KARlSRUhER INStItUt FÜR tEchNOlOGIE (KIt) SchRIFtENREIhE DES INStItUtS FÜR tEchNISchE MEchANIK BaNd 34 UlRIch JOhANNES RöMER Über den Einfluss der Fußgeometrie auf die Energieeffizienz beim zweibeinigen Gehen KARLSRUHER INSTITUT FÜR TECHNOLOGIE (KIT) ULRICH J. RÖMER Über den Einuss der Fußgeometrie auf die Energieefzienz beim zweibeinigen Gehen INSTITUT FÜR TECHNISCHE MECHANIK Ulrich Johannes Römer Über den Einfluss der Fußgeometrie auf die Energieeffizienz beim zweibeinigen Gehen Eine Übersicht aller bisher in dieser Schriftenreihe erschienenen Bände finden Sie am Ende des Buchs. Karlsruher Institut für Technologie Schriftenreihe des Instituts für Technische Mechanik Band 34 Über den Einfluss der Fußgeometrie auf die Energieeffizienz beim zweibeinigen Gehen von Ulrich Johannes Römer Dissertation, Karlsruher Institut für Technologie KIT-Fakultät für Maschinenbau Tag der mündlichen Prüfung: 18. Oktober 2018 Referenten: Prof. Dr.-Ing. habil. Alexander Fidlin Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Seemann Prof. Dr.-Ing. Andrés Kecskeméthy Print on Demand 2019 – Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier ISSN 1614-3914 ISBN 978-3-7315-0887-8 DOI 10.5445/KSP/1000089994 This document – excluding the cover, pictures and graphs – is licensed under a Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International License (CC BY-SA 4.0): https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en The cover page is licensed under a Creative Commons Attribution-No Derivatives 4.0 International License (CC BY-ND 4.0): https://creativecommons.org/licenses/by-nd/4.0/deed.en Impressum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) KIT Scientific Publishing Straße am Forum 2 D-76131 Karlsruhe KIT Scientific Publishing is a registered trademark of Karlsruhe Institute of Technology. Reprint using the book cover is not allowed. www.ksp.kit.edu Kurzfassung Die Energieeffizienz beim Gehen ist ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung zwei- beiniger Roboter. Diese verfügen nur über einen begrenzten Energiespeicher, mit dem ein möglichst langer Betrieb angestrebt wird. Die Energieeffizienz wird einerseits von der konstruktiven Gestaltung und den Modellparametern beeinflusst, andererseits jedoch auch von der verwendeten Regelung, mit der die Bewegung erzeugt und stabilisiert wird. In einem Entwicklungsprozess werden daher bei der Konzeption und der konstruktiven Gestaltung bereits früh Modelle zur Simulation und Methoden zur Optimierung benötigt. Da in diesem Entwicklungsstadium erst wenige Details konkretisiert und festgelegt sind, eignen sich einfache Mehrkörpermodelle für diese Fragestellung. Durch eine Regelung auf Basis der hybriden Nulldynamik können für solche Systeme stabile Gehbewegungen mit hoher Energieeffizienz erzeugt werden, die die natürliche Dynamik des Systems ausnutzen. In dieser Arbeit wird untersucht, welchen Einfluss die Fußgeometrie auf die Energieef- fizienz beim zweibeinigen Gehen hat und wie diese bei der Entwicklung eines zweibei- nigen Roboters optimiert werden kann. Hierfür wird ein Modell für einen konvexen, starren Fuß entwickelt, dessen Kontaktpunkt mit dem Boden explizit berechnet werden kann. Dadurch ist eine Beschreibung der Abrollbewegung in Minimalkoordinaten möglich und für die Dynamik des Gesamtsystems kann eine gewöhnliche Differen- tialgleichung abgeleitet werden. Für das Fußmodell werden zwei Parametrierungen entwickelt, bei denen jeweils von einem Polygon ausgegangen wird, dessen Kanten abgerundet werden, damit sich eine kontinuierliche Abrollbewegung ergibt. Auf diese Weise wird ein flacher Fuß, und ein Fuß mit zusätzlichem Zehenbereich beschrieben. Der Roboter wird durch ein ebenes Mehrkörpersystem beschrieben, das aus einem Oberkörper, Oberschenkeln, Unterschenkeln und dem konvexen Fuß besteht, die jeweils durch Drehgelenke in Hüfte, Knie und Sprunggelenk miteinander verbunden sind. Für dieses System wird eine Regelung auf Basis der hybriden Nulldynamik entworfen. Dieses Regelungskonzept wird somit auf Systeme mit beliebiger Fußgeometrie erwei- tert. Mittels numerischer Optimierung werden optimale Gehbewegungen erzeugt und I zugleich die Fußgeometrie optimiert. Zur Durchführung von Parameterstudien wird eine numerische Fortsetzungsmethode für dieses nichtglatte Problem entwickelt. Durch die Optimierung der Fußgeometrie kann der durchschnittliche Energieverbrauch eines 80 kg schweren und 1,80 m großen Roboters im Geschwindigkeitsbereich 0,3 bis 2,3 m/s gegenüber einem Modell mit Punktfüßen um 81 % reduziert werden. II Kurzfassung Abstract Energy efficiency in walking is an important aspect in the development of bipedal robots. These robots have only a limited energy supply, with the aim of operating for as long as possible. Energy efficiency is influenced on the one hand by the design and model parameters, and on the other hand by the control system used to generate and stabilize the movement. In a development process, models for simulation and methods for optimization are therefore required at an early stage during the conception and design phase. Since only few details are concretized and fixed in this development stage, simple multibody models are suitable for this question. A control system based on hybrid zero dynamics can generate stable walking movements with high energy efficiency for such systems, which exploit the natural dynamics of the system. This thesis investigates the influence of foot geometry on energy efficiency in bipedal walking and how it can be optimized in the development of a bipedal robot. For this purpose, a model for a convex, rigid foot is developed, whose contact point with the ground can be calculated explicitly. Thus, a description of the rolling motion in minimum coordinates is possible and for the dynamics of the whole system an ordinary differential equation can be derived. For the foot model, two parameterizations are developed, each assuming a polygon whose edges are rounded off to give a continuous rolling motion. In this way, a flat foot and a foot with additional toe region are described. The robot is described by a planar multibody system consisting of an upper body, thighs, shanks and the convex foot, each of which is connected by rotary joints in the hip, knee and ankle. A control system based on hybrid zero dynamics is designed for this system. This control concept is thus extended to systems with arbitrary foot geometry. By means of numerical optimization, optimal walking gaits are generated and at the same time the foot geometry is optimized. In order to carry out parameter studies, a numerical continuation method for this non-smooth problem is developed. By optimization of the foot geometry the average energy consumption of a 80 kg heavy and 1 80 m tall robot in the speed range 0 3 to 2 3 m/s can be reduced by 81 % compared to a model with point feet. III Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Motivation und Thema der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.2.1 Zweibeiniges Gehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2.2 Fußmodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.2.3 Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.2.4 Numerische Fortsetzungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1.3 Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1.4 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2 Fuß-Boden-Kontakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.1 Kontaktpunkte ebener Starrkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2.2 Einseitige Kontakte zwischen ebenen Starrkörpern . . . . . . . . . . . 60 2.3 Kinematik der ebenen Rollbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3 Fußmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.1 Kinematik des Sprunggelenks beim Gehen des Menschen . . . . . . . . 69 3.2 Regularisierung konvexer Polygone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.3 Parametrisierung der Fußmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3.3.1 Fußmodell ohne Zehen (HM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.3.2 Fußmodell mit Zehen (HMT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 4 Validierung der Fußmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.1 Messdatenaufnahme und -aufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4.2 Anpassen der Modellparameter an die Messdaten . . . . . . . . . . . . 84 4.3 Auswertung der Modellanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.3.1 Ergebnisse der Barfuß-Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.3.2 Ergebnisse der Schuh-Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.3.3 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 V Inhaltsverzeichnis 5 Modell für zweibeiniges Gehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5.1 Mehrkörpermodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5.1.1 Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.1.2 Freies Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.1.3 Modell der Einzelstützphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5.1.4 Modell der Doppelstützphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.1.5 Hybrides Modell für Gehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5.2 Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.2.1 Phasenvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.2.2 Solltrajektorien der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5.2.3 Eingangs-/Ausgangslinearisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.2.4 Hybride Nulldynamik (HZD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 5.3 Periodische Gehbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.4 Optimierungsproblem zur Erzeugung energieeffizienter Gehbewegungen 122 6 Optimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 6.1 Berechnung von Gradienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 6.2 Sequentielle Quadratische Programmierung (SQP) . . . . . . . . . . . 131 6.2.1 Exakte ` 1 -Straffunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 6.2.2 Liniensuchverfahren und Korrektur zweiter Ordnung . . . . . . 137 6.2.3 BFGS-Approximation der Hesse-Matrix . . . . . . . . . . . . . 141 6.2.4 SQP-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 7 Numerische Fortsetzung optimaler Lösungen . . . . . . . . . . . . . . 147 7.1 Numerische Fortsetzung nichtglatter Probleme . . . . . . . . . . . . . 147 7.2 QPSQP-Prädiktor-Korrektor-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 8 Leistungsfähigkeit der numerischen Methoden . . . . . . . . . . . . . 157 8.1 Konvergenz des SQP-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 8.2 Einfluss des Prädiktor-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 9 Einfluss der Fußgeometrie auf die Energieeffizienz . . . . . . . . . . 165 9.1 Einfluss des Zielfunktionals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 9.2 Einfluss des Fußmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 9.2.1 Fußmodell HM ohne Zehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 9.2.2 Fußmodell HMT mit Zehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 9.2.3 Vergleich und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 VI Inhaltsverzeichnis 10 Optimierung der Fußgeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 10.1 Sensitivität in Bezug auf Fußparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 10.2 Optimierung der Fußgeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 11 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Anhang A Beweis für die Konvexität der Fußmodelle . . . . . . . . . . . . . . . 211 B Parameter der angepassten Fußmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 C Strafparameter für ` 1 -Gütefunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 D Energieeffizienz der Fußmodelle von Proband P1 – P4 . . . . . . . . 229 D.1 Fußmodell HM ohne Zehen (barfuß) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 D.2 Fußmodell HM ohne Zehen (mit Schuhen) . . . . . . . . . . . . . . . . 231 D.3 Fußmodell HMT mit Zehen (barfuß) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 D.4 Fußmodell HMT mit Zehen (mit Schuhen) . . . . . . . . . . . . . . . . 233 E Berechnung der Fußparameter aus der Geometrie . . . . . . . . . . 235 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Symbolverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Eigene Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Betreute Abschlussarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 VII Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technische Mechanik, Bereich Dynamik/Mechatronik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Ich danke meinem Doktorvater Prof. Dr.-Ing. habil. Alexander Fidlin für die wissen- schaftliche Betreuung meiner Arbeit und seine langjährige Förderung. In meiner Zeit am Institut hatte ich viele Freiheiten, um mich selbst und das Thema dieser Arbeit zu entwickeln. Zum Gelingen dieser Arbeit hat auch die stets ehrliche und fundierte Kritik beigetragen. Des weiteren danke ich Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Seemann für die wissenschaftlichen Diskussionen und Anregungen in meiner Zeit am Institut sowie für die Übernahme des Zweitgutachtens. Außerdem gebührt mein Dank Herrn Prof. Dr.-Ing. Andrés Kecskeméthy vom Lehrstuhl für Mechanik und Robotik der Univer- sität Duisburg-Essen für die Übernahme des Drittgutachtens sowie seine wertvollen Hinweise. Frau Prof. Dr.-Ing. Bettina Frohnapfel vom Institut für Strömungsmechanik des KIT danke ich für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes. Herrn Prof. Dr.-Ing. Carsten Proppe und Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Böhlke danke ich für die angenehme Zusammenarbeit am Institut. Weiterhin gilt mein Dank den emeritierten Professoren Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Jörg Wauer, Prof. Dr.-Ing. Walter Wedig und Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Jens Wittenburg für viele interessante und hilfreiche Gespräche sowie ihr Interesse an und ihre Anmerkungen zu meiner Arbeit. Ihre rege Teilnahme am Institutsleben und vor allem den jährlichen Seminaren war stets eine Bereicherung. Ich hoffe, dass sie dem Institut noch lange erhalten bleiben. Mein besonderer Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen am Institut für die durchweg angenehme Zusammenarbeit, die gegenseitige Unterstützung und die vielen Diskussionen, nicht nur über Themen der Mechanik. Das kollegiale Miteinander hat mich stets aufs neue motiviert, mich mit verschiedenen Fragen der Mechanik auseinanderzusetzen und über meinen Tellerrand zu blicken. Besonders danken möchte IX Vorwort ich Fabian Bauer für die Unterstützung gerade zu Beginn meiner Arbeit. Außerdem Kai Becker für die angenehme Zusammenarbeit als Bürokollege. Weiterhin gilt mein Dank Prof. Dr.-Ing. Hartmut Hetzler, der mich zu Beginn meiner Zeit am Institut und auch nach seinem Ruf an die Universität Kassel stets unterstützt hat, und dessen Anregungen stets wertvolle Denkanstöße sind und waren. Auch allen nicht namentlich genannten momentanen und ehemaligen Kolleginnen und Kollegen gilt mein ausdrücklicher Dank. Sie haben ein Institutsklima geschaffen, das diese Arbeit erst ermöglicht hat. Ich bin und bleibe vielen in Freundschaft verbunden. Ebenfalls danke ich allen Studentinnen und Studenten, deren Bachelor- oder Master- arbeit ich als Betreuer begleitet habe. Die dabei entstandenen Fragen, Diskussionen und Ergebnisse haben ebenfalls zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Nicht zuletzt danke ich meiner Familie, meinen Eltern, meinen Schwestern und meiner Freundin Patrizia, ohne deren andauernde Unterstützung diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Karlsruhe, den 14. November 2018 Ulrich J. Römer X 1 Einleitung 1.1 Motivation und Thema der Arbeit Energieeffizienz ist von zentraler Bedeutung bei der zweibeinigen Fortbewegung, da die benötigte Energie in der Regel in einem Speicher mitgeführt werden muss. Bei der Fortbewegung des Menschen wird die über die Nahrung aufgenommene Energie durch chemische Prozesse zur Kontraktion der Muskeln verwendet. Bei der Fortbewegung zweibeiniger Roboter oder bei der Verwendung aktiver Prothesen muss ein Energiespeicher mitgeführt werden, meist in Form einer Batterie [222]. In allen Fällen ist ein Ziel, sich mit einer begrenzten Menge an Energie möglichst lange bzw. weit fortzubewegen. Im Bereich der Biomechanik wird die Fortbewegung des Menschen seit Jahrzehnten intensiv erforscht, wobei eine Vielzahl an Modellen entwickelt wurde, um diese zu beschreiben. Im Gegensatz dazu ist das Ziel im Bereich der Robotik nicht nur die Systembeschreibung, sondern die Entwicklung und der Betrieb eines technischen Systems, das sich auf zwei Beinen fortbewegt. Während in der Biomechanik der Fokus auf der Systemanalyse liegt, ist die Fragestellung der Systemsynthese zen- tral für die Robotik. Bei der Entwicklung von Prothesen müssen beide Ansätze gleichermaßen genutzt und zusammengeführt werden. Biomechanik und Robotik unterscheiden sich weiterhin im Umgang mit der Systemkomplexität: während bei der Analyse des Menschen ein sehr komplexes biologisches System auf einfache Modelle und Effekte heruntergebrochen werden soll (komplexes Gesamtsystem → vereinfachtes Modell), soll bei der Synthese eines Roboters ein komplexes Gesamtsys- tem aus einfacheren Bestandteilen zusammengesetzt werden (einfache Bestandteile → komplexes Gesamtsystem). Der menschliche Körper hat sich in Jahrtausenden der Evolution und natürlichen Auslese an den aufrechten Gang auf zwei Beinen angepasst, weshalb eine naheliegende Strategie bei der Entwicklung entsprechender Roboter in der Imitation und Kopie des Menschen besteht. Jedoch existieren bereits in der Natur unterschiedliche Lösungen für das Gehen auf zwei Beinen – so sind zum Beispiel beim Mensch die Knie „nach vorne 1 1 Einleitung (a) Skelette von Mensch und Strauß (Quelle: [142, Abb. 1]). (b) Modelle für Mensch und Strauß (Quelle: [142, Abb. 2]). (c) Cassie 2 Abbildung 1.1: (a) Vergleich des Beinaufbaus von Mensch und Strauß – (b) der Mensch hat „nach vorne gerichtete“ Knie, beim Strauß übernehmen die Sprunggelenke dieselbe Funktion, weshalb der Begriff „nach hinten gerichtete“ Knie verwendet wird. (c) Die Beine des Roboters Cassie sind denen des Straußes nachempfunden. gerichtet,“ während sie bei Vögeln „nach hinten gerichtet“ sind, 1 wie in Abb. 1.1a dargestellt. Für den Ingenieur ergibt sich damit unmittelbar die Frage, welche Strategie die bessere ist? Auf Basis dieser Fragestellung wurde in [142] mit den beiden Modellen in Abb. 1.1b die Energieeffizienz beim Rennen verglichen und festgestellt, dass die „nach hinten gerichteten“ Knie in diesem Fall besser abschneiden. Dies ist ein Grund, warum der in Abb. 1.1c dargestellte Roboter Cassie mit seinen straußenähnlichen Beinen eine sehr hohe Energieeffizienz erreicht. Werden bei der Betrachtung der Energieeffizienz bei der Fortbewegung nicht nur biologische Systeme aus der Natur, sondern auch technische Systeme aus unserem Alltag einbezogen, so fällt auf, dass praktisch alle Landfahrzeuge zur energieeffizienten Fortbewegung Räder verwenden, für die es in der Natur kein entsprechendes Pendant gibt. Auch ohne Antrieb kann sich der Mensch auf flachem Untergrund mittels eines Fahrrads effizienter fortbewegen als durch Gehen oder Rennen [339]. Es gibt also bei der Entwicklung zweibeiniger Roboter einerseits die Natur als effizientes Vorbild, andererseits existieren Fortbewegungsmittel, die in künstlichen Umgebungen wie Straßen effizienter sind als diese biologischen Systeme. Bei der Entwicklung eines technischen Systems kann somit eine effiziente Lösung gefunden werden, die nicht unbedingt aus der Adaption eines biologischen Systems oder einer inkrementellen Veränderung eines bestehenden technischen Systems hervorgeht [141]. 1 Der Ausdruck „nach hinten gerichtetes Knie“ bei Vögeln bezieht sich genau genommen auf deren Sprunggelenk. Aufgrund der Anatomie des Vogelbeins ist hier die Funktion des Sprunggelenks analog zu der des Knies beim Menschen; allerdings wird es in die entgegengesetzte Richtung gebeugt, siehe Abb. 1.1a. 2 Mit freundlicher Genehmigung der Oregon State University. 2