X Autorenverzeichnis und Teilnehmer des Experten-Workshops Weißbuch Gelenkersatz Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller Univ.-Prof. Dr. med. Georg Matziolis Generalsekretär Deutsche Gesellschaft für Professor für Orthopädie am Universitätsklinikum Endoprothetik (AE) Jena, Campus Eisenberg 1. Vorsitzender Verband leitender Orthopäden Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie und Unfallchirurgen (VLOU) Ärztlicher Direktor Waldkrankenhaus »Rudolf Vizepräsident Berufsverband für Orthopädie und Elle« GmbH Unfallchirurgie (BVOU) Klosterlausnitzer Straße 81 Vorstandsmitglied Deutsche Gesellschaft für 07607 Eisenberg Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) Univ.-Prof. Dr. med. Henning Windhagen Vizepräsident Deutsche Hüftgesellschaft (DHG) Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik Chefarzt Orthopädische Klinik Braunschweig der Medizinischen Hochschule Hannover Herzogin Elisabeth Hospital im DIAKOVERE Annastift Leipziger Straße 24 Anna-von-Borries-Straße 1–7 38124 Braunschweig 30625 Hannover Past Präsident der Deutschen Gesellschaft Dr. med. Andreas Hey für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Geschäftsführer (DGOOC) und der Deutschen Gesellschaft EPRD Deutsche Endoprothesenregister gGmbH für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) Straße des 17. Juni 106–108 10623 Berlin Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) Ärztlicher Direktor BG Unfallklinik Frankfurt am Main gGmbH Friedberger Landstraße 430 60389 Frankfurt am Main Univ.-Prof. Dr. med. Rüdiger Krauspe Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) 2015 Direktor der Klinik für Orthopädie und Ortho- pädische Chirurgie UKD Universitätsklinikum Düsseldorf Moorenstraße 5 40225 Düsseldorf XI Abkürzungsverzeichnis [ACCP] American College of Chest Physicians FEISA Forschungs- und Entwicklungsinstitut ADL Activities of Daily Living für das Sozial- und Gesundheitswesen AE Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik Sachsen-Anhalt e. V. AHB Anschlussheilbehandlung G-BA Gemeinsamer Bundesausschuss AOK Allgemeine Ortskrankenkasse G-DRG German Diagnosis Related Groups AQUA- Institut für angewandte Qualitätsförde- GKV Gesetzliche Krankenversicherung Institut rung und Forschung im Gesundheits- GOÄ Gebührenordnung für Ärzte wesen GmbH ARCO Association Research Circulation HIV Humanes Immundefizienz-Virus Osseous HKK Handelskrankenkasse ASA American Society of Anesthesiology HV Heilverfahren AWMF Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaft- lichen Medizinischen Fachgesellschaf- ICD International Statistical Classification of ten e. V. Diseases and Related Health Problems IGeL Individuelle Gesundheitsleistungen BÄK Bundesärztekammer InEK Institut für das Entgeltsystem im Kran- BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und kenhaus GmbH Medizinprodukte IQTiG Institut für Qualitätssicherung und BMG Bundesministerium für Gesundheit Transparenz im Gesundheitswesen BMI Body-Mass-Index IQWiG Institut für Qualität und Wirtschaftlich- BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und keit im Gesundheitswesen Energie IRENA Intensivierte Rehabilitations-Nachsorge BQS Institut für Qualität und Patientensicher- IV Integrierte Versorgung heit GmbH BVMed Bundesverband Medizintechnologie KHEntgG Krankenhausentgeltgesetz e. V. KHG Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung BVOU Berufsverband der Fachärzte für Ortho- der Krankenhäuser und zur Regelung pädie und Unfallchirurgie e. V. der Krankenhauspflegesätze KSS Score Knee Society Score CC Komplikationen oder Komorbiditäten KTL Klassifikation therapeutischer Leistun- gen DAH Deutsche Arthrose-Hilfe e. V. DALY Disability Adjusted Life Years LE Lungenembolie DGOOC Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e. V. MDD Medical Device Directive DGOU Deutsche Gesellschaft für Orthopädie Morbi-RSA Morbiditätsorientierter Risikostruktur- und Unfallchirurgie e. V. ausgleich DGU Deutsche Gesellschaft für Unfallchirur- MPG Medizinproduktegesetz gie e. V. MTPS Medizinische Thromboseprophylaxe- DGUV Deutsche Gesetzliche Unfallversiche- strümpfe rung DIMDI Deutsches Institut für Medizinische NICE National Institute for Health and Care Dokumentation und Information Excellence DRG Diagnosis Related Groups NIH National Institutes of Health DRV Deutsche Rentenversicherung NHP Nottingham Health Profile NMH Niedermolekulares Heparin EBM Einheitlicher Bewertungsmaßstab NSA Nichtsteroidale Antiphlogistika EPRD Endoprothesenregister Deutschland NUB Neue Untersuchungs- und Behand- ESC European Society of Cardiology lungsmethoden ETM Evidenzbasierte Therapiemodule EULAR European League Against Rheumatism XII Abkürzungsverzeichnis OECD Organisation for Economic Co-operation and Development OPS Operationen- und Prozedurenschlüssel OTA Operationstechnischer Assistent PROM Patient-Reported Outcome Measures QALY Quality Adjusted Life Years QSR Qualitätssicherung mit Routinedaten REDIA Rehabilitation und Diagnosis Related Groups-Studie RKI Robert Koch-Institut SGB Sozialgesetzbuch SVR Sachverständigenrat zur Begutachtung der Ent- wicklung im Gesundheitswesen TEP Totalendoprothese TK Techniker Krankenkasse TVT Tiefe Venenthrombose vdek Verband der Ersatzkassen e. V. VKA Vitamin-K-Antagonist VTE Venöse Thromboembolie WHO World Health Organization WIdO Wissenschaftliches Institut der AOK WIP Wissenschaftliches Institut der Privaten Krankenversicherungen WOMAC Western Ontario and McMaster Universities Arthritis Index YLD Years Lived with a Disability ZE Zusatzentgelte ZLG Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten 1 1 Einführung in das Indikations- gebiet und Verfahren Cornelia Seidlitz, Miriam Kip 1.1 Definition –2 1.2 Ätiologie, Indikation und Therapieziel –2 1.2.1 Ätiologie – 2 1.2.2 Indikation – 7 1.2.3 Operationsziel – 8 1.3 Materialien, Operationsverfahren und Risiken –8 1.3.1 Anforderungen an die Materialien – 8 1.3.2 Operation – 9 1.3.3 Einflussfaktoren auf den Behandlungserfolg und Komplikationen – 11 Literatur – 14 H.-H. Bleß, M. Kip (Hrsg.), Weißbuch Gelenkersatz, DOI 10.1007/978-3-662-53260-7_1, © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en) 2017 2 Kapitel 1 · Einführung in das Indikationsgebiet und Verfahren Zusammenfassung der Schulter oder am Ellenbogen (Claes et al. 2012; 1 Der Gelenkersatz beschreibt den operativen Ersatz Wirtz 2011). eines Gelenks mit künstlich hergestelltem Material. Zu den häufigsten Ursachen für einen Gelenk- Totalersatz bedeutet der Ersatz aller beteiligten ersatz gehören die Zerstörung der Gelenkflächen Gelenkflächen, wohingegen beim Teilersatz nur eine aufgrund von Verschleiß des die Gelenkflächen aus- oder mehrere Flächen, nicht jedoch das gesamte Ge- kleidenden Knorpels durch degenerative Erkran- lenk ausgetauscht werden. Am häufigsten wird das kungen wie Arthrose sowie Frakturen oder andere Hüft- oder Kniegelenk künstlich ersetzt. Die häufigs- Veränderungen der knöchernen und bindegewebi- ten Ursachen für einen künstlichen Gelenkersatz der gen Strukturen. Diese führen unter Umständen zu Hüfte oder Knie sind die symptomatische Arthrose einem dauerhaften Funktionsverlust der betroffe- und Schenkelhalsfrakturen (Hüfte). nen Gelenke, Schmerzen, Einschränkungen der Bei erstmaligem (arthrosebedingtem) Einsatz einer Mobilität und Verlust der Lebensqualität. Lassen Hüft- oder Knieendoprothese sind die Patienten in sich die Beschwerden nicht anderweitig therapie- der Regel zwischen 60 und 70 Jahre alt. Gut zwei ren, ist ein künstlicher Gelenkersatz notwendig, um Drittel der Patienten mit endoprothetisch versorgten Folgekomplikationen zu vermeiden und eine Teil- Schenkelhalsfrakturen sind über 85 Jahre alt. Der habe am alltäglichen Leben wiederherzustellen. Ersteingriff beschreibt den erstmaligen Einsatz einer Entsprechend den Ursachen ist das Risiko für Hüft- oder Knieendoprothese; der Wechseleingriff einen Gelenkersatz stark altersabhängig. Im Durch- einen Folgeeingriff am selben Gelenk. Die (komplika- schnitt sind die Patienten zwischen 60 und 70 Jahre tionsfreie) Zeit zwischen Ersteingriff und Wechsel- alt, wenn sie erstmals ein künstliches Hüft- oder eingriff ist die Standzeit. Bei der symptomatischen Kniegelenk erhalten. Arthrose erfolgt der endoprothetische Gelenkersatz nach Ausschöpfung konservativer und gelenkerhal- tender Therapieoptionen. Im Falle einer Schenkel- 1.2 Ätiologie, Indikation halsfraktur ist der Gelenkersatz in der Regel die pri- und Therapieziel märe Therapieoption. Ziel der Operationen ist die verbesserte Lebensqualität, die Wiederherstellung 1.2.1 Ätiologie einer größtmöglichen Funktionalität, Mobilität und Schmerzfreiheit, eine lange Standzeit bei guter Be- Die häufigste Ursache, die zu einem Gelenkersatz lastbarkeit der Endoprothese und die Vermeidung der Hüfte führt, ist die symptomatische Arthrose von (Folge-) Komplikationen als wichtige Voraus- (Claes et al. 2012; Wirtz 2011). Über 80 % der setzung für ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Erstoperationen an der Hüfte werden aufgrund symptomatischer arthrotisch bedingter degenerati- ver Veränderungen der Gelenkflächen durchge- 1.1 Definition führt (Koxarthrose) (Barmer GEK 2010). Weitere Gründe sind gelenknahe Frakturen wie die Schen- Der Gelenkersatz beschreibt den notwendigen ope- kelhalsfraktur (Strohm et al. 2015), chronisch ent- rativen Ersatz eines Gelenks mit künstlich herge- zündlich rheumatische Erkrankungen, Fehlstellun- stelltem Material, das dabei im Körper verankert gen sowie pathologische Veränderungen der Kno- wird (künstlicher Gelenkersatz, Endoprothese, chensubstanz mit Gefahr von gelenknahen Fraktu- Alloarthroplastik) (Claes et al. 2012; Wirtz 2011). ren aufgrund von Tumoren oder Metastasen oder Totalersatz bedeutet der Ersatz aller beteiligten im Rahmen einer Osteoporose (Claes et al. 2012). Gelenkflächen, wohingegen beim Teilersatz nur Ursache für den Kniegelenkersatz ist in den eine oder mehrere Flächen, nicht jedoch das gesam- allermeisten Fällen ebenfalls die Arthrose (Gon- te Gelenk ausgetauscht werden. Am häufigsten wird arthrose). Sie ist verantwortlich für 96 % der endo- das Hüft- oder Kniegelenk künstlich ersetzt, aber prothetischen Knieersteingriffe (Barmer GEK auch an anderer Stelle können Endoprothesen na- 2010). Andere Ursachen werden hier sehr viel selte- türliche Gelenke in ihrer Funktion ersetzen, z. B. an ner beobachtet (Wirtz 2011). 1.2 · Ätiologie, Indikation und Therapieziel 3 1 . Tab. 1.1 Klassifikation und Risikofaktoren der Arthrose (Auswahl) Klassifikation Risikofaktoren Beschreibung Primär lokalisiert (Hüfte, Knie) oder generalisiert (Polyarthrose, (idiopathisch) mehr als drei Gelenkregionen sind betroffen) Sekundär Angeborene und erworbene z. B. bei Hüftdysplasie, Kniefehlstellungen Gelenkschäden Endokrine Erkrankungen z. B. bei Diabetes mellitus Metabolische Störungen z. B. bei Hämochromatose, Hypercholesterinämie, Hyperurikämie Posttraumatisch z. B. nach Gelenkfrakturen, hüftnaher Fraktur, Kreuzband- verletzung am Knie Sonstige Ursachen z. B. septische Erkrankung, entzündlich-rheumatische Erkrankung, Durchblutungsstörungen des gelenknahen Knochens bei avaskulärer Nekrose von Hüftkopf und Femurkondylus Quelle: IGES – Günther et al. 2013 Arthrose bestimmten Bewegungen oder nach längeren Ruhe- Für arthrotische Gelenkveränderungen gibt es eine pausen (Anlaufschmerz) auf. Im späteren Stadium Vielzahl möglicher Risikofaktoren (. Tab. 1.1). Las- treten die Schmerzen unabhängig von Belastung sen sich solche nicht eindeutig nachweisen, spricht dauerhaft auf (Ruheschmerz, Nachtschmerz) (Claes man von primärer oder idiopathischer Arthrose. et al. 2012). Demgegenüber sind bei der sekundären Arthrose Die Arthrose ist gekennzeichnet durch ein ge- ein oder mehrere Risikofaktoren identifizierbar, die störtes Gleichgewicht des Knorpelstoffwechsels, bei bei der Entstehung möglicherweise eine Rolle spie- dem abbauende Prozesse überwiegen. Durch die len. Zu allgemeinen Risikofaktoren gehören Alter, Knorpeldegeneration kommt es zunächst zu einer Geschlecht, genetische, biomechanische und ent- reaktiven Neubildung von weniger widerstands- zündliche Faktoren. Auch Übergewicht, Osteopo- fähigem Knorpelmaterial, sodass die Gelenkfunk- rose, kardiovaskuläre und Stoffwechsel-Erkrankun- tion zwar wieder hergestellt ist, jedoch Belastungen gen können sich negativ auf den Knorpelstoffwech- weniger standhält. Im Verlauf kann es zu einer voll- sel auswirken. Lokal wirkende Risikofaktoren sind ständigen Zerstörung des Knorpelgewebes kom- Verletzungsfolgen, Durchblutungsstörungen, ange- men, sodass darunter freiliegende Knochen mit borene oder erworbene Fehlformen sowie die Über- Deformierungen und Verdickungen des Gelenks und einseitige Belastung der Gelenke. Insgesamt reagieren (Claes et al. 2012). werden deshalb mittlerweile multikausale gegen- Im fortgeschrittenen Stadium, der aktivierten über monokausalen Erklärungsmodellen bevorzugt Arthrose, kommt es mit zunehmender Zerstörung herangezogen (Günther et al. 2013). des Knorpelgewebes und als Folge von Entzündun- Leitsymptome der Arthrose sind Schmerzen gen der Gelenkinnenhaut zu akuten Schmerzepiso- und eine zunehmende Bewegungseinschränkung den, Bewegungseinschränkungen sowie zu Schwel- der betroffenen Gelenke. Die Erkrankung zeigt lungen, Überwärmung und Spannungsgefühlen. In meist einen chronisch progredienten Verlauf, erste dieser Phase sind auch Wetterfühligkeit und Emp- Anzeichen zeigen sich in Form von Gelenksteifig- findlichkeit gegen Hitze und Kälte typische Symp- keit – zunächst nur nach längerer Belastung des be- tome. Insgesamt sind in diesem Erkrankungssta- troffenen Gelenks. Schmerzen treten anfänglich bei dium, das über mehrere Jahre andauern kann, Pha- 4 Kapitel 1 · Einführung in das Indikationsgebiet und Verfahren 1 60 51,9 Bevölkerung 18+ Jahre (%) 50 40 36,1 32,3 19,7 30 27,8 Frauen 26,1 23,8 Männer 20 Gesamt 9,2 8,9 10 2,7 1,9 0 18 –29 30 –44 45 –64 65+ Gesamt Alter (Jahre) . Abb. 1.1 Lebenszeitprävalenz der Arthrose in Deutschland in 2012. (IGES – RKI 2014) sen mit und ohne Symptomen möglich (Claes et al. zweite Frau und 36 % der Männer (. Abb. 1.1). Die 2012). Prävalenz einer symptomatischen Arthrose wird in Im Spätstadium (dekompensierte Arthrose) tre- ältere Untersuchungen in der Bevölkerung über 60 ten mit fortschreitender Zerstörung des Gelenks Jahre auf rund 10% geschätzt (Sun et al. 1997). dauerhaft Schmerzen und Funktionseinschränkun- Aufgrund der zu erwartenden demographi- gen auf. Diese haben eine Einschränkung der Le- schen Veränderungen in Deutschland ist mit einer bensqualität der Patienten zur Folge, da Aktivitäten deutlichen Zunahme degenerativer Gelenkerkran- des täglichen Lebens (z. B. Waschen, Ankleiden) kungen und damit auch von behandlungsbedürfti- oder die Fortbewegung beeinträchtigt sind. Die gen Hüft- bzw. Kniearthrosen zu rechnen (RKI Schmerzen treten bei geringfügigen Bewegungen 2009). Entsprechende Berechnungen zum Anstieg oder auch bereits in Ruhestellung auf. Mit der Zer- des endoprothetischen Versorgungsbedarfes, die störung des Knorpels, der Sklerosierung und der aus anderen Ländern dazu existieren (Culliford et Bildung knöcherner Auswüchse (Osteophyten) so- al. 2015; Kurtz et al. 2007), sind zwar nicht unmit- wie der Schädigung angrenzender Strukturen wie telbar auf Deutschland übertragbar, aber sowohl Knochen, Muskeln, Kapseln und Bänder können veröffentlichte Prognosen zur Entwicklung musku- auch chronische Schmerzen entstehen. Arthrose loskelettaler Erkrankungen (Ewerbeck u. Dreinho- kann letztendlich zur Steifigkeit und Instabilität der fer 2009) als auch mittlerweile vorliegenden Berech- betroffenen Gelenke und damit zur Unbeweglich- nungen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie keit der Patienten und dadurch ausgelöste schwere und Unfallchirurgie (DGOU) (Schmitt 2014) auf Folgeerkrankungen führen (Claes et al. 2012). der Basis von Bevölkerungsentwicklung und Die Lebenszeitprävalenz der Arthrose lag dem Krankheitslast lassen einen weiteren Anstieg dieser Robert Koch-Institut (RKI) zufolge in der Wohnbe- altersassoziierten Erkrankungen erwarten. Am völkerung in Deutschland im Jahr 2012 bei 27,8 % Kniegelenk dürfte dabei ein zusätzlicher Einfluss (Frauen) bzw. 19,7 % (Männer). Die Häufigkeit der des wachsenden Anteils stark übergewichtiger Erkrankung nimmt dabei mit dem Lebensalter Menschen in der Bevölkerung eine wichtige Rolle deutlich zu: während in der Altersgruppe 30–44 spielen (Derman et al. 2014). Jahre 9,2 % (Frauen) bzw. 8,9 % (Männer) der Be- fragten von einer Arthrose berichteten, waren es in Schenkelhalsfraktur der Altersgruppe 45–64 Jahre 32,3 % bzw. 26,1 % Neben der Arthrose ist die Schenkelhalsfraktur ein und in der Altersgruppe ab 65 Jahren rund jede wichtiger Risikofaktor für einen Gelenkersatz der 1.2 · Ätiologie, Indikation und Therapieziel 5 1 Hüfte. Sie gewinnt insbesondere mit zunehmendem Rasanztraumen, d. h. Verkehrsunfälle oder Stürze Alter der Patienten an Bedeutung (Claes et al. 2012; aus großer Höhe. Auch maligne Erkrankungen, die Strohm et al. 2015). Die Schenkelhalsfraktur zählt mit einer Zerstörung des Knochens einhergehen, zu den gelenknahen Frakturen und muss in den können zu einer Schenkelhalsfraktur führen (pa- meisten Fällen operativ versorgt werden. Lediglich thologische Frakturen). bei stabiler, nicht eingestauchter Fraktur ist eine Eine Schenkelhalsfraktur ist verbunden mit konservative Therapie möglich. Bei den operativen starken Schmerzen im Bereich der Hüfte, Bewe- Verfahren stehen gelenkerhaltende sowie endopro- gungseinschränkungen im Hüftgelenk sowie Geh- thetische Verfahren zur Verfügung. Welches Ver- einschränkungen. Häufig ist das betroffene Bein fahren gewählt wird, hängt unter anderem von der auffallend verkürzt und nach außen gedreht. Äuße- Art des Bruches und dem Alter der Patienten ab. Bei re Anzeichen der Verletzung können sich in Form Patienten über 65 Jahre und bei vorbestehenden von Hämatomen oder Schwellungen über dem Gelenkarthrosen erfolgt in der Regel der Einsatz Hüftgelenk zeigen. Im Fall von eingestauchten einer Endoprothese (Pfeifer et al. 2001). Versor- Frakturen können die klinischen Anzeichen sehr gungsmöglichkeiten mit dem Ziel des Gelenker- unauffällig sein, sodass die Patienten unter Umstän- halts sind Osteosyntheseverfahren mittels Verrie- den noch mehrere Tage trotz Fraktur laufen (Claes gelungsnägeln, kanüllierten Schrauben oder dyna- et al. 2012). mischen Hüftschrauben, bestehend aus einer extra- Das Lebenszeitrisiko für die Schenkelhalsfrak- medullären Platte und einer Antirotationsschraube tur wird für Frauen mit 11–23 % und für Männer (Claes et al. 2012). mit 5–11 % angegeben (Stöckle et al. 2005). Die häufigste Ursache für eine Schenkelhals- Die Inzidenz steigt mit zunehmenden Lebens- fraktur ist der häusliche Sturz, dessen Hergang wie- alter an. Insbesondere ab dem 75. Lebensjahr nimmt derum auf beispielsweise neurologische oder kar- das Risiko deutlich zu (RKI 2009), sodass davon diologische Grunderkrankungen zurückgeführt ausgegangen werden kann, dass mit dem stetig werden kann. wachsenden Anteil der älteren Bevölkerung auch Die Schenkelhalsfraktur zählt zu den häufigsten die absolute Anzahl von Schenkelhalsfrakturen an- Spätkomplikationen der Osteoporose (Stöckle et al. steigt (Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie 2005). Die Prävalenz der Osteoporose beträgt in der e. V. 2004, Pfeifer et al. 2001). Für Europa wird auf- über 50-jährigen Bevölkerung rund 14 % (Frauen: grund der demographischen Entwicklung ange- 24 %; Männer: 6 %) (Hadji et al. 2013). nommen, dass in den nächsten 60 Jahren eine Zu- Begünstigt wird die Schenkelhalsfraktur durch nahme der Inzidenz von Femurfrakturen um das die altersbedingte Abnahme der Knochenmineral- Vierfache erfolgt. dichte und durch das in höherem Lebensalter er- Zur Inzidenz für Schenkelhalsfrakturen in höhte Sturzrisiko. Zu den Risikofaktoren für Stürze Deutschland liegen bisher nur wenige aktuelle Da- zählen neben Vitamin-D-Mangel (durch Beein- ten aus Studien vor. Eine epidemiologische Unter- trächtigung der Muskulatur) Koordinationsstörun- suchung anhand von Krankenhausstatistiken aus gen (z. B. durch Einnahme von Medikamenten), dem Jahr 2004 gibt eine Inzidenz von 140,9 je Schwindel, Fehlsichtigkeit, Schwäche, Multimorbi- 100.000 Einwohner an. Entsprechend der Alters- dität oder bereits bestehende Erkrankungen des abhängigkeit waren die Inzidenzen in den höheren Bewegungsapparates. Aufgrund des durchschnitt- Altersgruppen über 65 Jahre deutlich größer (662 lich hohen Alters der Patienten mit Schenkelhals- pro 100.000 Einwohner gegenüber 21,7 pro 100.000 fraktur ist hier eine schnelle Mobilisation von be- Einwohner bei den unter 65-Jährigen) sowie unter sonderer Bedeutung, um weitere Komplikationen Frauen signifikant höher als unter Männern (Icks zu vermeiden. Lediglich bei jungen Patienten steht et al. 2008). die Erhaltung des Hüftkopfes im Vordergrund Die neuesten Diagnosedaten der Krankenhäuser (Claes et al. 2012). beziffern die Anzahl stationärer Krankenhausfälle Schenkelhalsfrakturen sind bei jüngeren Patien- im Jahr 2013 mit 144 pro 100.000 Einwohner (alters- ten selten und dann meistens Folge sogenannter standardisiert). In der Gruppe der über 65-jährigen 6 Kapitel 1 · Einführung in das Indikationsgebiet und Verfahren 1 900 800 Fallzahl pro 100.000 Personen (2013) 700 600 500 400 300 200 100 0 0–14 15–44 45–64 65+ Insgesamt Frauen Männer Alter (Jahre) . Abb. 1.2 Stationäre Fallzahl pro 100.000 Einwohner aufgrund einer Fraktur des Femurs (S72) nach Altersgruppen sowie altersstandardisiert nach Geschlecht (2013). (IGES – Statistisches Bundesamt 2014) Personen gab es 875 Fälle pro 100.000 Einwohner, Auftreten von Femurkopfnekrosen beobachtet Frauen waren erwartungsgemäß mehr als doppelt so wird, zählen u. a. systemischer Lupus erythemato- häufig betroffen wie Männer (. Abb. 1.2). des, HIV-Erkrankung, Malignome und entzündli- che Darmerkrankungen. Femurkopfnekrose Die Beschwerden bei einer Femurkopfnekrose Bei der Femurkopfnekrose kommt es zu einem Ab- sind individuell sehr unterschiedlich und unspezi- sterben von Knochengewebe (Osteonekrose) des fisch (Hofmann et al. 2002). Insbesondere zu Be- Hüftkopfes, ausgelöst durch eine Ischämie (Durch- ginn der Erkrankung, die in 30–70 % beidseitig blutungsstörung) des betroffenen Areals (Meizer et auftritt, können Symptome wie Belastungsschmer- al. 2007). zen oder Gehschwierigkeiten zunächst fehlen. Im Die Minderdurchblutung kann traumatisch weiteren Verlauf führt die Femurkopfnekrose zu ausgelöst sein (posttraumatische Osteonekrose), Bewegungseinschränkungen und starken, inter- z. B. durch Abriss oder Überdehnung nach Schen- vallartigen Hüftschmerzen, die in Oberschenkel kelhalsfrakturen, oder durch verschiedene Risiko- und Knie ausstrahlen. Mit Fortschreiten der Er- faktoren oder Grunderkrankungen begünstigt wer- krankung können auch Ruheschmerzen entstehen, den (nichttraumatische Osteonekrose). Für die im Endstadium der Erkrankung und mit völliger nichttraumatische Osteonekrose kommen verschie- Destruktion des Gelenks kann sich eine Hüft- dene Risikofaktoren oder Grunderkrankungen in arthrose entwickeln (AWMF 2009b). Betracht. Zu den identifizierten Risikofaktoren, die Entscheidend ist die frühe Diagnose der Femur- in 50–80 % der Fälle beobachtet werden, zählen Al- kopfnekrose, um eine verbesserte Langzeitprognose kohol- und Nikotinabusus, Fettstoffwechselstörun- mit gelenkerhaltender Therapie zu ermöglichen. gen sowie familiäre Blutgerinnungsstörungen wie Ohne Therapie schreitet die Erkrankung nach Erst- Thrombophilie und Schwangerschaft. Zudem ist diagnose bei 85 % der Patienten innerhalb von zwei die Einnahme hoher Dosen von Kortikosteroiden Jahren fort und führt bei mehr als der Hälfte zum (z. B. bei chronisch entzündlichen Erkrankungen) Einbruch der Gelenkfläche mit einer völligen Zer- mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden. störung des Gelenks (Hofmann et al. 2002). Anhand Zu den Erkrankungen, bei denen ein vermehrtes der Kriterien der »Association Research Circulation 1.2 · Ätiologie, Indikation und Therapieziel 7 1 Osseous« (ARCO) wird die ideopathische Femur- fehlen (AWMF 2009a, 2008; Claes et al. 2012; Wirtz kopfnekrose (ohne bekannte Ursache) in fünf Sta- 2011). dien eingeteilt (0–IV), wobei der Ablauf der einzel- Einen Hüftersatz sehen Claes et al. (2012) dann nen Stadien individuell sehr unterschiedlich ist und als indiziert, wenn es zu einer starken Beeinträchti- jeweils über Tage oder Jahre dauern kann (ARCO- gung der Lebensqualität aufgrund von Schmerzen Klassifikation) (AWMF 2014). oder Funktionseinbußen kommt. Zusätzliche Fak- Die Inzidenz der Hüftkopfnekrose wird für toren sind die unzureichende Wirksamkeit der kon- deutschsprachige Länder auf 0,01 % geschätzt, was servativen Therapie (Arzneimittel, Entlastung, etwa 5.000–7.000 Patienten jährlich entspricht (Hof- Krankengymnastik, physikalische Therapie u. ä.) mann et al. 2002). Die Erkrankung tritt vorwiegend sowie das Vorhandensein radiologischer sichtbarer im Alter zwischen 25 und 55 Jahren auf, wobei der Veränderungen in Form von morphologischen Ge- Altersgipfel bei 35 Jahren liegt. Männer sind etwa lenkschäden, welche Ursachen für die Beschwerden viermal häufiger betroffen als Frauen. Gemäß einer sind und nicht durch gelenkerhaltende Eingriffe Routinedatenanalyse der Barmer GEK wird für circa behoben werden können (Claes et al. 2012). Des 3 % der Ersteingriffe bei Hüft-TEP eine Knochen- Weiteren bestehen Indikationen zum Hüftgelenk- nekrose als relevante Entlassungshauptdiagnose auf- ersatz bei Schenkelhalsfrakturen bei Patienten über geführt (Barmer GEK 2010). 60 Jahren oder bei Femurfrakturen aufgrund von pathologischen Knochenerkrankungen (z. B. Meta- stasen, Osteoporose) (Claes et al. 2012). 1.2.2 Indikation Wirtz (2011) beschreibt als Indikation für eine Knie-TEP eine primäre oder sekundäre Gonarthro- Ersteingriff se, welche starke Schmerzen und Bewegungsein- Die Indikationsstellung für eine Hüft- bzw. Knie- schränkungen nach sich zieht und radiologisch nach- endoprothese wird neben einer umfassenden Anam- weisbar ist (Wirtz 2011). Die Indikation für einen nese anhand klinischer und radiologischer Kriterien Kniegelenkersatz wird auch von der European patientenbezogen getroffen (Claes et al. 2012, Wirtz League Against Rheumatism (EULAR) ebenso wie 2011). von dem amerikanischen National Institutes of Health Die klinische Diagnostik umfasst die Untersu- (NIH) als vorhanden erachtet, wenn – verbunden chung des betroffenen Gelenks, gelenknaher Struk- mit dem radiologischen Nachweis einer Arthrose – turen und Gewebe sowie die Durchführung von Dauerschmerzen vorliegen, die sich medikamentös Funktions- und Schmerztests, wie beispielsweise nicht erfolgreich behandeln lassen, oder wenn die der Ermittlung der schmerzfreien Gehstrecke. Die Erkrankung mit erheblichen Funktionsbeeinträch- Beurteilung der Gelenkbeweglichkeit kann nur im tigungen einhergeht (EULAR 2002, NIH 2004). Rahmen einer klinischen Untersuchung erfolgen, Schmerzen und weitere Beschwerden lassen sich Wechseleingriffe und Revision zusätzlich mithilfe von standardisierten Patienten- Unter einer Wechseloperation wird die Entfernung befragungsinstrumenten erheben (AWMF 2009a, und gegebenenfalls der Ersatz einer bzw. mehrerer 2008; Claes et al. 2012; Wirtz 2011). Endoprothesenkomponenten an der Hüfte oder des Neben dem Vorliegen objektivierbarer Kriterien Knies verstanden. Sie stellt somit einen Folgeein- tragen der zum Zeitpunkt bestehende persönliche griff einer endoprothetischen Hüft- bzw. Knieerst- Leidensdruck und der Wunsch des Patienten einen operation am selben Gelenk dar. maßgeblichen Anteil zur Entscheidungsfindung Folgeeingriffe können jedoch bei nicht vollstän- für oder gegen eine endoprothetischen Versor- diger Funktionstüchtigkeit einer Endoprothese auch gung des betroffenen Gelenkes bei. Beispielsweise ohne Wechsel oder Entfernung des (ganzen) Gelenk- ist ein endoprothetischer Eingriff nicht zu emp- ersatzes vorkommen (EPRD 2015), z. B. zur Ausräu- fehlen, wenn radiologisch zwar ein arthrotisches mung eines Hämatoms (Revision ohne Wechsel). Gelenk vorliegt, jedoch keine Arthrosesympto- Der Zeitraum zwischen dem Ersteingriff und dem matik oder der Leidensdruck des Patienten jedoch Wechseleingriff ist die Standzeit (EPRD 2015). 8 Kapitel 1 · Einführung in das Indikationsgebiet und Verfahren In der Regel erfolgt ein Wechseleingriff nach voraussetzung zur Führung eines selbstbestimmten 1 Ablauf der »natürlichen« Standzeit der Endopro- Lebens und stellt einen Schutz vor sozialer Isolation these. In einigen Fällen ist aber auch ein vorzeitiger dar (Moon 2014). Wechseleingriff notwendig. Zu den Gründen für einen Wechseleingriff zählen die Lockerung des Im- plantats, die Instabilität des künstlichen Gelenks, 1.3 Materialien, Operations- ausgedehnte bakterielle Infektionen sowie fort- verfahren und Risiken schreitender Verschleiß in den bisher nicht ersetz- ten Gelenkanteilen. Auch eine stark beeinträchti- 1.3.1 Anforderungen an die Materialien gende Funktionseinschränkung des künstlichen Gelenks, oftmals verbunden mit einer deutlich aus- Idealerweise sollte eine erstmalig eingesetzte Endo- geprägten Schmerzsymptomatik, kann einen Wech- prothese eine lebenslange Verweildauer besitzen. sel erforderlich machen. Zudem können akute oder Trotz enormer technischer Fortschritte und der Ver- chronische Infektionen, ebenso wie traumatische fügbarkeit qualitativ hochwertiger Materialien kann gelenks- und endoprothesennahe Frakturen sowie dies nicht bei allen Patienten erreicht werden. Grund- Probleme des Implantats und Probleme bei der Im- sätzlich sind sowohl Hüft- als auch Knieendoprothe- plantation einen Endoprothesenwechsel bedingen. sen lasttragende Körperteile und müssen dement- Weitere Ursachen sind lokale, entzündliche Reakti- sprechend gestaltet werden, auch hinsichtlich der onen des Gewebes, Verschleiß (Mikroabriebparti- Materialauswahl (Claes et al. 2012, Wirtz 2011). kel) des Endoprothesenmaterials sowie die Qualität Die Implantate werden umfangreichen Tests der Endoprothesenfixation. Auch die Compliance unterzogen, in denen sie hinsichtlich Funktion, des Patienten und Patientencharakteristika, wie Al- Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit geprüft ter und Körpergewicht, haben einen entscheiden- werden. Die Tests stellen eine notwendige Voraus- den Einfluss auf die Standzeit einer Endoprothese setzung zur Prüfung der gesetzlichen Produktan- (7 Abschn. 1.3.3). Im Rahmen der Erfassung endo- forderungen dar. Die entsprechenden Anforderun- prothetischer Eingriffe im Endoprothesenregister gen werden in internationalen Normen festgehalten, Deutschland (EPRD) lässt sich diese Standzeit zu- die in einem 5-Jahres-Zyklus einer Überarbeitung künftig zuverlässig ermitteln und bei entsprechen- unterzogen werden (BVMed 2014). der Ausgangsdokumentation auf unterschiedliche Unabhängig vom Anwendungsgebiet muss eine Ebenen beziehen, z. B. pro Operateur, pro implan- möglichst hohe Haltbarkeit des Implantats erreicht tierendem Krankenhaus, pro individueller Endo- werden, weshalb für Endoprothesen auf langlebige prothese oder pro Endoprothesentyp. Werkstoffe zurückgegriffen wird, die auch in Kom- bination ein Minimum an Verschleiß aufweisen. Zudem müssen die Materialien vom Körper akzep- 1.2.3 Operationsziel tiert werden. Verwendet werden sollen Metalle (wie Kobalt-Chrom- oder Titan-Legierungen), welche Ziel der Gelenkendoprothesen-Erstimplantation ist mit dem Knochen verbunden werden sowie Kunst- die Herstellung größtmöglicher Funktionalität und stoffe (Polyethylene) oder Keramik als Gleitpaarung die Verringerung eines (knie- oder hüftbedingten) (NICE 2014). Schmerzes bei Arthrose und anderen Erkrankun- Inzwischen gibt es viele verschiedene Variatio- gen sowie die Erreichung einer raschen Mobilisier- nen dieser künstlichen Gelenke. Daher wird im Fol- barkeit nach Schenkelhalsfraktur. Ziel ist außerdem genden ein kurzer Abriss über die Funktionsweise eine lange Standzeit bei guter Belastbarkeit zu errei- und die wichtigsten Merkmale gegeben. chen und (Folge-) Komplikationen zu vermeiden. Hüftendoprothesen bestehen heute in der Regel Insgesamt soll die Lebensqualität des Patienten ge- aus einer Pfanne und einem Schaft, auf den ein mo- steigert und ihm zu mehr Mobilität verholfen wer- dularer Endoprothesenkopf aufgesetzt wird. Die den (Claes et al. 2012, Wirtz 2011). Insbesondere Pfanne kann aus einem Stück (meist Polyethylen) für ältere Menschen ist die Mobilität eine Grund- oder aus einer Metallschale mit Inlay (modulare 1.3 · Materialien, Operationsverfahren und Risiken 9 1 Pfanne) bestehen. Bei Frakturversorgungen im ho- 1.3.2 Operation hen Lebensalter wird oft nur der Hüftkopf mit einer sog. »Hemiendoprothese« ersetzt und auf den Pfan- Vor der Operation erfolgt zunächst die Aufklärung nenersatz verzichtet. In diesem Fall wird auf den des Patienten hinsichtlich der Komplikationen und Endoprothesenschaft ein (meist modularer) Kopf Risiken durch den Arzt. Die konkrete Behandlungs- aufgesetzt, der in seiner Größe dem natürlichen planung umfasst die Auswahl eines geeigneten En- Hüftkopf entspricht. Sonderformen wie der Ober- doprothesentyps anhand klinischer und röntgeno- flächenersatz haben am Hüftgelenk nur sehr unter- logischer Kriterien sowie die Auswahl des operati- geordnete Bedeutung (Claes et al. 2012). ven Zugangs (. Abb. 1.3). Am Kniegelenk werden Teile oder die Gelenk- Bei einem künstlichen Hüftgelenk werden in fläche durch schalenförmige Implantate auf der der Regel die natürlichen Strukturen im Becken und Oberschenkelseite und einer Basisplatte am Schien- Oberschenkel ersetzt. Betroffen sind die Hüftge- bein ersetzt, die mit und ohne Stielführung im lenkpfanne (Acetabulum) und ein Teil des Schafts Markraum fixierbar sind. Die Gleitfläche zwischen (Os femoris oder Femur) sowie der Kopf des Ober- Oberschenkel und Schienbein kann mit der Basis- schenkelknochens. Bei einem Ersatz dieser Struktu- platte verbunden sein oder mobil gleiten. Die Rück- ren wird von einem Totalersatz oder einer Totalen- fläche der Kniescheibe kann, muss aber nicht zwin- doprothese (TEP) gesprochen. Ebenfalls unter die gend, mit einem Implantat ersetzt werden (Wirtz Definition der Totalendoprothese fallen die Kurz- 2011). schaft-Femurkopfprothesen, die zumeist jüngeren Die Kontaktstelle von Knochen und Implantat Patienten implantiert werden, sowie die Oberflä- ist von großer Bedeutung für die Belastbarkeit des chenersatzprothese. Gelenks nach der Operation. Diese Verbindung Muss die Hüftpfanne nicht ersetzt werden, wird wird allgemein als Verankerung bezeichnet. Grund- dies als Teilersatz, Hemiprothese oder Teilendopro- sätzlich kann ein Implantat zementiert oder zement- these bezeichnet. Beispiele hierfür sind die Duo- frei eingebracht werden – Mischlösungen werden kopfprothesen, die vor allem bei Schenkelhalsfrak- als Hybrid-Verankerungen oder Teilzementierun- turen im hohen Alter eingesetzt werden (Claes et al. gen bezeichnet. Der verwendete Zement ist dabei 2012). ein spezieller Kunststoffzement (Polymethylmeta- Die Passgenauigkeit der Endoprothese wird crylat). Zementfreie Endoprothesenbestandteile während der operativen Vorbereitung des Gelenks können mit einer speziellen Oberflächengestaltung mithilfe einer Probeprothese regelmäßig überprüft. oder Beschichtung (z. B. Titanspezifikationen oder Der Operateur muss darauf achten, dass Bänder Hydroxylapatit) versehen sein, um das sekundäre und Weichteile ausreichend Spannung aufweisen, knöcherne Einwachsen zu unterstützen. Die primär um das künstliche Gelenk optimal gleiten zu lassen stabile Verankerung erfolgt durch ein Verklemmen und eine Auskugelung zu vermeiden. Die Implanta- im Knochen (sog. »Presssitz« oder »Pressfit«) (Claes tion der eigentlichen Endoprothese erfolgt dann et al. 2012, Wirtz 2011). entweder zementiert oder zementfrei. Anschlie- Ziel ist es, dass die Endoprothese möglichst ßend wird der operative Zugang verschlossen. Der dauerhaft mit dem knöchernen Bett fest verbunden Sitz der Endoprothese wird durch Röntgenauf- bleibt. Über die Vor- und Nachteile zementierter nahme unmittelbar nach der Operation überprüft bzw. zementfreier Verankerung gibt es unterschied- (Claes et al. 2012). liche Ansichten, und die Auswahl des Verfahrens ist Die Lagerung und Positionierung des Patienten von verschiedenen Einflussfaktoren (wie z. B. Alter erfordert bei der Hüftendoprothesenoperation be- oder Knochenqualität) abhängig (7 Abschn. 1.3.3) sondere Sorgfalt. Polstermaterialien werden zur (Claes et al. 2012, Wirtz 2011). Verhinderung von Druckstellen am Patienten ein- gesetzt sowie Wärmesysteme zur Vermeidung von Unterkühlungen. Der Patient kann sowohl in Sei- ten- als auch in Rückenlage positioniert werden. Die exakte Fixation des Patienten in der gewählten Lage 10 Kapitel 1 · Einführung in das Indikationsgebiet und Verfahren 1 Nachbehandlungs- Voruntersuchung Operationsplanung planung Anamnese und klinische Unter- (Digitale) Planung der Biomechanik suchung, inkl. Gangbild, des Hüftgelenkersatzes und der Untersuchung von Beinlänge Prothesenkomponenten, Mobilisation, und Bewegungsumfang des Einbeziehung von patienten- Verwendung von Hilfsmitteln Hüftgelenks, eventuell weitere individuellen Begleitumständen Funktionstests (z.B. Knochendefekte) Auswahl des Implantats (Typ, Größe, Gleitpaarung) und der Verankerungs- technik (Hüftschaft, Zementierung) Prophylaxe: Röntgenuntersuchung des Beckens unter Berücksichtigung der patienten- Thrombose, Ossifikation individuellen Gegebenheiten wie Allergien gegen bestimmte Materialien (gegebenenfalls Allergietest) Ausschluss von Erkrankungen der Wahl des operativen Zugangs Wirbelsäule und angrenzender (minimalinvasiv, konventionell) Gelenke, falls notwendig mit MRT und entsprechende Lagerung Röntgen-Nachuntersuchung oder durch Infiltration des Patienten des Hüftgelenks (Rückenlage, seitlich) . Abb. 1.3 Elemente der Behandlungsplanung am Beispiel der Hüftimplantation. (IGES – Wilken et al. 2014) durch Stützen oder Gurte ist wichtig, um eine Posi- bung zwischen Tibia- und Femurkomponente ein- tionsveränderung während der Operation zu ver- gelegt (»Inlay«) (Wirtz 2011). meiden (Claes et al. 2012). Ist die Funktion des Kniegelenks durch zumeist Bei der Implantation des künstlichen Kniege- einseitigen Knorpelabrieb noch nicht so sehr einge- lenks werden Teile des Oberschenkels (distaler Fe- schränkt und lediglich eine Seite des Kniegelenkes mur) und des Unterschenkels (proximale Tibia) knöchern in Mitleidenschaft gezogen, kann ledig- durch künstliche Materialien ersetzt. Abhängig von lich auf einer Seite des Gelenks ein unikondylärer der Art und Schwere der zugrundeliegenden Er- Oberflächenersatz implantiert werden. Meistens ist krankung kommen auch hier verschiedene Implan- die mediale Seite (Innenseite) vom Austausch be- tatarten in Betracht. Grundsätzlich vom Austausch troffen. Neben der Knorpel- und Knochenstruktur betroffen sind Teile des Oberschenkelknochens (Fe- ist auch hier der Zustand der Bänder entschei- murkomponente), um die defekte Knochenrolle dungsrelevant. Ein einseitiger Oberflächenersatz (Kondyle) zu ersetzen, Teile des Unterschenkels wird oft unikondyläre Schlittenprothese genannt, (Tibiakomponente) im Bereich des Schienbeinkop- aber auch die Begriffe Hemi-Schlittenprothese oder fes sowie Menisken. Es ist zudem möglich, die Knie- Monoschlitten sind gebräuchlich (Wirtz 2012). scheibe (Patella) zu ersetzen oder keinen Patella- Bikondyläre- und Scharnierendoprothesen bil- ersatz durchzuführen. Bei der Implantation eines den die Totalendoprothesen beim Knieersatz. Zu künstlichen Knies wird auf der Tibiakomponente unterscheiden ist dabei der Grad der Kopplung. ein Kunststoffelement zur Minimierung der Rei- Eine gekoppelte Prothese wird achsgeführt und be- 1.3 · Materialien, Operationsverfahren und Risiken 11 1 sitzt ein Scharnier. Diese Prothesenform wird in der Patienten erfolgen. Die Verfahren der Allgemein- Regel gewählt, wenn der Bandapparat stark beein- und Regionalanästhesie können alleinig oder in trächtigt ist, denn durch das Scharnier wird die Kombination durchgeführt werden. Ziel ist dabei, Beweglichkeit deutlich eingeschränkt. Häufiger den Patienten schmerzfrei zu operieren sowie eine kommen aber ungekoppelte oder teilgekoppelte möglichst rasche Mobilisierung nach der Operation Oberflächenersatzprothesen zum Einsatz. Diese Art zu ermöglichen und in der frühen Rehabilitations- der Endoprothesen erfordert eine ausreichende phase die Schmerzen möglichst gering zu halten Funktionalität des patienteneigenen Bandappara- (Claes et al. 2012, Wirtz 2011). tes. Das künstliche Knie wird häufig zementiert ver- ankert, aber auch hier ist die zementfreie oder hyb- ride Fixation möglich (Wirtz 2011). 1.3.3 Einflussfaktoren Die Lagerung bei der Knieendoprothesen-Im- auf den Behandlungserfolg plantation ist darauf ausgelegt, einen häufigen Lage- und Komplikationen wechsel des Beines zu ermöglichen, da die einzel- nen Schritte die Beweglichkeit der Extremitäten Eine Reihe von Faktoren beeinflusst den Behand- erfordern. Daher kommen Rollen oder spezielle lungserfolg von Gelenkersatzverfahren (. Abb. 1.4). Halterungen zum Einsatz, mithilfe derer das Bein Neben dem Implantatdesign und dem Operations- um 90° aufgerichtet werden kann (Wirtz 2011). hergang bringt der Patient selbst eine Reihe von Zu den unterschiedlichen Zugängen sowohl am Faktoren mit, die Einfluss auf das Ergebnis nach Hüft- als auch am Kniegelenk gibt es eine Vielzahl Hüft- und Knie-TEP nehmen. Dazu gehören Alter, von Untersuchungen. Die substanzielle Überlegen- Geschlecht, präoperativer Arthrosegrad und Funk- heit einzelner Verfahren ist jedoch nicht bewiesen. tionsstatus. Auch Begleiterkrankungen (v. a. Über- Die in den vergangenen Jahren propagierten weni- gewicht, kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes ger-invasiven Zugänge an beiden Gelenken sollen mellitus und Störungen des Immunsystems) kön- das Ausmaß der notwendigen Weichteileröffnung nen zu peri- und postoperativen Komplikationen reduzieren, sind aber hinsichtlich der tatsächlichen führen. Schließlich spielen die soziale Deprivation, klinischen Effektivität umstritten und beinhalten psychologische Persönlichkeitsmerkmale und die zudem bei ihrer Einführung eine erhöhte Kompli- Erwartung des Patienten an den Eingriff eine Rolle kationsgefahr. Bei Revisionseingriffen an der Hüfte (Günther et al. 2015; Schäfer et al. 2010). Ein weite- beispielsweise wird häufig der bereits vorliegende rer wichtiger Erfolgsfaktor für den langfristigen Er- Erstzugang verwendet. Zudem ist hier oft eine aus- folg eines Gelenkersatzes ist die Compliance des Pa- gedehntere Darstellung von Weichteilen bzw. knö- tienten, d. h. der richtige, empfohlene Umgang des chernen Strukturen erforderlich (Claes et al. 2012; Patienten mit dem Implantat im täglichen Leben. Wirtz 2011). Vor dem Eingriff ist eine optimale präoperative Planung des Eingriffs (auch mit einer Prüfung, wel- Anästhesie che patientenseitigen Risikofaktoren ggf. modifi- Sowohl bei endoprothetischen Hüft- als auch Knie- zierbar sind) wichtig. Postoperativ trägt eine gut eingriffen kann zwischen zwei Anästhesieverfahren geplante Rehabilitationsmaßnahme (ambulant oder unterschieden werden: der Allgemeinanästhesie stationär durchführbar) zum Behandlungserfolg und der Regionalanästhesie. Die Anxiolyse, Analge- bei (Claes et al. 2012; Wirtz 2011) und spielt eine sie, Muskelrelaxation und die Sedation sind die we- wichtige Rolle für das Erreichen einer hohen sentlichen Komponenten der Allgemeinanästhesie. Implantatlebensdauer, Patientenzufriedenheit und Sie ist mit einer künstlichen Beatmung des Patien- Kosteneffizienz (Krummenauer et al. 2008; Krum- ten verbunden. Die Regionalanästhesie kann rü- menauer et al. 2006). ckenmarksnah oder als Blockade peripherer Ner- Gelenkersatzverfahren sind mit Risiken ver- ven bzw. Kompartimente mittels einmaliger Injek- bunden, die sich allgemein aus dem chirurgischen tion oder als fortgesetzte Applikation mittels Kathe- Eingriff bzw. dem Anästhesieverfahren ergeben teranlage unter Umständen auch beim wachen können oder aber mit der Einbringung eines Im- 12 Kapitel 1 · Einführung in das Indikationsgebiet und Verfahren 1 Patient Behandlung Funktionsfähigkeit und Behinderung Peri- & post-operative Maßnahmen – Funktionale und strukturelle Integrität – Aufklärung & Information bzw. Schädigung (z. B. Arthrosegrad, – Anästhesie Beweglichkeit) – Peri-op Prophylaxe (Infekt, DVT, etc.) – Beeinträchtigung von Aktivität und – Rehabilitation (medizinische/berufliche) Partizipation (z. B. Aufgaben, Mobilität, – Nachkontrollen Selbstversorgung) – ... Klinische Pfade Kontextfaktoren Implantat – Umweltfaktoren (z. B. Hilfsmittel, – Endoprothese (und ggf. Zement) Beziehungen) – Personenbezogene Faktoren (z. B. Alter, Belastung, Komorbidität) Operateur – Zugang und OP-Technik – Erfahrung – Kommunikation Ergebnis . Abb. 1.4 Einflussfaktoren auf den Behandlungserfolg. (IGES – Günther et al. 2015) plantates in Zusammenhang stehen. Die wesentli- wird bei Patienten, die Entzündungsherde an chen Risiken beim Gelenkersatz sind (Anonym, anderen Körperstellen aufweisen oder an einer Günther et al 2015): Adipositas erkrankt sind, von einem erhöhten 4 Entzündung und Vereiterung (periprothetische Infektionsrisiko ausgegangen. Durch die Gabe Infektion): Die Implantation von z. B. künst- von Antibiotika im Rahmen des Eingriffes lichen Gelenken in den Körper ist stets mit wird eine Reduzierung des Infektionsrisikos einem erhöhten Risiko für eine Entzündung angestrebt. (Infektion) verbunden, da sich Krankheitserre- 4 Blutgerinnsel (Thrombose und Embolie): Die ger (Bakterien), die von außen in den Körper Bildung eines Blutgerinnsels stellt ein grund- gelangen oder sich bereits im Körper befinden, sätzliches Risiko bei operativen Eingriffen an vornehmlich auf der Oberfläche von Fremd- Knie- und Hüftgelenken dar. Zur Vorbeugung körpern ansammeln. Ab einem gewissen Aus- einer Thrombose wird daher die Gabe anti- maß der Bakterienansammlung kann die thrombotischer Arzneimittel empfohlen. Bildung von Eiter im Bereich des Implantats 4 Nervenschäden: Im Rahmen des operativen einsetzen. Entsprechende Infektionen können Eingriffs kann es durch unbeabsichtigte sowohl kurz nach dem Eingriff (»frühe Infek- manuelle Kräfte an den beteiligten Stellen tion«) oder erst im späteren Verlauf der Trage- (Druck oder Zug) zu einer Schädigung der zeit auftreten (»späte Infektion«). Das Infek- Nerven kommen. Auch im Rahmen einer tionsrisiko unterscheidet sich zwischen einzel- Regionalanästhesie können Nerven geschädigt nen Patientengruppen. So weisen vor allem werden. Am Hüftgelenk ist die übermäßige Personen mit Erkrankungen, die mit einer Verlängerung des Beines bei angeborener Schwächung der Abwehrkräfte einhergehen, Hüftluxation ein Risikofaktor. ein erhöhtes Infektionsrisiko auf. Zu diesen Er- 4 Verletzung von Blutgefäßen und Nachblutung: krankungen zählen u. a. Diabetes mellitus oder Operative Eingriffe an einem Hüft- oder Knie- rheumatische Erkrankungen. Darüber hinaus gelenk gehen mit dem grundsätzlichen Risiko 1.3 · Materialien, Operationsverfahren und Risiken 13 1 einer Verletzung von Blutgefäßen einher, die Abrieb-Risiko auszugehen. Brüche einzelner nahe am Gelenk verlaufen. Zudem kann es Prothesenbestandteile, die in der Folge eines aufgrund der antithrombotischen Therapie Abriebs entstehen können, treten mittlerweile trotz adäquater Blutstillung zu Nachblutungen dementsprechend selten auf und sind am kommen. ehesten auf eine Lockerung der Prothese 4 Beinlängenunterschied und Auskugelung als zurückzuführen. spezifische Risiken beim Hüftgelenkersatz: 4 Allergie: Zwar ist derzeit noch unklar, ob eine Beim Hüftgelenksersatz wird stets eine gleiche Allergie gegen Prothesenbestandteile das Auf- Beinlänge angestrebt. Nichtsdestotrotz kann treten von Komplikationen begünstigt, den- durch die Operation eine Verlängerung mitun- noch werden bei Vorliegen von Allergien im ter auch eine Verkürzung des betroffenen Bei- Idealfall entsprechende Materialien vermieden. nes auftreten. Darüber hinaus besteht im An- Eine Allergie gegen z. B. Nickel liegt bei etwa schluss an den Eingriff das Risiko für eine Aus- zehn Prozent der Bevölkerung vor. kugelung, da zum einen eine identische Abbil- 4 Weiterbestehen von Beschwerden: Abseits der dung des Gelenks durch das Implantat nicht geschilderten Komplikationen können z. B. realisiert werden kann. Zum anderen erfordert Schleimbeutelentzündungen oder Sehnenrei- der Eingriff die Öffnung und teilweise die Ent- zungen dazu führen, dass nach der Operation fernung der stabilisierenden Gelenkkapsel, was weiterhin Beschwerden bestehen. Ein entspre- ebenfalls eine Auskugelung begünstigen kann. chendes Beschwerdebild wird jedoch nur bei 4 Knochenbruch: Durch den Druck, der im Rah- vergleichsweisen wenigen Patienten beobachtet. men eines solchen operativen Eingriffs not- wendigerweise zu erbringen ist, kann es selten Aufgrund eingetretener Komplikationen kann eine zu einem Knochenbruch kommen. Das Risiko neuerliche Operation bzw. Wechseloperation not- eines Knochenbruchs ist bei zementlosen Ver- wendig werden. Ein Implantatwechsel ist deutlich ankerungen höher, da hierbei im Rahmen der komplizierter als die Erstimplantation (Primärim- Einbringung in den Körper ein höherer Druck plantation), da der Chirurg mit weniger Knochen- notwendig ist. substanz auskommen muss, was Frakturen und 4 Kalkbildung in den prothesennahen Weichtei- andere Komplikationen wahrscheinlicher macht. Es len: Nach dem Eingriff kann es in den ersten gibt auch die Möglichkeit, dass ein Patient erneut Monaten zu einer Ablagerung von Kalk in den operiert werden muss, ohne dass das Implantat ge- Operationswunden kommen, welche zu einer wechselt wird oder damit nur ein Teil des künstli- verminderten Beweglichkeit sowie Schmerzen chen Gelenks ergänzt wird (Reoperation mit Ergän- führen können. Um dies zu verhindern, wird zungen). Diese Revisionen erfolgen vor allem auf- innerhalb der ersten zwei Wochen nach dem grund von Wechsel der Gleitflächen bei Hüfte und Eingriff die Gabe entzündungshemmender Knie sowie wiederkehrende Luxationen (Ausren- Arzneimittel empfohlen. Alternativ ist eine Be- kungen) bei der Hüfte. Jedoch können Luxationen strahlung der betroffenen Bereiche möglich. auch den Austausch eines Implantats bedingen, 4 Lockerung der Prothese und Materialver- sollten sie wiederholt auftreten (Claes et al. 2012, schleiß: Selten ist nach dem Eingriff das knö- Wirtz 2011). chernde Einwachsen der Prothese nicht erfolg- reich. In diesen Fällen kann ein lockerer Sitz der Prothese einen frühzeitigen Austausch der Prothese nötig machen. Im Verlauf der Trage- zeit können aufgrund von Verschleißerschei- nungen des Materials Abriebpartikel freigesetzt werden, die eine Lockerung des Implantats be- günstigen können. Bei derzeit eingesetzten Materialien ist jedoch nur von einem geringen 14 Kapitel 1 · Einführung in das Indikationsgebiet und Verfahren Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell 1 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche für nicht kommerzielle Zwecke die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, ein Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Etwaige Abbildungen oder sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende oder der Quellreferenz nichts anderes ergibt. 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RKI, Berlin www.rki.de/geda (Stand: 25.10.2014) 17 2 Häufigkeit endoprothetischer Hüft- und Knieoperationen Florian Rothbauer, Ute Zerwes, Hans-Holger Bleß, Miriam Kip 2.1 Datenbasis – 18 2.2 Inanspruchnahme Ersteingriffe – 21 2.3 Inanspruchnahme Wechseleingriffe und Revisionen – 23 2.4 Regionale Verteilung – 25 2.5 Mengenentwicklung – 29 2.5.1 Ersteingriffe – 29 2.5.2 Wechseleingriffe und Revisionen – 31 2.6 Internationaler Vergleich – 34 Literatur – 41 H.-H. Bleß, M. Kip (Hrsg.), Weißbuch Gelenkersatz, DOI 10.1007/978-3-662-53260-7_2, © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en) 2017 18 Kapitel 2 · Häufigkeit endoprothetischer Hüft- und Knieoperationen Zusammenfassung Die endoprothetische Hüft- oder Knieoperation ist Die jährliche Operationshäufigkeit endprothetischer eine wirksame Therapie für Patienten mit erhebli- Hüft- und Knieersteingriffe in der Bevölkerung ist sta- cher (drohender), dauerhafter eingeschränkter 2 bil und hat seit 2007 nicht zugenommen. Sie beträgt Funktionalität des Gelenkes aufgrund von Destruk- für Hüftersteingriffe in der Altersgruppe der über tion und Schmerzen, die anders nicht mehr behan- 70-Jährigen 1,1% (2007 und 2014) und für Knieerst- delbar sind, sowie für die Behandlung gelenknaher eingriffe 0,7% (2007) bzw. 0,6% (2014). Die Opera- Frakturen. Die verschiedenen Gelenkersatzverfah- tionshäufigkeit bezogen auf die Gesamtbevölkerung ren sollen eine gute Funktionalität, Belastbarkeit betrug 2014 0,26% (Hüfte) bzw. 0,19% (Knie). In und Lebensqualität wiederherstellen. Die Betrach- Deutschland waren 2014 rund 219.000 Hüft- und tung der Häufigkeit (Inanspruchnahme) ist dabei rund 149.000 Knieersteingriffe dokumentiert. Am eine wichtige Komponente für die Versorgungspla- häufigsten wird ein Totalersatz des entsprechenden nung im ambulanten und stationären Bereich, zur Gelenkes vorgenommen. Rund 40 % der endopro- Abschätzung des Bedarfs und Folgebedarfs z. B. an thetischen Hüft- oder Knieersteingriffe fallen in die rehabilitativen Maßnahmen und Allokationsfragen. Altersgruppe 70–79 Jahre; Frauen sind häufiger Das folgende Kapitel stellt die Inanspruchnahme betroffen als Männer (Verhältnis 2:1). Die absolute von Hüft- und Kniegelenkersatz insgesamt und dif- Anzahl vorgenommener Wechseleingriffe (inklusive ferenziert nach Alter und Geschlecht sowie nach Revisionen ohne Wechsel) betrug 2014 rund 30.000 Art und Verankerungstechnik in Deutschland dar. (Hüfte) bzw. 20.000 (Knie). Die Anzahl der Wechsel- Die Darstellung unterscheidet zwischen Erst- und eingriffe eines Jahres steht nicht zwangsläufig in Wechseleingriffen. Des Weiteren wird auf regionale direktem Bezug zu den Ersteingriffen desselben Jah- Verteilungsunterschiede und die zeitliche Entwick- res. Die Anzahl der Wechseleingriffe ist vielmehr in lung der Inanspruchnahme in Deutschland und im Relation zur kumulierten Anzahl an endoprotheti- internationalen Vergleich eingegangen. schen Ersteingriffen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu sehen. Wie bei den Ersteingriffen fallen rund 40 % der Wechseleingriffe in die Altersgruppe der 70- bis 2.1 Datenbasis 79-Jährigen; der Geschlechterunterschied ist aber im Vergleich weniger deutlich ausgeprägt. Die Klassifikation nach dem Operationen- und Pro- Auch die Operationshäufigkeit vorgenommener zedurenschlüssel (OPS) ermöglicht für die statio- Hüft- und Kniewechseleingriffe (inklusive Revisionen näre Versorgung eine differenzierte Betrachtung ohne Wechsel) hat bezogen auf die Bevölkerung im der jährlich erbrachten Erstoperationen und Wech- Zeitraum 2007-2014 nicht zugenommen. Bei den seloperationen von Hüft- und Kniegelenkersatzver- über 70-Jährigen betrug die Häufigkeit vorgenom- fahren in Deutschland. Der OPS wird im deutschen mener Wechseleingriffe (inklusive Revisionen ohne Gesundheitssystem in erster Linie zu administrati- Wechsel) in 2014 0,19 % (Hüfte) bzw. 0,10 % (Knie). ven Zwecken für die Identifikation von im Kran- Die jährliche Inanspruchnahme endoprothetischer kenhaus am Patienten erbrachten Leistungen ver- Hüft- und Knieersteingriffe variiert international. wendet. Auch innerhalb Deutschlands gibt es regionale Unter- Im Abschnitt 5-82 des OPS ist der Knochen- schiede, wie Auswertungen der gesetzlichen Kran- und Gelenkersatz klassifiziert (. Tab. 2.1). Die Ko- kenversicherung aus dem Zeitraum 2005–2011 er- diersystematik erlaubt zuverlässig eine Unterschei- gaben. Eine vergleichsweise geringe Inanspruch- dung zwischen Ersteingriff, Revision, Wechsel oder nahme war insbesondere mit einem niedrigen Vor- Entfernung von Hüftgelenken (5-820/5-821) und kommen der Arthrose, einem niedrigen Sozialstatus, Kniegelenken (5-822/5-823). Weiterhin sind das einer hohen Facharztdichte (Orthopäde) und dem Alter und das Geschlecht der Patienten ausgewie- Wohnort des Patienten im städtischen Raum asso- sen. Die OPS 5-820 und 5-822 dokumentieren die ziiert. erstmalige endoprothetische Versorgung (Erstein- griffe) des Hüft- bzw. des Kniegelenkes. Die OPS 5-821 bzw. 5-823 und deren weiter differenzierende 2.1 · Datenbasis 19 2 . Tab. 2.1 Klassifikation gemäß OPS OPS Beschreibung OPS Beschreibung Hüfte: Ersteingriff 5-820.0 Totalendoprothese 5-820.2 Totalendoprothese, Sonderprothese 5-820.3 Femurkopfprothese 5-820.4 Duokopfprothese 5-820.5 Gelenkpfannenstützschale 5-820.7 Gelenkschnapp-Pfanne 5-820.8 Oberflächenersatzprothese 5-820.9 Kurzschaft-Femurkopfprothese 5-820.x Sonstige 5-820.y N. n. bez. Hüfte: Wechseleingriffe und Revision 5-821.0 Revision (ohne Wechsel) 5-821.1 Wechsel einer Femurkopfprothese 5-821.2 Wechsel einer Gelenkpfannenprothese 5-821.3 Wechsel einer zementierten Totalendoprothese 5-821.4 Wechsel einer nichtzementierten 5-821.5 Wechsel einer Totalendoprothese, hybrid Totalendoprothese 5-821.6 Wechsel einer Totalendoprothese, 5-821.7 Entfernung einer Totalendoprothese Sonderprothese 5-821.8 Entfernung einer Femurkopfprothese 5-821.9 Entfernung einer Duokopfprothese 5-821.a Entfernung einer Femurkopfkappe 5-821.b Entfernung einer Gelenkpfannenprothese 5-821.c Entfernung einer Gelenkpfannenstütz- 5-821.d Entfernung einer Gelenkschnapp-Pfanne schale 5-821.e Entfernung einer Totalendoprothese, 5-821.f Wechsel einer Duokopfprothese Sonderprothese 5-821.g Wechsel einer Oberflächenersatzprothese 5-821.h Entfernung einer Oberflächenersatzprothese 5-821.j Wechsel einer schenkelhalserhaltenden 5-821.k Entfernung einer schenkelhalserhaltenden Femurkopfprothese (Kurzschaft-Femur- Femurkopfprothese (Kurzschaft-Femurkopf- kopfprothese) prothese) 5-821.x Sonstige 5-821.y N. n. bez. Knie: Ersteingriff 5-822.0 Unikondyläre Schlittenprothese 5-822.1 Bikondyläre Oberflächenersatzprothese, ungekoppelt, ohne Patellaersatz 5-822.2 Bikondyläre Oberflächenersatzprothese, 5-822.3 Bikondyläre Oberflächenersatzprothese, ungekoppelt, mit Patellaersatz teilgekoppelt, ohne Patellaersatz 5-822.4 Bikondyläre Oberflächenersatzprothese, 5-822.6 Scharnierendoprothese ohne Patellaersatz teilgekoppelt, ohne Patellaersatz 5-822.7 Scharnierendoprothese mit Patellaersatz 5-822.8 Patellaersatz 5-822.9 Sonderprothese 5-822.a Endoprothese mit erweiterter Beugefähig- keit, ohne Patellaersatz 5-822.b Endoprothese mit erweiterter Beugefähig- 5-822.c Interpositionelles nicht verankertes Implantat keit, mit Patellaersatz 5-822.d Bikompartimentelle Teilgelenkersatz- 5-822.e Bikompartimentelle Teilgelenkersatzprothese, prothese, ohne Patellaersatz mit Patellaersatz 20 Kapitel 2 · Häufigkeit endoprothetischer Hüft- und Knieoperationen . Tab. 2.1 (Fortsetzung) OPS Beschreibung OPS Beschreibung 2 5-822.f Implantation eines endoprothetischen 5-822.x Sonstige Gelenkersatzes ohne Bewegungsfunktion 5-822.y N. n. bez. Knie: Revision und Wechseleingriff 5-823.0 Revision (ohne Wechsel) 5-832.1 Wechsel einer unikondylären Schlitten- prothese 5-823.2 Wechsel einer bikondylären Schlitten- 5-823.3 Wechsel einer Scharnierendoprothese prothese 5-823.4 Wechsel einer Sonderprothese 5-823.5 Wechsel eines Patellaersatzes 5-823.6 Entfernung einer unikondylären Schlitten- 5-823.7 Entfernung einer bikondylären Oberflächen- prothese ersatzprothese 5-823.8 Entfernung einer Scharnierendoprothese 5-823.9 Entfernung eines Patellaersatzes 5-823.a Entfernung einer Sonderprothese 5-823.b Wechsel einer Endoprothese mit erweiterter Beugefähigkeit 5-823.c Wechsel eines interpositionellen nicht 5-823.d Entfernung einer Endoprothese verankerten Implantates mit erweiterter Beugefähigkeit 5-823.e Entfernung eines interpositionellen nicht 5-823.f Wechsel einer bikompartimentellen verankerten Implantates Teilgelenkersatzprothese 5-823.g Entfernung einer bikompartimentellen 5-823.h Wechsel eines endoprothetischen Teilgelenkersatzprothese Gelenkersatzes ohne Bewegungsfunktion 5-823.j Entfernung eines endoprothetischen 5-823.x Sonstige Gelenkersatzes ohne Bewegungsfunktion 5-823.y N. n. bez. Quelle: IGES – DIMDI (2015) Unterschlüssel setzen einen vorausgehenden endo- thesenmaterials oder ob ein Eingriff geplant oder als prothetischen Eingriff am selben Gelenk voraus, Notfall durchgeführt werden musste. Ebenfalls bezeichnen also die Wechseleingriffe und Revisio- nicht möglich ist die Ermittlung der Haltbarkeit von nen (Zweit- oder Folgeeingriffe). Endoprothesen (Standzeit) aufgrund der Daten des Das Statistische Bundesamt macht die Nutzung Statistischen Bundesamtes, da zwischen dem Ein- der OPS gemäß § 21 des Gesetzes über die Entgelte und Ausbau der Endoprothese beim einzelnen Pa- für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen tienten kein Zusammenhang hergestellt werden öffentlich zugänglich. Die Daten können nur fallbe- kann. Auch eine Verbindung zu der zugrunde lie- zogen und nicht patientenbezogen abgerufen wer- genden Indikation (Arthrose, Frakturen, andere den, d. h., die Anzahl der Fälle entspricht nicht (un- Ursachen) kann auf Basis des Datensatzes des Sta- bedingt) der Anzahl der Patienten. Zweizeitig tistischen Bundesamtes nicht abgebildet werden. durchgeführte Eingriffe werden dabei als zwei Fälle Zwar wird eine Kopplung von Diagnose und Proze- dokumentiert, mit der Folge von Mehrfachzählun- dur grundsätzlich von den Krankenhäusern an die gen einzelner Patienten. Krankenkassen sowie das Institut für das Entgelt- Nicht möglich ist die statistische Auswertung system im Krankenhaus (InEK) gemeldet, öffent- des operativen Zugangs, des verwendeten Endopro- lich ist die Kombination dieser Daten jedoch nicht 2.2 · Inanspruchnahme Ersteingriffe 21 2 9,0% Teilgelenkersatz nicht zementiert 22,1% (n=19.016) Teilgelenkersatz zementiert 17,7% (n=37.170) Totalersatz nicht zementiert (n=107.727) Totalersatz zementiert (n=46.432) OPS 5-820*, n gesamt= 210.384 51,2% . Abb. 2.1 Verteilung der Inanspruchnahmen (n = 210.384) eines Hüftgelenkersatzes (OPS 5-820.*) differenziert nach Total- und Teilersatz und Verankerung (2013). (IGES – Statistisches Bundesamt 2014) zugänglich. Des Weiteren sind andere für die Be- 2.2 Inanspruchnahme Ersteingriffe schreibung der Indikation notwendige klinische Parameter wie Schmerzen, Funktionalität oder Le- Ausgehend von Daten des Statistischen Bundesam- bensqualität nicht abgebildet. Auswertungen des tes wurden im Jahr 2014 insgesamt 219.325 und in deutschen Endoprothesenregisters (EPRD) können 2013 insgesamt 210.384 endoprothetische Hüft- in Zukunft Aufschluss über diese Zusammenhänge ersteingriffe durchgeführt (absolute Anzahl). Von (z. B. Indikation und Prozedur) geben (7 Kap. 4). Da den in 2013 210.384 vorgenommenen Hüfterstein- das Risiko für einen Gelenkersatz nicht gleicherma- griffen waren 154.159 (73,3 %) Totalendoprothesen ßen über alle Bevölkerungs- und Altersgruppen (TEP) und 56.225 (26,7 %) Teilendoprothesen. verteilt ist, gilt, dass belastbare Aussagen zu Unter- 60,2 % (126.743 Fälle) aller Hüftendoprothesen schieden in der Häufigkeit (z. B. bei regionalen oder wurden zementfrei implantiert (Statistisches Bun- internationalen vergleichenden Betrachtungen) nur desamt 2014) (. Abb. 2.1). Bezogen auf den Bevöl- nach Adjustierung oder Standardisierung der jewei- kerungsstand (Stichtag 31.12.2014) betrug die OP- ligen Datenbasis hinsichtlich beeinflussender Häufigkeit in 2014 0,26 % (eigene Berechnung, Merkmale, wie z. B. Alter und Geschlecht, vorge- Statistisches Bundesamt 2014, Statistisches Bundes- nommen werden können. Regionale Auswertungen amt 2015). von Krankenkassendaten (z. B. Schäfer et al. 2013; Die absolute Anzahl der Ersteingriffe am Knie Lüring et al. 2013) berichten in der Regel nach der betrug im Jahr 2014 149.126 und in 2013 143.024. Bevölkerungsstruktur standardisierte Häufigkeiten. Von den in 2013 durchgeführten 143.024 durchge- Des Weiteren sollte bei vergleichenden Betrachtun- führten Knieersteingriffen waren 84 % der Eingriffe gen die gleiche Erhebungsmethodik Anwendung ein bikondylärer Ersatz (. Abb. 2.2). Die OP-Häu- finden, um gut belastbare Aussagen machen zu figkeit bezogen auf die Gesamtbevölkerung (Bevöl- können. In Darstellungen patientenbezogener Da- kerungsstand 2014, Stichtag 31.12.2014) lag beim ten der OECD zur Häufigkeit endoprothetischer Kniegelenkersatz bei 0,19 % in 2014 (eigene Berech- Hüft- und Knieoperationen im internationalen Ver- nung, Statistisches Bundesamt 2014, Statistisches gleich sind diese Aspekte in aller Regel nicht ausrei- Bundesamt 2015). Im Gegensatz zu den Ersteingrif- chend berücksichtigt (7 Kap. 6). fen der Hüfte wurde beim Knie bei einem Großteil 22 Kapitel 2 · Häufigkeit endoprothetischer Hüft- und Knieoperationen 0,4% 0,3% 0,9% 2 13,5% 9,2% 9,6% TEP zementiert (n=94.466) TEP nicht zementiert (n=13.723) 66,0% TEP hybrid (n=13.141) Teilgelenkersatz zementiert (n=19.318) Teilgelenkersatz nicht zementiert (n=1.304) Teilgelenkersatz hybrid (n=617) Andere (inkl. nicht verankert) (n=455) . Abb. 2.2 Verteilung der Inanspruchnahme (absolute Anzahl, n = 143.024) endoprothetischer Knieersteingriffe (OPS 5-822.*) differenziert nach Total- und Teilersatz und Verankerung (2013). (IGES – Statistisches Bundesamt 2014) 35.000 30.000 25.000 Anzahl 20.000 15.000 10.000 5.000 0 10-14 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 90-94 95+ 1-4 5-9 Alter (Jahre) Hüfte: Totalersatz Hüfte: Teilersatz Knie: Totalersatz Knie: Teilersatz . Abb. 2.3 Inanspruchnahme (absolute Anzahl) von endoprothetischen Hüft- und Knieersteingriffen differenziert nach Total- und Teilersatz und Altersgruppen (2013). (IGES – Statistisches Bundesamt 2014) 2.3 · Inanspruchnahme Wechseleingriffe und Revisionen ohne Wechsel 23 2 der Erstoperationen (79,6 %) eine zementierte Ver- (Durchschnittsalter 65,8 Jahre). Die Anzahl der Pa- ankerung des Gelenkersatzes durchgeführt. Eine tienten, die einen Teilgelenkersatz der Hüfte erhal- komplett zementfreie Verankerung war bei 10,5 % ten, ist wiederum unter den 85- bis 89-Jährigen am und die hybride/teilzementierte Verankerung bei höchsten. In dieser Altersgruppe sind insgesamt 9,6 % der Eingriffe dokumentiert (Statistisches Bun- mehr Fälle von Hüftersteingriffen mit Teilendopro- desamt 2014). thesen im Vergleich zu Totalendoprothesen doku- Gut 65 % der Ersteingriffe an der Hüfte oder am mentiert. Dies ist vor allen Dingen in der hohen Knie in der Bevölkerung über 60 Jahre betrafen Prävalenz von Schenkelhalsfrakturen begründet, Frauen (Statistisches Bundesamt 2014). Ein höherer die in dieser Altersgruppe besonders häufig vor- Anteil an weiblichen Patienten in der Hüft- und kommen und hauptsächlich mit Teilendoprothesen Knieendoprothetik ist auch an anderer Stelle gut do- versorgt werden (7 Abschn. 1.2.1 und 7 Abschn. kumentiert (Braun 2013; Lüring et al. 2013). Bedingt 1.2.2) (. Abb. 2.3) (Statistisches Bundesamt 2014). ist der höhere Anteil an weiblichen Patienten unter Auch hinsichtlich der Verankerungstechnik ist anderem durch die höhere Prävalenz der Arthrose ein Zusammenhang zum Alter der Patienten zu (häufigste Indikation für einen endoprothetischen beobachten: Der Anteil an Hüft-TEP mit Zementie- Hüft- oder Knieeingriff) sowie die signifikant höhe- rungen im Vergleich zu Hüft-TEP ohne Zementie- re Lebenserwartung von Frauen (Rabenberg 2013). rung nimmt mit zunehmendem Alter der Patienten Die Inanspruchnahme der Ersteingriffe ist zu (Statistisches Bundesamt 2014). deutlich mit dem Alter der Patienten assoziiert: Rund 40 % der in Deutschland dokumentierten en- doprothetischen Hüft- oder Knieersteingriffe fallen 2.3 Inanspruchnahme Wechsel- in die Altersgruppe 70–79 Jahre (. Abb. 2.3). Das eingriffe und Revisionen ohne Durchschnittsalter bei Erstoperationen einer Hüft- Wechsel oder Knie-TEP betrug 2013 69,7 bzw. 69,2 Jahre. Patienten, die einen Teilgelenkersatz am Knie er- Gemäß Statistischem Bundesamt wurden in 2014 hielten, waren im Durchschnitt etwas jünger insgesamt 35.133 und in 2013 insgesamt 31.067 6.000 5.000 4.000 Anzahl 3.000 2.000 1.000 0 + 4 4 9 9 4 9 9 4 4 9 4 9 4 9 9 4 4 4 9 -2 -5 -1 -5 -6 -7 -8 -8 -1 -2 95 -3 -3 -4 -4 -6 -7 -9 1- 5- 20 50 15 55 60 75 85 80 10 25 30 35 40 45 65 70 90 Alter (Jahre) Knie: Wechseleingriffe insgesamt Hüfte: Wechseleingriff Teilersatz Hüfte: Wechseleingriff Totalersatz . Abb. 2.4 Inanspruchnahme (absolute Anzahl) von Wechseleingriffen inklusive Revisionen ohne Wechsel differenziert nach Art und Altersgruppe (2013). (Quelle: IGES – Statistisches Bundesamt 2014) 24 Kapitel 2 · Häufigkeit endoprothetischer Hüft- und Knieoperationen Hüft- und 21.678 Kniewechseleingriffe (inklusive . Tab. 2.2 Inanspruchnahme (absolute Anzahl) von Revisionen ohne Wechsel) durchgeführt (absolute Wechseleingriffen und Revisionen am Hüft- und Knie- Anzahl). Bezogen auf den Bevölkerungsstand gelenk (2013) 2 (Stichtag 31.12.2014), entsprach dies einer OP-Häu- figkeit von 0,04 % (Hüfte) bzw. 0,06 % (Knie) in Beschreibung Häufigkeit 2014 (eigene Berechnung, Statistisches Bundesamt Hüftgelenk n % 2014, Statistisches Bundesamt 2015). 3.784 Fälle bzw. 3.213 der Fälle in 2013 waren Revisionen ohne Totalersatz Wechsel von Teilen an der Hüfte bzw. am Knie. Re- Wechsel Totalendoprothese 4.537 14,6 visionen ohne Wechsel machten somit rund 12 % (nichtzementiert) bzw. 16 % aller dokumentierten Hüft- bzw. Knie- Wechsel Totalendoprothese 2.325 7,5 wechseleingriffe eines Jahres (2013) aus. Der Ersatz (zementiert) einer Gelenkpfannenprothese (Teilersatz) bzw. die Wechsel Totalendoprothese 871 2,8 bikondyläre Oberflächenersatzprothese waren die (teilzementiert) am häufigsten durchgeführten Wechseleingriffe am Wechsel Sonderprothese 837 2,7 Hüft- bzw. Kniegelenk (. Tab. 2.2) (Statistisches Bundesamt 2014). Teilersatz Die höchste Anzahl durchgeführter Wechselein- Wechsel Gelenkpfannenprothese 12.473 40,1 griffe und Revisionen (Total- und Teilersatz) betrifft Wechsel Femurkopfprothese 4.859 15,6 in 2013 die Altersgruppe 75–79 Jahre. 40 % aller Wechseleingriffe und Revisionen an der Hüfte und Wechsel Duokopfprothese 941 3,0 am Knie betreffen die Altersgruppe 70–79 Jahre. Wechsel Oberflächenersatz- 221 0,7 2013 lag das Durchschnittsalter der Patienten bei prothese Wechseleingriffen und Revisionen der Hüfte bei Wechsel schenkelhalserhaltende 219 0,7 72,5 Jahren und des Knies bei 69 Jahren und ist dabei Femurkopfprothese etwas höher als das Durchschnittsalter der Patienten Revision (ohne Wechsel) 3.784 12,2 bei Ersteingriffen (. Abb. 2.4) (Statistisches Bundes- Wechseleingriffe und Revisionen 31.067 100 amt 2014). Gesamt Die absolute Anzahl für Wechsel- und Revi- Kniegelenk n % sionseingriffe liegt wie für Ersteingriffe bei Frauen über der bei Männern. Wenn man beachtet, dass die bikondyläre Oberflächenersatz- 11.290 55,4 absolute Häufigkeit der Ersteingriffe bei Männern prothese im Vergleich zu Frauen deutlich geringer ausfällt, Wechsel unikondyläre Schlitten- 2.317 11,4 wird bei Männern vergleichsweise häufiger eine prothese Revision- oder ein Wechseleingriff durchgeführt Wechsel Scharnierendoprothese 1.222 6,0 (. Abb. 2.5). Wechsel Endoprothese mit 699 3,4 Ein direkter Bezug der in Anspruch genomme- erweiterter Beugefähigkeit nen Wechseleingriffe zu den Ersteingriffen dessel- Wechsel Sonderprothese 533 2,6 ben Jahres kann allerdings nicht hergestellt werden; aufgrund der mittleren Standzeiten der Endopro- Wechsel bikompartimentelle 459 2,3 Teilgelenkersatzprothese thesen ist die Anzahl der Wechseleingriffe in Rela- tion zur kumulierten Anzahl an Ersteingriffen der Wechsel Patellaersatz 439 2,2 letzten Jahre und Jahrzehnte zu setzen. Aspekte zur Andere 212 1,0 Bewertung der Häufigkeit von Wechseleingriffen Revision (ohne Wechsel) 3.213 15,8 (inklusive Revisionen ohne Wechsel) werden im Expertenkapitel ausgeführt (7 Kap. 6). Gesamt 20.384 100 Quelle: IGES – Statistisches Bundesamt (2014) 2.4 · Regionale Verteilung 25 2 Wechsel von TEP (Hüfte) Wechsel von Teilersatz, Wechsel von TEP-Teilen (Hüfte) R ision (ohne Wechsel) (Hüfte) Rev Wechsel von TEP (Knie) Wechsel von Teilersatz, Wechsel von TEP-Teilen (Knie) Revision (ohne Wechsel) (Knie) 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 Anzahl Männlich h Weiblich . Abb. 2.5 Inanspruchnahme (absolute Anzahl) von Gelenkersatzverfahren am Hüft- und Kniegelenk differenziert nach Wechseleingriffen inklusive Revisionen ohne Wechsel und Geschlecht (2013). (IGES – Statistisches Bundesamt 2014) 2.4 Regionale Verteilung ebenfalls deutliche regionale Schwankungen auf Länderebene (78,4 %): Die niedrigste Eingriffsrate Auf Basis von Abrechnungsdaten (Sekundärdaten) war ebenfalls in Berlin zu beobachten (90). Am häu- von AOK-Versicherten unter Einbezug von 24 Mil- figsten wurde in der Studienpopulation eine Knie- lionen Versicherten der Jahre 2005–2009 wurde die TEP in Bayern erstmalig eingesetzt (160). Werden regionale Verteilung in der Hüft- und Kniegelenk- nach Ausschluss der Stadtstaaten nur die Flächen- ersatzversorgung von Schäfer et al. auf Länder- länder betrachtet, liegen die niedrigsten Eingriffs- und Kreisebene untersucht. Die Autoren errechne- raten an der Hüfte in Sachsen-Anhalt (143) und am ten altersstandardisierte Operationsraten (Erstein- Knie in Mecklenburg-Vorpommern (109) und die griffe an der Hüfte und am Knie bezogen auf 100.000 höchsten in Bayern, Niedersachsen und Schleswig- Versicherte pro Jahr). Es wurden ausschließlich Holstein bzw. Thüringen (Schäfer et al. 2013). TEP berücksichtigt. Die Raten wurden altersstan- Auf Kreisebene zeigten sich anhand der AOK- dardisiert (Europastandard) errechnet, um Verzer- Erhebung ebenfalls große Unterschiede. Die nied- rungen aufgrund demographischer Unterschiede rigste Eingriffsrate an der Hüfte (gemittelter Wert zwischen den Regionen zu minimieren und um die für den Zeitraum 2005 bis 2009) lag bei 106 Fällen Ergebnisse regional und mit anderen Studien mit (Kreis Neustadt an der Weinstraße), der höchste demselben Vergleichsstandard vergleichbar zu ma- Wert lag bei 216 Fällen pro 100.000 Versicherte chen (Schäfer et al. 2013). (Neustadt an der Aisch). Auch auf Kreisebene sind Insgesamt wurden 2009 148 Hüft- und 132 Knie- die regionalen Unterschiede in der Inanspruchnah- erstoperationen pro 100.000 AOK-Versicherten me von TEP am Knie größer ausgeprägt als bei den durchgeführt. Auf der Ebene der Bundesländer zeig- Hüftverfahren (Schäfer et al. 2013). ten sich hier deutliche Unterschiede: Die niedrigste Ein Report der Deutschen Gesellschaft für Or- Eingriffsrate an der Hüfte wurde in Berlin mit 120 thopädie und Orthopädische Chirurgie im Auftrag und die höchste in Niedersachsen mit 168 doku- der Bertelsmann Stiftung zu regionalen Unterschie- mentiert. Dies entspricht einem Unterschied von ca. den und deren Einflussfaktoren mit dem Schwer- 40 % (. Abb. 2.6). Die Eingriffsraten am Knie zeigten punkt Knieendoprothetik berichtete ebenfalls deut- 26 Kapitel 2 · Häufigkeit endoprothetischer Hüft- und Knieoperationen Altersstand. Eingriffsrate pro 100.000 Personen 180 160 2 140 120 100 80 60 40 20 0 Bundesland . Abb. 2.6 Altersstandardisierte Eingriffsraten pro 100.000 AOK-Versicherte in 2009, Erstoperation Hüftgelenkersatz. (Quelle: IGES – Schäfer et al. 2013) liche regionale Unterschiede in der Verteilung in sche Status und der städtische Raum. Je geringer die Anspruch genommener Kniegelenkersatzverfahren regionale Dichte an Orthopäden und je höher der (. Abb. 2.7). Der Auswertung lagen ebenfalls Ab- sozioökonomische Status in der Region waren, umso rechnungsdaten von AOK-Versicherten, allerdings häufiger wurden TEP von Versicherten, die in dieser aus dem Zeitraum 2005–2011, zugrunde. Auch in Region wohnhaft waren, in Anspruch genommen. dieser Untersuchung waren im Jahr 2011 in Bayern Im Vergleich zu ländlichen Regionen wurden TEP in die altersstandardisierten Inanspruchnahmen von den städtischen Regionen deutlich seltener durchge- Kniegelenkersatzverfahren am höchsten und in führt (Schäfer et al. 2013). Berlin am niedrigsten. Überdurchschnittlich hohe . Abb. 2.8 zeigt die von Lüring et al. errechneten Steigerungsraten von 2005–2011 sind der Berech- altersstandardisierten Eingriffsraten pro 100.000 nung zufolge außerdem an Patienten in den Bun- Einwohner in 2011 für Wechseleingriffe am Knie, desländern Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, unterschieden nach Wohnort-Bundesland der Pa- Bayern, Thüringen, Hamburg, Hessen und Berlin tienten, sowie den Bundesdurchschnitt als Ver- zu beobachten (Lüring et al. 2013). gleich. Wechseleingriffe waren dabei definiert als Insgesamt wurde für beide Gelenkersatzverfah- „alle erneuten Operationen am gleichen Kniege- ren eine im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt lenk«. niedrigere Inanspruchnahme in den Regionen Ost- Die Analyse zeigt, dass in 2011 bezogen auf die deutschlands festgestellt (mit der Ausnahme von Einwohnerzahl die meisten Wechseleingriffe am Thüringen) (Schäfer et al. 2013). Knie bei Patienten in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Die Inanspruchnahme korrelierte dabei mit der Bayern und Niedersachsen erfolgten. Patienten in Erkrankungshäufigkeit (Prävalenz) der Arthrose. In Mecklenburg-Vorpommern wiesen die geringste Regionen mit einem hohen Vorkommen wurde eine Eingriffsrate auf. vergleichsweise höhere Inanspruchnahme von Hüft- In . Abb. 2.9 wird deutlich, dass die Eingriffs- und Knie-TEP beobachtet. Weitere erklärende Vari- raten in den letzten 10 Jahren teils beachtliche Stei- ablen für die Inanspruchnahme waren die Facharzt- gerungen in den Bundesländern aufweisen. Die dichte (Orthopäden), der regionale sozialökonomi- Abbildung unterscheidet allerdings Steigerungs- 2.4 · Regionale Verteilung 27 2 180 30% 160 25% Eingriffsrate pro 100.000 Personen 140 120 20% Anteil (%) 100 15% 80 60 10% 40 5% 20 0 0% Bundesland Altersstandardisierte Eingriffsrate pro 100.000 Einwohner, 2011 Steigerungsrate 2005-2011, % . Abb. 2.7 Altersstandardisierte Eingriffsraten pro 100.000 AOK-Versicherte in 2011, Erstimplantationen am Knie, nach Wohnort-Bundesland sowie im Bundesdurchschnitt, mit Steigerungsraten der Eingriffszahlen, 2005–2011. (Quelle: IGES – Lüring et al. 2013) raten zwischen 2005 und 2008 sowie 2008 und Es werden vielfältige Gründe für die Unter- 2011, um zu verdeutlichen, dass im früheren Zeit- schiede in der Häufigkeit der Versorgung diskutiert: raum der Anstieg der Eingriffsraten im Vergleich Ein regional unterschiedlicher Zugang zur Kran- zum späteren Zeitraum (mit Ausnahme von Bre- kenhausversorgung wird in Betracht gezogen, eben- men) deutlich größer ausfiel. In den Jahren ab 2008 so erfolgt eine Verzerrung durch ein Auseinander- sind tendenziell niedrigere Steigerungsraten zu fallen von Wohnort und Operationsort. Auch Un- sehen und in einigen Bundesländern sogar rück- terschiede in der Erlösstruktur sowie Fehlanreize läufige Raten (Lüring et al. 2013). durch das Vergütungssystem stehen in der Diskus- Südöstlich gelegene Bundesländer zeigen damit sion, regionale Unterschiede zu begünstigen. Die fast durchgängig höhere Operationsraten als jene Autoren verweisen jedoch ausdrücklich auf die im Nordosten. Auf Kreisebene werden noch stärke- Position, dass in der Vergangenheit beobachtete re Unterschiede beobachtet. Bei Primärimplanta- Fallzahlsteigerungen, die nicht auf demographische tion wird im Landkreis mit der höchsten Implanta- Verschiebungen zurückzuführen sind, nicht alleine tionsrate 2,9-mal häufiger ein künstliches Knie im- auf monetäre Fehlanreize reduziert werden sollten plantiert als im Kreis mit der niedrigsten Rate. Für (Lüring et al. 2013). Insgesamt ist die Datengrund- die Revision beträgt die größte Variation zwischen lage aber nicht ausreichend, kausale Zusammen- zwei Kreisen maximal das 4,9-Fache (Lüring et al. hänge herzustellen (Lüring et al. 2013). 2013). 28 Kapitel 2 · Häufigkeit endoprothetischer Hüft- und Knieoperationen 25 Altersstandard. Rate von 20 2 pro 100.000 Personen Wechseleingriffen 15 10 5 0 Bundesland . Abb. 2.8 Altersstandardisierte Eingriffsraten pro 100.000 Einwohner für Wechseleingriffe am Knie, nach Wohnort-Bundes- land sowie im Bundesdurchschnitt (2011). (Quelle: IGES – Lüring et al. 2013) 120% 100% Veränderung (%) 80% 60% 40% 20% 0% -20% Rheinland-Pfalz Deutschland Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Nordrhein-Westfalen Saarland Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Schleswig-Holstein Bundesland 2005-2008 2008-2011 . Abb. 2.9 Veränderungsraten der altersstandardisierten Wechseleingriffsraten (Knie), 2005–2008 und 2008–2011. (Quelle: IGES – Lüring et al. 2013) 2.5 · Mengenentwicklung 29 2 2.5 Mengenentwicklung le in 2014. Im Jahr 2009 wurde mit 159.137 Knie- Erstimplantationen ein Niveau erreicht, das sich in 2.5.1 Ersteingriffe den Jahren 2010 und 2011 kaum veränderte, sich aber danach verringerte. Im Jahr 2013 wurden 7,6 % Seit 2007 nimmt die absolute Anzahl endoprotheti- weniger Ersteingriffe am Knie durchgeführt als 2008 scher Hüft- und Knieersteingriffe entsprechend der bzw. 10,1 % weniger Ersteingriffe (absolut Anzahl) als Zunahme der Anzahl von Personen im höheren Alter zur Zeit des Höchststandes 2009. (Risikopopulation) in der Bevölkerung zu. Die OP- Betrachtet man die Inanspruchnahme von Hüft- Häufigkeit für Hüft- und Knieersteingriffe hat im TEP differenziert nach Auswahl der Verankerung, Zeitraum 2007 bis 2014 unter Patienten über 70 Jah- sind Mengenveränderungen im Zeitverlauf erkenn- re innerhalb der Bevölkerung (Bevölkerungsstand bar. Die zementfreie Implantation einer TEP (keine des entsprechenden Jahres mit Stichtag 31.12.) über Sonderanfertigung) nahm im beobachteten 6-Jah- 70 Jahre nicht zugenommen, sondern lag stabil für reszeitraum absolut um 5 % zu. Die Anwendung von Hüftersteingriffe bei 1,1 % (2007 und 2014) bzw. bei zementierten Verfahren ging im gleichen Zeitraum Knieersteingriffen zwischen 0,7 % (2007) und 0,6 % zurück: Zementierte bzw. teilzementierte TEP wur- (2014) (. Abb. 2.10) (eigene Berechnung, Statisti- den im Jahre 2013 zu 33 % bzw. 9 % seltener ein- sches Bundesamt 2014, Statistisches Bundesamt gesetzt, als es noch 2008 der Fall war. Sonderpro- 2015). Nach einer Zunahme der absoluten Anzahl der thesen nehmen nur eine untergeordnete Rolle ein Ersteingriffe (2007–2011), war im Bereich des Hüft- (. Abb. 2.11). gelenkersatzes ein leichter Rückgang von 213.935 Die Mengenentwicklung der vier häufigsten Fällen in 2011 auf 210.384 Fälle im Jahr 2013 zu ver- Ersteingriffe beim Kniegelenkersatz ist in den letz- zeichnen, gefolgt von einem Anstieg auf 219.325 Fäl- ten Jahren rückläufig (. Abb. 2.12). Der Rückgang Hüfte (OPS 5-820.- Knie (OPS 5-822.- 1,20% OP-Häufigkeit Ersteingriffe in der Bevölkerung 70+ 1,00% 0,80% 0,60% 0,40% 0,20% 0,00% 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 . Abb. 2.10 OP-Häufigkeit Hüft- und Knieersteingriffe in der Bevölkerung 70+ im Zeitverlauf (2007–2014). (Quelle: IGES – eigene Berechnung, Statistisches Bundesamt 2014, Statistisches Bundesamt 2015)
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