Universitätsverlag Göttingen Bioenergie im Spannungsfeld Wege zu einer nachhaltigen Bioenergieversorgung Hans Ruppert und Jens Ibendorf (Hg.) Hans Ruppert und Jens Ibendorf (Hg.) Bioenergie im Spannungsfeld Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz. This work is licensed under a Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International License. erschienen im Universitätsverlag Göttingen 2017 Hans Ruppert und Jens Ibendorf (Hg.) Bioenergie im Spannungsfeld Wege zu einer nachhaltigen Bioenergieversorgung Universitätsverlag Göttingen 2017 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http://dnb.dnb.de> abrufbar. Gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Rahmen des Projektes „ Nachhaltige Nutzung von Energie aus Biomasse im Spannungsfeld von Klimaschutz, Landschaft und Gesellschaft “ Anschrift des Herausgebers Prof. Dr. Hans Ruppert E-Mail: hrupper@gwdg.de Dieses Buch ist auch als freie Onlineversion über die Homepage des Verlags sowie über den Göttinger Universitätskatalog (GUK) bei der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (http://www.sub.uni-goettingen.de) erreichbar. Es gelten die Lizenzbestimmungen der Onlineversion. Satz und Layout: Hans Ruppert Umschlaggestaltung: Jutta Pabst © 2017 Universitätsverlag Göttingen https://univerlag.uni-goettingen.de ISBN: 978-3-86395-164-1 DOI: https://doi.org./10.17875/gup2017-1042 v Vorwort: Die wichtige Rolle der Nachhaltigkeit Der Mensch hat seit Beginn seiner Sesshaftigkeit vor knapp 6000 Jahren seine Umwelt zunehmend verändert. Damals entstanden vorwiegend in den Flussoasen dieser Welt wie in Ägypten, China, Naher Osten, Indien, im westlichen Teil von Südamerika und in Mittelamerika durch Umwandlung von Wäldern und Grasland in Ackerland, durch die Domestizierung von Tieren, den Bau erster Siedlungen, der Produktion von Gefäßen und Metallen usw. die ersten Umweltzerstörungen wie z.B. Erosion, Versalzung und Kontamination der Böden und die Veränderun- gen der Biodiversität. Durch die geringe Bevölkerungszahl von wenigen Mio. Men- schen war damals der menschengemachte Einfluss lokal beschränkt. Im heutigen Industrie- und Informationszeitalter haben sich diese Einflüsse vervielfacht durch die extreme Zunahme der Menschen auf 7,3 Milliarden (Stand Sommer 2015) bei gleichzeitig steigender Inanspruchnahme der Erde für die Ernährung (12 % der Landoberfläche der Erde werden ackerbaulich genutzt; mehr ist kaum möglich; FAO 2011) und für die Deckung des Energie- und Materialbedarfes (Kohle, Erdöl, Gas und Uran; Baustoffe, Metalle etc.). Wir gelangen heute wegen der Limitiertheit der nutzbaren Gaben der Erde an die Grenzen, uns mit den Ressourcen zu versor- gen, an die wir uns fast selbstverständlich gewöhnt haben (Bardi 2013). Durch Ausweitung von Mobilität und Handel auf globaler Basis verbunden mit neuen Infra- und Kommunikationsstrukturen stieg massiv der weltweite Austausch von Materialien wie auch von Nahrungsmitteln - Tendenz wachsend trotz der sich immer stärker abzeichnenden Begrenztheiten. Leider sind die Veränderungen, die gerne im Kontext der Begriffe Zivilisation und Fortschritt positiv assoziert werden, mit vielen Wirkungen verbunden, die gewollt sind oder sich ungewollt ereignen und die Zukunftsmöglichkeiten des Menschen und der belebten Welt bestimmen. In den Siedlungsbereichen der Erde, die früher Wald oder Grünland waren, haben wir zumeist ackerbaulich genutzte oder versiegelte Böden oder künstlich angelegte Parks. Aber auch viele Waldgebie- te und Flusslandschaften sind von ihrer Landschaftsstruktur und dem natürlichen Artenbestand her häufig verändert. Statt von Naturlandschaften müssen wir in vielen Gebieten von menschengestalteten Kulturlandschaften sprechen. Durch die Freisetzung massiver Mengen unerwünschter Stoffe in die Atmosphäre (dazu ge- hört auch das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid CO 2 ) gibt es keine Bereiche auf dieser Erde mehr, die vom Menschen unbeeinflusst sind. Auch in den entferntes- ten Gegenden sind die Einflüsse luftgetragener Schadstoffe (Monks et al. 2009) wie Ruppert vi auch die Klimaveränderung deutlich messbar (IPCC 2013). Seit Beginn der Indust- rialisierung in den letzten 200 Jahren - also in nur etwa einem Tausendstel unserer Anwesenheit als homo sapiens (dem weisen, klugen, einsichtsvollen Menschen) auf dieser Erde - hat es dieser kluge Mensch geschafft, die Hälfte des uns leicht zu- gänglichen Öls und Gases und Teile der Kohle zu verbrauchen. Die heute wichti- gen Öl- und Gasvorkommen bildeten sich über etwa 100 Mio. Jahre, auf die letz- ten 100 Jahre bezogen wird also pro Jahr soviel Öl und Gas verbraucht, wie sich größenordnungsmäßig in grob einer Million Jahre oder mehr gebildet hatte. Für die Regeneration der Vorräte bräuchte die Erde wieder mehrere Zehner Mio. Jahre. Trotz neuer kurzfristiger Hypes bei Ölschiefer oder Schiefergas ist es absehbar, dass in wenigen Generationen unsere fossilen Energieträger nur noch mit stark steigendem Aufwand und extremen Umweltbelastungen geborgen werden können (Bardi 2013). Durch die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger, durch die Rodung von Wäldern und Grasländern und die Beseitigung von Feuchtgebieten sowie die Zementproduktion stieg der Gehalt von CO 2 (neben anderen Treibhaus- gasen) in unserer Atmosphäre von 280 ppm (part per million = Teile pro Mio. Teile) auf 405 ppm heute (2017) an - Tendenz steigend (Dlugokencky & Tans 2017). Eine Konsequenz ist die steigende Erwärmung der Atmosphäre über den Landmassen um knapp 1 O C in den letzten 100 Jahren. Daraus resultieren Ver- schiebungen der Klima- und Vegetationszonen, Einflüsse auf die Artenvielfalt, Abschmelzung von Gletschern und Eiskappen, die Erwärmung und Versauerung der Ozeane mit Stress für die Korallenriffe, Anstieg des Meeresspiegels, Zunahme von Wetterxtremen wie Starkregen- und Überflutungsereignissen oder Trocken-, Hitze- und Kälteperioden, Stürmen und allen Folgeschäden. Diese Trends werden sich in den nächsten Jahrzehnten verstärken, nicht nur global (IPCC 2013, 2014) sondern auch in Deutschland (Gömann et al. 2015). Der Klimawandel wirkt sich, beginnend im 20. Jahrhundert, als Störung in den Wäldern aus: Die europäischen Wälder werden zunehmend durch Wind, Borkenkäfer und Feuer beansprucht, was die wichtige Kohlenstoffdioxidaufnahme der Wälder erheblich schwächen kann (Seidl et al. 2014). Der Temperaturanstieg verstärkt (neben der Vernichtung von Lebensräumen) die Gefahr, dass immer mehr Tier- und Pflanzenarten aussterben werden. Die Erderwärmung bedroht jede sechste Art, wenn wir mit dem „ business as usual" (weiter so wie bisher) weitermachen und nicht die Emissionen der Treib- hausgase massiv zurückfahren (Urban 2015). Auch die Kapazität der Ozeane zur Aufnahme von CO 2 wird sinken, da sich das Meerwasser erwärmt und die Festle- gung von CO 2 in den Karbonatschalen ozeanischer Organismen durch die Versau- erung der Ozeane abnehmen werden (Hennige et al. 2014). Die beiden wichtigen CO 2 -Senken Pflanzen und Ozeane werden voraussichtlich immer schlechter funk- tionieren, so dass anteilmäßig immer mehr emittiertes CO 2 in der Atmosphäre landen wird. Die Einflüsse des Wetters auf die zukünftigen Erträge in der Land- wirtschaft stehen erst am Anfang der Untersuchungen (Iizumi & Ramankutty 2015). Vorwort: Die wichtige Rolle der Nachhaltigkeit vii Der Mensch hat dem Zeitalter der von ihm verursachten Veränderungen auf der Erde sogar einen eigenen Namen gegeben: das Anthropozän, die Epoche des Menschen, des Veränderers der Natur (s. Kap. 1.3). Anbetracht der vielen negati- ven Einflüsse des Menschen auf den zugänglichen Bereich der Erde durch die Ausbeutung ihrer Lagerstätten, Böden und des Wassers, der Degradation der Bö- den durch Erosion, Versalzung und Verschmutzung, der Belastungen von Wasser und Luft und der massiven Eingriffe in die Biosphäre muss viel öfters die Frage gestellt werden, welche Rolle der Mensch in Zukunft in unserer belebten Welt, der Ökosphäre, spielen möchte. Er hat wegen der Begrenztheiten in dem uns zugäng- lichen Bereich der Erde nur die Chance, sich anzupassen und mit der Natur zu harmonieren oder er verschwindet aus der Natur, da er die Grundlagen, von denen er abhängt, immer stärker zerstört. Wir sind in vielen Bereichen (vielleicht mit Ausnahme unserer Erfindergabe) an den Grenzen des Wachstums angelangt und brauchen neue, die Problemkreise berücksichtigende und vernetzende Lösungen, die weitaus mehr als bisher im Ein- klang mit den vorhandenen Potentialen und Möglichkeiten dieser einen Erde ste- hen müssen. Die Gaben dieser Erde müssen wir schonen und erhalten. Wir dürfen sie nicht einem kurzfristigen, materiell gesteuerten Wahn opfern ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse vieler Menschen bereits heute und insbesondere auch in der Zukunft. Vor diesem Hintergrund ist die Motivation des Interdisziplinären Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE) an der Universität Göttingen und den Autoren dieses Buches zu sehen: Wege aufzeigen, wie sozialverträglich, bezahlbar sowie natur- und landschaftsverträglich eine alternative Energieversorgung auf erneuer- barer Basis zukunftweisend aufgebaut werden kann. Das wird in diesem Buch exemplarisch dargestellt für die nicht unproblematische Bioenergie. Ziel ist es, einen von der Gesellschaft getragenen und akzeptierten, ökologisch verträglichen, rentablen Anbau von Energiepflanzen unter Harmonisierung mit den sonstigen Ansprüchen an die Flächen zu erreichen. Bereits 1997 war die erneuerbare Ener- gieversorgung eines der zentralen Themenfelder des sich gründenden IZNE, in dem sich Wissenschaftler aus unterschiedlichsten Fakultäten der Universität Göt- tingen zusammenfanden, um über nachhaltige Entwicklung und Zukunftsfragen nachzudenken und Forschungsprojekte anzustoßen. Wir begannen 2000 damit, die Strom- und Wärmeversorgung des Dorfes Jühnde im südlichen Niedersachsen im Zusammenwirken mit der Bevölkerung auf Biomasse umzustellen. Seit 2005 wer- den dort etwa 70 % der Häuser mit erneuerbarer Wärme versorgt, und es wird mehr als doppelt so viel Strom produziert als verbraucht (Ruppert et al. 2008). Zunächst wurde die Bioenergie durch mehrere Anpassungen des Erneuerbaren Energiengesetzes EEG gestärkt. In Deutschland lieferte die Bioenergie im Jahr 2015 insgesamt 219 Terawattstunden (TWh) Strom, Wärme und Kraftstoffe und hatte damit einen Anteil von 58 Prozent an der gesamten Energiebereitstellung aus erneuerbaren Energien (Pieprzyk et al. 2016). Nach dem Anwachsen der Biogasan- lagen in Deutschland auf etwa 8000 im Jahr 2014 und durch die verstärkte Diskus- Ruppert viii sion zur Rolle und den Auswirkungen der Bioenergie wird heute der Bioenergie viel kritischer begegnet als in Zeiten der Euphorie um 2005. Hat also die erneuer- bare Energie aus Pflanzen schon nach wenigen Jahren ihre „ Unschuld “ verloren? Viele der Argumente gegen die Bioenergie wie z.B. „ Gefahr der Vermaisung “ , „ Monotonisierung der Landschaften “ , „ Verlust der Biodiversität und negative ökologische Effekte “ , „ Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion (Frage der Flä- chenverfügbarkeit) “ werden in diesem Band kritisch betrachtet. Es werden aber auch die durchaus auch positiven Möglichkeiten der Energie- gewinnung aus Biomasse beleuchtet. Wir können z.B. zeigen, dass Energiepflanzen die Landschaft bereichern und attaktiver machen können und Schutz und Nutzung der Landschaft synergetisch zusammengeführt werden können (s. kontroverse Diskussion bei Dauber & Bolte 2014). In Arealen mit wenig Mais und Raps kann sogar der Anbau dieser beiden Pflanzen einseitige Getreidefruchtfolgen auflockern. Noch eindrucksvoller und zu mehr Akzeptanz bei der Bevölkerung führend ist, wenn auch andere ertragsstarke Energiepflanzen wie z.B. die Durchwachsene Silphie oder abwechslungsreiche Anbausysteme mit Sommerungen und Winterun- gen oder auch Mischfruchtanbau Einzug in unsere Flure halten. Wichtige Ergeb- nisse unserer Untersuchungen wurden bereits in einem anderen Fachband nieder- gelegt (Ruppert et al. 2013). Der folgende Ausblick zu den zukünftigen Chancen der Bioenergie stand nicht im Fokus unserer Untersuchungen, macht aber die Bedeutung der Bioenergie für die Energiewende sehr deutlich. Auch in Zukunft muss die Bioenergie durch ihre multiple physikalische Form (fest, flüssig, gasförmig), ihre Lagerfähigkeit und die Möglichkeit eines flexiblen, bedarfsorientierten Einsatzes eine besondere Rolle im Kontext der von der Verfügbarkeit her fluktuierenden erneuerbaren Energiean- gebote aus Wind, Wasser, Photovoltaik und Solarthemie spielen, obwohl sie zu den teuersten erneuerbaren Energieformen gehört. Bedarfsorientierte Stromlieferung aus Biogas könnte schon heute als einzige erneuerbare Energieform den Bedarf an Stromspeichern deutlich reduzieren, wenn eine intelligente Anpassung über Regel- systeme an die Nachfrageentwicklung erfolgt. Hier ist vor allem an eine Aus- gleichsfunktion in den kühlen Jahreszeiten zu denken, wenn Photovoltaikanlagen nur minimal Strom produzieren. Genau in dieser Zeit wird auch die bei der Strom- erzeugung aus Biogas entstehende Wärme benötigt. Voraussetzung für diese am Bedarf ausgerichtete Entkopplung ist, dass dieses Konzept einen finanziellen An- reiz erfährt, was vermutlich günstiger ist, als im gleichen Maß teure Zwischenspei- cher oder Gaskraftwerke zu bauen oder existierende Kohlekraftwerke als Reserve vorzuhalten. Diese besondere Qualität des Biogases sollte in zukünftigen EEG- Novellen verstärkt berücksichtigt werden - mit der Direktvermarktung und der Flexibilitätsprämie wurden einige Weichen bereits gestellt. Biogasanlagen sollten für die Zukunft so umgebaut bzw. ausgelegt werden, dass sie vorwiegend in den kühlen Jahreszeiten Gas produzieren, eine Gasbevorratung bzw. eine intelligente Fütterung der Biogasanlage für kurzfristige Stromfluktuationen vorgesehen ist und die Anlagen aus Effizienzgründen an ein Nahwärmenetz angebunden sind. Es geht Vorwort: Die wichtige Rolle der Nachhaltigkeit ix also nicht mehr um eine maximale Stromproduktion, sondern um die Systemdien- lichkeit und Integration der Bioenergie in den erneuerbaren Stromverbund als Teil eines flexiblen Last- und Einspeisemanagements (AEE 2016). Biogasanlagen kön- nen damit einen Beitrag zur Versorgungssicherheit, Kostensenkung und zum Kli- maschutz leisten. Im Rahmen der EEG Direktvermarktung ist die Option der „Abschaltbereitschaft“ vorhanden. So können Biogasanlagenbetreiber bei Stro m- überschuss im Netz (z.B. bei sonnenreichen und/oder stürmischen Wochenenden) eine Prämie erhalten, wenn sie bereit sind, genau dann mit ihrer Stromproduktion zu pausieren (Stichwort: Negative Energiedienstleistungen). Ein Zurückfahren der EEG-Regelungen auf Restbiomassen und biologische Abfälle greift zu kurz. Ener- gieerzeugung aus diesen überschüssigen Biomassen ist sinnvoll, stellt aber nur einen sehr kleinen Anteil unseres Strom- und Wärmebedarfes dar und kann nur begrenzt bedarfsgerecht eingesetzt werden. Diese Biomassen sind im Gegensatz zu silierten Energiepflanzen i.d.R. nicht über längere Zeit konservierbar. Inzwischen gibt es Förderaufrufe des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft über die Fachagentur Nachwachsende Rohstofffe (FNR 2017) für praxisorientier- te, innovative Projekte, in denen Wege zu einer optimalen Integration der Bioener- gie in die Energiewende erforscht werden sollen. Der ländliche Raum erhält nicht nur durch die Produktion von Energie aus Pflanzen und Gülle eine neue Bedeutung, sondern er muss auch weit über den Eigenbedarf hinaus energetische Überschüsse auf Basis aller erneuerbarer Energie- formen liefern, um die deutschen Ballungs- und Industrieräume als Hauptverbrau- cher auf eine energetisch zukunftsfähige Basis zu stellen. Die Städte schaffen dies keinesfalls alleine. Die Stadt-Land-Partnerschaft ist neu zu beleben. Die Bioenergie kann hier eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn ihre Flexibilisierung als Puffer- oder Regelenergie sowohl technisch auf breiter Ebene als auch vom Anreizsystem her vorangetrieben wird (z.B. Ortwein et al. 2014; Thrän et al. 2014; Trommler et al. 2016; Pieprzyk et al. 2016). Gliederung des Buches Dieser Band basiert auf einem vom Niedersächsischen Ministerium für Wissen- schaft und Kultur, Hannover geförderten Forschungsverbundvorhaben mit dem Titel „ Nachhaltige Nutzung von Energie aus Biomasse im Spannungsfeld von Klimaschutz, Landschaft und Gesellschaft" (kurz „ Bioenergie im Spannungsfeld" oder BiS). In diesem interdisziplinären Projekt sollten Wege aufgezeigt werden, wie Energiepflanzen unter Beachtung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Facetten der Nachhaltigkeit angebaut und energetisch genutzt werden können. Das Buch ist gegliedert in drei Hauptteile. Teil 1 geht auf die wichtige Rolle der Nachhaltigkeit ein - insbesondere auf ih- re Rolle für eine Konfliktvermeidung bei der Produktion und energetischen Nut- zung von Biomasse. Dazu werden zunächst in Kapitel 1.1 und 1.2 vor dem Hin- tergrund der gegenwärtig genutzten bioenergetischen Potenziale die zukünftig Ruppert x verfügbaren globalen, deutschen und die niedersächsischen Potenziale abgeschätzt. Hier wird klar, dass nur durch veränderte Essensgewohnheiten hin zu einer gesün- deren, weniger Fleisch-basierten Ernährung sowie durch Minimierung der Nah- rungsmittelverluste bei Produktion, Verarbeitung, im Handel und beim Verbrau- cher erhebliche bioenergetische Potenziale verfügbar werden, ohne dass der Hun- ger zunimmt. In Kapitel 1.2.2 werden die meist sehr zurückhaltenden, teilweise konträren Aussagen von Regierungsvertretern zur angestrebten Entwicklung der Bioenergie in Niedersachsen und Deutschland zusammengeführt. Kapitel 1.3 be- leuchtet die vielfältigen Prinzipien der Nachhaltigkeit Konsistenz, Suffizienz und Effizienz erweitert um die Prinzipien Achtung, Vorsicht, und Partizipation. Sie werden erläutert an Hand von Beispielen aus dem Bioenergiesektor. Teil 2 besteht aus zahlreichen Schlüsselfragen zur Konfliktvermeidung einer nachhaltigen Produktion und energetische Nutzung von Biomasse auf lokaler bzw. regionaler Ebene. Diese Fragen wurden möglichst interdisziplinär aus der Sicht aller Projektbeteiligten beantwortet und sollen dem Leser die wichtigsten Ergebnis- se des Projektes vermitteln, ohne „zu wissenschaftlich“ zu werden . Die Haupt- punkte sind: Lokale Ebene: Prinzipien und Kriterien für eine nachhaltige energetische Biomassenutzung (Kap. 2.1.1) Sicherstellung der Partizipation der Bevölkerung und lokale Anpassung der Bioenergiekonzepte (Kap. 2.1.2) Bioenergieerzeugung auf ökologisch sensiblen landwirtschaftlichen Flächen und Chancen für positive Umweltwirkungen (Kap. 2.1.3) Umweltwirkungen eines integrativen Energiepflanzenanbaus und seine öko- nomischen Auswirkungen (Kap. 2.1.4) Bereitschaft der Landwirte zum integrativen Energiepflanzenanbau (Kap. 2.1.5) Bewertungsinstrumente für nachhaltigen Biomasseanbau (Kap. 2.1.6) Wirtschaftliche Nutzung der Bioenergie ohne Missachtung sozialer Belange (Kap. 2.1.7) Konfliktmanagement: energetische Biomassenutzung versus andere Raumnut- zungen (Kap. 2.1.8) Nutzung kontaminierter Standorte für Energiepflanzenanbau (Kap. 2.1.9) Gefahren durch Emissionen beim Verbrennen fester Biomasse und Möglich- keiten der Verringerung (Kap. 2.1.10) Synthese der Antworten aus den Schlüsselfragen auf lokaler Ebene (Kap. 2.1.11) Vorwort: Die wichtige Rolle der Nachhaltigkeit xi Regionale Ebene: Entwicklung zu einer nachhaltigen regionalen Bioenergieproduktion und - nutzung (Kap. 2.2.1) Regionale Auswirkungen des Anbaus konventioneller und alternativer Ener- giepflanzen; Bedeutung für Natur- und Landschaftsschutz (Kap. 2.2.2) Bioenergie als Antrieb der regionalen Wirtschaftskreisläufe (Kap. 2.2.3) Regionales Konzept zur Nutzung von Wärme (Kap. 2.2.4) Synthese der Antworten aus den Schlüsselfragen auf regionaler Ebene (Kap. 2.2.5) In Teil 3 werden die Ergebnisse der einzelnen Teilprojekte ausführlicher darge- stellt, Im Abb. V-1 sind die Titel der bearbeiteten Teilprojekte als vernetztes Schema in Kürze zusammengefasst. Abbildung V-1: Schematische Darstellung der Teilprojekte und ihre Vernetzung im Forschungsverbundvorhaben „ Nachhaltige Nutzung von Energie aus Biomasse im Spannungsfeld von Klimaschutz, Landschaft und Gesellschaft“ Multikriterielle Entscheidungsunterstützung für Biomassenutzungskonzepte (Kap. 3.1) Stoff- und Energiestrommodell für Bioenergieanlagen bei verschiedenen Ziel- setzungen (Kap. 3.2) Ruppert xii Optimierung und Umsetzung eines integrativen Energiepflanzenbaus mit standortangepassten Anbaukonzepten (Kap. 3.3) Flächenhafte Darstellung von Biomassepotentiale für verschiedene Energie- pflanzen (Kap. 3.4) Optimierter Energiepflanzenanbau für Natur- und Landschaftsschutz (Kap. 3.5) Kontext Sicherung der landwirtschaftlichen Rohstoffbasis und Entscheidungs- verhalten von Landwirten (Kap. 3.6) Innerlandwirtschaftliche Nutzungskonflikte und betriebliches Entscheidungs- verhalten beim Bioenergieausbau (Kap. 3.7) Erfolgsfaktoren der dezentralen Bioenergienutzung und Ausbau konsensorien- tierter integrativer Bioenergieregionen (Kap. 3.8) Modelle einer Standort-und Logistikplanung für Biomasse-gestützte Wärme- versorgung auf Basis von Nahwärmenetzen (Kap. 3.9) Bioenergetische Nutzungskonzepte für belastete Standorte (Kap. 3.10) Schadstoffemissionen bei der Verbrennung von Bioenergieträgern (Kap. 3.11) Koordination und Wissensmanagement in einem transdisziplinären For- schungsprojekt (Kap. 3.12) In Teil 4 wird eine Synthese der wichtigen Ergebnisse, Methoden und Instrumente für die Planung, Steuerung und Realisierung einer nachhaltigen Bioenergieversor- gung auf lokaler wie regionaler Ebene vorgenommen (Kap. 4.1, 4.2). Teil 5 enthält die Benutzerhandbücher für die MCDA-Software zur multikriteriel- len Entscheidungsunterstützung sowie für die Software zur Ertragsmodellierung für Pflanzenerträge BioSTAR (Kap. 5.1, 5.2). Prof. Dr. Hans Ruppert Göttingen, den 31. Aug. 2017 Umweltgeowissenschaftler Interdisziplinäres Zentrum für Nachhaltige Entwicklung (IZNE), Universität Göttingen, + Geowissenschaftliches Zentrum der Universität Göttingen Vorwort: Die wichtige Rolle der Nachhaltigkeit xiii Literatur AEE (Agentur für Erneuerbare Energien 2016). Metaanalyse Flexibilität durch Kopplung von Strom, Wärme & Verkehr. Forschungsradar Energiewende, 23 S. Gesichtet am 21.4.2016: http://www.forschungsradar.de/fileadmin/content/bilder/Vergleichsgrafiken /meta_sektorkopplung_042016/AEE_Metaanalyse_Flexibilitaet_Sektorkoppl ung_apr16.pdf Bardi, U. (2013). Der geplünderte Planet - Die Zukunft des Menschen im Zeitalter schwindender Ressourcen. oekom Gesellschaft für ökologische Kommunika- tion mbH, München, 355 S. 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