Slavistische Beiträge ∙ Band 7 (eBook - Digi20-Retro) Verlag Otto Sagner München ∙ Berlin ∙ Washington D .C. Digitalisiert im Rahmen der Kooperation mit dem DFG- Projekt „Digi20“ der Bayerischen Staatsbibliothek, München. OCR-Bearbeitung und Erstellung des eBooks durch den Verlag Otto Sagner: http://verlag.kubon-sagner.de © bei Verlag Otto Sagner. Eine Verwertung oder Weitergabe der Texte und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlages unzulässig. «Verlag Otto Sagner» ist ein Imprint der Kubon & Sagner GmbH. Alexander Schmidt Valerij Brjusovs Beitrag zur Literaturtheorie Aus der Geschichte des russischen Symbolismus Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 Slavistische Beiträge Unter Mitwirkung von M. Braun, Göttingen • P. Dieb, München • J. Holt- husen, Würzburg * E. Koschmieder, München * W. Lettenbauer, Freiburg/Br. * J. Matl, Graz * L. Müller, Tübingen * F. W. Neumann, Mainz * L. Sadnik- Aitzetmüller, Saarbrücken HERAUSGEGEBEN VON A. SCHMAUS, MÜNCHEN Band 7 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 A L E X A N D E R S C H M I D T Valerij Brjusovs Beitrag zur Literaturtheorie Aus der Geschichte des russischen Symbolismus V E R L A G O T T O S A G N E R • M Ü N C H E N 1963 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 © 1963 by Verlag O tto Sagner/Mündien Abteilung der Fa. Kubon & Sagner, Mündien Herstellung: Budi- und Ofbetdruckerei Karl Schmidle, Ebersberg Printed in Germany Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 I N H A L T Seile E i n l e i t u n g ................................................................................ 7 I. D i e a l l g e m e i n e K u n s t a u f f a s s u n g B r j u s o v s A. D ie Seele des K ü n s tle r s ........................................................16 B. Die K unst als W e l t e r k e n n t n i s ........................................23 C. D ie K unst als S y n th e s e ........................................................49 II. F o r m p r o b l e m e ................................................................59 A. D er R h y t h m u s ........................................................................ 62 B. D as M e t r u m ........................................................................ 67 C. D ie E u p h o n i e ........................................................................ 78 III. D i e K u n s t d e s Ü b e r s e t z e n s ................................91 IV. L i t e r a t u r k r i t i k u n d L i t e r a t u r w i s s e n ־ s c h a f t ........................................................................................ 118 V. Z u s a m m e n f a s s u n g ........................................................141 L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s ........................................................153 N a c h w o r t .........................................................................................159 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 E I N L E I T U N G W ie jede literarische ״ Schule“ h at der russische Symbolismus be- stim m te G rundsätze, die für seine A nhänger weitgehend verbindlich sind. Die A usarbeitung dieser theoretischen G rundlagen Hegt natur- gem äß in den H ä n d e n der A nhänger des Symbolismus. N u n haben einige V ertreter dieser Richtung, angeregt durch eine derartige Be- tätigung a u f dem G ebiet der Literaturtheorie, den engeren Rahmen, in dem sie zunächst arbeiteten, nämlich die Aufstellung einer A rt N o rm für symbolistische Dichtung, überschritten und sind m it Arbei- ten allgemeineren C h arak ters über die L iteratur an die Öffentlichkeit getreten. V alerij Brjusov und A ndrej Belyj w aren auf diesem Gebiet besonders p ro d u k tiv . D ie vorliegende A rb eit soll sich ausschließlich m it der Tätigkeit Brjusovs befassen. Brjusov gelangt auf dem Weg über die Dichtung z u r allgemeinen L iteraturbetrachtung und z u r Literaturwissenschaft. D ah er sind auch U ntersuchungen seiner theoretischen Arbeiten bisher fast ausschließlich im Zusam m enhang m it und im Blickwinkel von seiner Dichtung h er vorgenommen w orden.1 Allgemeine L iteratur- theorie findet aber nicht nur in der Dichtung, sondern v o r allem in der L iteratu rk ritik , d e r Literaturforschung und, wie im V erlauf dieser A rbeit noch gezeigt w erden soll, in der Ubersetzungstechnik ihre An- wendung. Es ist n u r natürlich, d aß dieser Anwendungsbereich m it sei- nen Gegebenheiten und Anforderungen seinerseits einen nicht un- beträchtlichen Einfluß a u f die Theorie ausübt. D ie Wechselbeziehungen zwischen Theorie u n d praktischer A nw endung außerhalb der Dichtung sollen Gegenstand dieser Untersuchung sein. D ie Bewegung des russischen Symbolismus und der starke Auf- schwung, den die Poesie in R ußland um die Jahrhundertw ende nahm, h at ihre W urzeln in überwiegendem M aße in der französischen Dich- tung, genauer im französischen Symbolismus. D aher liegt bei den meisten A rbeiten über den russischen Symbolismus das Schwergewicht 1 V g l. u.a. Johannes H o l t h u s e n : Studien zur Ästhetik und Poetik des russischen Symbolismus. Göttingen 1957. 7 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 auf der Untersuchung des französischen Einflusses.2 Demgegenüber soll hier eine Verlagerung des Schwerpunktes vorgenom m en werden, da ein verhältnism äßig starker Einfluß von russischer Seite vorliegt, und z w a r nicht von der Dichtung, sondern von d er T heorie her. D adurch ergibt sich für die U ntersuchung die N otw endigkeit, die Tätigkeit Brjusovs aus dem in diesem Zusam m enhang zu engen Rah- men des russischen Symbolismus herauszulösen u n d sie in das weitere Feld der russischen Literaturwissenschaft zwischen den sechziger Jah- rcn und dem Formalismus zu stellen. Dieser Problemstellung entsprechend w erden als M aterial zu r U n- tersuchung folgende Arbeiten Brjusovs herangezogen: Schriften über die allgemeine Definition des Phänom ens L ite ra tu r und G rundsatz- liches z u r Literaturbetrachtung, A bhandlungen über Form problem e in der Literatur, K ritiken, Übersetzungen, A ufsätze z u r Übersetzungs- technik. Am intensivsten hat Brjusov sich m it dem W erk Pužkins beschäftigt und z u r Pužkinforschung einen bleibenden B eitrag geleistet. Das In- teresse an dem großen Dichter h a t in ihm v o r allem Lev Ivanovič Polivanov geweckt. Polivanov, der als gro ß er Puškinkenner galt, w ar der Leiter des M oskauer Gym nasiums, an dem Brjusov seine Schulausbildung beendete. * * * Brjusov w urde am 1. D ezem ber 1873 (a.St.) in M oskau geboren. Schon in der Schule begeisterte er sich lebhaft fü r die dam alige fran- zösische Dichtung. ״ Begabung, ja sogar G enie“, schreibt Brjusov un ter dem 4. M ärz 1893 in sein Tagebuch, ״ führen au f redlichem W ege n u r sehr langsam zum Erfolg, wenn sie überhaupt dazu führen. D as ist wenig! D as ist m ir zu wenig! M an m uß sich etwas anderes aussuchen . . . M an muß einen wegweisenden Stern im Nebel finden. U n d ich sehe ihn: es ist die D ekadenz. Was auch immer darüber gesagt w ird, ob sie falsch, ob sie lächerlich ist, sie schreitet vorw ärts, sie entwickelt sich, die Zu- kunft w ird ihr gehören, besonders wenn sie einen w ürdigen Führer findet. U nd dieser Führer w erde ich sein!“8 2 Vgl. Georgette D o n c h i n : The Influence o f French Symbolism on Russian Poetry. ,s-Gravenhage 1958. 3 Z ita t nach N . A š u k i n : V a le rij Brjusov v avtobiografičeskich zapisjach, pis’mach, vospominanijach sovremennikov i otzyvach k r it ik i. Moskau 1929, S. 51. 8 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 Schon m it der Veröffentlichung seines ersten Gedichtbandes verfolgt Brjusov das Ziel, d er theoretische Führer einer literarischen Schule zu werden. Im V o rw o rt z u r ersten Ausgabe des Bändchens ״ Russkie sim volisty4״ schreibt Brjusov: ״ Ich möchte in keiner Weise dem Sym- bolismus einen besonderen Vorzug geben und ich betrachte ihn auch nicht, w ie es seine enthusiastischen A nhänger tun, als die ,Poesie der Z u k u n ft‘, sondern ich bin einfach der Ansicht, daß auch die sym- bolistische Poesie ihre raison d’etre h a t . . .“5 Diese raison d’etre zu beweisen w a r sein Anliegen. In einem auf G rund der ersten Lieferung der ״ Russkie sim volisty“ stattgefundenen Interview beschreibt er seine Pläne: In ״ jedem Falle bleibt die Vereinigung der ,Russischen Sym- bolisten* unsere nächstliegende Aufgabe. In diesem Rahmen ist eine E rw eiterung unseres Bändchens und die Bildung einer Gesellschaft beabsichtigt.“* 1897 etw a arbeitete Brjusov an einer ״ Geschichte der L y rik “. Z w ar ist diese A rbeit unvollendet geblieben, sie zeigt aber, daß er bereit und willens w ar, sich von G ru n d au f m it den Problemen der L iteratur allgemein auseinanderzusetzen. Etw as später plant er die Herausgabe eines Lehrbuchs der Poesie. Auch dieses ist nie erschienen. Erst nach Abschluß seines Studium s an der M oskauer U niversität, im Jahre 1899, erschien seine theoretische A bhandlung ״ O Iskusstve“ .7 Ü ber sein Studium , das er m it dem D iplom abschloß, berichtet er selber: ״ Ich befaßte mich an der U niversität m it den ersten Jahr- hunderten d er römischen Geschichte, dem salischen Recht, den ersten russischen C hroniken, der Zeit Z a r Aleksej Michailovičs, der großen französischen R evolution. Daneben beschäftigte ich mich ebenfalls mit Philosophiegeschichte . . . einige Zeit verwendete ich auf das Studium von K a n t und d er deutschen ,idealistischen* Philosophie überhaupt — bis zu Fichte und Schopenhauer.“8 Seine besondere Aufmerksamkeit jedoch gehörte der Literaturgeschichte. ״Bei weitem m ehr Z eit“, schrieb er in seinen N o tizen , ״ verw endete ich auf das Studium der L iteratur- geschichte. A u f diesem Gebiet m ußte ich von vorne beginnen. Soweit möglich, versuchte ich, die Evolution der W eltliteratur kennen 4 V a le rij B r j u s o v : Russkie simvolisty. V yp . 1. Moskau 1894. 5 Z ita t nach N . A ? и к i n: V a le rij Brjusov . . . S. 56. e Literaturnoe nasledstvo t. 27— 28 (Moskau 1937), S. 268. 7 V a le rij B r j u s o v : О iskusstve. Moskau 1899. 8 N . A l и к i n: V a le rij Brjusov . . . S. 128. 9 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access zulernen. Indem ich von meinen Sprachkenntnissen Gebrauch mach- t e . las ich alle wichtigen W erke der L iteraturen aller L änder und aller Zeiten im O rig in al.“® N eben diesen wissenschaftlichen Interessen befaßte sich Brjusov aber auch nodi m it dem Okkultism us. Das spiegelt sich in seinem R om an ״O gnennyj angel“ wider. E r nahm an spiritistischen Sitzun- gen teil. Nach einer solchen soll er einmal gesagt haben, d aß die spiritistischen K räfte m it der Zeit erforscht und, wie D am p f und E lektrizität, vielleicht in der Technik A nw endung finden w ürden.10 W ährend seiner Studienzeit h a t Brjusov neben den drei Ausgaben der ״ Russkie sim volisty“ 11 noch zwei weitere Gedichtbände veröffent- licht.1* In seinen N otizen fa ß t Brjusov einmal zusammen, au f welchen Ge- bieten er sich für einen Spezialisten hält. E r z ä h lt d o rt folgende zehn G ebiete auf: 1. D ie zeitgenössische russische Dichtung, 2. Puškin und seine Zeit. Tjutčev, 3. fast die ganze russische Literaturgeschichte, 4. die zeitgenössische französische Dichtung, 5. teilweise die franzö- sische R om antik, 6. das X V I. Jahrhundert, 7. wissenschaftlicher O k - kultismus, Spiritismus, 8. D an te und seine Zeit, 9. die letzte Epoche der römischen L iteratur, 10. Ästhetik und Philosophie der K unst.1* M it der Jah rh u n d ertw end e tra t Brjusov ins Berufsleben ein. Er fand eine feste Stellung als R edaktionssekretär an der Zeitschrift ״ Russkij Archiv“, herausgegeben und redigiert von P. I. Bartenev, die schon vorher einige literarhistorische und bibliographische U n ter- sudiungen von ihm veröffentlicht hatte. Diesen Posten behielt Brjusov drei Jah re lang. W ährend dieser Zeit nahm Brjusov an der Tätigkeit des M oskovskij L iteraturno-C hudozestvennyj k ru žok teil und w urde 1902 in den V orstand gewählt. 1908 w urde er V orsitzender. Die M itglieder des ״K ru z o k “ waren K unst- und Literaturschaffende. Seine ״D ienstage“, wöchentliche Diskussionen und V orträge, Vorlesungen über Fragen 9 ibid. S. 272. 10 V I. C h o d a s e v i ü : Brjusov, o try v k i iz vospominanij. ״Sovr. zapiski“ (P a rii) 1925, N r. 25. (V gl. A i и к i n, V a le rij Brjusov . . . S. 121). 1 1 V . B r j u s o v : Russkie sim volisty. V yp. I. Moskau 1894; vyp . I I . Mos- kau 1894; vyp. I I I . Moskau 1895. l f V . B r j u s o v : Chefs d'oeuvre. Moskau 1895; Me eum esse. Moskau 1897. 13 N . A i и к i n: V a le rij Brjusov . . . S. 273. Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 der K unst und der Literatur, spielten im kulturellen Leben M oskaus eine bedeutende Rolle. D er K ružok bestand von 1898 bis 1919. Bald druckten auch andere Zeitschriften Brjusovs Arbeiten. Zu- nächst I. I. Jasinskijs ״ Eiemesjaünye Sočinenija“, später besonders ״M ir Iskusstva“ . Seit der G ründung des Verlags ״ Skorpion“ , eines der Schwerpunkte des russischen Symbolismus, w ar Brjusov d o rt tätig, zunächst ehrenamtlich, später fest angestellt. Als 1903 die Merežkovskijs die Zeitschrift ״N o v y j P u t״“ gründeten, w urde Brjusov dort M itarbeiter, w ar dabei aber nicht sehr glücklich. Im m erhin machte er d ort eine gute journalistische Schule durch, so daß er, als 1904 die Zeitschrift ״ Vesy“, das O rgan der M oskauer Symbolisten, gegründet w urde, als M itarbeiter ein sicheres publi- zistisches Können mitbrachte. Bei den ״ Vesy“ entfaltete Brjusov seine ganze A k tiv ität. N eben BaPmont, Baltružaitis, Belyj, Vjač. Ivanov, Vološin, M erežkovskij и. a. zeichnete er d o rt fü r den ersten Teil verantw ortlich. Ü b er seine Tätigkeit berichtet VI. Chodasevič: ״Brjusov herrschte (in der R edak - tion der ״ Vesy“) unum schränkt; er führte Polemiken, schloß B ünd- nisse, erklärte Kriege, vereinigte und trennte, versöhnte u n d hetzte auf. Indem er zahlreiche Fäden spann, offen oder geheim, fühlte er sich als der K ap itän eines literarischen Schiffes und machte seine Sache m it großer Sorgfalt.“14 Brjusov selber m ußte sich des öfteren gegen Veröffentlichungen verw ahren, in denen von den ״ Vesy“ als einer ״ Zeitschrift Valerij Brjusovs“ gesprochen wurde. H ie r erhielt Brjusov erstmals Gelegenheit, seine Fähigkeiten als L ite ra tu r- ״O rg a n isa to r“ voll einzusetzen. Bis Jan u a r 1909 blieb Brjusov den ״V esy“ treu. N icht eine N um m er erschien, in der nicht zum indest ein B eitrag von ihm abgedruckt war. Sein Rom an ״O gnennyj A ngel“ erschien erst- mals in Fortsetzungen in den ״ Vesy“ . Daneben veröffentlichte der Verlag ״ Skorpion“ in der B lütezeit des russischen Symbolismus nicht weniger als fünfundzw anzig Bücher Brjusovs, d arunter sieben Gedichtbände, zwei Auflagen des ״O gnennyj Angel“, literaturwissenschaftliche Arbeiten und Übersetzungen aus- ländischer, vor allem französischer Dichter. Nachdem die ״ Vesy“ im Jah re 1909 ihr Erscheinen eingestellt h a t- ten, redigierte Brjusov den literaturkritischen Teil von ״R usskaja 14 Z ita t nach N . A ï и к i n: V a le rij Brjusov . . . S. 191. 11 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access Mysi*“ . A b 1912 w urden seine A rbeiten u .a . in der Petersburger Zeitschrift ״A p o llo n “ veröffentlicht. Bereits 1912 h a tte Brjusov die ersten Teile seiner Übersetzung von V erg ib Äneis beendet. Diese großangelegte A rbeit ist niemals fertig- gestellt w orden. D ie ersten sieben G esänge sind postum (1933) in Brjusovs Ü b ertrag u n g erschienen. Auch Theaterstücke fü r M oskauer Bühnen schrieb Brjusov in den Jahren k u rz v o r dem ersten W eltkrieg, und 1914 v erfaß te er sein erstes Drehbuch. D ie ersten K riegsm onate verbrachte Brjusov als Kriegsberichterstat־ ter an d er Front. A nfang 1916 u n tern ah m er eine Reise in den Kaukasus und hielt V o rträge in Tiflis, Baku u n d E riv a n ’ über armenische Dichtung. Auch las er d o rt aus seinen Ü bersetzungen aus dem Armenischen. D ie kaukasische Presse lobte die V o rträg e sehr, so d a ß Brjusov nach seiner R ückkehr in M oskau u n d auch in Petersburg einen V ortrag über die m ittelalterliche armenische D ichtung hielt. E nde 1916 gab das M oskauer Armenische K om itee den Sam m elband ״ Poézija Ar- m enii“ heraus.15 Als Ü bersetzer zeichneten hier u. a. Baltrušaitis, B al’m ont, Bunin, Vjač. Iv a n o v , Aleksej Veselovskij, Fedor Sologub, Chodasevič. D ie R ed ak tio n d er Ausgabe h a tte V alerij Brjusov, der auch den einleitenden A ufsatz v e rfa ß te und die A nm erkungen zu- sammenstellte, abgesehen davon, d a ß er selber den weitaus größten Teil d er Ü bersetzungen beisteuerte. Aus den V orarbeiten zum Sam m elband ״ Poézija A rm enii“ entstand eine w eitere A rbeit Brjusovs: ״ Letopis* istoričeskich sudeb arm jans- kogo n a ro d a o t V I. v. do R. C h r. po naše v rem ja“ . Infolge der pol!- tischen Ereignisse verzögerte sich jedoch der D rude dieses Buches bis 1918. Brjusov selbst nahm die O k to b errev o lu tio n von 1917 positiv auf und tra t bald a u f ihre Seite. V on 1918 bis 1919 w a r er in der Ab- teilung fü r wissenschaftliche B ibliotheken des N ark o m p ro s (N a ro d n y j K om issariat po prosvešefeniju) tätig. 1920 organisierte er selbständig den L ito (L ite ra tu m y j otdel) des N ark o m p ro s. Diese Tätigkeiten gaben ihm Gelegenheit, sich noch einm al von G ru n d a u f m it verschie 1 5 Poćzija A rm enii. Moskau 1916. Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 denen Problem en der L ite ra tu r auseinanderzusetzen. Aus dieser Zeit stam m en seine ausführlichsten A rbeiten au f diesem G ebiet, die Samrn- lung ״O p y ty po m etrike i ritm ike, po évfonii i sozvučijam , po strofike i form am “ sowie seine sorgfältig ausgearbeitete, w enn auch stark um- strittene Verslehre ״K ra tk ij kurs nauki о Stiche“ . D aneben übernahm er die R ed ak tio n d er neuen G esam tausgabe von Puškins W erken un d veröffentlichte auß erdem drei G edichtbände (Poślednie mečty, M. 1920; V takie dni, M. 1921, Mig, B erlin-Petersburg 1922). H in z u kom m t die Ü bersetzung von O scar W ildes ״B allade vom Zuchthaus zu R ead in g “, sowie zw ei 1920 v erfaß te große D rehbücher ( ״R odine v žertvu ljubov*“ und ״ Perem ena sud’b y “). Gleichzeitig w ar Brjusov der aktivste M itarb eite r des ״D om p e ca ti“, das in den Jah ren 1920— 1923 zum literarischen Z en tru m M oskaus gew orden w ar. Z ahl- reiche D ichtungen verschiedener A utoren w urden hier in Form einer Lesung erstm alig ״ veröffentlicht“, d a fü r den D ruck kein P ap ier vorhanden w ar. 1921 w u rd e Brjusov Professor an d er M oskauer Staatlichen U ni- versität. Im R ah m en seiner T ä tig k e it als Hochschullehrer hielt er u. a. folgende V orlesungen: Geschichte d er altgriechischen L itera tu r (1921/22), Geschichte d e r römischen L ite ra tu r z u r K aiserzeit (1923/ 24), Geschichte d er neuesten russischen L ite ra tu r (1922/24). D aneben veröffentlichte er, v o r allem in d er Zeitschrift ״P e č at’ i revoljucija“, zahlreiche kritische u nd theoretische A rbeiten zum literarischen Ge- schehen. Seine V erslehre w u rd e u n te r dem T itel ״O snovy sticho- vedenija“ noch einm al herausgegeben. In dieser letzten Schaffensperiode Brjusovs entstanden auch seine überaus wichtigen A rbeiten ״Z vukop is’ P u žk in a“ 16 und d er letzte, die G edanken des D ichters zusam m enfassende A ufsatz ״S intētika p o é z iiV 7 K u rz vor seinem T o d e gab er noch zw ei G edichtbände heraus: ״D a li“, Gedichte von 1922, M. 1922, und eine A usw ahl seines lyri- sehen Lebenswerkes ״K ru g o z o r“, Iz b r. stichi 1893— 1922, M. 1922. Brjusov starb am 9. O k to b e r 1924. Zwei der größten W erke aus Brjusovs Ü bersetzertätigkeit konnten 1 e V . B r j u s o v : Z vu ko p is״ Puškina. ״ Pečat' І R evo ljucija “ 1923, I I , S. 48— 62. 1 7 V . B r j u s o v : S intētika poézii. In : ״ Problem y p o é tik i“ pod red. V. Ja. Brjusova. Moskau— Leningrad 1925. 13 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access erst Ja h re nach seinem Tode erscheinen. Die hervorragende Ü bertra- gung in Versen von Goethes Faust I erschien 1928 vollständig.18 Im Jahre 1933 erschien das schon erw ähnte Fragm ent der Äneisüber- setzung, zusammen m it einer Übersetzung der restlichen Gesänge von Sergej Solov’ev.1* Von den Autoren, die sich m it dem Leben und W erk Brjusovs be- schäftigten, seien hier einige erw ähnt. Eine hervorragende Sammlung und Auswahl von Dokumenten, N otizen, K ritiken usw. aus dem Leben Brjusovs bietet der Band ״ Valerij Brjusov, v avtobiografičeskich zapisjach, pis’mach, vospo- minanijach sovremennikov i otzyvach k ritik i“, zusammengestellt von N . Ažukin. In diesem B and findet m an neben Auszügen aus Brjusovs Tagebüchern und autobiographischen Schriften zahlreiche handschrift- liehe N otizen des Dichters zitiert, die V orw orte zu den einzelnen Ausgaben der ״ Russkie sim volisty“, Rezensionen, N otizen und Inter- views von Tageszeitungen, Berichte und Bemerkungen zeitgenössischer A utoren usw. Im ganzen stellt der Band eine vortrefflich ausgewählte und übersichtlich geordnete Sammlung von biographischem M aterial aller A rt zu r Persönlichkeit Valerij Brjusovs dar. Einen guten Eindruck vom persönlichen Wesen und A uftreten des Dichters verm ittelt »Geroj tru d a “ (Zapisi о Valerii Brusove) von M arina C vetaeva.20 Z w a r ist die Schilderung stark von der subjek- tiven Einstellung der A utorin Brjusov gegenüber gefärbt, gewinnt aber gerade dadurch an Lebendigkeit und Eindruckskraft. * Den Beginn der literaturkritischen Tätigkeit Brjusovs kann m an auf 1892 datieren. Aus dieser Zeit ist ein handschriftlicher A ufsatz über die Lyrik N adsons erhalten, der eine sorgfältige A nalyse der dort vorkom m enden M otive, Versformen und Reime enthält.21 Bei einer Betrachtung von Brjusovs literaturkritischem W erk in seiner Gesamtheit w ird m an eine Entwicklung feststellen, die sich im wesentlichen in drei voneinander unterscheidbaren Perioden vollzieht. 18 Gete. Faust. Perevod V alerija Brjusova. Moskau— Leningrad 1928. 1 ״V e rg ilij. Eneida. Moskau— Leningrad 1933. 20 M arina C v e t a e v a : Proza. N ew Y o rk 1953, S. 203— 270. tl Literaturnoe nasledstvo t. 27— 28, S. 35 f. Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 D ie erste Periode reicht von etw a 1894, also dem Erscheinen der ersten beiden Lieferungen der ״ Russkie sym volisty“, bis zur Jah r- hundertw ende. Das Ende dieser ersten Periode fällt in die Zeit, da Brjusov sein Studium beendet und ins Berufsleben eintritt. W ir haben es hier weniger m it den Arbeiten eines versierten Kritikers zu tun als vielm ehr m it immer neuen Versuchen einer Definition der K unst als Phänom en schlechthin. Zu einer konstruktiven L iteraturkritik fehlt Brjusov noch ein fest fundiertes Verhältnis zu r Kunst. D ie zw eite Periode ist für Brjusovs L iteraturkritik die entschei- dende und auch einflußreichste. Ihre zeitliche Ausdehnung kann man von 1901, d .h . dem Erscheinen des Aufsatzes ״ Istiny“ im Almanach ״ Severnye cv ety “, bis etw a zum Beginn der O ktoberrevolution fest- legen. In diese Zeit fällt die Blüte des russischen Symbolismus, an dessen E ntfaltung Brjusov in entscheidendem M aße vor allem als K ritik e r und Publizist teilnimmt. D ie d ritte Periode schließlich bringt eine m ehr wissenschaftliche A usw ertung der in der zweiten gewonnenen Erkenntnisse und die H inw endung zu einer immer m ehr form alen Literaturbetrachtung. In diese Zeit fallen auch die bedeutendsten Arbeiten Brjusovs über Puškin. Diese Zeiteinteilung soll der folgenden Untersuchung weitgehend zugrundegelegt werden. 15 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access I. Die allgemeine Kunstauffassung Brjusovs A. Die Seele des Künstlers D ie erste Schrift Brjusovs, die den Versuch unternim m t, sich mit der K unst als P hänom en auseinanderzusetzen, ist das 1899 erschie- nene Büchlein O ״ iskusstve“ .22 ״ Was ist K unst? W oher kom m t sie? W as ist ih r Ziel?“23 ist Brjusovs ausdrückliche Fragestellung fü r diese A rbeit. Bei d er Beantwortung dieser Fragen geht er von d er Feststellung aus, d aß der Mensch ein absolutes In d iv id u u m ist u n d d a ß es zwischen zw ei solchen Individuen allenfalls eine äußerliche Ä hnlichkeit geben kann. Das Wesen des Individuum s w ird durch seine Seele bestim m t. Jede Seele ist in ihrer A rt einmalig. A ber nicht n u r das Wesen d er Seele ist einmalig, ״ auch die aufblitzenden Augenblicke im Leben des einzelnen Menschen wie- derholen sich nicht. Jede vorübergehende Stim m ung entsteht n u r ein- mal für die E w ig keit.“24 Diese Einm aligkeit erscheint, nach der A rgum entation Brjusovs, als der A nlaß zu r E ntstehung von K unst. E r schreibt: ״D ie Aufgabe der K unst ist es, diesen Augenblick, dieses V ergehende fü r die Zeit zu bewahren, es zu verw irklichen.“25 D ie K unst soll also bestrebt sein, die Einm aligkeit einer Em otion, in w eiterem R ahm en die Einmalig- keit einer individuellen Seele zu fixieren. Brjusov verlangt dam it vom Künstler, d a ß er aufm erksam jede seiner Emotionen verfolge und sich ständig ihrer b ew u ß t sei, denn ״w enn ich mich eines ge- wesenen Gefühls erinnere“, schreibt er, ״ erscheint es bereits in v er־ änderter Form. W enn ich mein G efühl einem anderen verm ittle — durch W orte, durch Verse, oder durch Suggestion, dann w ird man etwas A nnäherndes erfahren, jedoch nicht das gleiche. Eine Gleichheit 22 V. B r j u s o v : О iskusstve. Moskau 1899. 23 ibid. S. 7. 24 ibid. S. 11. 25 ibid. S. 12. 16 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 gibt es nicht. Augenblicke sinken ins G rab ohne die H offnung einer A uferstehung.“2® Einen direkten W eg weist Brjusov dem K ünstler nicht, au f dem er diese rasche Vergänglichkeit seines G egenstandes au fh alten k an n (denn die augenblicklichen Em otionen sind nach dem G esagten d er eigent- liehe G egenstand der K unst). E r deutet aber an, welches die Voraus- setzung für ein solches Beginnen ü b e rh au p t ist: ״W er K ünstler sein will, der m u ß sich selbst finden, d er m uß er selbst w erd en .“27 Die zw eite Voraussetzung, die er verlangt, ist A ufrichtigkeit des K ünst- lers. ״D er K ünstler gibt seine Stim m ung wieder, sein ständiges Ziel ist es, anderen seine Seele zu enth ü llen.“28 Diese beiden Voraus- Setzungen w erden zu K riterien w irklicher K unst: ״W er ein K ünstler sein will, d er m uß aufrichtig sein, im m er u n d ohne V orbehalte. Alle Stim m ungen sind in d er K unst gleichwertig, weil nicht eine sich wie- derholt; jede ist allein schon deshalb teuer, weil sie einzigartig ist. D ie Seele kennt ihrem Wesen nach das Böse nicht. Je k la re r jemand seine Seele versteht, desto reiner u n d erhabener w erden seine G edan- ken und G efühle sein. D as Streben nach einem tieferen Verstehen seiner selbst, nach einem steten Weg v o ran ist bereits geheiligt. Es gibt keine V erurteilung von G efühlen eines echten K ünstlers.“29 Ein K unst- w erk ist n u r dann als solches zu bezeichnen, w enn es d er Ausdruck echter Em otionen ist. Den A k t dichterischen Schaffens beschreibt Brjusov 1895 in seinem Gedicht ״T vorčestvo“ : T en ’ nesozdannych sozdanij Kolychaetsja vo sne, Slovno lopasti latanij N a èm alevoj stene. Fioletovye ruki N a èm alevoj stene Polusonno čertjat zvuki V zvonko-zvu čn o j tišine. 28 ibid. S. 11 f. 27 ibid. S. 12. 28 ibid. 29 ibid. S. 13. 17 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 I prozračnye kioski, V zvonko-zvučnoj tišine, V yrastajut, slovno blestki, P ri lazorevoj lune. V sdiodit mesjac obnazennyj Pri lazorevoj lune . . . Z vuki rejut polusonno, Z vuki lastjatsja ko mne. T ajny sozdannych sozdanij S laskoj lastjatsja ko mne, I trepeščet ten* latanij N a èmalevoj stene.30 D ie dichterische Schöpfung w ird hier als U m setzung einer u n k lar tra u m h a ft vorhandenen Em otion in greifbar umrissene Laute, W orte dargestellt. D er Schatten einer Fächerpalme a u f den Kacheln des 30 Eine genaue Analyse dieses Gedichts findet sich bei Johannes H o l t - h u s e n : Studien zur Ästhetik und Poetik des russischen Symbolismus. Göttingen 1957, S. 63 ff. Schöpfung Der Schatten ungeschaffener Schöpfungen W iegt sich im Traum W ie die B lätter der Fächerpalme A u f der Wand aus Emaille. V iolette Hände A u f der W and aus Emaille Zeichnen halb im Traum Klänge In klingend’ tonreicher Stille. U nd durchsichtige Kioske In klingend-tonreicher S tille Wachsen, wie flim m ernder Widerschein, Beim azurfarbenen Mond. D ie blanke Luna geht auf Beim azurfarbenen M ond . . . Klänge wehen im H albtraum , Klänge umschmeicheln mich. Die Geheimnisse geschaffener Schöpfungen Umschmeicheln mich m it Zärtlichkeit, Und es z itte rt der Schatten der Fächerpalme A u f der W and aus Emaille. 18 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 O fens d ien t als Spiegel, in dem sich dieser V organg abzeichnet. E r ist das M edium z u r konkreten Aufzeichnung des konturlos im U n - terbew ußtsein vorhandenen Gefühls: ״ Polusonno čertjat z v u k i״ . U ber die irratio n ale Ebene ״ lazorevaja luna" schiebt sich die Ebene des Realen, ״ mesjac obnazennyj“ und läß t die Vorgänge rational greifbar w erden: ״T ajn y sozdannych sozdanij s laskoj lastjatsja ko m n e“ . D anach w ird der Schatten der Fächerpalme wieder in die R ea- litä t entlassen: ״i trepreščet ten’ latanij na èmalevoj stene“.31 A ber schon dam als m erkte Brjusov, daß m it diesen K riterien allein das Wesen eines K unstw erks nicht zu definieren ist. O bw ohl er v o r- h er die Einm aligkeit jeder Em otion postuliert hatte, verlangt er zu- sätzlich noch O rig in a litä t in der Kunst. H ie r w ird auch ihm selbst eine Lücke in seinem ״ System “ offenbar, er mag aber den G edanken an die Einm aligkeit von Emotionen nicht aufgeben (Brjusov w a r 25 Ja h re alt, als er diese Schrift verfaßte), sondern hilft sich dam it, d aß er U naufrichtigkeit in jedem Falle gleich U noriginalität setzt. ״K unst stellt im m er etwas Neues d a r “, schreibt er, ״ das ständige Kennzeichen unehrlicher K unst ist, daß sie nachahmt . . . Jem an d , der unehrlich ist, möchte auch nicht er selbst sein; w oher k en n t er ein G efühl, das er nicht selbst erfahren hat, wenn nicht von den Leuten? D ie Heuchelei in der K unst ist dazu verurteilt, andere zu im itieren; w er lügt, d er ah m t nach.“32 F ü r wie wichtig er das M om ent der O riginalität als K riterium des Künstlerischen hält, zeigt das 1896 verfaßte Gedicht ״ Junom u p o è tu “ : Junoža blednyj so vzorom gorjaščim, N y n e daju ja tebe tri zaveta. P erv y j prim i: ne zivi nastojažčim, T oP ko grjadužčee — oblast״ poèta. Pom ni vtoroj: nikom u ne sočuvstvuj, Sam ze sebja poljubi bespredePno. T retij chrani: poklonjajsja iskusstvu, T oP ko emu, bezrazdum no, bescePno. 31V. B r j u s o v : Polnoe sobranie sočinenij. St. Petersburg 1913— 14, Bd. I, S. 9. 32 Poln. sobr. Bd. I, S. 152. 19 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access 00046801 Junoša blednyj so vzorom smuščennym! Esli ty primež* moich tri zaveta, M olča padu ja bojcom pobezdennym , Znaja, čto v m ire ostavlju poéta.33 U n te r den drei Anweisungen, die der V erfasser einem jungen Dich- ter gibt, steht an zw eiter Stelle: ״ nikom u ne sočuvstvuj“ . N u r das wirklich Selbstempfundene ist original, ist neu. D er Dichter soll seine eigene Seele beobachten, sich ihrer b ew u ß t w erden, sich in seinen em otionalen Regungen ausschließlich auf das eigene Innenleben be- schränken. Die Liebe zu sich selbst empfiehlt Brjusov dem Dichter, weil alle schöpferische K raft, alle Anregung, jeder dichterische Im puls ausschließlich in der eigenen Seele des Dichters zu finden ist. A u f diese Weise bietet der Dichter dem Leser Zugang zu seiner Persönlichkeit, und der Um gang m it dieser stellt nach Brjusovs dam aliger Ansicht den K unstgenuß schlechthin dar. ״D er G en u ß eines K unstw erks liegt in d er K om m unikation m it der Seele des K ünstlers״ , schreibt er an an d erer Stelle, ״ der Leser, der Betrachter, d er H ö re r — sie w erden zu Teilnehm ern an einem anderen Leben. U n d m iteinander stehen sie durch ihre Gefühle in V erbindung“ .33“ D abei ist es gleichgültig, ob das K unstw erk beim Leser o d er Be- trachter einen heiteren oder erschütternden Eindrude hinterläß t. Wichtig ist nur, d aß tatsächlich noch einm al das erlebt w ird, w as der K ünstler bei der Schöpfung seines Werkes em pfunden hat, denn ״ der Mensch als Persönlichkeit ist wie durch unüberw indliche H indernisse 33 Einem jungen Dichter Bleicher Jüngling m it brennendem Blick, Heute gebe ich d ir dreimal ein Vermächtnis. Als erstes nimm h in : Lebe nicht dem Gegenwärtigen, N u r das Kommende ist der Bereich des Dichters. Zum zweiten denke daran: m it niemand sollst du m itfühlen, N u r dich selbst sollst du grenzenlos lieben lernen. Als drittes bewahre: verehre die Kunst, N u r sie, bedenkenlos, ziellos. Bleicher Jüngling m it verw irrtem Blick! Wenn du meine drei Vermächtnisse befolgst, Falle id i schweigend als besiegter K rieger, Wissend, daß ich der W elt einen D ichter hinterlasse. я5а О iskusstve S. 16. 20 Alexander Schmidt - 9783954793938 Downloaded from PubFactory at 01/10/2019 06:19:32AM via free access