laubens u n d u m die R e u e Diese gedank- liehen Prinzipien w erden mit Motiven deutlich gem acht, die durch die heilige D r e ifa ltig k e it, die Fürsprecher u n d Vorbilder darge- s t e l l t w erden; aber a u ch durch d e n Opfertod C h ris ti. A lle diese G runddinge sind scharf in B e z u g auf die E b e n e , die diese W elt vo n Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access der jenseitigen trennt, geschieden. Die Geschichte d e s S ü n d e rs (= d e s M e n s c h e n ) i s t eingefangen zw ischen d e m T a g der G eburt (oder der Taufe) u n d d e m T a g d e s Gerichts. Alles andere i s t der Hinter- grund, der m etaphysische B e d e u tu n g hat u n d notwendig i s t , damit d e s Autors Ü b e rze u g u n g v o n der göttlichen V orsehung Ausdruck erhält. Letztere hat nämlich ein bestim m tes Lebensschicksal sch o n im vor- hinein geplant u n d hat e s als Objekt ausgesucht, a n d e m sie ihren B estand u n d ihren Willen aufzeigen kann. Die erw ähnte G eschichte v o m sündigen M e n s c h e n u n d seiner Reinigung i s t ein besonderer M yth o s der in einen realen R a u m gebannt i s t . Die Zeit i s t dabei keine s o wichtige Kategorie, im Gegenteil: sow ohl die Geschichte als a u c h ihre literarische Gestalt wollen außerhalb der Zeit sein u n d b le i־ m ben. D eshalb wird u n s in beiden Texten ein individuelles Schicksal vor A u g e n geführt, d a s im L e b e n sra u m der objektiven W elt n a c h G e - setzen irra tio n a le r Kräfte Bestand hat. Die vertikale Einheit der Ereignisse, die vo n der idealistischen Lehre vo n der Sinnhaftigheit u n d Zielstrebigkeit d e s m enschlichen L e b e n s bestim m t wird (veruio, d a m i i e , n a s e m s w e t e b y % s i , i t i z e n a o n s w e t ; I 8 9 ־ ) , i s t A u ־s druck einer religiösen Perspektive, die d a s G eschick d e s M e n s c h e n u n d die Geschichte der W elt beherrscht. D iese religiöse Perspektive aber hat noch andere Folgen. D ie g a n z e * 1 Fabel" Fri I z e r f ä llt in folgende gedankliche Einheiten: 1. die Einleitung zur Beichte (d a s Anfangsgebet) 2. d a s Glaubensbekenntnis 3. die Anschuldigung 4 die B itte u m V e rg e b u n g 5. die R e u e 6. die B u ß e 7. der Abschluß der Beichte (Schlußgebet). Weil F ri I I I in dieser Hinsicht F ri I entspricht, i s t e s a m besten, w e n n wir a u c h dafür sogleich die Aufeinanderfolge der gedanklichen Einheiten anführen. F ri I I I hat folgenden Aufbau: 1. die Einleitung zur Beichte (A b s a g e a n d e n Teufel u n d Glau- bensbekenntnis) 2. Fürsprecher fü r die Erreichung der G n a d e 3. die Anschuldigung 4. die V e rg e b u n g 5. die R e u e 6. Gott als G arant der G n a d e 7. Abschluß der Beichte. D a s erste, w a s wir feststellen können, i s t die gleiche Anzahl in - h a ltlic h e r Einheiten (sieben). Im Mittelpunkt beider Übersichten i s t der Begriff der V ergebung. D iese Eigenschaft geht folgerichtig Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access f • 00051005 a u s der gedanklichen W elt hervor, die, s t ilis t is c h durch eine pa- läoslovenische Konstruktion gekennzeichnet, im Satze ihren A us- druck findet: I m e t i m i je z i w o t p o s e m , i m e t i m i i e o t p u s t & k m o i i h л a g rre h o u (I 9-10) . Die V erge b un g hat e x is te n tie lle u n d transzenden- tale B edeutung; vo n ih r i s t alles abhängig, w a s d a s m enschliche Lebensschicksal b ild e t u n d gestaltet. Im Hinblick auf diesen zen- tralen Lebensbegriff sind die übrigen inhaltlichen Einheiten be- stimmt. B esonders m u ß betont w erden, d a ß der erw ähnte Mittelpunkt außerordentlich kurz form uliert i s t u n d im wesentlichen nur je einen Satz um faßt. S o w o h l in F ri I als a u ch in F ri I I I i s t d a s Elem ent der Verge- b u n g vo n Anklage u n d R e u e u m g e b e n , w a s wieder eine tie fe re innere Logik aufweist. E s geht u m d e n G egensatz zw ischen S ü n d e u n d Rein- h e it, w a s im tie fste n Sinne Ausdruck d e s G egensatzes zw ischen G u - te m u n d B ö s e m im M e n s c h e n i s t . In ähnlicher äußerer Gegensatzstel- lung, aber in e n g e m inneren Z u s a m m e n h a n g befinden sich in beiden Fällen a u c h d a s zweite u n d d a s sechste Elem ent. Weil e s einen G lau- b e n e in d a s jenseitige L e b e n g ib t, g ib t e s a u ch eine Vergeltung für die S ü n d e n auf dieser Welt. Die einleitende u n d die abschließende Einheit unterscheiden sich in d e n behandelten Beispielen ihrem In- halt nach, v o m Standpunkt unserer Analyse a u s k o m m t ihnen jedoch die gleiche B edeutung zu. Theologisch g e se h e n h a b e n sie ihren U rsprung in der soteriologischen Idee C h ris ti, vereinfacht aber könnten wir sie damit charakterisieren, d a ß sie einen der christlichen G ru n d - g e d a n ke n aussprechen (G lauben bedeutet Rettung). Trotz der Tatsa- che, d a ß F ri I I I im ersten Satz n o ch die sehr alte Abrenuntiations- formel aufweist, worin sie ausdrücklich d e m b ö se n Geist entsagt, i s t F ri I mit seiner unmittelbaren A u ssa g e d e s Vertrauens in Gott eine Folge der gleichen, w e n n a u ch nicht in W orten ausgedrückten Situation. Die Komposition beider lite ra ris c h e r D enkm äler i s t also sieben- t e i l i g u n d symmetrisch. Zw ischen ihren Gliedern besteht also über- einstim m ung, die sie n a ch d e m Prinzip der Gegensätzlichkeit bindet 1 2 3 4 5 6 7 - 14 - Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access D iese G e ge n sätze bestehen aber nur im Hinblick auf die Vertikale, die unsere W elt vo n der jenseitigen trennt; v o m m etaphysischen Standpunkt a u s sind die Glieder n a ch innen e in h e itlic h , wenngleich mit verschiedenen Vorzeichen- E ie vertikale K o m p o n e n te wird also vo n der horizontalen durchschnitten; die Transzendenz reicht in die Im - m a n e n z hinein. D iese Tatsache s t e l l t aber a u c h die sprachliche G e - staltung vor eine R eihe vo n P roblem en. D ie Grundforderung einer diesbezüglichen Ästhetik i s t im Text selbst ausgesprochen. F ri I hat z u B eginn folgenden Satz: G l a g o l ' i t e p o n a s r e d k a s l o w e s a i D e r verbale T e il der angeführten E rm unterung i s t ein technischer W egw eiser, der die behandelten Texte mit der liturgischen Praxis eines bestim m ten Zeitraumes verbindet. Die G e - setzgebung Karls d e s G ro ß e n gebot sch o n mit der A d m o n i t i o g e n e r a l i s (v o m 23. M ä rz 78 9 ) d e n Priestern die Verrichtung dessen, w a s in der dam aligen B edeutung der Ausdruck p r a e d i c a r e um faßt (n et o m n i b u s p r a e d i c e n t i n t e l l e g e n d a m ” ) D abei ging e s nicht u m eine theologisch dogm atische Auslegung, sondern u m Worttexte in der ersten P erson Einzahl (Fri I u n d Fri I I I ) oder M ehrzahl (Fri I I I ) . P r a e d i c a r e be- deutete ö ffe n tlic h lesen oder kirchliche W orte sprechen, die aber eine inhaltliche S pannw eite v o m einfachen G e b e t bis z u e in e m theo- logischen Traktat aufwiesen. Die W ortfügung g l a g o l ' i t e p o n a s 4 (sprechet u n s n a ch ) i s t also eine Reflexion der karolingischen l i - turgischen Praxis u n d ermöglicht zugleich eine breitere typologi- s e h e Charakterisierung der Art, z u der die Freisinger D enkm äler ge- hören. Die F ü g u n g r e d k a s l o w e s a aber i s t ein ästhetisches Postulat diesbezüglicher L ite ra tu r. Sein lateinisches Äquivalent i s t nämlich pauca v e r b a , d a s sch o n Caesarius a u s Arles verwendete, d a s aber a u s der röm ischen Liturgie hervorgeht. Die lite ra risch e B e de u tun g d e s Prinzips, d a s durch die F ü g u n g p a u c a v e r b a ausgedrückt wird, erhell a u s der folgenden Verbindung: Cui us pau ca q u i d e m v e r b a s u n t , s e d m a g n a m y s t e r i a R e d k a s l o w e s a ( p a u c a v e r b a ) w e rd e n mit großen G e - heim nissen (magna m y s t e r i a ) in Z u s a m m e n h a n g gebracht, w a s bedeutet, d a ß ein bestim m tes Verhältnis zw ischen der s tilis tis c h e n u n d k o m p o - sitorischen Gestalt sow ie d e m objektiv g e g e b e n e n Inhalt besteht. D a s grundlegende s t ilis tis c h e Postulat i s t also n o n m u l t a , s e d m u l - t u m D ie kurzgedrängte F a ssu n g aber bedeutet eine gewollte R e d u k- tion der Ausdrucksmittel auf d a s Wesentliche, strebt v o m In d iv i- duellen ins Allgemeine u n d erweckt mit ihrer syntaktischen Einfach- h e it d e n Eindruck eines trockenen, psychisch verkrampften S tile s . Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access - 6 ו ־ Für d e n Gläubigen u n d d e n Priester w a r die Bibel Vorbild für solche Formulierungen. D eshalb i s t e s natürlich, d a ß in F ri I u n d Fri I I I einige biblische Satzfügungen eingebaut w urden. D er Autor wollte damit inh a ltliche Bedeutsam keit u n d größere gedankliche Tie- fe erreichen. S o ke n n e n wir z u m Beispiel: p r i m e t e w e c n e v e s e l i e i w e c n i z i w o t , e z e w ( i ) i e s t u g o t o w l ' e n o i z w e k a w w e k ( X 33*5) u n d eine ähnliche Stelle a u s d e m Evangelium : d o z d a n i t a m o i e , w s e d l i v c e s a r s t w o s w o ^ e , e z e i e s t u g o t o w l ' e n o i s k o n i d o k o n i ( I I 61-5). In beiden Fällen geht e s u m ein Z ita t a u s d e m M atthäus-Evangelium (25/34), d a s im Lateinischen lautet: p o s s i d e t e p a r a t u m v o b i s r e g - п и т a c o n s t i t u t i o n e m u n d i D e r Kirchenschriftsteller Bonifatius hat die gleiche Stelle in seiner VI. R e d e auf eine W e is e verwendet, die der slovenischen ähnlich i s t : Venite, b e n e d i c t i P a t r i s m e i , p o s s i - dete r e g n u m q u o d v o b i s p a r a t u m e s t a b o r i g i n e m u n d i Im Z u s a m m e n - h a n g mit diesen B elegen i s t e s notwendig z u betonen, d a ß biblische S ätze f r e i gebraucht w erden. Im erw ähnten Fall i s t r e g n u m (d a s er- ste M al) f r e i mit der Paraphrase w e c n e w e s e l i e i w e c n i život über- setzt, d a s zweite M a l aber mit d e m dam aligen slovenischen Äquiva- lent c e s a r s t w o D a s aber bedeutet, d a ß d a s gedankliche Material a u s diesem Bereich selbständig ausgewählt, gegliedert u n d geformt w u rd e D ie b e w u ß te A usw ahl u n d die b e w u ß te F o rm u n g aber i s t a u s e in e m weiteren Beispiel im selben Satz e rs ic h tlic h . D e r lateinische B e - g r i f f a c o n s t i t u t i o n e m u n d i i s t mit d e n Varianten i z w e k a w w e k u n d isiconi d o k o n i übersetzt. Solche sprachlichen Varianten gibt e s in beiden behandelten D enkm älern n o ch m ehrere: i l i s p e i l i n e s p e I 1 7 i l i w o l ' o i l i n e w o l ' o I 1 3 -4 i l i w I z i I 1 5 i l i w t a t b e I 1 5 d a b i n i z l o d e i u ot e l I 2 0 s p e i l i b d e I I I 3 2 n u d a li i l i l ' u b m i I I I 3 1 ś2 v l a ž n i h г е с э Ь I I I 33-4 w t a t b i n a b I I I 3 4 i z b a w i t i ot z l o d e ļ n e o b l a s t i I I I 70-1. E s geht offe n sich tlich u m Begriffe, die denselben Inhalt h a b e n , aber in zw ei fü r die Stil-Analyse relevanten Varianten bezeugt sind D am it aber stoßen wir auf eine der schwersten Fragen, die im Z u - s a m m e n h a n g mit u n se re m T h e m a bestehen, die F rage nämlich, w elche vo n beiden Varianten stilb ild e n d i s t . A V Isačenko ü b e rn a h m v o n Fr. R a m o v š die These, d a ß e s sich bei der S prache der Freisinger D enkm äler u m zw ei z e itlic h u n d genetisch verschiedene Entwicklungs- Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access stufen handle, v o n d e n e n die erste urslavisch u n d die andere slove- nisch sei. In einer Stilanalyse hätten wir e s also mit einer Schicht individuell-slovenischer sprachlicher N e u e ru n g e n u n d mit einer Schicht vo n zur Zeit der Entstehung als archaisch e m p fu n d e n e n S t i l - mitteln z u tun. Isačenko s a h in letzterem E lem ente d e s liturgischen (= literarischen) S tils , z u desse n Ausbildung e s unter d e m Einfluß der großm ährischen Tradition g e k o m m e n sein s o ll, mit der C y r ill u n d M e th o d b e g o n n e n hatten. O b w o h l e s B eziehungen zw ischen d e m altkirchenslavischen S c h rift- tu m u n d d e n Freisinger D e nkm älern "ohne Zweifel . . . in W irklichkeit g e g e b e n hat", g ib t e s für Isačenkos T h e s e keine g e n ü g e n d e n B ew eise. Vorläufig dürfen wir u n s mit der o b e n beschriebenen M e in u n g vo n R a - m o v š b eg n ü g e n , der zw ei z e itlic h u n d genetisch verschiedene P h a s e n in der sprachlichen Entwicklung voraussetzt. S olche P h a s e n sind sprachwissenschaftlich erwiesen mit d e m B estand phonetischer, m or- phologischer u n d syntaktischer Varianten. S obald wir aber die A us- gangsbasis haben, i s t die Frage der Stilbildung lösbar: s t ilis t is c h relevant sind a lle jene sprachlichen Erscheinungen, die vo n der N o rr abw eichen. Für die slovenische sprachliche N o rm jener Zeit aber dür- fen wir folgende Charakteristika voraussetzen: 1 d e n einheitlichen Reflex für d e n Halbvokal in starken Silben; 2 die vereinfachte Korrelation i : y; 3 die Reflexe der Nasalvokale sind о u n d e; 4. Vokalkontrahierungen; 5. die primäre Lautgruppe d l strebt z u 1 ; 6. für d e n altkirchenslavischen Laut k t , g t treten Äqui- valente auf, die a u s ׳ t (heute c) entstanden sind, fü r žd ^d j h a b e n wir überall j ; 7. die E n d u n g e n in der zu sa m m en g ese tzte n Adjektivdeklination sind - e g a oder -ego, -emu; 8 d a s P räsens i s t nur kontrahiert; 9. kontrahierte F o rm e n d e s persönlichen Fürwortes; 1 0 d a s adverbiale P artizip steht in der m ännlichen u n d weibliche F o rm im ersten u n d nicht im d ritte n Fall Einzahl; 1 1 die Bildungssilbe d e s aktiven Partizips der G e g e n w a rt i s t - o t ' i ; 1 2 der adnom inale Genitiv s ta tt d e s altkirchenslavischen Dativs u n d 1 3 der Unterschied zw ischen d e m konditionalen b i u n d d e m präteri talen be. D a b e i m u ß m a n aber n o ch die bekannte sprachwissenschaftliche R e - gel berücksichtigen, d a ß R andbereiche länger archaische F o rm e n er- halten. Für Fri I u n d F ri I I I dürfen wir auf G ru n d der Forschungen vo n I . Grafenauer karantanische u n d pannonische G e n e s e voraussetzen w a s a u c h die Analyse d e s W ortschatzes untermauert hat. D am it w u c h s Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access der s tilis tis c h e W ert in d e n mittleren Schichten a n Bedeutung, weil die Unterschiede zw ischen d e m Sprachzustand in diesem L e b e n sra u m u n d der sprachlichen Struktur der beiden D enkm äler n o ch spürbarer w aren. Solche Beispiele g a b e s in der Phonetik: y : i ( m y s l i t e : s i n u ) , 1 : d l ( k r i l a t c e m : m o d l i t i ) , volle u n d kontrahierte F o rm e n fmoie ־ m e ) , W e g e n nicht adäquaten Rechtschreibbilds i s t dieser Fragenbereich a m schwersten lösbar. Überschaubarer i s t die Situation auf d e m Gebiet der Morphologie. V o n d e n Beispielen a n P ara d ig m e n gehört hierher der konservative (nicht p a la ta lisie rte ) Akkusativ Plural in der m ännlichen Deklination ( g r e h i : g rre h e ) , der Genitiv Singular u n d der Nominativ Plural in der weiblichen Deklination (od s l a w i : o d z l o d e i n e ) u n d der Genitiv Singular in der Pronom i- naldeklination m ännlichen Geschlechts ( j . e g o : iegra) B e im H ilfs - zeitwort t r i t t die volle F o rm iest n e b e n der verkürzten ie auf. A d - Ä A verbiale Konstruktionen g ib t e s - im Unterschied z u F ri XI, w o wir fünf d a vo n vorfinden - in F ri I u n d F ri I I I sozusagen nicht. D a s einzige Beispiel (vērušo, d a m i ie, n a s e m s w e t e b y u s i , i t i z e n a o n s w e t I 8-9) i s t sehr ungewöhnlich. E s i s t in e in e m gedanklich u n g e m e in wichtigen Z u s a m m e n h a n g gebraucht (ich glaube, d a ß ich, weil ich auf dieser W elt weile, in die andere W elt z u g e h e n habe), der in dieser F o rm eine ausgesprochene P rägnanz e r h ie lt. B e im a k ti- v e n Partizip der G e g e n w art w e rd e n im m ännlichen Geschlecht die al- tertümlichen F o rm e n auf -y mit d e n F o rm e n auf - o t ' i vertauscht. D ie archaische F o rm e rh ie lt sich a m längsten im Dienste d e s Subjekts, w ä h re n d a lle jüngeren F o rm e n in der Struktur d e s Satzes Prädikats- funktion haben. In der zweiten P erson Einzahl sind bei d e n V e rb e n n o c h drei E n d u n g e n erhalten ( w e s , z a d e n e š , p o s t e d i s i ) S tilvarian- ten gibt e s a u ch im Wortschatz (tere n e b e n d e m gebräuchlichen ׳eze s t o r i t i : s t w o r i t i , s o n i c t w e : s n i c & s t w e u .a .). Für einen verhält- nism äßig kurzen Text mit e inem außergewöhnlich kleinen le x ik a li- s e h e n F o n d sind die erwähnten stilbildenden Erscheinungen überaus relevant. D ie s t ilis t is c h e R elevanz vo n F ri I u n d F ri I I I stellen wir aber a u c h a n anderen Eigenheiten fest. Beide behandelten Form eln w a re n für d a s g e m e in s a m e N achsprechen n a ch d e m Priester bestimmt. D eshalb n im m t e s nicht w under, w e n n sie solche s tilis tis c h e n Besonderheiten beinhalten u n d eine Melodiegestalt aufweisen, die m nem otechnisch leichter faßbar war. Die syntaktischen Einheiten sind Verhältnis- m ä ß ig kurz u n d mit ähnlichen K a d e n z e n versehen, w a s d e n Eindruck Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access 00051005 eines gew issen intonationsmäßigen Parallelismus erweckt. Ihre K o n - struktion i s t klischeemäßig, trotzdem aber i s t die Eintönigkeit durch verschiedene Varianten zerschlagen. R eines Klischee i s t in F ri I die W ortverbindung b o z e , g o s p o d i m i l o s t i w i , die insgesam t a n sieben Stellen gebraucht wird. B estim m te syntaktische Einheiten beginnen mit d e m gleichen W ort; in F ri I sind d a s beispielsweise die W o rte i s w e t e m u , i w s e m , i m e t i m i i e , a k o ž e , in Fri I I I ähnlich i w s e m , t o z e , i w , i s a n k t e , i w s e h , i m o ļ e ( r n o ^ a ) . S olche W ieder- holungen spielten eine technische Rolle; sie dienten als H ilfe für d a s leichtere M em orieren u n d für die rhetorische Reproduktion. D e m gleichen Ziel wie die erw ähnten grammatikalischen u n d intona- tionsm äßigen Parallelismen dienten a u c h die Verbindungen zweier H o m o n y m e , w a s in der kirchlichen Lite ra tu r eine häufige Erscheinung w a r ( n e s r a m e n i n e s t i d e n I I I 52-3 u n d p o z w a n i i w a b l ' e n i I I 67-8). Einer ähnlichen Zielsetzung i s t a u c h der Kontrast untergeordnet. Beispiele gibt e s in Hülle u n d Fülle: e z e i e s 9 m w e d e s t w o r i l i l i n e w e d e , n u d m i i l i l ' u b m i , s p e i l i b d e ( I I I 30-2); e z e p o m f ì o i l i n e p o m n o , i l i w o l ' o i l i n e w o l ' o , i l i w e d e i l i n e w e d e ... i l i s p e i l i n e s p e (I 13-4, 17). W ä h re n d e s o b e n u m einen Parallelismus der A nfänge ging (anaphoresisches P rin zip ), handelt e s sich bei d e n er- w ä hn te n Beispielen u m einen Parallelismus der Glieder in ihrer G e - gensätzlichkeit. D iese Glieder sind wieder in eigener Art struktu- r i e r t , w a s a u s d e m folgenden Beispiel e rs ic h tlic h i s t : e z e i e s 9 m w e d e s t w o r i l i l i n e w e d e , n u d m i i l i l ' u b m i , s p e i l i b d e , w s p i t n i h r o t a h , w l a z n i h r e c a h , w t a t b i n a h , w s n i c 9 s t w e , w l a k o m s t w e , w l i h o i e d e n i ( i ) , w l i h o p i t i i , w w z m a s t w e , i w s e m l i h o d ( e ) ļ a n ļ i ; e z e i e s 9 m s t w o r i l p ( r o ) t i w o b o g u ( I I I 30-9). D ie H ä ufu n g der Begriffe dient nur e inem Z w e c k : mit der M onoto- nie phonetischer F ü g un g en , die unverbunden (asyndetisch) sind, die verstandesm äßige K ritik fä h ig k e it einzuschläfern. Dieser unversieg- bare W ortstrom gib t d e m M e n s c h e n d a s Gefühl d e s Überflusses vor der bunten Welt, dieser W ortstrom hat sich aber nicht z u einer kla- ren u n d beständigen Gestalt verdichtet. In dieser Eigenschaft er- ke n n e n wir d a s ästhetische Postulat, d a s d a s M itte la lte r a u s d e m - 19 ־ Jože Poganik - 9783954793051 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 05:52:42AM via free access 00051005 Brief a n die Korinther entwickelte: v id e m u s п и л е per s p e c u l u m i n a e n i