Edenhotel nicht mehr lebend verläßt. Merken Sie sich das. Kapitänleutnant v. Pflugk-Hartung schrieb sich meinen Namen auf und sagte zu mir: Sie wird Ihnen ja durch den Oberleutnant Vogel in die Arme geführt, so daß Sie nur zuschlagen dürfen ... (was ich auch tat). Als die andern zurückkamen, brüsteten sie sich: »Liebknecht haben wir eine gebrannt. Es wurde eine Panne markiert und so die Flucht künstlich herbeigeführt.« Das hat mir auch Oberleutnant von Ritgen in der Untersuchungshaft später noch einmal gesagt. Die Untersuchung ist eine Komödie gewesen. Ich sprach mit Kriegsgerichtsrat Jörns wiederholt privat und er sagte mir: »Nehmen Sie ruhig alles auf sich, 4 Monate werden es nur, und Sie können sich dann immer wieder an uns wenden, wenn Sie in Not sind.« Die Zellentüren standen stets offen. Sämtliche Angeklagten machten den Richter, ich mußte den Angeklagten spielen, und es wurde immer gesagt, wenn ich meine Aussagen nicht richtig einlernte, läge mal eine Handgranate im Bett, wenn ich schlafen ginge. Mit dem Stab des Eden-Hotels stand ich öfters in telephonischer Verbindung. Ich mußte ihm vor meiner Flucht genau angeben, mit welchem Zug ich nach Flensburg fahre. Husar Otto Runge.« Hieraus (»Freiheit«, 9. Januar 1921) geht hervor, daß es sich in beiden Fällen um einen von den Offizieren wohlüberlegten Mord handelte. Trotzdem erfolgte nichts. In einer neuen Aussage (»Vorwärts« 29. und 30. Mai 1922) hat Runge noch genauere Mitteilungen über die beiden Ermordungen gemacht und angegeben, daß er durch Angehörige des Freikorps Roßbach mit falschen Papieren versehen und zu einer Reihe von falschen Aussagen vor Gericht veranlaßt wurde. Nach ihm hat auch Leutnant Krull der Frau Luxemburg, als sie im Auto saß, eine Kugel durch den Kopf geschossen. Gegen Krull war ein Verfahren wegen Mordes eingeleitet worden. Er gestand, beteiligt gewesen zu sein, widerrief aber dann. Darauf wurde das Verfahren mangels Beweisen eingestellt, später aber wieder aufgenommen. (»Vossische Zeitung« 22. August 1922.) Während er in Untersuchungshaft saß, erschien der Oberleutnant Siegfried Bracht in der Redaktion der »Roten Fahne« und bot die Uhr und Papiere von Rosa Luxemburg »gegen eine angemessene Entschädigung« an. Er behauptete, Deutschnationale hätten ihm 12000 M. dafür geboten. Am 30. Mai 1922 hatte sich Krull wegen Diebstahls und Bracht wegen Hehlerei vor der dritten Kammer des Landgerichts II (Vorsitzender Landgerichtsdirektor Dust, Staatsanwalt Dr. Ortmann) zu verantworten. Krull behauptete, die Uhr sei herrenloses Gut gewesen und im Edenhotel von Hand zu Hand gegangen. Krull hielt eine Rede: »Nichts liegt gegen uns vor, was man uns zum Vorwurf machen könnte. Jeder Deutsche atmete auf, als diese beiden Lumpen ins Jenseits befördert wurden. Der Dank des Vaterlandes gebührt uns dafür. Gegen Leute wie Rosa Luxemburg und Liebknecht muß Richter Lynch auftreten.« Krull wurde wegen Diebstahl in zwei Fällen zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, Bracht wegen versuchten Betrugs zu 500 M. Geldstrafe. (Berliner Tageblatt, 2. Juni 1922.) Gegen das Urteil haben Staatsanwalt und Angeklagte Revision eingelegt. D i e i m Te g e l e r F o r s t E r s c h o s s e n e n Am 17. Januar 1919 meldete der »Abend«, daß vier Spartakisten, namens v. Lojewski, Hermann Merks, Richard Jordan und Milkert, die während der Spandauer Spartakusumtriebe verhaftet worden waren, auf dem Transport nach Tegel im Tegeler Forst einen Fluchtversuch machten. Das Begleitkommando schoß auf die Flüchtigen und tötete sie sämtlich. Der gleichzeitig verhaftete Georg Merks, der beim selben Transport war, teilte jedoch der »Freiheit« (20. Januar 1919) mit: »Die 8 Verhafteten wurden in zwei offene Lastautos verladen. In jedem waren ca. 10 schwer bewaffnete Soldaten. Das Auto, in dem ich war, fuhr zuerst ab, in einem Abstand von 15 bis 20 Metern folgte das andere. Während beide Autos fuhren, wurde vom hinteren Auto plötzlich geschossen. Die Wachmannschaften erzählten dann, die Gefangenen seien geflohen. Bei einem wirklichen Fluchtversuch hätte das Auto natürlich gehalten.« Im Bericht der »Morgenpost« (18. Januar 1919) heißt es auch, daß »die Gefangenen versuchten, über das Geländer zu klettern, so daß die Erschießung im Wagen stattgefunden hat. Auf dem Auto standen Leutnant Pieper, Vizefeldwebel Plate, Grenadier Dahlke, 2 Grenadiere vom Regiment 5, 2 Trainsoldaten, ein Herr Sasse und ein ehemaliger Pionier Neese. Sasse gab den Befehl zum Schießen, der von den beiden Trainsoldaten ausgeführt wurde.« Trotz dieser präzisen Angaben, die die »Freiheit« am 1. März 1920 brachte und der Staatsanwaltschaft übergab, wurde kein Verfahren eingeleitet. Ei n Mo r d v o n l i n k s Am 13. Januar 1919 wurde in Hervest die Sicherheitswehr entwaffnet, das Waffenlager und das Kommissariat erstürmt. Die Gewalt lag bis zum Einrücken des Korps Lichtschlag am 15. Februar 1919 in Händen der Arbeiterschaft. Der Führer der bürgerlichen Parteien von Hervest, der Bureauvorsteher Kohlmann, zog sich während dieser Zeit die Feindschaft der Arbeiterschaft zu. Angeblich hat er auch die Regierungstruppen herbeigerufen. Am 10. Februar 1919 lauerten ihm die Bergleute Eduard Albrecht (Kommunist) und Karl Arnold (Mehrheitssozialist) auf und erschossen ihn. Beide wurden wegen Mordes zum Tode verurteilt, dann zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt. (Aktenzeichen: 16 I. 283/19, Landgericht Essen.) Mo r d e i m R h e i n l a n d 1 9 1 9 Der Bergmann Aloys Fulneczek in Bottrop, Fulenbrockstr. 24, war am 19. Februar 1919 als Delegierter der K.P.D. mit Delegierten der anderen Parteien zum Kommandanten der einrückenden Truppen des Hauptmann Lichtschlag zwecks Verhandlungen gegangen. Auf dem Rückwege wurde er von den Truppen festgehalten, mißhandelt, ins Gerichtsgefängnis in Bottrop eingeliefert und dort in der Zelle von dem Regierungssoldaten Heuer in Gegenwart eines zweiten Soldaten von hinten erschossen. Heuer wurde wegen Totschlags vor dem Militärgericht angeklagt, aber auf die Aussage seines Begleiters hin freigesprochen, weil er angeblich in Notwehr gehandelt. Der Militärfiskus ist in I. Instanz zum Schadenersatz verurteilt. Moritz Steinicke aus Gelsenkirchen, Reichstr. 15, wurde in der Nacht vom 20. zum 21. Februar 1919 von zwei Schutzleuten, zwei Soldaten und einem Zivilisten ohne Haftbefehl verhaftet und von dem Führer der Abteilung, Blumberg und einem Polizisten vor dem Hause Wilhelmstr. Nr. 51 »auf der Flucht« erschossen. Steinicke war Mitglied der U.S.P.D., es lag nichts gegen ihn vor. Das Verfahren wurde eingestellt, weil Blumberg »zur Verhinderung des Fluchtversuches von seiner Waffe Gebrauch gemacht und also gemäß der ihm erteilten allgemeinen Instruktion gehandelt habe«. (Aktenzeichen 7 a. J. 585/19 der Staatsanwaltschaft Essen.) Di e Li c h t e n b e r g e r » Gr e u e l « u n d d i e Mä r zm o r d e Im März 1919 kam es zu Kämpfen zwischen den in der Revolution aufgestellten republikanischen Verbänden, die aufgelöst werden sollten, und den unter dem Befehl von Reinhardt stehenden Regierungstruppen und Freikorps. Den republikanischen Truppen schlossen sich einige Arbeiter an. In einem offiziellen Bericht vom 9. März 1919 teilte die Gardekavallerie-Schützendivision der Berliner Presse mit (vergl. z. B. »Deutsche Tagesztg.« vom 10. März): »Die Spartakisten führen zurzeit ihre Absicht, sich in Lichtenberg zu verschärftem Widerstand zu rüsten, aus. Das Polizeipräsidium wurde von ihnen gestürmt und sämtliche Bewohner, mit Ausnahme des Sohnes des Polizeipräsidenten, auf viehische Weise niedergemacht.« Aehnlich teilte Regierungsrat Doyé vom Ministerium des Inneren dem »Berliner Tageblatt« am 10. März 1919 die Erschießung von 57 Polizisten mit. Nach der »B. Z. am Mittag« vom 9. März wurden 60 Kriminalbeamte und viele andere Gefangene erschossen, und zwar wurden »Gefangene, die sich zur Wehr setzen wollten, teilweise von vier bis fünf Spartakisten gehalten, während der sechste ihnen mit der Pistole zwischen die Augen schoß.« Dabei stützte sich die »B. Z.« auf eine von »einer militärischen Befehlsstelle übermittelte eidliche Aussage von fünf Soldaten.« Diese Nachricht ging durch die ganze deutsche Presse und beeinflußte die öffentliche Meinung in schärfster Weise gegen die Spartakisten. Tagelang wimmelte es von blutrünstigen Schilderungen. So meldete die »Vossische Zeitung« und natürlich ebenso die rechtsstehende Presse am 10. März sogar 150 Ermordete. Alle diese Meldungen waren erlogen. Erst am 13. März meldete die »B. Z.«, daß die Beamten in Wirklichkeit entlassen worden waren. Am gleichen Tage erklärten die »Vossische« und der »Vorwärts« auf Grund der Aussagen des Bürgermeisters Ziethen, »daß sich alle Nachrichten über die Massenerschießungen von Schutzleuten und Kriminalbeamten bei der Eroberung des Lichtenberger Polizeipräsidiums als unwahr erwiesen haben.« Endlich nach der »B. Z.« vom 14. März und dem Nachruf auf die Gefallenen stellte sich heraus, daß nur zwei Beamte tot waren. Davon war einer im Kampf gefallen und über die Todesart des andern konnte nichts festgestellt werden. Auf Grund des Lichtenberger Beamtenmordes (»Deutsche Tageszeitung«, »Berl. Tageblatt« vom 10. März 1919) verhängte Noske als Oberkommandierender in den Marken über Berlin das Standrecht und erließ folgende Anordnung (W. T. B., 9. März): »Die Grausamkeit und Bestialität der gegen uns kämpfenden Spartakisten zwingen mich zu folgendem Befehl: Jede Person, die mit den Waffen in der Hand gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird, ist sofort zu erschießen.« Daneben erließ die Gardekavallerie-Schützendivision selbständig einen Befehl, wonach auch Leute zu erschießen wären, in deren Wohnungen Waffen gefunden würden. Ein Nachweis der Teilnahme am Kampfe sei nicht nötig. Der Befehl lautete: »Garde-Kav.-Division. Abt. I a. Nr. 20 950. Befehl für den 10. 3. nachm. und den 11. 3. Div.-St.-Qu., den 10. 3. 1919. Leitsatz: Wer sich mit Waffen widersetzt oder plündert, gehört sofort an die Mauer. Daß dies geschieht, dafür ist jeder Führer mitverantwortlich. Ferner sind aus Häusern, aus welchen auf die Truppen geschossen wurde, sämtliche Bewohner, ganz gleich, ob sie ihre Schuldlosigkeit beteuern oder nicht, auf die Straße zu stellen, in ihrer Abwesenheit die Häuser nach Waffen zu durchsuchen; verdächtige Persönlichkeiten, bei denen tatsächlich Waffen gefunden werden, zu erschießen. Ziffer 2 e: Jeder Hausbewohner oder Passant, der in unrechtmäßigem Besitz von Waffen gefunden wird, ist festzunehmen und mit kurzem Bericht in dem nächsten Gefängnis abzuliefern. Wer sich mit der Waffe in der Hand zur Wehr setzt, ist sofort niederzuschießen.« Die »Politisch-Parlamentarischen Nachrichten« erklärten zwar am 18. März 1919, »daß ihnen von zuständiger Seite versichert worden sei, ein derartiger Erlaß sei nicht ergangen«. Tatsächlich hat sich aber Marloh in seiner ersten Aussage vom 4. Dezember 1919 ausdrücklich auf diesen Befehl gestützt und hat ihn wörtlich verlesen. Die beiden Erlasse gehen weit über das Preußische Belagerungsgesetz vom 4. Juni 1851 hinaus. Denn darnach entscheidet über einen Angeklagten ein aus zwei Zivilrichtern und zwei dem Hauptmannsrang angehörigen Offizieren bestehendes Kriegsgericht. Bei Todesurteilen ist die Bestätigung des Oberbefehlshabers nötig, außerdem liegt eine Frist von 24 Stunden zwischen Urteil und Vollstreckung. Hier aber liegt die Entscheidung über Leben und Tod vollkommen im willkürlichen Ermessen einzelner Personen. Am 7. März, 11-1/4 Uhr, wurde der Angehörige der republikanischen Soldatenwehr des Depots 7, Fasanenstr., Adolf Riga (42 Jahre, Kurfürstenstr. 114), von einem Angehörigen des Freikorps Lüttwitz auf Befehl eines Offiziers entwaffnet, als er von der Wache kam, obwohl er seinen Ausweis vorwies. Dann setzte Riga seinen Weg waffenlos fort. An der Absperrung vor dem Edenhotel wollte ihn ein Posten nicht durchlassen. Es kam zu einer Auseinandersetzung. Der bei dem Posten stehende Offizier gab dem Soldaten einen Befehl, worauf dieser unter dem Ruf »Straße frei« ihn von hinten erschoß. (Die Aussagen der Zeugen R. E. Kaufmann und E. K. Rosenberg sind in meinem Besitz. Beide Zeugen wurden, weil sie den Sachverhalt protokollarisch festlegen ließen, zwei Tage später verhaftet und drei Wochen eingesperrt.) Weder gegen den Offizier noch gegen den Soldaten wurde ein Verfahren eingeleitet. Die Witwe bekam nach einem Prozeß gegen den Fiskus eine Rente zugebilligt. Ly n c h u n g e n i m L e h r t e r G e f ä n g n i s Die Vorgänge im Lehrter Gefängnis schildert ein Augenzeuge, der wegen Herausgabe einer satirischen Zeitschrift verhaftet war, folgendermaßen (Wieland Herzfelde: »Schutzhaft«): »Man führte uns (am 8. März, abends) an den Eingang des Gefängnisses. Es hieß: »Zuerst den Matrosen Peters hineinführen!« Wir anderen mußten vor der Glastüre, durch die wir nur undeutlich beobachten konnten, stehen bleiben. Kaum war der Matrose eingetreten, erscholl der Ruf: »Haut ihn, schlagt ihn tot, an die Wand!«, wobei ein entsetzliches Gebrüll das ganze Gefängnis erfüllte und aus allen Ecken Soldaten mit Gewehren herbeistürzten und auf den Matrosen einschlugen. Dieser zog ein verborgenes Messer und kämpfte nun mit der Kraft des Verzweifelten gegen die Soldaten. Allmählich gelangten so die Kämpfenden in den Hintergrund, woselbst wir nichts mehr wahrnehmen konnten, nur noch fortwährende Kolbenschläge hörten, woraus sich schließen ließ, daß der Matrose sich aufs äußerste verteidigte. Er wurde unserer Ueberzeugung nach totgeschlagen, denn verschiedene Offiziere und Chargierte stellten unter grausamem Schmunzeln und Händereiben fest, daß er zu »Hackepeter« verarbeitet worden sei. Nachmittags um vier Uhr vernahmen wir plötzlich dasselbe Gebrüll wie am Vorabend. Dasselbe Herbeistürzen aus allen Ecken des Gebäudes und Rasseln von Gewehren, so daß wir uns sagten, daß die Lynchung nicht auf Erregung, sondern auf System zurückzuführen sei. Gegen Abend erfuhr ein Mitgefangener vom wachthabenden Unteroffizier, daß zwei Galizier totgeschlagen worden seien.« Der damalige Gouverneur von Berlin, Schöpflin, schrieb hierüber an die »Freiheit« folgenden Brief (23. April 1919.): »Die beiden Galizier sind erschossen worden, nachdem sie vorher auch mißhandelt worden sind. Sie sollen Schußwaffen unter dem Mantel versteckt gehalten haben und befanden sich im Besitze von Juwelen und Wertsachen, die vermutlich von der Beteiligung an einer Plünderung herrührten. Der eine der Galizier heißt Abraham Melichowitsch und war russischer Kriegsgefangener. Die Erschießung ist bei hereingebrochener Dunkelheit erfolgt. Es wird angenommen, daß die Tötung von Soldaten des Transportkommandos vorgenommen worden ist, nachdem ein Offizier, der die Transportkolonne befehligte, bei der Einlieferung die beiden Erschossenen beschuldigt hatte, Waffen versteckt getragen und geraubt zu haben. Unverständlich bleibt die Erschießung der beiden Galizier wegen des ihnen zur Last gelegten Vergehens. Es muß angenommen werden, daß ihnen sowohl die Waffen wie die vermutlich geraubten Wertsachen schon vor der Einlieferung abgenommen worden sind. Auf Grund des Standrechts, das damals Gültigkeit hatte, hätten die beiden, wenn überhaupt, sofort erschossen werden können, nicht aber erst nach der Einlieferung und offenbar ohne Befehl, also rein willkürlich.« Augenzeugen des Vorfalls berichten dagegen Folgendes: »Am 9. März lagen wir, ca. 30 Mann, verhaftet in der Waldschenke des Zoologischen Gartens. Von Waffenbesitz konnte, da alle Gefangenen vorher untersucht worden waren, keine Rede sein. Am späten Nachmittag wurden ca. 10 Mann in einem Auto verladen. Zwei Gefangene, von denen der eine ein Mitglied der Matrosendivision, der andere ein Russe war, wurden von den Lüttwitztruppen die Treppe heruntergeworfen, unter fortwährenden Kolbenschlägen vor das Auto geführt, wie ein Gegenstand hineingeworfen und auf dem Lastwagen in unbeschreiblicher Weise viehisch bearbeitet. Als sie blutend am Boden lagen, wurde ihnen befohlen, stramm zu stehen. Nachdem die beiden wie leblos dalagen, setzte sich das Auto in Bewegung. Etwas so Schreckliches hatten wir im ganzen Feldzug nicht erlebt. Als ein Soldat mit dem Messer auf sie losgehen wollte, ließ der Transportführer, ein jugendlicher Herr, der vorher unserer Vernehmung beim Kriegsgerichtsrat Jörns beigewohnt hatte, dies nicht zu. Die andern Mißhandlungen ließ er stillschweigend zu. Der Matrose hatte uns erzählt, er sei verhaftet worden, weil er mit dem Rad gegen einen Drahtverhau gefahren war. Der Russe, weil er auf der Straße gesagt hatte, Deutschland sei noch nicht reif zum Bolschewismus. Vor dem Zellengefängnis angekommen, wurden die beiden, obwohl sie ganz hinten lagen, als erste herausgezogen. Sie waren also wohl schon gemeldet. Sie wurden in das Gefängnis geschleift, wir hatten den Eindruck, als wenn man Zeugen fernhalten wollte. Die Soldaten, Angehörige der Reinhardttruppen, mehr oder weniger betrunken, empfingen die beiden mit tierischem Gebrüll. Wir sahen, wie die Gefangenen durch den Gefängnisflügel hindurchgeworfen wurden in den Hof. Ein Soldat kam zurück und zeigte sein abgebrochenes Gewehr mit den Worten: »Jetzt kommt die andere Hälfte auch noch dran.« Als wir vor die Schreibstube kamen, hörten wir im Hof Schüsse fallen.« Die früheren Reichswehrsoldaten (Pioniere), Schlosser Adalbert Arndt und stud. ing. Arthur Schneider kamen am 20. März 1922 vor das Schwurgericht des Landgerichts I (Vorsitz: Landgerichtsdirektor Dr. Weigert). Zeugen bestätigten, daß die beiden mit Gewehrkolben auf die waffenlosen Gefangenen eingeschlagen hatten, andere, daß sie geschossen hatten. Die drei Leichen wurden zunächst auf einen Müllhaufen, dann von einem Lastauto, das Schneider lenkte, in den Tiergarten geworfen. Arndt und Schneider wurden wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung zu je 1 Jahr und 6 Monate Zuchthaus verurteilt. (Berliner Volkszeitung, 21. und 22. März 1922.) Die Er s ch ieß u n g v o n d r ei J u n gen Am 10. März kamen zu dem jungen Kurt Friedrich (16 Jahre) seine beiden Freunde Hans Galuska (16 Jahre) und Otto Werner (18 Jahre) in die Wohnung der Mutter des Friedrich, am Schlesischen Bahnhof 3, zu Besuch. Die drei jungen Menschen hatten sich nie mit Politik beschäftigt. Sie waren kaum beisammen, als 8 Regierungssoldaten auf Grund einer Denunziation ankamen. Sie durchsuchten die Wohnung, ohne daß ihnen auch nur ein einziges belastendes Stück in die Hände gefallen wäre. Darauf erklärten sie die drei jungen Menschen für verhaftet und führten sie ab. Die letzten Worte, die Kurt Friedrich sagen konnte, waren: »Mutter, meine Papiere sind in Ordnung, ich habe nichts auf dem Gewissen«. Die Mutter begab sich in die Schule in der Andreasstraße, wo Reinhardttruppen lagen, und sah, wie die Drei abgeführt wurden und schrecklich heulten. Der befehlshabende Offizier ließ die Frau nicht zu Worte kommen. Am 12. März, nach zwei schrecklichen Tagen des Wartens, erhielt Frau Friedrich von Bekannten die Nachricht, Hans Galuska läge im Leichenschauhaus. Sie fand dort die drei jungen Freunde als Tote wieder. Sie waren am 11. März als »unbekannt« eingeliefert worden. Kurt Friedrich hatte einen Kopf- und Hüftschuß. Die neuen Stiefel waren ihm gestohlen. Hans Galuska hatte ebenfalls zwei Schußwunden, darunter eine an der Stirn, und mehrere Verletzungen durch Schläge. Es fehlten ihm: Hut, Kragen, Kravatte, Ulster, Jackett und Stiefel. Otto Werners Gesicht war beinahe unkenntlich, außerdem war der eine Arm völlig zerschossen, so daß anzunehmen ist, daß er ihn vors Gesicht gehalten hat. Die Sache wurde der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. (»Freiheit«, 26. März 1919.) Es erfolgte jedoch weder gegen die beteiligten Mannschaften noch gegen die verantwortlichen Offiziere ein Verfahren. Dagegen haben nach einem Schreiben des Heeresabwicklungsamtes Preußen an den Anwalt der Frau Friedrich (Abschrift in meinem Besitz), »die umfangreichen Ermittelungen ergeben, daß Friedrich wegen Verdachts der Beteiligung an spartakistischen Umtrieben verhaftet und aus Anlaß eines Fluchtversuches erschossen wurde«. Zeugenaussagen für diese Behauptungen sind nicht aufgeführt. Ha n d g r a n a t e n s t i e l e a l s Er s c h i e ß u n g s g r u n d Am 11. März wurde in der Wohnung des Tischlers Richard Borchard eine Haussuchung gehalten, da er angeblich geschossen hatte. Es wurde nur ein leerer russischer Patronenrahmen ohne Munition gefunden, den ein Verwandter 1914 als Andenken aus dem Feld geschickt hatte. Daraufhin wurde er verhaftet und kam in das Polizeipräsidium. Am Dienstag, den 18. März, fand die Frau ihren Mann als Leiche im Schauhaus wieder. Er hatte einen Schuß durch den Kopf erhalten. Dem Getöteten hatte man die neuen Schuhe und Strümpfe weggenommen. Borchardt hatte sich politisch nie betätigt, er war ein Gegner des Aufstandes und stand auf seiten der Regierungstruppen. (»Freiheit«, 20. März 1919.) Bei einer Waffensuche bei dem Arbeiter Paul Dänschel in der Andreasstr. 62 fanden Soldaten aus dem Korps Lüttwitz am 12. März zwei Handgranatenstiele und ein altes Seitengewehr. Die Stiele entstammten der Fabrik, in der der 19 jährige Sohn der Familie, Alfred, beschäftigt war. Er hatte die Stiele mit nach Hause genommen, um sich daraus ein Schreibzeug anzufertigen. Am 12. wurden Vater und Sohn aus dem Bett heraus verhaftet und, ohne daß irgendein Grund vorlag, in der Handwerkerschule Andreasstr. 1/2 erschossen. Die Vernehmung war durch den Leutnant Siegfried Winter aus Adlershof, Bismarckstr. 25, geleitet worden. Dieser gab auch Auftrag, die Leichen abzuholen. Als die Feuerwehr die Toten abholte, waren ihnen sämtliche Wertsachen und Papiere abgenommen, auch die Schuhe hatte man ihnen geraubt. (»Vorwärts«, 15., 17., 19. März 1919.) Winter wanderte nach Argentinien aus. Am 11. Dezember 1920 stellte der Oberstaatsanwalt vom Landgericht I, Berlin das Verfahren ein. Di e 2 9 Ma t r o s e n Die amtliche Nachricht lautete (»Berl. Tageblatt«, 12. März 1919.): »In der Französischen Str. 32 wurde gestern die Kassenverwaltung der Volksmarinedivision von Regierungstruppen besetzt. Frühere Angehörige der jetzt aufgelösten Volksmarinedivision, die von dort noch Gelder holen wollten, sind festgenommen worden. Die Gefangenen trugen teilweise noch Waffen. Infolgedessen kam es bei der Verhaftung zu tätlichem Widerstand. Die Mannschaften der Regierungstruppen ließen sich von ihren Führern kaum vor Uebergriffen zurückhalten, da die Erbitterung durch die Vorgänge der letzten Tage natürlich sehr angewachsen war. Es wurde Munition, darunter auch Dumdumgeschosse, beschlagnahmt. Von den rund 250 Gefangenen mußten 24 auf der Stelle erschossen werden. Die übrigen sind unter starker Bedeckung in das Moabiter Zellengefängnis eingeliefert worden und sehen dort einer Aburteilung durch das außerordentliche Kriegsgericht entgegen.« Der wirkliche Vorgang war (vgl. Prozeßbericht, »Deutsche Zeitung« vom 5. bis 10. Dezember 1919): Am 11. März 1919 war ein Löhnungsappell der Volksmarinedivision angesetzt. General Lüttwitz gab dem Leutnant Marloh Auftrag, dort möglichst viele Mitglieder zu verhaften. Die 250 Matrosen, die völlig ordnungsliebende Elemente waren, — ein Teil hatte bei den Unruhen die Reichsbank bewacht, — kamen einzeln, beinahe alle unbewaffnet, um sich die ihnen zustehende Löhnung zu holen. Sie wurden einzeln überwältigt und gefangengesetzt. Marloh fühlte sich durch die vielen Gefangenen bedroht und telephonierte an Oberst Reinhardt um Hilfe. Oberst Reinhardt sagte zu Leutnant Schröter: »Gehen Sie zu Marloh und sagen Sie ihm, er müsse durchgreifen. Denken Sie an Lichtenberg, wo 60 Polizeibeamte erschossen wurden«. Schröter meldete Marloh, er solle energisch durchgreifen. Marloh telephonierte gleich darauf nochmals um Hilfe. Darauf ließ Oberleutnant v. Kessel dem Marloh durch Leutnant Wehmeyer ausrichten (zweiter Verhandlungstag): »Bestellen Sie dem Oberleutnant Marloh, daß Oberst Reinhardt sehr wütend sei, weil er gegen die 300 Matrosen zu schlapp vorgehe. Er solle in ausgiebigstem Maße von der Waffe Gebrauch machen, und wenn er 150 Mann erschösse. Alles, was er erschießen könne, solle er erschießen. Die Verstärkung würde noch ein bis eineinhalb Stunden auf sich warten lassen. Oberst Reinhardt wisse auch gar nicht, wo er mit den 300 Leuten bleiben solle.« Marloh gehorchte, sortierte die Leute, indem er diejenigen, die besonders intelligent erschienen, gute Anzüge oder Schmucksachen hatten, besonders stellte (erster Verhandlungstag, 4. Dezember 1919). Dann ließ er durch den Offizierstellvertreter Penther 29 Leute mit dem Maschinengewehr erschießen. »Die Schußwirkung war furchtbar. Vielen Leuten wurde die Schädeldecke völlig abgerissen. Die Gehirnmasse spritzte umher, Leichen und Verwundete fielen übereinander.« (Erster Verhandlungstag, 4. Dezember 1919.) Die Namen der Ermordeten sind nach der »Zukunft« (29. November 1919): Jakob Bonczyk, Paul Brandt, Theodor Biertümpel, Ernst Bursian, Kurt Dehn, Otto Deubert, Willy Ferbitz, Robert Göppe, Baruch Handwohl, Walter Harder, Alfred Hintze, Anton Hintze, Hermann Hinze, Walter Jacobowsky, Otto Kanneberg, Willy Kuhle, Max Kutzner, Martin Lewitz, Herbert Lietzau, Max Maszterlerz, Ernst Mörbe, Karl Pobantz, Paul Rösner, Siegfried Schulz, Paul Ulbrich, Werner Weber, Karl Zieske, Gustav Zühlsdorf. Die anderen Matrosen wurden ins Gefängnis geschafft und bald darauf als unschuldig entlassen. Marloh erstattete einen wahrheitsgetreuen Bericht an Oberleutnant v. Kessel. Auf Anraten Kessels ersetzte er ihn Mitte Mai durch einen anderen, wonach er die Erschießung durch eigenen Entschluß auf Grund des Noske-Erlasses vorgenommen habe. Zuletzt wurde in Gegenwart des Obersten Reinhardt noch ein dritter Bericht geschrieben. Marloh blieb monatelang unbehelligt. Erst als ein Haftbefehl am 2. Juni vorlag, riet ihm Kessel zu flüchten, und stellte ihm zu diesem Zwecke falsche Papiere aus, die Leutnant Wehmeyer dem Marloh übergab. Leutnant Hoffmann brachte ihm Geld. (Zweiter Verhandlungstag.) Am 9. Dezember wurde Marloh von der Anklage des Totschlags und des Mißbrauches der Dienstgewalt freigesprochen, wegen unerlaubter Entfernung zu drei Monaten Festung und wegen Benutzung gefälschter Urkunden zu 30 Mk. Geldstrafe verurteilt. In der Urteilsbegründung wurde festgestellt, »daß die Erschießungen objektiv unberechtigt waren, daß die Matrosen, die mit Waffen kamen, gültige Waffenscheine besaßen, daß keine Plünderer dabei waren, daß die Lage Marlohs nicht so bedrohlich war, daß er zum Waffengebrauch berechtigt war, daß er jedoch glaubte, einen Dienstbefehl vor sich zu haben« (Vorsitzender: Kriegsgerichtsrat Welt). Der Ausschuß II für Feststellung von Entschädigung für Aufruhrschäden verneinte den Anspruch der Hinterbliebenen auf eine Rente, da die Erschießungen in Ausübung der Staatsgewalt als ein Akt der Strafvollstreckung erfolgt seien. Den meisten Hinterbliebenen wurden jedoch vom Fiskus im Vergleichswege nach einem Zivilprozesse größere Abfindungssummen ausbezahlt. Kessel wurde Hauptmann, Hoffmann Oberleutnant bei der Sicherheitswehr (»Freiheit«, 7. Dezember.). Gegen Reinhardt und Kessel wurde wegen der Befehle, die sie Marloh gegeben hatten, kein Verfahren eingeleitet; gegen Kessel wurde nur ein Verfahren wegen eines im Verlauf des Prozesses geleisteten Meineids eingeleitet. (14. März 1921.) Am 23. März 1921 wurde er auch von der Anklage des Meineids freigesprochen. (Eingehende Prozeßberichte in der »Deutschen Zeitung«.) Zuletzt wurden Wehmeyer und Hoffmann wegen Beihilfe zur Flucht vom Schöffengericht freigesprochen. (»Deutsche Tageszeitung«, 27. 9. 21.) Vi ze w a c h t m e i s t e r Ma r c u s Vizewachtmeister Marcus vom Freikorps Lützow hatte am 12. März Befehl, die Langestraße abzusperren. Er schritt mit 25 Mann die Straße ab und rief laut »Straße frei, Fenster zu!« Angeblich ist dieser Befehl nicht beachtet worden. Unter anderem sah er aus dem Fenster eines Hauses eine weibliche Gestalt auf die Straße heruntersehen. Angeblich hat er darauf auf ein daneben befindliches blindes Fenster geschossen, aber das offene Fenster getroffen. Durch diesen Schuß wurde die zwölfjährige Schülerin Slovek getötet. Ein anderes Mädchen, Erwine Dahle, erhielt einen Herzschuß, als es aus einem Schlächterladen trat. Der 73 jährige Fliesenleger Karl Becker ist durch einen Kopfschuß getötet worden. Auf die gleiche Weise kamen dann noch drei Menschen um, die nicht die geringste Beziehung zu den damaligen Unruhen hatten. Ursprünglich war gegen Marcus ein Verfahren wegen sechsfachen Mordes eingeleitet. Doch wurde dies eingestellt. Dagegen wurde er wegen vorsätzlicher, nicht mit Ueberlegung begangener Tötung von zwei Menschen vor dem Schwurgericht angeklagt. Bei der Verhandlung am 21. und 22. Januar 1921 (Verhandlungsbericht im »Vorwärts« vom 25.) berief Marcus sich auf die Befehle seiner Vorgesetzten und wurde von den als Zeugen vernommenen Offizieren zum Teil gedeckt. Marcus wurde wegen Totschlags freigesprochen, wegen einiger Unterschlagungen zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Gegen die Offiziere, die solche Befehle gegeben haben, wurde kein Verfahren eingeleitet. Der Eisenbahnarbeiter Alfred Musick wurde am 12. März 1919 in seiner Wohnung nach einer ergebnislosen Haussuchung durch Soldaten des Freikorps Lüttwitz verhaftet und nach der Andreasschule transportiert. Oberleutnant Wecke ließ ihn mit vier anderen abtransportieren. Die Fünf wurden beim Passieren der Schillingbrücke angeschossen und ins Wasser geworfen. (Aussagen der Begleitmannschaft: »Die Fünf schwimmen schon.«) Musick konnte sich schwerverletzt durch Schwimmen retten, wurde entdeckt und wieder in die Andreasschule geführt. Vizewachtmeister Marcus führte ihn in die Revierstube, kam zurück und erzählte: »Oben habe ich ihn vor die Wand gestellt und gesagt, gehen Sie nur herein; darauf antwortete er, hier ist ja keine Tür, in dem Moment hatte ich ihn schon in den Kopf geschossen«. Die Leiche wurde beraubt und als unbekannt in die Sammelstelle in der Distelmeyerstr. eingeliefert. We g e n e i n e s S t r e i c h h o l z e s e r s c h o s s e n Der Arbeiter Piontek wurde am 12. März 1919, angeblich weil er sich geweigert hatte einem Soldaten Feuer zu geben, verhaftet, und in der Normannenstraße von dem Gefreiten Ritter vom Infanterieregiment Nr. 50 und dem Unteroffizier Wendler erschossen. Wendler behauptete, ihm nur einen Gnadenschuß gegeben zu haben. Am 31. Januar 1922 verurteilte das Schwurgericht des Landgerichts III (Landgerichtsdirektor Mehlberg, Staatsanwaltschaftrat Weyermann) Ritter wegen versuchten Totschlags mit mildernden Umständen zu 3 Jahren Gefängnis, Wendler wurde freigesprochen. (Berliner Tageblatt, 1. Februar 1922.) Am 12. März 1919 wurde der Schneider Otto Hauschild, Fruchtstraße 26, am Ostbahnhof erschossen, weil er ein Gewehr in seiner Wohnung hatte; er besaß einen Ausweis der Republikanischen Soldatenwehr vom 10. März. Am 13. März wurden Paul Biedermann und Hans Gottschalk auf dem Wege zur Arbeit in der Friedrich-Karl-Straße auf Grund einer Denunziation verhaftet, in ein Lokal eingesperrt und vom Posten durch das Fenster erschossen. (»Freiheit«, 18., 20. u. 22. März 1919.) Berthold Peters (geboren 28. März 1888), Klempner, seit Kriegsausbruch Matrose, wurde am 13. März 1919, vormittags 9-1/2 Uhr von einem Trupp Soldaten unter Führung eines Offiziers in seiner Wohnung, Tilsiter Str. 49, verhaftet, zum Hauptmann Poll in die Patzenhoferbrauerei, von dort in die Bötzowbrauerei geführt und vor 1 Uhr erschossen. Die Leiche wurde ausgeplündert: Uhr, Kette, Ring, Brieftasche, Börse und Stiefel wurden geraubt. Er war von Nachbarn als Spartakist denunziert worden. Ein Strafverfahren fand nicht statt. Die Hinterbliebenen bekamen im Zivilprozeß gegen den Fiskus eine Rente von 500 M. monatlich zugebilligt. Zw e i Er s c h ie ß u n ge n d u r c h Ltn . Ba u m Bei einer nächtlichen Runde des Detachements v. Grothe trat ein unbekannt gebliebener Mann, der einen Ausweis des Reichswehrministers vorwies, auf den Leutnant Baum zu und sagte: »Herr Leutnant, lebt der Zigarrenhändler Müller noch? Wenn Sie den kriegen, erschießen Sie ihn, den habe ich zweimal hinter den Barrikaden gesehen!« Baum begab sich nun am 12. März mit 10 Mann in das Zigarrengeschäft Memeler Str. 19. Johann Müller war gerade beim Rasieren und kam mit eingeseiftem Gesicht aus dem Hinterzimmer. Baum durchsuchte die Wohnung. Es wurden weder Waffen noch Munition gefunden. Der Leutnant sagte zu Müller: »Sie agitieren ja für die Unabhängigen; Sie haben acht Karten mit verdächtigen Punkten. Ich habe von anderen gehört, Sie haben auf uns geschossen. Verabschieden Sie sich von Ihrer Frau. Es ist meine Pflicht, Sie jetzt zu erschießen!« Die Frau und Tochter schrien laut auf. Leutnant Baum erblickte in dem stillschweigenden Verharren des Müller ein Schuldbekenntnis. Müller verrichtete ein Gebet, wurde dann an die Wand gestellt und 6 Mann schossen auf ihn. Müller brach zusammen. Ein Sanitäter sollte sich von der Vollstreckung des Todesurteils überzeugen und die Leiche wegschaffen. Der Sanitäter fand den Müller noch lebend. Auf Befehl des Angeklagten gab der zur Patrouille gehörende russische Schüler Alexander Köhler dem Müller den Gnadenschuß. (»Vorwärts«, 16. August 1919.) Bei der Verhandlung (»Berl. Tageblatt«, 1. Juni 1920) wurde Baum freigesprochen mit der Begründung, daß er dem Noske-Erlaß vom 9. März gefolgt sei, der besagt, daß jeder, der mit der Waffe kämpfend angetroffen wird, erschossen werden soll. Am 13. März 1919 wurde bei einer Haussuchung bei dem Gastwirt Wilhelm Bilski, Weidenweg 71, ein Revolver gefunden, den, wie sofort festgestellt, ein Gast als Pfand gelassen hatte. Bilski wurde abgeführt und »standrechtlich« erschossen. Durch Zeugen, besonders Frau Bilski, wurde als leitender Offizier der Leutnant Baum erkannt. Die Akten verschwanden von der Garde-Kav.-Schützendiv. Am 27. März 1920 wurde der Militärfiskus von der 26. Zivilkammer zu Schadenersatz verurteilt. In der Begründung wurde ausdrücklich anerkannt, »daß die Erschießung rechtswidrig war.« Das Verfahren gegen Baum wurde am 12. April 1920 eingestellt. (Akten in meinem Besitz.) Zw e i Er s c h ie ß u n ge n d u r c h Ltn . Cze k a lla Nach dem »Berliner Tageblatt« vom 15. März wurde in der Holzmarktstr. 61 ein Mann von über 60 Jahren namens Abrahamson ohne weiteres im Hof erschossen, weil er bei einer Haussuchung Waffen, die er besaß, nicht angegeben hatte. Der alte, schwächliche Mann leistete keinerlei Widerstand. Der Offizier (ein Leutnant Czekalla vom Freikorps Lützow, 1. Schwadron) sagte, er sei berechtigt, jeden zu erschießen, der Waffen verheimliche. Ein Rechtsanwalt wurde bei dem Gespräch, das er zur Feststellung des Tatbestandes mit den Bewohnern des betreffenden Hauses führte, verhaftet, weil er »die Leute aufhetze«. Der gleiche Leutnant Czekalla hat am 13. März, bei dem Klempnermeister Wallmann eine Haussuchung vorgenommen. Wallmann war ein angesehener Mann, deutschnationaler Gesinnung. Aus dem Felde hatte er ein französisches Infanteriegewehr mitgebracht, das unbrauchbar war. Es war ihm belassen worden und eine Bescheinigung darüber erteilt. Zu dem französischen Gewehr besaß er einige französische Patronen. Endlich war er seit vielen Jahren im Besitz einer Browningpistole, die er aus Liebhaberei angeschafft hatte. Als der Leutnant Wallmann fragte, ob er einen Browning besitze, holte er den Browning sofort aus dem Ofen heraus. Darauf ließ ihn der Leutnant nach der Alexanderkaserne abführen. Als seine Braut weinte, sagte Wallmann: »Weine doch nicht; ich komme ja bestimmt wieder, denn ich habe ja nichts getan.« Wallmann wurde in der Alexanderkaserne auf Befehl des Leutnants in einem Pferdestall erschossen. Die Leiche wurde von den Soldaten ihrer Stiefel beraubt. Czekalla behauptet, auf direkten Befehl seines Vorgesetzten, des Rittmeisters Wilhelm von Oertzen gehandelt zu haben. Das Verfahren gegen beide schwebt beim Landgericht I Berlin. (»Berliner Volkszeitung«, 16. März 1922.) Jogisches und Dorrenbach »Am 10. März wurde auf Befehl Noskes der Redakteur der »Roten Fahne« Leo Jogisches durch Angehörige der Gardekavallerie-Schützendivision verhaftet. Er sollte durch einen Soldaten dem Untersuchungsrichter zugeführt werden. Im Gebäude des Kriminalgerichts griff Jogisches den Soldaten« (Kriminalwachtmeister Ernst Tamschik, »Freiheit«, 27. Mai 1919) »an und wurde von ihm auf der Stelle niedergeschossen. Ein gleicher Fall war im Gebäude des Kriminalgerichts schon am Tage vorher vorgekommen.« (»Vossische Zeitung«, 11. März.) Dorrenbach, ein früherer Offizier, hatte sich der Revolution angeschlossen und wurde Führer der Volksmarinedivision. Wegen der Berliner Spartakusunruhen schwebte gegen ihn ein Haftbefehl. In Eisenach wurde er am 12. Mai 1919 verhaftet (»Freiheit«, 18. Mai 1919) und am 17. Mai durch den Staatsanwalt vernommen. Beim Rücktransport ins Gefängnis soll er einen Fluchtversuch unternommen haben und wurde von den Soldaten niedergeschossen. Schwer verletzt wurde er in die Charité gebracht, wo er starb. Vor seinem Tod erklärte er seinem Rechtsanwalt ausdrücklich, er sei nicht geflohen. (Ledebourprozeß, 3. Tag.) Den tödlichen Schuß hatte ebenfalls Kriminalwachtmeister Ernst Tamschik abgegeben. Tamschik wurde später zum Leutnant bei der Sicherheitswehr Charlottenburg ernannt. Dann kam er zur Sicherheitspolizei nach Ostpreußen. (Bekundung des Oberwachtmeisters Kuhr in einem Prozeß, »Welt am Montag«, 25. Mai 1920.) Zw ei Er s ch ieß u n gen au f d er F lu ch t Am 13. März 1919 wurden der Maschinenschlosser Georg Fillbrandt und der Arbeiter Paul Szillinski in ihren Wohnungen Kastanienallee 29-30, nach ergebnislosen Haussuchungen, ohne daß ein Haftbefehl vorlag, durch 4 Offiziere bzw. Fähnriche verhaftet, zum Stab des 1. Streifbatl. Reinhardt in der Griebenowstraße gebracht, und nach einem kurzen Verhör auf dem Exerzierplatz an der Schönhauser Allee von den begleitenden Soldaten erschossen. Die Leichen wurden ausgeplündert und an Ort und Stelle liegen gelassen. Als die Frau des Szillinski und die Tochter des Fillbrandt sich bei dem Stab erkundigten, wurde ihnen ein Protokoll vorgelesen, daß beide auf der Flucht erschossen worden seien. Durch die Zeugen Wilh. Domke, Herm. Kastner, Martha Pertz und Erich Abraham, welche der Erschießung zusahen, wurde aber festgestellt, daß die Verhafteten ruhig neben den Soldaten gegangen waren, und als die Soldaten »Halt« kommandierten, noch um ihr Leben gebeten hatten. Das Gericht nahm an, daß die Soldaten ohne Auftrag gehandelt hätten, weil kein Protokoll geführt worden war. Am 14. Februar 1921 wurde der Reichsfiskus zur Zahlung einer Unterhaltsrente an Frau Fillbrandt verurteilt, da die Erschießung durch die Soldaten unberechtigt war. Eine Bestrafung der Täter und Ermittlung der verantwortlichen Offiziere ist nicht erfolgt. (Aktenabschrift in meinem Besitz.) VON DER ERMORDUNG EISNERS BIS ZUM STURZ DER BAYRISCHEN RÄTEREPUBLIK Ku r t Eis n er Kurt Eisner war Führer der Münchener Revolution vom 7. November und seither Ministerpräsident. Am 21. Februar wurde er auf dem Weg zum Landtag, wo er seinen Posten wegen der heftigen Angriffe gegen ihn niederlegen wollte (Mitteilung des W. T. B. vom 21. 2. 1919), von dem Leutnant Graf Arco- Valley durch zwei Kopfschüsse getötet. Arco wurde gleich darauf von einem Mann der Begleitung Eisners niedergeschossen, jedoch später wiederhergestellt. Am 20. Januar 1920 wurde Arco zum Tode verurteilt. »Als der Verurteilte nach Verlesung des Todesurteils die Bitte an die ihm Wohlgesinnten richtete, von unüberlegten Taten abzusehen und am nationalen Aufbau mitzuarbeiten, erfolgte ein elementarer Beifallsausbruch der Zuhörerschaft, der sich in immer wiederholten Bravorufen und Händeklatschen minutenlang fortsetzte ... Die Menge auf der Straße empfing den Transport mit brausenden Hochrufen, man schwenkte Hüte und wehte mit Tüchern.« (»Deutsche Tageszeitung«, 20. Januar 1920.) Arco wurde gleich darauf zu lebenslänglicher Festungshaft begnadigt. Im Jahre 1922 wurde die Haft über Arco derartig gemildert, daß er tagsüber als Praktikant auf einem in der Nähe von Landsberg befindlichen Gut arbeiten kann. Ma j o r v . Ga r e i s u n d Ab g e o r d n e t e r O s e l Eisner war bei den Arbeitern sehr beliebt. In der Erregung über seine Ermordung drang der Metzger Aloys Lindner und der Bäcker Georg Frisch in den Landtag ein. Lindner feuerte mehrere Schüsse auf den Minister Auer, der ein politischer Gegner Eisners war, da er glaubte, daß Auer mit der Ermordung Eisners zusammenhänge. Gleichzeitig fiel ein Schuß von der Tribüne, der den Abgeordneten Osel tötete. Als Major v. Gareis sich Lindner entgegenstellte, schoß Lindner auch auf ihn und tötete ihn. Lindner flüchtete mit Hilfe von Karl Merkerts und Georg Schlunds ins Ausland. Deutsch-Oesterreich lieferte ihn aber aus, unter der Bedingung, daß er nicht zum Tode verurteilt werde, da die Todesstrafe dort abgeschafft ist. Der Angabe Lindners, daß er sich v. Gareis gegenüber in Notwehr befunden habe, maß das Gericht keinen Glauben zu. Lindner wurde wegen versuchten Totschlags und wegen erschwerten Totschlags am 15. Dezember 1919 zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt. Frisch wegen versuchten Totschlags zu 3-1/2 Jahren Gefängnis verurteilt, Merkert und Schlund erhielten wegen Begünstigung 1-1/2 bzw. 2 Monate Gefängnis mit Bewährungsfrist. (Prozeßberichte in den »Münchener Neuesten Nachrichten«, 9. bis 15. Dezember 1919.) Die Erschießungen im Luitpoldgymnasium Nach der Ermordung Eisners übernahm der Zentralrat die Macht. Die Kammer und das von ihr gebildete mehrheitssozialistische Ministerium Hoffmann floh nach Bamberg. Der Zentralrat erklärte am 7. April die Räterepublik. Die Führer waren Unabhängige und Mehrheitssozialisten. Durch einen Putsch gelang es am 13. April Anhängern der Regierung Hoffmann, einen Teil der Führer zu verhaften. Doch mißlang der Putsch. Die Betriebsräte ergriffen die Macht und proklamierten eine zweite kommunistische Räterepublik. Die Regierung Hoffmann sammelte Truppen dagegen. Bei dem Vormarsch wurden u. a. erschossen: 20 rote Soldaten, die am 29. April in Starnberg beim Essen unbewaffnet überrascht wurden, drei Sanitäter, die in Possenhofen beim Verwundetentransport waren und ein 68 jähriger Mann. (Dr. Schollenbruch im Münchener »Kampf«, 15. September 1919.) Im Luitpoldgymnasium, das als Kaserne der Roten Armee diente, waren am 26. April die Stenotypistin Hella v. Westarp, der Eisenbahnsekretär Daumenlang, der Freiherr F. W. v. Seydlitz, die Kunstmaler Walter Neuhaus und Walter Deicke, endlich der Prinz von Thurn und Taxis als Mitglieder eines »germanischen Ordens«, auch »Thulegesellschaft« genannt, eingeliefert worden, weil man bei ihnen gefälschte Stempel mit dem Faksimile des Oberkommandanten Eglhofer, Stempel des Vollzugsrates sowie Eisenbahnstempel gefunden hatte. (Aussagen im Prozeß, 11. u. 13. September.) Auch hatten sich in den Klubräumen Waffenlager befunden. (Aussagen am 8. September.) Am folgenden Tag wurden ferner ein Offizier v. Teuchert und zwei Husaren der Armee v. Oven, Linnenbrügger und Hindorf, als Gefangene eingeliefert. Außerdem befand sich dort der Prof. Berger, weil er ein Plakat der Räteregierung abgerissen hatte, und eine Reihe von Geiseln. Als immer neue Nachrichten von Erschießungen roter Soldaten kamen, entstand im Lager der Roten große Erregung. Das Infanterieleibregiment forderte den Oberkommandanten Eglhofer auf, als Repressalie seinerseits Gefangene zu erschießen. Am 30. April erhielt Fritz Seidel, der Kommandant des Luitpoldgymnasiums, angeblich hierzu den Befehl von Eglhofer. Doch hat Eglhofer selbst noch am gleichen Tage dies ausdrücklich bestritten. Zuerst wurden unter Leitung Schickelhofers und Kammerstädters die zwei Husaren erschossen. Dabei beteiligten sich Wiedl und Josef Seidl. Gleich darauf brachten Kick und Pürzer den schriftlichen Befehl Eglhofers zu weiteren Erschießungen. Hesselmann, Gsell und Haußmann beteiligten sich an der Auswahl der zu Erschießenden. Der Professor Berger schloß sich aus Mißverständnis dem abgeführten Trupp an. Seidl zitterte am ganzen Körper vor Aufregung und hatte jede Herrschaft über seine Soldaten verloren. Er konnte sie in ihrer Wut nicht mehr zurückhalten. Die Gefangenen wurden einzeln abgeführt und zwischen 4 und 5-1/2 Uhr nachmittags an die Wand gestellt und an einem Misthaufen von den aufgestellten 8 bis 10 Schützen durch Gewehrsalven auf das Kommando »Legt an, Feuer« erschossen. Als Thurn und Taxis seine Unschuld beteuerte, wurde er nochmals in die Kanzlei geführt und nach Wiederholung des Befehls erschossen. Hannes, Lermer und Riedmayer beteiligten sich an der Aufstellung (nach der Urteilsbegründung), Fehmer und Pürzer an der Erschießung. So kamen zehn Menschen um. Doch befand sich unter den Erschossenen, wie aus der mir vorliegenden beglaubigten Abschrift der Urteilsbegründung hervorgeht, keine Geisel. Haußmann, der verantwortlich war, beging am Abend der Erschießungen Selbstmord. Eglhofer wurde nach seiner Gefangennahme am 3. Mai in der Residenz ohne Urteil erschossen. Seidel und Schickelhofer wurden wegen je zweier Verbrechen des Mordes zweimal zum Tode verurteilt. Wiedl, Pürzer, Fehmer und Josef Seidl wurden wegen je eines Mordes zum Tode verurteilt. Kick, Gsell, Hesselmann, Lermer, Hannes, Huber und Riedmayer wurden wegen Beihilfe zu je 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. (Vorsitzender Oberlandesgerichtsrat Aull.) Die Todesstrafen wurden am nächsten Tage vollstreckt. (Eingehende Prozeßberichte in den »Münchener Neuesten Nachrichten«, 1.-19. September 1919.) In einem zweiten Prozeß wurde auch Kammerstädter zum Tode verurteilt und das Urteil am nächsten Tag vollstreckt. (15. Oktober 1919.) Ferner wurden L. Debus, A. Strelenko und R. Greiner zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, »weil sie den Mord gefördert haben, indem sie eventuell bereit waren, selbst zu schießen«. (Urteilsbegründung in den »Münchener Neuesten Nachrichten«, 14. Oktober 1919.) Im 3. Geiselmordprozeß wurde am 12. Juni 1920 Ferdinand Rotter zu 7 Jahren Zuchthaus und Heinrich Walleshauser (17 Jahre alt) zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe wurde vollstreckt. An d er e Er m o r d u n gen w äh r en d d er b ayr is ch en Räter ep u b lik Max Weinberger war während der Räterepublik Stadtkommandant von München. Er wurde beschuldigt, an Bürgerliche, insbesondere an die Thulegesellschaft, Waffen und Passierscheine ausgegeben zu haben. (Aussage im Geiselmordprozeß, 8. September.) Er wurde abgesetzt und in der Polizeidirektion eingesperrt. Eines Nachts wurde er in einem Auto fortgeführt. Das Auto wurde von einem Unbekannten zum Halten gebracht. Weinberger wurde erschossen. Seine Leiche wurde erst Ende Mai im Englischen Garten gefunden. Der Fall blieb völlig unaufgeklärt. In Miesbach tagte während der bayrischen Räterepublik ein Revolutionsgericht, um gegen Diebe und Plünderer vorzugehen. Vorsitzender war der Werkführer Richard Käs aus Mochenwangen. Beisitzer waren die Mitglieder des dortigen Aktionsausschusses, der Heizer Josef Mühlbauer aus Hofleiten, der Bergmann Michael Vogl aus Prien; Anklagevertreter der Stadtkommandant Radl. Da Käs sich in Gerichtssachen als Laie fühlte, erbat er sich Aufschluß bei dem dortigen Oberamtsrichter Dollacker, der sich auch bei einer Verhandlung beteiligte. Als Protokollführer im Falle Lacher diente der Oberamtsgerichtssekretär Bruckmeyer. In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1919 kam der Rotgardist Ernst Lacher aus München, der schon vorher bei der roten Armee in Miesbach als stellvertretender Kommandant tätig war, mit Mannschaften, Maschinengewehren und Minenwerfern in einem Sonderzug nach Miesbach, um angeblich mit Ermächtigung des Oberkommandanten Eglhofer die in Miesbach stehenden Truppen wegen andauernder Ausschreitungen abzulösen und die Stelle eines Stadtkommandanten zu übernehmen. Das Unternehmen Lachers mißglückte und er wurde festgenommen. Der Prokurist Georg Graf aus Zigelbarden, der beim Oberkommando der Münchener Räteregierung Chef der geheimen Militärpolizei war, war während dieser Zeit in Miesbach und forderte in den nach dem mißlungenen Unternehmen gehaltenen Sitzungen des Exekutivkomitees, daß Lacher erschossen werde und beantwortete auch nach seiner Rückkehr nach München die an ihn gerichteten Anfragen in diesem Sinne. Graf war im Felde verschüttet gewesen, hatte sich in einer Nervenheilanstalt befunden und war Morphinist. Am 27. April 1919 wurde Lacher unter dem Druck der wütenden Rotgardisten zum Tode verurteilt und das Urteil vollstreckt. Am 13. Januar 1920 begann vor dem Volksgericht in München 2 der Prozeß gegen Graf und Genossen. Das Urteil für Graf lautete wegen Verbrechens der Beihilfe zum Hochverrat auf zwölf Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust, Käs, Mühlbauer und Vogl wurden wegen je eines Verbrechens der Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Beihilfe zum Hochverrat zu je sechs, bzw. 3-1/2 bzw. vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Dollacker und Bruckmeyer, die behaupteten unter dem Druck der Rotgardisten gehandelt zu haben, wurden überhaupt nicht angeklagt. (»Münchener Neueste Nachrichten«, 14., 15., 16. Januar 1920.) Acht Mitglieder des Aktionsausschusses waren schon früher zu Festungsstrafen von einem Jahr drei Monate bis zu zwei Jahren verurteilt worden. Der Stadtkommandant und Anklagevertreter Radl wurde nach dem Sturz der Räterepublik standrechtlich erschossen. Den weiteren Nachforschungen der Polizei gelang es dann, die Namen der neun an der Erschießung beteiligten Rotgardisten zu ermitteln. Davon sind zwei tot, zwei unauffindbar. Gegen die übrigen fünf hat am 21. Februar 1922 der Prozeß stattgefunden. Sie behaupteten, sie seien von ihren dienstlichen Vorgesetzten zur Vollstreckung aufgefordert worden und seien von der Rechtmäßigkeit des Urteils überzeugt gewesen. Dies ist nicht unglaubwürdig. Denn man wußte damals in Südbayern nichts von der Existenz der Gegenregierung Hoffmanns, sondern hielt die Räteregierung für den einzigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt in Bayern. Trotzdem beantragte der Staatsanwalt die Todesstrafe gegen sie. Die angeklagten früheren Rotgardisten Ebert, Blechinger und Essig wurden wegen Beihilfe zum Totschlag zu je 3 Jahren Gefängnis, Anzenberger zu 1 Jahr 6 Monate Gefängnis verurteilt. Der fünfte, Heuser wurde freigesprochen. (»Münchener Neueste Nachrichten«, 22. 2. 22.) Die zwölf Ermordeten waren die einzigen Opfer der Räterepublik. Dagegen hat der Einzug der Regierungstruppen in München Hunderten von Unschuldigen das Leben gekostet. Di e Ei n n a h m e v o n Mü n c h e n Am 1. Mai zogen die Truppen der Regierung Hoffmann in München ein. In dem amtlichen Communiqué schreibt die Regierung: »Nunmehr liegt das Ergebnis der von der Polizei angestellten Erhebungen über die Zahl der Opfer der Münchener Kampftage vom 30. April bis 8. Mai vor. Es bedurfte umfangreicher Arbeit, um diese Zusammenstellung anfertigen zu können. Die Leichenfrauen wurden angewiesen, alle Toten, die beerdigt wurden, zu melden. Auf Grund dieses Materials wurde dann durch die Kriminalkommissare bei den Angehörigen der nähere Sachverhalt erhoben. Bot dieser Weg auch keine Gewähr für die vollständige Richtigkeit, so war er doch der einzige, der eine einigermaßen verläßliche Zusammenstellung ermöglichte. Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe beträgt nach dieser Zusammenstellung 557. Davon fielen kämpfend 38 Mann der Regierungstruppen, 93 Angehörige der Roten Armee, 7 Russen und 7 Zivilpersonen. Standrechtlich erschossen wurden 42 Angehörige der Roten Armee und 144 Zivilpersonen. Bei 42 Toten konnte weder der Name, noch die Art des Todes festgestellt werden. Vermutlich befinden sich unter diesen 42 unbekannten Personen 18 Russen. »Tödlich »verunglückt« bei den Kämpfen sind 184 Zivilpersonen, und zwar am 30. April 1, 1. Mai 36, 2. Mai 103, 3. Mai 16, 4. Mai 7, 6. Mai 21«. (»Münchener Neueste Nachrichten«, 10. Juni 1919.) Den 38 Gefallenen der Regierung Hoffmann stehen also offiziell 107 Gefallene der Roten Armee, 186 standrechtlich Erschossene und 184 »tödlich verunglückte« Anhänger der Räteregierung entgegen. Diese Angaben beziehen sich aber nur auf den Stadtbezirk München. So fehlen z. B. die oben erwähnten, in der Umgebung von München von den Regierungstruppen Erschossenen. Ferner sind natürlich alle Fälle nicht aufgeführt, wo Leute spurlos verschwanden und die Leichen nicht eingeliefert wurden, z. B. der siebzehnjährige Johann Erb am 2. Mai. Die Zahl der Toten ist nach sozialistischen Angaben ungefähr tausend, eine Zahl, die nach Mitteilung beteiligter Soldaten des Generalkommandos Oven durchaus glaubhaft erscheint. Die 184 »tödlich Verunglückten« wird man als Opfer politischer Morde betrachten müssen. Dies geht aus der oben zitierten amtlichen Zusammenstellung selbst hervor. Denn in den letztgenannten 21 Fällen läßt sich die Technik des tödlichen Unglücksfalles genau nachweisen. Am 6. wurden nämlich die 21 katholischen Gesellen ermordet. (Vgl. Seite 41.) Außerdem bin ich in der Lage, weitere 140 in München in den Maitagen Ermordete namentlich aufzuführen. Wenn man also nicht annehmen will, daß der Regierungsbericht diese 140 Fälle vollkommen verschweigt oder den Tatsachen zuwider sie in eine der beiden andern Kategorien unterbringt und Fälle aus diesen Kategorien verschweigt, so ist man zu dem Schluß gezwungen, daß die 184 tödlich Verunglückten tatsächlich ermordet worden sind. Im folgenden einige Einzelfälle. »Da haben wir Schwein gehabt« Huber, Karl, Landsberger Str. 153, 27 Jahre alt, Mitglied der K.P.D., wurde am 30. April nachts aus dem Bett geholt und am andern Morgen nach kurzem Verhör erschossen. Zeugen bestätigen, daß Huber in keiner Weise an Kampfhandlungen beteiligt war. Huber hatte bei seiner Festnahme etwa 30 Mark in Bargeld, eine goldene Uhr, eine Uhr mit Stahlgehäuse, Gamaschen und eine Brieftasche bei sich. Sämtliche Gegenstände fehlten. Als die Schwester des Huber am 23. Mai wegen der Erschießung ihres Bruders Erkundigungen einziehen wollte, hörte sie zufällig, wie vor dem Hause, in dem die 2. Kompagnie des 1. Württembergischen Drag.-Regts. einquartiert war (Harlaching, Ueber der Klause), zwei Posten sich äußerten: »Mit dieser schweren Brieftasche und mit den Gamaschen haben wir mal Schwein gehabt.« Bauer, Johannes, Arbeiter, Unterföhring Nr. 3, 48 Jahre alt, parteilos, und dessen Sohn Johann, 17 Jahre alt, wurden am 30. April auf Grund einer Denunziation aus der Wohnung geholt und kurz darauf ohne Verhör erschossen. Der Vater war parteilos. Der Sohn Mitglied der Arbeiterwehr. Er hinterließ Frau und vier unmündige Kinder. Am 1. Mai wurden Peter Huhn und Georg Kistler in Großhesselohe und der Feinmechaniker Höpfl in Grünwald ohne Urteil erschossen; Verfahren wurde eingestellt, weil Täter nicht zu ermitteln. Jakob Münch, Forstenrieder Str. 71, wurde am 1. Mai erschossen. Er wollte seine im Februar gefaßten Waffen abliefern und wurde dabei verhaftet. Benno Huber, Metzger, Großkarolinenfeld, war bei der Roten Armee in Rosenheim gewesen und wurde am 2. Mai im Bett erschossen. Hinterläßt eine Frau mit zwei Kindern. Der Schuhmacher Emeran Rötzer und der Arbeiter Kohlmann wurden am 2. Mai auf Grund von Denunziationen durch württembergische Truppen in ihren Wohnungen, Dreimühlenstr. 14, verhaftet und sofort ohne Urteil im Schlacht- und Viehhof erschossen. Sie hatten 3 Gewehre, die in ihrem Privatbesitz waren, darunter 2 Jagdgewehre, am selben Vormittag abgeliefert. Eine Untersuchung fand nicht statt. Sie wurden beschuldigt, einen Regierungssoldaten umgebracht zu haben. In Wirklichkeit hatten sie einen auf der Straße aufgelesenen verwundeten Rotgardisten beherbergt. Dieser wurde im Bett mit Gewehrkolben geschlagen, dann erschossen. Rötzer hinterläßt drei Kinder. Faust, Schreiner, leistete am 2. Mai freiwillig Sanitätsdienste bei der Armee v. Oven und trug eine Rote Kreuzbinde. Die Soldaten sahen dies für einen Ausweis der Roten Armee an und erschossen ihn. Kein Verfahren. Der Schriftsteller Hans Schlagenhaufer in Unterhaching wurde am 1. Mai von dem Hauptmann Liftl aufgefordert, seine Waffen abzugeben. Er bestritt, Waffen zu besitzen. Doch wurde ein Gewehr gefunden. Er wurde verhaftet, nach Stadelheim abgeführt und dort am 2. Mai ohne gerichtliches Verfahren erschossen. Nach einer der Witwe zugestellten Entscheidung erfolgte die Erschießung wegen des Gewehres und »weil er sich als Mitglied und späterer Schriftführer der K.P.D. während der Umsturzbewegung besonders hervorgetan habe.« Der Schadenersatzanspruch der Witwe auf Grund des Unruheschadengesetzes wurde am 8. November 1921 vom Reichswirtschaftsgericht abgelehnt. (XVII. A. V. 950/21.) Das Verfahren gegen die Täter wurde eingestellt. Klage beim ordentlichen Gericht ist anhängig. Gu s tav Lan d au er Ueber die Art der »Unglücksfälle« orientiert weiter folgender Bericht in der Münchener »Neuen Zeitung« vom 3. Juni 1919: »Am 2. Mai stand ich als Wache vor dem großen Tor zum Stadelheimer Gefängnis. Gegen 1-1/4 Uhr brachte ein Trupp bayrischer und württembergischer Soldaten Gustav Landauer. Im Hof begegnete der Gruppe ein Major in Zivil (im Prozeß als Rittergutsbesitzer Freiherr v. Gagern festgestellt), der mit einer schlegelartigen Keule auf Landauer einschlug. Unter Kolbenschlägen und den Schlägen des Majors sank Landauer zusammen. Er stand jedoch wieder auf und wollte zu reden anfangen. Da rief ein Vizewachtmeister: »Geht mal weg!« Unter Lachen und freudiger Zustimmung der Begleitmannschaften gab der Vizewachtmeister zwei Schüsse ab, von denen einer Landauer in den Kopf traf. Landauer atmete immer noch. Unter dem Ruf: »Geht zurück, dann lassen wir ihm noch eine durch!« schoß der Vizewachtmeister Landauer in den Rücken, daß es ihm das Herz herausriß und er vom Boden wegschnellte. Da Landauer immer noch zuckte, trat ihn der Vizewachtmeister mit Füßen zu Tode. Dann wurde ihm alles heruntergerissen und seine Leiche zwei Tage lang ins Waschhaus geworfen.« Wegen dieses Artikels wurde die »Neue Zeitung« unter Vorzensur gestellt. Das Oberkommando Oven brachte am 6. Juni einen Gegenbericht: »Landauer wurde von einem früheren Offizier geschlagen, als er etwas zu den Soldaten sagen wollte. Nach Aussagen aller Zeugen, mit Ausnahme eines einzigen, hat er mit einer Reitpeitsche, nicht mit einem Knüttel geschlagen. Keiner der bisher vernommenen Zeugen konnte angeben, daß unter Lächeln und freudiger Zustimmung der Begleitmannschaften auf Landauer geschossen worden sei ... Unrichtig ist, daß ein Vizewachtmeister drei Schüsse auf Landauer abgegeben hat. Vielmehr ist erwiesen, daß zwei Infanteristen mit Gewehr oder Karabiner und daß ein Mann, der als Kavallerist, als Sergeant, als Vizewachtmeister und als Offizierstellvertreter bezeichnet wurde, mit der Pistole einen Schuß auf Landauer abgegeben hat. Davon, daß Landauer alles heruntergerissen wurde, hat kein Zeuge etwas angegeben. Festgestellt ist nur, daß Landauer die Uhr abgenommen wurde. Der Besitzer der Uhr wurde bereits ermittelt.« Demnach hat Landauer weder einen Fluchtversuch unternommen, noch eine andere provokatorische Handlung versucht oder ausgeführt. Der Münchener Stadtrat Weigel teilt mir über die Agnoszierung der Leiche Landauers folgendes mit: »Landauers Leichnam fehlten Rock, Hose, Stiefel und Mantel. Nach dem Sektionsprotokoll waren drei Schüsse auf Landauer abgegeben, die alle tödlich waren. Der Brustschuß stammte nach Ansicht des Gerichtsarztes Dr. Schöpflin und des Prof. Oberndorfer wahrscheinlich nicht von einem Gewehr, sondern von einer Pistole. Doch wurde dies auf Ersuchen des Kriegsgerichtsrates Christoph nicht aufgenommen.« Freiherr v. Gagern bekam vom Amtsgericht München am 13. September 1919 einen Strafbefehl über 300 Mark. Das Verfahren gegen weitere Beteiligte wurde eingestellt. »Vor dem Kriegsgericht in Freiburg kam die Anklage gegen den Unteroffizier Digele wegen Tötung Gustav Landauers zur Verhandlung. Nachdem ein nicht ermittelter Soldat Landauer in den Kopf geschossen hatte, gab Digele auf Landauer einen Pistolenschuß ab. Der Angeklagte, ein Württemberger, der inzwischen bei den Baltikumtruppen zum Unteroffizier befördert wurde, berief sich darauf, daß er nur den Befehl eines Vorgesetzten ausgeführt habe. Das Gericht sprach ihn von der Anklage des Totschlages frei, weil er in dem Glauben sein konnte, nach Befehl zu handeln, und verurteilte ihn wegen Hehlerei, begangen durch Aneignung der Uhr des Toten, zu fünf Wochen Gefängnis, die durch die Untersuchungshaft verbüßt sind.« (»Münchner Neueste Nachrichten«, 22. März 1920.) (Ein ausführlicher Prozeßbericht, aus dem insbesondere die Richtigkeit der ersten Darstellung hervorgeht, findet sich in der Freiburger »Volkswacht« vom 22. und 23. März 1920.) Ich konnte trotz gütiger Unterstützung durch Behörden nicht feststellen, ob Gagern mit dem Hauptmann Freiherr v. Gagern-Rickholt (geboren am 21. 1. 1887 in Worms) identisch ist, der am 25. 5. 1915 den belgischen Baron d'Udekem d'Acoz ermordete. Dieser wurde am 7. Juni 1916 zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 16. 1. 1919 aber vom Präsidenten des Reichsmilitärgerichts freigelassen. (Erklärung der Reichsregierung, 11. 8. 1922.) Außer Landauer wurden in den ersten Maitagen in Stadelheim noch über 30 wehrlose Gefangene von den Soldaten ohne weiteres Verfahren umgebracht. Herr Weigel teilt mir hierüber mit: »An der Wand eines inneren Gefängnishofes, dessen Tor auf den Friedhof hinausführt, habe ich an der Mauer in Brusthöhe 50 bis 60 Gewehreinschläge gesehen. Rekognosziert werden sollten 30 bis 40 Tote. Sie waren nach den Angaben der Gefängnisverwaltung aus dem Massengrab, wo sie ohne Särge lagen, herausgeholt und in die Särge gelegt worden. An das Massengrab zu gehen, wurde mir nicht gestattet. Nur wenige Särge wiesen Namen auf, darunter einen weiblichen.« Elf Leichen konnten nicht agnosziert werden. (Münchener »Neue Zeitung«, 17. Juni 1919.) Das Verfahren gegen die Täter ist noch nicht abgeschlossen, hat aber bisher zu keinerlei Resultaten geführt. Er s ch ieß u n g — k ein e o f f en e Gew alt Der Hilfsarbeiter Josef Sedlmaier wurde am 2. Mai 1919 in seiner Wohnung, Winterstr. 8 II., verhaftet. Sedlmaier war niemals bei der Roten Armee und hatte niemals an Kämpfen teilgenommen. Er hatte lediglich 14 Tage bei der Arbeiterwehr Sicherheitsdienst gemacht und sein Gewehr am 27. April eingeliefert. Nach den staatsanwaltschaftlichen Akten, A.V. XIX 1254/19, hat der betreffende Leutnant Möller, bayr. Schützenregiment 21, die Festnahme angeordnet, »weil er (Sedlmaier) mir nicht beweisen konnte, daß er sein Gewehr wirklich schon am 27. April abgeliefert habe.« Zu gleicher Zeit wurden die im gleichen Hause wohnenden Gebrüder Altmann festgenommen. Nach den Angaben eines »unbekannten, nicht ermittelten Polizeiorgans« waren sie »gefährliche Spartakisten«. Die drei Verhafteten wurden einer »Standgerichtskommission« unter Vorsitz eines Hauptmannes vom 1. bayr. Schützenregiment vorgeführt und zum Erschießen bestimmt. Sie wurden in den Hof einer Lederfabrik, Pilgersheimer Str. 39, geführt; als sie dort einen bereits Erschossenen liegen sahen, begannen sie auseinanderzulaufen. Darauf wurden alle drei wegen Fluchtgefahr erschossen. Der Tumultschadenausschuß konstatiert aus den staatsanwaltschaftlichen Akten, daß alle Zeugen bezüglich des Sedlmaier nichts Belastendes bekundet haben. Schriftliche Aufzeichnungen über das »standgerichtliche« Verfahren wurden nicht gemacht. Der betreffende Hauptmann, der das »Standgericht« leitete, erklärte zu den Akten: »Ich habe in den ersten Tagen des Mai auf Grund von Angaben der Kriminalpolizei und von Vertrauenspersonen soviele Verhaftungen vornehmen lassen, daß ich mich unmöglich auf die Namen von Festgenommenen besinnen kann; auch kann ich nicht angeben, ob Sedlmaier und die beiden Altmann mir vorgeführt wurden, oder ob sie auf dem Wege zu mir erschossen wurden, weil sie einen Fluchtversuch machten.« Das Verfahren gegen Möller wurde eingestellt. Von einem Verfahren gegen den Hauptmann oder gegen die Soldaten, die die Erschießung vornahmen, ist nichts bekannt geworden, obwohl der Staatsanwaltschaft nach eigener Mitteilung die Namen bekannt sind. Der Tumultschadenausschuß billigte der Witwe, welche zwei minderjährige Kinder hat, eine kleine Rente zu. Hiergegen legte der Reichskommissär bei dem Tumultschadenausschuß Beschwerde zum Reichswirtschaftsgericht ein. Dieses hob den Beschluß auf und wies den Anspruch auf Entschädigung ab. In dem Beschluß heißt es: »Zunächst ist der Schaden in keinem Falle durch offene Gewalt verursacht. Denn die vollstreckende militärische Stelle hat, wie auch der Fall gelagert gewesen sein mag, stets amtliche Befugnisse ausüben wollen. Selbst ein Mißbrauch und eine Ueberschreitung von Amtsbefugnissen kann niemals als offene Gewalt angesprochen werden. Weiter aber ist auch in keinem der möglichen Fälle der Tod durch die Abwehr der offenen Gewalt der Spartakisten unmittelbar verursacht worden. Sedlmaier wurde durch seine Verhaftung dem Kreise der gegen die Spartakistenherrschaft eingesetzten unmittelbaren Abwehrmaßnahmen entrückt. In diesem Augenblick begann für ihn die Abwicklung eines außerhalb der unmittelbaren Gewaltabwehr liegenden besonderen strafrechtlichen Verfahrens ...« Nunmehr hat die Witwe eine Klage gegen den Militärfiskus beim ordentlichen Gericht eingereicht. Zu dem Brothändler Josef Probst kamen am 2. Mai 5 Soldaten des Freikorps Epp. Sie durchsuchten nicht einmal die Wohnung, sondern forderten ihn nur auf mitzugehen, er komme gleich wieder. Er wurde sofort erschossen. Irgend ein gerichtliches Verfahren fand nicht statt. An den Kämpfen hatte sich Probst in keiner Weise beteiligt. Klage zum ordentlichen Gericht ist anhängig. Er s c h ie ß u n g w e ge n Be s c h im p f u n g d e r O f f izie r e Josef Anton Leib, Daiserstr. 4, hatte eine Zeitschrift »Der Republikaner, Volksblatt für Süddeutsche Freiheit«, herausgegeben. Am 2. Mai bezog das Batl. Lindenfels, in der Mehrzahl aus Tübinger Studenten bestehend, Quartier in der Implerschule. Bei Leib wurden drei Haussuchungen abgehalten, es wurde aber nichts gefunden; dann wurde er mitgeschleppt und auf Befehl des Rittmeisters Freiherrn von Lindenfels im Hof des Restaurants Elysium erschossen. Als Begründung wurde angegeben, er habe »auf der Liste gestanden« und habe die Offiziere beschimpft. Gegen Freiherr v. Lindenfels wurde am 2. August 1920 Anklage erhoben. Er wurde freigesprochen (Wehrkreis-Kommando V Abt. IV.). Nach der Entscheidung des Tumultschadenausschusses hat L. sich am Kampfe nicht beteiligt und ist den Truppen nicht mit Waffen entgegengetreten. Da die Blätter geeignet gewesen seien, lebhafte Erregung in die Bevölkerung zu tragen, und da die Witwe zwar nicht mitgearbeitet, aber in Kenntnis der Sachlage die Einnahme aus den Blättern »bewußt mitgenossen« habe, erschien es nach Ansicht des Tumultschadenausschusses der Billigkeit entprechend, die Höchstrente der Witwe von damals 57 M 90 [Pf] monatlich auf 30 Mark monatlich herabzusetzen, die Renten der fünf damals sämtlich minderjährigen Kinder von je 23 M 80 [Pf] monatlich aber unverändert zu belassen. Das Reichswirtschaftsgericht hob diese Entscheidung am 20. Oktober 1921 auf und wies nach ständiger Praxis sämtliche Ansprüche ab, denn »ein Mißbrauch von Amtsbefugnissen könne nie als offene Gewalt angesprochen werden.« (XVII A.V. 617/21.) Klage zum ordentlichen Gerichte ist anhängig. Bauer, Josef, Monteur, Schönstr. 60, 20 Jahre, parteilos, wurde am 3. Mai in Schleisheim angeblich wegen eines bei ihm vorgefundenen Briefes festgenommen, kurz darauf erschossen und ausgeraubt. Nagl, Josef, Maurerpolier, 31 Jahr, Sauerlach, wurde am 3. Mai in seiner Wohnung festgenommen und am Starnberger Bahnhof erschossen. Die Erschießung erfolgte, da angenommen wurde, Nagl sei Eigentümer eines in seiner Wohnung vorgefundenen Gewehres, das jedoch nachweislich einem bei Nagl wohnenden Alois Stöttel gehörte. Nach seiner Erschießung wurde die Leiche vollständig ausgeraubt. Es fehlten 100 Mark Bargeld. Nagl hinterläßt seine Frau. Stettner, Josef, Xylograph, Baaderstr. 65, wurde am 3. Mai bei Hilfeleistung eines Verwundeten am Gärtnerplatz erschossen. Hinterläßt Frau und 6 Kinder. Tischer, Johann, Maler, 37 Jahr, Zeppelinstr. 23, wurde am 3. Mai aus seiner Wohnung geholt, kam etwa nach einer halben Stunde zurück und wurde auf Grund einer Bemerkung, die er den Soldaten gegenüber gemacht hatte, wieder festgenommen und kurz darauf im Lehrerinnenseminar in der Frühlingstr. erschossen. Zull, Josef, Kutscher, 20 Jahr, Winterstr. 4, wurde am 3. Mai in seiner Wohnung verhaftet, schwer mißhandelt, halb erschlagen und am Kandidplatz erschossen. Er war bei der Republikanischen Schutzwehr gewesen. Anton Oswald wurde auf Grund einer Denunziation des Kriminalwachtmeisters Keitler am 3. Mai morgens aus dem Bett geholt, da er bei der Entwaffnung der Schutzleute geholfen hatte. Er wurde in eine Kiesgrube gestellt, um erschossen zu werden. Schwer verwundet konnte er, da auftauchende rote Truppen die Erschießung verhinderten, sich in ein Haus schleppen, wo er ins Bett gelegt wurde. Dort wurde er gefunden, an einen Zaun geschleppt und endgültig erschossen. (Kein Verfahren.) Der Er m o r d ete is t s ch u ld Am 2. Mai 1919, nachmittag 5 Uhr, kamen zwei bewaffnete Soldaten des Freikorps Epp in die Wohnung Daisenhofener Str. 12 des Dr. Karl Horn, Professor für Mathematik und Physik, und brachten ihn nach dem Gefängnis Stadelheim. Dort verhörte ihn der Kommandant, Leutnant Heußer, und gab ihm einen Passierschein, auf welchem die Schlußworte standen: »Professor Dr. Karl Horn irrtümlich verhaftet«. Horn kehrte um 8 Uhr abends in seine Wohnung zurück. Am nächsten Morgen früh acht Uhr traten abermals zwei Bewaffnete des Freikorps Epp in die Wohnung und brachten ihn in das Haus Tegernseer Landstraße 98, wo die Befehlsstelle mit dem Stab des 1. Bataillons des Schützenregiments I (Freikorps Epp) lag. Dort wurde er im Hofe von dem herbeigeholten diensttuenden Leutnant Josef Dinglreiter (Bataillonsadjutant) ohne Verhör kurz mit den den Worten abgefertigt: »Ab nach Stadelheim, erledigt« und drei Soldaten zum Transport übergeben. Horn versuchte umsonst, seinen Passierschein vorzuweisen. Von einem dieser drei Soldaten wurde Horn auf der vor dem Haus Stadelheimer Str. 33 befindlichen Wiese um 8-3/4 Uhr durch einen Schuß von rückwärts durch den Kopf getötet. Die Begleitmannschaft raubte Schuhe, Uhr mit Kette und Anhänger, plünderte die Taschen und versuchten den Ehering abzuziehen. (Aussage des Augenzeugen Georg Gruber in meinem Besitz.) Die Leiche wurde quer über dem Fußweg liegen gelassen. Der Täter, wahrscheinlich Unteroffizier Georg Grammetsberger, kehrte zur Stadt zurück, die beiden andern Soldaten gingen nach Stadelheim. Um 1/2-3 Uhr nachmittags wurde die Leiche von der Gattin und dem neunjährigen Sohne am Tatort gefunden. Das Verfahren gegen Grammetsberger wurde eingestellt. Gegen Dinglreiter fand kein Verfahren statt. Sowohl das Landgericht München wie das Oberlandesgericht München haben die Klage der Witwe abgewiesen, da eigenes Verschulden des Getöteten vorliegt. Dieser habe zu »jenem Kreis von Leuten gehört, die die Bevölkerung aufgehetzt und dadurch mittelbar die Ausschreitungen der Soldaten selbst erzeugt haben.« Die Sache geht jetzt ans Reichsgericht. Ein e F r au als Ziels ch eib e Georg Kling und seine Tochter Marie Kling taten am 2. Mai in Giesing freiwillig Sanitätsdienste bei der Roten Armee in einer Station an der Weinbauerstraße. Sie waren mit Roten Kreuzbinden versehen. Am 3. Mai wurde Georg Kling auf die Polizeistation Tegernseer Landstraße transportiert, weil seine andere Tochter Anni angeblich Munition getragen habe. Marie ging freiwillig mit. Der Schutzmann Keitler behauptete, Marie habe mit der Sanitätsflagge den Roten Zeichen gegeben. Sie kam vor ein Standgericht, wurde auf Grund von Zeugenaussagen von Regierungstruppen freigesprochen und sollte am 4. Mai entlassen werden. Als der Vater sie morgens abholen wollte, war sie schon nach Stadelheim abgeführt. Augenzeugen bekunden, daß sie dort als Zielscheibe verwendet wurde. Zuerst wurde sie ins Fußgelenk, dann in die Wade, dann Oberschenkel, zuletzt in den Kopf geschossen. Eine Verhandlung gegen die Täter fand nicht statt. Denn bei der Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit waren die Akten »verloren« gegangen. Peter Lohmar, Journalist, wurde am 3. Mai auf dem Transport in den Gasteiganlagen, angeblich, weil er sich gewehrt hatte, erschossen. Tatsächlich konnte er als Kriegsinvalide überhaupt nur am Stock gehen. Das Verfahren ist eingestellt. Der Bankbeamte Hans Bulach wurde am 3. Mai auf dem Transport in den Gasteiganlagen von demselben Gefreiten angeblich auf der Flucht erschossen. Der Tagelöhner Theodor Kirchner aus der Winterstr. 4 wurde am 3. Mai ohne jedes gerichtliche Verfahren in der Kirbacher Str. 11 erschossen, obwohl er sich weder an den Kämpfen beteiligt, noch sonst strafrechtlich verfehlt hatte. Ein Gewehr hatte er vorher schon freiwillig ohne Aufforderung eingeliefert. Er hinterließ eine Witwe und 2 Kinder im Alter von 2 und 4 Jahren. Der Tumultschadenausschuß billigte den Hinterbliebenen eine Rente zu. Hiergegen legte der Reichskommissar beim Tumultschadenausschuß Beschwerde ein; in der Begründung derselben heißt es: »Als Kirchner erschossen wurde, war er vollständig wehrlos und von Kirchner drohte daher keinerlei offene Gewalt, demzufolge konnte seine Erschießung auch nicht die Abwehr einer offenen Gewalt von seiner Seite bezwecken, naturgemäß konnte durch diese Erschießung auch nicht die etwa von anderer Seite drohende Gewalt abgewehrt werden ...« Das Reichswirtschaftsgericht hob die Entscheidung auf und wies die sämtlichen Ansprüche ab. Klage zum ordentlichen Gericht schwebt. Der Privatier Christian Frohner, Paulaner Platz 27, wurde am 3. Mai wegen Verdachtes der Teilnahme an der Aufruhrbewegung von Truppen des Freikorps Lützow festgenommen. Am 5. Mai 1919 wurde er auf dem Transport vom »Standgericht« in der Hofbräuhaushalle zur Befehlsstelle der Gruppe Siebert von dem ihn begleitenden Gefreiten erschossen. Der Bescheid des Tumultschadenausschusses stellte fest, daß die Erschießung »angeblich aus Notwehr« erfolgte. Die Leiche wurde ausgeraubt. Der Antrag auf Zuerkennung einer Rente auf Grund des Tumultschadengesetzes wurde in beiden Instanzen abgelehnt. Klage zum ordentlichen Gericht ist anhängig. Das gegen den Gefreiten wegen Mord eingeleitete Verfahren wurde eingestellt, weil ein Zeuge nicht auffindbar gewesen ist. Derselbe Gefreite hat auch Bulach und Lohmar umgebracht. Der Monteurhelfer Leonhard Dorsch, am Feuerbachl 6, wurde nach den der Witwe vom Tumultschadenausschuß mitgeteilten Feststellungen vom Militär am 4. Mai verhaftet, »da er der Zugehörigkeit zur Roten Armee verdächtig war«. Er wurde zunächst einem Gerichtsoffizier in der Wache des 16. Stadtbezirkes zum Verhör vorgeführt und später »auf nicht aufgeklärte Weise, vermutlich bei einem Fluchtversuch« erschossen. Kein Verfahren. Die zw ö lf P e r la c h e r Ar b e ite r Am 4. Mai rückte das Freikorps Lützow in Perlach, wo niemals gekämpft worden war, ein. Die Offiziere konferierten mit dem protestantischen Pastor Hell. (Angeblich holten sie dort ein Wäschepaket ab.) Dann requirierten sie ein Zimmer im Gasthof zur Post und verhafteten die Arbeiter Johann Licht und Georg Koch. Um 3 Uhr morgens wurden dann auf Grund einer Liste u. a. folgende Perlacher Arbeiter, teils Parteilose, teils Mitglieder der Mehrheitssozialdemokratie, aus ihren Betten geholt: Adalbert Dengler, Georg Eichner, Sebastian Hufnagel, Georg Jacob, Josef Jakob, Johann Keil, Albert Krebs, Josef Ludwig, August Stöber, Konrad Zeller. Bei dem Hafnermeister Ludwig waren drei ergebnislose Haussuchungen vorausgegangen. Keil und Dengler hatten Waffen besessen, sie jedoch am 1. Mai laut Aufforderung abgeliefert. Als der Wirt den Verhafteten Kaffee geben lassen wollte, hieß es, »die brauchen nichts mehr«. Die Verhafteten mußten Brieftaschen, Messer und Geldbörsen abgeben, wurden in der Früh um 5 Uhr auf ein Lastauto verladen und nach dem Hofbräuhauskeller gebracht. Ludwig wurde gleich hinter das Auto geführt und um 6 Uhr morgens erschossen. Einige der Verhafteten wurden dann von Offizieren verhört. Keiner war bei der Roten Armee gewesen. Keiner hatte sich an den Kämpfen beteiligt, bei keinem waren Waffen gefunden worden, Zeugen schildern, daß die Gefangenen einen niedergeschlagenen, ja geistesabwesenden Eindruck machten und flehentlich um ihr Leben baten. Zwischen 11 und 1 Uhr wurden in Abständen erst zwei, dann drei Personen auf dem Hof auf einem Kohlenhaufen erschossen. Zwei weitere Gefangene, zuerst zurückgestellt, wurden später erschossen. Insgesamt wurden in Abständen 12 Gefangene ohne Urteil, ohne den Schatten eines Rechts erschossen. Nach der Erschießung wurden den Toten ihre sämtlichen Wertgegenstände und Papiere geraubt. Gegen keinen einzigen der Täter oder der verantwortlichen Offiziere ist jemals auch nur verhandelt worden. (Aussagen von 14 Augenzeugen sind in meinem Besitz.) 12 Frauen und 35 minderjährige Kinder waren der Ernährer beraubt. Die von den Hinterbliebenen auf Grund des Aufruhrschadengesetzes erhobenen Rentenansprüche wurden vom Reichswirtschaftsgericht am 14. August 1921 mit der Begründung abgewiesen, die Erschießung sei keine offene Gewalt gewesen. (XVII, A.V. 747/21.) Josef Graf, 18 Jahre, wurde am 3. Mai verhaftet. Ein Offizier teilte dem Vater mit, der Fall werde am nächsten Tag ordnungsgemäß verhandelt. Am 4. Mai, morgens 1/2-6 Uhr, wurde er auf offener Straße (Warngauer Straße) erschossen und die Leiche liegen gelassen. (Kein Verfahren.) Josef Siegl, Sanitätssoldat, Rheintaler Str. 64, tat während der Räterepublik keinen Dienst und ging erst am 1. Mai wieder in Dienst. Auf dem Weg nach Hause wurde er am 5. Mai wegen seiner Roten Kreuzbinde erschossen. Die Leiche wurde ausgeraubt. Schäffer, Josephine, Kaufmannsfrau, Hohenzollernstr. 72, wurde am 5. Mai auf dem Transport nach dem Abteilungsstab des Freikorps Lützow in der Nähe der Giselaschule erschossen. Nach der Erschießung wurde ihre Wohnung durchsucht und Gegenstände im Werte von 3000 Mark entwendet. Ihr Mann war in Haft. Ein Verfahren gegen die Täter ist nicht eingeleitet. Die 21 katholischen Gesellen Am 6. Mai fand eine Versammlung des katholischen Gesellenvereins St. Joseph wegen Theaterangelegenheiten im Vereinslokal, Augustenstr. 71, statt. Sie wurde als »spartakistisch« denunziert. Auf Grund eines Befehls des Hauptmanns v. Alt-Stutterheim wurden die Gesellen durch eine Patrouille unter Führung des Offizierstellvertreters Priebe verhaftet, weil ein Versammlungsverbot existierte. Hauptmann v. Alt-Stutterheim musterte die Verhafteten auf der Straße. Die Leute schrien, sie seien unschuldig; er sagte, das gehe ihn nichts an, und ließ es zu, daß die Leute furchtbar mißhandelt wurden. Sieben Gefangene wurden im Hof des Hauses Karolinenplatz 5 erschossen. Die anderen wurden in den Keller eingeliefert. Die Soldaten, zum Teil in angetrunkenem Zustand, trampelten auf den Gefangenen herum, stießen sie wahllos mit dem Seitengewehr nieder und schlugen derartig um sich, daß ein Seitengewehr sich verbog und daß das Hirn herumspritzte. So töteten sie weitere 14 Leute und plünderten dann die Leichen aus. Fünf Gefangene wurden schwer verwundet. »Die Leichen der Erschossenen schauten fürchterlich aus. Einem war die Nase ins Gesicht hineingetreten, andern fehlte der halbe Hinterkopf«. (Erster Verhandlungstag.) »Wenn einer der Verwundeten sich noch regte, wurde auf ihn eingeschlagen und eingestochen. Zwei Soldaten, die sich umfaßt hatten, führten einen wahren Indianertanz neben den Leichen auf, schrien und heulten.« (»Bayr. Kurier«, 23. Oktober 1919.) Die Soldaten glaubten ein Recht dazu zu haben, da ihnen durch ihren Hauptmann Hoffmann erklärt worden war, wenn sie einen Spartakisten sähen, sollten sie gleich von der Waffe Gebrauch machen. Ein Soldat meldete sich denn auch dienstlich von der Erschießung der 21 Spartakisten zurück. Der größte Teil der Täter konnte nicht festgestellt werden. Das Sektionsprotokoll verschwand aus den Akten. Die Namen der Ermordeten waren: J. Lachenmaier, J. Stadler, F. Adler, J. Bachhuber, S. Ballat, A. Businger, J. Fischer, M. Fischer, F. Grammann, M. Grünbauer, J. Hamberger, J. Krapf, J. Lang, B. Pichler, P. Prachtl, L. Ruth, K. Samberger, F. Schönberger, A. Stadler, F. Stöger, K. Wimmer. Am 25. Oktober 1919 wurde der Soldat Jakob Müller und der Vizefeldwebel Konstantin Makowski zu 14 Jahren Zuchthaus, Grabasch zu einem Jahr Gefängnis wegen Totschlags verurteilt. Gegen die verantwortlichen Offiziere der Gardedivision wurde kein Verfahren eingeleitet. Das Verfahren gegen den Hauptmann von Alt-Stutterheim wurde eingestellt. (»Münchener Neueste Nachrichten« und »Bayrischer Kurier«, 21. bis 26. Oktober 1919.) (Schlag, Das Blutbad am Karolinenplatz.) Vorsitzender war Oberlandesgerichtsrat Hieber, Staatsanwalt Dr. Mugler. Am 4. November wurde der ehemalige Husar Stefan Latosi, der in der betr. Nacht blutbefleckt mit gestohlenen Uhren und Geldbörsen den Keller verlassen hatte, wegen Verbrechen des Totschlags freigesprochen, wegen schweren Diebstahls zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. (»Münchener Neueste Nachrichten«, 5. November 1921.) Da mir leider der Platz fehlt alle Münchener »tödlichen Unglücksfälle« auch nur mit wenigen Worten zu schildern, begnüge ich mich, die mir bekannten in tabellarischer Form darzustellen. Der Vorgang ist eintönig immer dasselbe: Denunziation, Verhaftung, Erschießung an der nächsten Mauer, Plünderung der Leiche. Der Täter bleibt straflos, denn ein Verfahren wird gar nicht eingeleitet. Die folgende Liste umfaßt 161 Ermordete und 273 Hinterbliebene. Sie enthält auch die im Text bereits aufgeführten Fälle. 161 VON DEN REGIERUNGSTRUPPEN IN MÜNCHEN ERMORDETE Lfd. Name Wohnort, Beruf, Alter, Zahl der Hinterbliebenen, Datum, Ort der Ermordung, Bemerkung Nr. 1 Adler, Franz Kath. Ges.-Verein, Augustenstr. 41, Schlosser, Alter: 25, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, vollst. ausgeplündert 2 2 Brüder Winterstr. 8, Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Pilgersheimerstraße 39, Verfahren Altmann eingestellt 4 Aschenbrenner, Tegernseerlandstraße 18, Spengler, Alter: —, Hinterbliebene: 3, 7. V. 19, Hohenzollernschule M. 5 Bachhuber, Kath. Ges.-Verein, Maler, Alter: 19, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, vollst. ausgeplündert Josef 6 Barth, Georg Lilienstr. 62, Hoteldiener, Alter: 30, Hinterbliebene: 1, Datum: — , Ort der Ermordung: —, Schuhe, Hose, Mantel geraubt 7 Barth, R. Anton Nockherstr. 38, Kutscher, Alter: 18, Hinterbliebene: 1, 4. V. 19, Ostfriedhof 8 Bauer, Johann Unterföhring 3, Beruf: —, Alter: 17, Hinterbliebene: —, 30.IV. 19, Ort der Ermordung: — 9 Bauer, Unterföhring 3, Arbeiter, Alter: 48, Hinterbliebene: 5, 30.IV. 19, Ort der Ermordung: — Johannes 10 Bauer, Josef Schönstr. 60, Monteur, Alter: 20, Hinterbliebene: 6, 3. V. 19, Schleißheim, ausgeraubt 11 Bischl, Michael Oberländerstr. 11, Schlosser, Alter: 18, Hinterbliebene: 2, 2. V. 19, Ruprechtstr., erschlagen und erschossen 12 Bongratz, Peter Westendstr. 161, Gehilfe, Alter: 25, Hinterbliebene: 8, 5. V. 19, Schlachthof, gold. Uhr, 3 goldene Ringe, Ueberzieher, Hut geraubt 13 Bulach, Johann Mariahilfstr. 3, Bankbeamter, Alter: 37, Hinterbliebene: 3, 3. V. 19, Gasteiganlagen 14 Bullat, Kath. Ges.-Verein, Schmied, Alter: 19, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert Sebastian 15 Brucker, Oskar Hochstr. 31, Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: 1, 3. V. 19, Salvatorkeller 16 Buscher, Tegernseerlandstraße 28, Bauhilfsarbeit., Alter: 29, Hinterbliebene: —, 4. V. 19, Stadelheim Andreas 17 Businger, Anton Kath. Ges.-Verein, Buchbinder, Alter: 22, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 18 Crusius, Ludwig Weinbauernstr. 1, Schlosser, Alter: 37, Hinterbliebene: 2, 2. V. 19, Knollwiese 19 Dal Sasso, Bavariastr. 9, Kutscher, Alter: 35, Hinterbliebene: 1, 3. V. 19, Menterschweige Josef 20 Demann, Wendelsteinstr. 9, Bahnarbeiter, Alter: 21, Hinterbliebene: 3, Datum: — , Ort der Ermordung: — Johann 21 Dengler, Perlach, Prinzregentenstr. 46, Taglöhner, Alter: 46, Hinterbliebene: 6, 5. V. 19, Hofbräuhausk. Adalbert 22 Dietz, Theodor i. d. Grube 25, Spengler, Alter: 30, Hinterbliebene: 2, 2. V. 19, Maximiliank. 23 Dorfmeister, Siebenbrunnerstr., Ingenieur, Alter: 28, Hinterbliebene: 4, 2. V. 19, Harlaching, erschlagen, erschossen, Aug. ausgeplündert 24 Dorsch, Feuerbachl 6, Monteurgehilfe, Alter: 25, Hinterbliebene: —, 4. V. 19, Frauenhoferbrücke Leonhard 25 Eckert, Max Miliechplatz 1, Friseur, Alter: 45, Hinterbliebene: 4, 2. V. 19, Kühbachstr. 26 Effhauser, Jahnstr. 31, Monteurgehilfe, Alter: 28, Hinterbliebene: 1, 1. V. 19, Stadelheim Lorenz 27 Eichner, Georg Perlach 196, Bahnarbeiter, Alter: 35, Hinterbliebene: 5, 5. V. 19, Hofbräuhausk. 28 Enzenberger, Winterstr. 13, Schleifer, Alter: 24, Hinterbliebene: 3, Datum: — , Harlachinger Weg, 143 M., Brieftasche, Joh. Ehering, Uhr, Windjacke geraubt 29 Ewald, Jakob Tegernseerlandstraße 71, Hilfsmonteur, Alter: — , Hinterbliebene: 2, Datum: — , Ort der Ermordung: — 30 Faltermeier, Peißenbergstr. 1, Metzger, Alter: 28, Hinterbliebene: 3, 2. V. 19, Stadelheim Otto 31 Faust, sen. Kistlerstr. 1, Schreiner, Alter: — , Hinterbliebene: —, 2. V. 19, i. d. Wohnung 32 Faust, jun. Kistlerstr. 1, Schreiner, Alter: — , Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Ort der Ermordung: — 33 Felser, Martin Mondstr. 1, Bauarbeiter, Alter: 23, Hinterbliebene: 1, 3. V. 19, Stadelheim 34 Feigl, Ludwig Herzogstandstr. 1, Metzger, Alter: 41, Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Ort der Ermordung: — 35 Fichtl, Johann Perlach 46, Hilfsarbeiter, Alter: 43, Hinterbliebene: 7, 5. V. 19, Hofbräuhausk. 36 Fischalk, Anton Schönstr. 60, Gärtner, Alter: 24, Hinterbliebene: 1, 2. V. 19, Krüppelheim 37 Fischer, Joseph Kath. Ges.-Verein, Schlosser, Alter: 23, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 38 Fischer, Karl Raintalerstr. 72, Hilfsarbeiter, Alter: 20, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Knollhof, ausgeplündert 39 Fischer, Kath. Ges.-Verein, Schneider, Alter: 21, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenplatz 5, ausgeplündert Michael 40 Frohner, Christ. Paulanerplatz 27, Privatier, Alter: — , Hinterbliebene: —, 5. V. 19, Hofbräuhauskeller, gold. Zwicker, Uhr, Börse, Stock gestohl. 41 Ganserer, Wohnort: — , Schlosser, Alter: — , Hinterbliebene: 1, 2. V. 19, Residenz, ausgeplündert Ludwig 42 Geigl, Michael Unterhaching 14, Schriftsetzer, Alter: 39, Hinterbliebene: 2, 1. V. 19, Stadelheim 43 Geltl, Johann Schönstr. 76, Hilfsarbeiter, Alter: 20, Hinterbliebene: 1, Datum: — , Knollkiesgrube, ausgeplündert 44 Gerhard, Karl Oberanger 53, Kaufmann, Alter: 28, Hinterbliebene: 1, 2. V. 19, Jakobplatz 45 Goldbrunner, Tegernseerlandstraße 125, Eisendreher, Alter: 22, Hinterbliebene: 1, Datum: — , Giesingerberg, Joh. ausgeplündert 46 Graf, Josef Gietlstr. 15, Schlosser, Alter: 18, Hinterbliebene: —, 4. V. 19, Warngauerstr. 47 Gramann, Kath. Ges.-Verein, Schneider, Alter: 19, Hinterbliebene:—, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert Franz 48 Grünbauer, Kath. Ges.-Verein, Schlosser, Alter: 24, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert Math. 49 Hamberger, Kath. Ges.-Verein, Schlosser, Alter: 19, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert Joh. 50 Hain, Leo Belgradstr. 107, Masch.-Mstr., Alter: — , Hinterbliebene: 3, 8. V. 19, Karl Theod.-W., ausgeplündert 51 Hausler, Rich. Großhadern 19, Elektrotechn., Alter: 19, Hinterbliebene: 2, 1. V. 19, Großhadern 52 Hausmann, Weißenburger Straße 2, Friseur, Alter: 30, Hinterbliebene: 1, 3. V. 19, i. s. Wohnung Wilh. 53 Hecksteiger, Kühbachstr. 16, Maurer, Alter: 36, Hinterbliebene: 1, 3. V. 19, Ort der Ermordung: — Max 54 Heimerer, Anton Tegernseerlandstraße 30, Eisenhobler, Alter: 49, Hinterbliebene: 5, 3. V. 19, Knollgrube, ausgeplündert 55 Heimkirchner, Elsenheimerstr. 28, Hilfsarbeiter, Alter: 21, Hinterbliebene: 1, 2. V. 19, Ausstellung, 230,— M., Uhr und Jul. Kette, Hut und Stiefel geraubt 56 Heinritzl, Josef Wendelsteinstr. 2, Bauarbeiter, Alter: 22, Hinterbliebene: 1, 2. V. 19, Knollanwesen 57 Hillenbrand, Ackerstr. 116, Fensterreinig., Alter: 20, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Siboldstr. Joh. 58 Hof, Sebastian Forstenriederstr. 2, Schlosser Alter: 32, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Forstenrieder Ecke, Holzapfelstraße 59 Horn, Karl Daisenhofenerstraße 12, Prof. d. Mathematik, Alter: —, Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Stadelheimerstraße 33, Uhr, Kette, Schuhe geraubt 60 Höpfl Grünwald, Feinmechaniker, Alter: — , Hinterbliebene: —, 1. V. 19, Grünwald 61 Hörl, Max Weinbauernstr. 2, Schuhmacher, Alter: 33, Hinterbliebene: 3, Datum: —, Stadelheim 62 Huber, Karl Landsbergerstraße 153, Kutscher, Alter: 27, Hinterbliebene: —, 1. V. 19, Ort der Ermordung: —, 30 M., 2 Uhren, Gamaschen, Brieftasche geraubt 63 Hufnagel, Perlach, Rosenheimerstr. 5, Taglöhner, Alter: 47, Hinterbliebene: 3, 5. V. 19, Hofbräuhauskeller, Sebast. ausgeplündert 64 Huhn, Peter Großhesselohe, Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: —, 1. V. 19, Großhesselohe 65 Jakob, Georg Perlach 104, Schreiner, Alter: 37, Hinterbliebene: 3, 5. V. 19, Hofbräuhausk., ausgeplündert 66 Jakob, Josef Perlach, Putzbrunnerstr., Maurer, Alter: 40, Hinterbliebene: 6, 5. V. 19, Hofbräuhausk., ausgeplündert 67 Kapfhammer, Rottmannstr. 23, Taglöhner, Alter: 50, Hinterbliebene: —, 3. V. 19, Stigelmeierpl. Max 68 Keil, Johann Perlach 46, Taglöhner, Alter: — , Hinterbliebene: —, 5. V. 19, Hofbräuhausk., ausgeplündert 69 Kollmeder, Blas. Baaderstr. 2, Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: —, 200 M., Leuchtblattuhr geraubt 70 Kininger, Reifenstuhlstr. 12, Monteur, Alter: 30, Hinterbliebene: 3, 3. V. 19, Schlachthof Ruppert 71 Kirchner, Winterstr. 4, Taglöhner, Alter: — , Hinterbliebene: 3, 3. V. 19, Kühbachstr. 11 Theodor 72 Kistler, Georg Großhesselohe, Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: —, 1. V. 19, Großhesselohe 73 Kling, Maria Edelweißstr. 11, Kontoristin, Alter: 23, Hinterbliebene: —, 4. V. 19, Stadelheim 74 Kobahn, Otto Pilgersheimerstr. 2, Schreinerlehrl., Alter: 16, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Stadelheim 75 Koch, Aug. Perlach 46, Hilfsarbeiter, Alter: — , Hinterbliebene: 9, 5. V. 19, Hofbräuhausk. Georg 76 Koller, Ignatz Abelestr. 1, Schäffler, Alter: 25, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Kapuzinerstr., 80 M., Ring, Ueberzieher, Schuhe geraubt 77 Kohlmann, Joh. Dreimühlenstr. 14, Taglöhner, Alter: — , Hinterbliebene: 6, 2. V. 19, Schlachthof 78 Koyer, Josef Frauenstr. 3, Metzger, Alter: 20, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Marienstr. 79 König, Anton Mehring b. Augsb., Elektromont., Alter: 34, Hinterbliebene: 2, 2. V. 19, Schlachthof 80 Köstelmaier, Landsbergerstraße 163, Malergehilfe, Alter: — , Hinterbliebene: 4, 1. V. 19, Schäftlarn Xaver 81 Krapf, Josef Kath. Ges.-Verein, Schneider, Alter: 21, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 82 Kraus, Karl Gallmeierstr. 6, Händler, Alter: 34, Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Ort der Ermordung — 83 Krebs, Albert Perlach 46, Gußmeister, Alter: 38, Hinterbliebene: 5, 5. V. 19, Hofbräuhausk., ausgeplündert 84 Lachenmaier, Kath. Ges.-Verein, Großhadern, Lindenallee 8, Herbergsvater, Alter: — , Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Josef Karolinenpl. 5, ausgeplündert 85 Landauer, Wohnort: — , Schriftsteller, Alter: 49, Hinterbliebene: 1, 2. V. 19, Stadelheim, Rock, Hose, Stiefel, Mantel Gustav u. Uhr geraubt 86 Lang, Josef Kath. Ges.-Verein, Schlosser, Alter: 26, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 87 Leib, Anton Daiserstr. 44, Redakteur, Alter: — , Hinterbliebene: 6, 2. V. 19, Elysium, Täter: v. Lindenfels 88 Link, Karl Barthstr. 2, Kutscher, Alter: 40, Hinterbliebene: 1, 2. V. 19, Hofbräuhausk. 89 Lohmar, Josef Kühbachstr. 18, Fuhrmann, Alter: 41, Hinterbliebene: 5, 2. V. 19, Giesingerberg 90 Lohmar, Peter Wohnort: — , Journalist, Alter: — , Hinterbliebene: —, 3. V. 19, Gasteiganlagen 91 Ludwig, Josef Perlach 134, Hafnermeister, Alter: 56, Hinterbliebene: 5, 5. V. 19, Hofbräuhausk., ausgeplündert 92 Mages, Georg Landsbergerstraße 163, Bauarbeiter, Alter: 17, Hinterbliebene: —, 3. V. 19, Pettenkoferstraße 11 93 Mairiedl, Josef Großhadern, Bauerstr. 39, Schreiner, Alter: 35, Hinterbliebene: 1, 1. V. 19, v. d. Dorf Großhadern 94 Mandel, Karl Wohnort: — , Redakteur, Alter: 33, Hinterbliebene: 3, Datum: — , Ort der Ermordung: —, größerer Geldbetrag gestohlen 95 Meißenhalter, Wohnort: — , Taglöhner, Alter: — , Hinterbliebene: —, 3. V. 19, Tegernseerlandstr. 32 Rupp. 96 Nagl, Josef Sauerlach, Maurerpolier, Alter: 31, Hinterbliebene: 1, 3. V. 19, Starnberger Bhf., 100 M. geraubt 97 Neumeier, Hans Lothringerstr. 11, Pflasterer, Alter: 23, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Ostfriedhof 98 Niederreiter, Untere Grasstr. 18, Pflasterer, Alter: 29, Hinterbliebene: 3, 3. V. 19, Ort der Ermordung: —, Uhr, Geld, Josef Schuhe u. Ringe, geraubt 99 Noak, Ernst Großhadern 36, Monteur, Alter: 27, Hinterbliebene: —, 1. V. 19, Waldfriedhof, ausgeplündert 100 Obermaier, Joh. Entenbachstr. 12, Metallgießer, Alter: 21, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Ort der Ermordung: —, ausgeplündert 101 Oswald, Anton Kesselbergstr. 2, Maurer, Alter: 31, Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Ort der Ermordung: —, 300 M., Uhr u. Kette [geraubt] 102 Pasch, Josef Wohnort: — , Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: 1, 3. V. 19, Tegernseerlandstr. 132 103 Peller, Josef Alpenstr. 27, Hilfsarbeiter, Alter: — , Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Wiese a. d. Daiserstraße 104 Pichler, Bernh. Kath. Ges.-Verein, Tapezier, Alter: 26, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 105 Platzer, Josef Boosstr. 5, Spengler, Alter: 18, Hinterbliebene: 1, Datum: — , Ohlmüllerstr. 106 Prachtl, Paul Kath. Ges.-Verein, Spengler, Alter: 29, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 107 Probst, Josef Kirchenstr. 38, Brothändler, Alter: 30, Hinterbliebene: 2, 2. V. 19, Maximiliank. 108 Rabl, Georg Aignerstr. 16, Eisendreher, Alter: — , Hinterbliebene: 1, 3. V. 19, Pfarrhofstr. 109 Raffner, Josef Kesselbergstr. 6, Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Knollwiese 110 Raidel, Josef Wirthstr. 1a, Hilfsarbeiter, Alter: 35, Hinterbliebene: 3, 3. V. 19, Wirthstr. 1a 111 Rainer, August Großhadern 19, Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: —, 1. V. 19, Neufriedenheim, Uhr u. Zigarettenetui geraubt 112 Reinhardt, Arcostr. 9, Hilfsarbeiter, Alter: 23, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Ort der Ermordung: — Viktor 113 Reith, Ludwig Kath. Ges.-Verein, Schneider, Alter: 22, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 114 Rieger, Josef Breisacherstr. 19, Maurer, Alter: 34, Hinterbliebene: 1, 2. V. 19, Stadelheim 115 Reischl, Josef Zugspitzstr. 15, Maurer, Alter: — , Hinterbliebene: 2, 4. V. 19, Stadelheim 116 Rötzer, Emeran Dreimühlenstr. 14, Schuhmacher, Alter: 42, Hinterbliebene: 3, 2. V. 19, Ort der Ermordung: — 117 Ruither, Joseph Hans Miliechstr. 10, Stuckateur, Alter: — , Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Cremmermühle, 80 M. u. Bekleidung geraubt 118 Russer, Karl Zugspitzstr. 13, Steinmetz, Alter: 28, Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Ort der Ermordung: —, vollst. ausgeplündert 119 Samberger, Karl Kath. Ges.-Verein, Schneider, Alter: 25, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 120 Samisch, Preisingstr. 8, Spengler, Alter: 45, Hinterbliebene: —, 3. V. 19, Herzogpark, ausgeplündert Wilhelm 121 Sammer, Alfons Kesselbergstr. 6, Hilfsarbeiter, Alter: — , Hinterbliebene: 4, Datum: — , Knollwiese 122 Sedlmaier, Jos. Winterstr. 8, Hilfsarbeiter, Alter: 42, Hinterbliebene: 3, 2. V. 19, Pilgersheimerstraße 39, Verfahren eingestellt 123 Seidl, Georg Trappentreustr. 32, Bauarbeiter, Alter: 32, Hinterbliebene: 1, 1. V. 19, Donnersbergbr. 124 Seidner, Philipp Unterföhring, Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: —, Datum: — , Elsässer Str. 125 Sigl, Josef Raintalerstr. 64, Krankenwärter, Alter: 35, Hinterbliebene: 2, 5. V. 19, Ort der Ermordung: — 126 Sontheimer, Erhardstr. 11, Kaufmann, Alter: 52, Hinterbliebene: —, 4. V. 19, Franziskaner Josef 127 Schäffer, Hohenzollernstr. 72, Kaufmannsfr., Alter: — , Hinterbliebene: —, 5. V. 19, Elisabethplatz, Wohnung Josefine vollständig ausgeplündert 128 Schermer, Boschetsriedstr. 43, Schlosser, Alter: — , Hinterbliebene: 4, Datum: — , Ort der Ermordung: —, als Heinrich Verwundeter erschossen u. ausgeraubt 129 Schlagenhaufer, Unterhaching, Redakteur, Alter: 54, Hinterbliebene: 1, 2. V. 19, Stadelheim H. 130 Schlagintweit, Tegernseerlandstraße 125, Beruf: —, Alter: — , Hinterbliebene: 4, 2. V. 19, Knollwiese Jak. 131 Schnellbögl, Humboldstr. 20, Maler, Alter: 54, Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Kirbachstr. 11, Uhr u. Kette geraubt Georg 132 Schönberger, Kath. Ges.-Verein, Bäcker, Alter: 19, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert Fritz 133 Schredinger, Daisenhofenerstraße 4, Schmied, Alter: 21, Hinterbliebene: 4, 3. V. 19, Stadelheim, ausgeplündert Joh. 134 Schwaiger, Jak. Dreimühlenstr. 9, Zimmerer, Alter: — , Hinterbliebene: 2, Datum: — , Sendlingertorpl. 135 Schwarz, Breisacherstr. 16, Mechaniker, Alter: 21, Hinterbliebene: —, 4. V. 19, Stadelheim Johann 136 Stadler, Anton Kath. Ges.-Verein, Techniker, Alter: 35, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 137 Stadler, Jacob Kath. Ges.-Verein, Buchhalter, Alter: — , Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeplündert 138 Steidle, Max Parkstr. 13, Bäcker, Alter: — , Hinterbliebene: —, Datum: — , Zur roten Wand 139 Steingrübl, Palmstr. 8, Mechanikerlhrl., Alter: 16, Hinterbliebene: —, 2. V. 19, Stadelheim Josef 140 Stelzer, Johann Orleanstr. 61, Fuhrmann, Alter: 21, Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Ludwigsbrücke, ins Wasser geworfen 141 Stettner, Josef Baaderstr. 65, Xylograph, Alter: — , Hinterbliebene: 7,3. V. 19, Gärtnerplatz 142 Stiegler, Ludwig Kirchplatz 10, Hilfsarbeiter, Alter: — , Hinterbliebene: —, Datum: — , Stadelheim 143 Stöber, August Perlach, Arbeiter, Alter: — , Hinterbliebene: —, 5. V. 19, Hofbräuhausk., ausgeplündert 144 Stöger, Felix Kath. Ges.-Verein, Schuhmacher, Alter: 24, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenplatz 5, ausgeplündert 145 Streicher, Sommerstr. 57, Hilfsarbeiter, Alter: 25, Hinterbliebene: 2, 2. V. 19, Stadelheim, 54 M. u. Uhr geraubt Joseph 146 Tischer, Johann Zeppelinstr. 23, Maler, Alter: 37, Hinterbliebene: —, 3. V. 19, Seminar, Frühlingstraße 147 Trunk, Johann Gietlstr., Bäcker, Alter: 23, Hinterbliebene: —, 4. V. 19, Stadelheim 148 Thuringer, Hirschbergstr. 20, Schmied, Alter: 18, Hinterbliebene: —, 3. V. 19, Zugspitzstr. Fried. 149 Vogel Fürstenfeldbruck, Matrose, Alter: — , Hinterbliebene: —, 30.IV. 19, Fürstenfeldbruck, geraubt Schuhe, Gamaschen, Brieftsch. 300 M, Täter: v. Lindenfels 150 Waffler, Franz Siebenbrunn 1, Taglöhner, Alter: 29, Hinterbliebene: 3, 2. V. 19, Krüppelheim, vollst. ausgeraubt 151 Wagner, Karl Aventinstr. 8, Installateur, Alter: 37, Hinterbliebene: 3, 2. V. 19, Hofbräuhausk. 152 Walter, Baptist Nockherstr. 23, Schlosser, Alter: 36, Hinterbliebene: 5, 4. V. 19, Ort der Ermordung: — 153 Waock, Ludwig Preisingstr. 15, Taglöhner, Alter: — , Hinterbliebene: 3, 4. V. 19. Wasserburgerhof, 2 Goldringe, 1 Silberring geraubt 154 Wiesheu Wohnort: — , Dienstknecht, Alter: — , Hinterbliebene: —, 1. V. 19. Großföhren, Täter: Feldwbl. Maulbeck, Art.-Abt. 24, 3. Battr., Ingolstadt 155 Wimmer, Karl Kath. Ges.-Verein, Zimmermann, Alter: 23, Hinterbliebene: —, 6. V. 19, Karolinenpl. 5, ausgeraubt 156 Wittmann, a. d. Schweige 5, Lackierer, Alter: 46, Hinterbliebene: 1, 5. V. 19, Schlachthof, 50 M. u. Uhr geraubt Johann 157 Wohlmuth, Alois Großhadern, Schweizer, Alter: 37, Hinterbliebene: 9, 1. V. 19, Großhadern 158 Woppmann, Sandstr. 30, Polier, Alter: 51, Hinterbliebene: 2, 3. V. 19, Hafemeier, Dachauerstr. Xaver 159 Zeller, Konrad Perlach 116, Arbeiter, Alter: — , Hinterbliebene: 7, 5. V. 19, Hofbräuhausk., ausgeplündert 160 Zimmermann, Pilgersheimerstr. 76, Taglöhner, Alter: 29, Hinterbliebene: 4, 2. V. 19, Mondstr. Jos. 161 Zull, Joseph Winterstr. 4, Kutscher, Alter: 20, Hinterbliebene: —, 3. V. 19, Kandidplatz Die vorstehende Liste ist keineswegs vollständig. Denn nach den amtlichen Angaben sind in München allein 184 Menschen »tödlich verunglückt«. Die Liste enthält aber nur 161 Namen, die sich außerdem auf München und Umgebung beziehen. Auch die 186 »standrechtlichen« Erschießungen waren, wie auf Seite 112 eingehend bewiesen wird, völlig ungesetzlich. Da alle Unterscheidungsmerkmale zwischen beiden Kategorien fehlen, läßt sich nicht einmal im einzelnen nachweisen, wer »tödlich verunglückt« und wer »standrechtlich« erschossen worden ist. Trotzdem habe ich nur die amtlich als »tödlich verunglückt« Bezeichneten als ermordet gerechnet. Nur in 22 Fällen hat ein gerichtliches Verfahren stattgefunden. Nur vier Täter sind bestraft worden. De r P o lize ia ge n t Bla u Blau war Agent und Lockspitzel der politischen Polizei. Er gehörte im Aufstand vom Januar 1919 zur Besatzung der Büxensteindruckerei und hatte auch ein Auto beschlagnahmt. Nach dem Sturz der Räterepublik war er in München tätig und gab sich dort als flüchtiger, unterstützungsbedürftiger Kommunist aus. (Dritter und vierter Verhandlungstag.) Er wurde erkannt und nach Berlin gelockt. Dort wurde er in einer Kommunistenversammlung am 1. August 1919 als Spitzel festgestellt; wollte jedoch einen Gegenbeweis antreten. Er übernachtete mit Hoppe bei einem gewissen Pohl. Dort erschien dann nach Angabe Hoppes ein nicht ermittelter Polizeiagent und bot Hoppe Gift an, um Blau umzubringen. (Dritter Verhandlungstag.) Am nächsten Tag übernachteten Blau und Hoppe in der Wohnung Winklers. Dort erschienen nach Angabe Hoppes drei Leute, darunter wahrscheinlich der Polizeiagent Schreiber, boten ihm dieselbe Flasche Morphium an und forderten, man müsse mit Blau Schluß machen. Daraufhin habe er die Wohnung verlassen, sei jedoch zurückgekehrt. Unterdessen sei Blau ermordet worden. Die Leiche wurde dann in den Kanal geworfen. Dort wurde sie am 7. August gefesselt gefunden. Am 24. Juni 1920 begann der Prozeß. Fichtmann und Hoppe waren wegen Mordes, Winkler wegen Beihilfe angeklagt. Fichtmann trat einen Alibibeweis an. Der Hauptbelastungszeuge Toifl sagte aus, es gebe eine organisierte Terroristengruppe. Doch mußte er sich sagen lassen, er sei der Anführer bei einem Raubüberfall auf den Diamantenhändler Orlowski gewesen und habe hierzu Waffen von der Reichswehr besorgt. Seine Behörde habe ihm sogar am Schluß noch gestattet, das geraubte Geld zu behalten. Ueber alle diese Dinge befragt, verweigerte er die Auskunft. Er gab zu, versucht zu haben, eine militärpolitische Abteilung der Kommunistischen Partei zu gründen und Befehle zu Ueberfällen auf Druckereien weitergegeben zu haben. (Sechster und siebenter Verhandlungstag.) Nach Aussage des Wachtmeisters Henke hatte die Garde-Kavallerie-Schützendivision allein 110 Spitzel. (Dritter Verhandlungstag.) Am 5. Juli wurde Fichtmann freigesprochen. Hoppe bekam wegen Beihilfe zum Totschlag unter Ablehnung mildernder Umstände 6 Jahre Zuchthaus, Winkler wegen Beihilfe 3 Jahre Gefängnis. Gegen die stark belasteten Polizeispitzel Schreiber und Toifl wurde kein Verfahren eingeleitet. (Eingehende Prozeßberichte in allen Berliner Zeitungen.) DIE ERMORDUNGEN BEIM KAPP-PUTSCH Stadtverordneter Futran Als Kapp am 13. März 1920 Berlin eroberte, konnte, wie bekannt, Noske in ganz Berlin keinen regierungstreuen Soldaten finden. Alle Regimenter, die gesamte Sicherheitswehr und die Einwohnerwehr gingen über. So schrieb die Zentrale der Einwohnerwehren in einem Flugblatt von der »neuen Regierung der Arbeit«. Zur Abwehr organisierten sich die Arbeiter. Als Kapp entfloh, geschah dies unter der Flagge, die beiden Regierungen hätten sich geeinigt. Die Verhältnisse lagen völlig wirr und man wußte von den Truppen nicht, ob sie wieder zur Regierung Ebert-Bauer oder noch zur Gegenregierung Kapp- Lüttwitz hielten. In Köpenick hatten sich die Arbeiter und auch Teile der Bürgerschaft unter Führung von Futran aus den dort liegenden Beständen bewaffnet. Innerhalb der Stadt blieb alles ruhig. Die sogenannte Rote Garde machte nämlich hauptsächlich Sicherheitsdienst zusammen mit der Polizei, bewachte die städtischen Lebensmittelvorräte usw. Das Potsdamer Jägerregiment, Btl. Nr. 3, rückte an. Auch politisch rechtsstehende Leute, wie der Bürgermeister Behnke (vgl. seine Aussage vor dem Standgericht), waren sich über den Charakter der anrückenden Truppen durchaus im unklaren, da sie noch das Zeichen der Regierung Kapp, das Hakenkreuz, am Helm trugen. Es kam zu einem Kampf, wobei Gefangene gemacht wurden. Als durch telephonische Anfrage in Berlin festgestellt wurde, daß die Truppen wieder zur Regierung Ebert hielten, gab Futran selbst Befehl, die Waffen niederzulegen. Eine Zeitfreiwilligen- Eskadron zog am 21. kampflos ein, erklärte den verschärften Belagerungszustand und errichtete ein Standgericht. Futran, der sich so unschuldig fühlte, daß er sogar aufs Rathaus ging, wurde am gleichen Tag wegen der Delikte, die er vor Verkündung des Belagerungszustandes begangen haben sollte, zum Tode verurteilt. Im Protokoll, das in meinem Besitz ist, heißt es: »Gründe: Durch Zeugen und teilweise eigenes Geständnis des Angeklagten ist einwandfrei erwiesen, daß er das Haupt des kommunistischen Aufstandes gewesen ist, daß er eine Rote Armee organisierte und zu bewaffnetem Widerstande gegen die anrückenden Regierungstruppen aufgefordert habe. Ferner hat er die gefangenen Offiziere mit dem Tode durch Erschießen bedroht, sowie die verwundeten Gefangenen als Schwerverbrecher behandeln lassen. Das Urteil wurde sofort durch eine Gruppe der 4. Schwadron unter Führung des Leutnants Kubich im Hofe der Bötzowbrauerei, Grünauer Straße, vollstreckt. Das Standgericht der 4. freiw. Eskadron v. Bebell, Kapitänleutnant; Hedal, Unteroffizier; Jacks, Freiwilliger; Kubich, Leutnant.« Zur selben Zeit wie Futran wurden »standrechtlich erschossen« der Arbeiter W. Dürre auf Grund einer Denunziation, bei ihm seien Waffen versteckt, obwohl zweimalige Haussuchung das Gegenteil bewies; ferner der Arbeiter Fritz Kegel. Es war den Angehörigen Dürres und Kegels trotz aller Bemühungen bis heute unmöglich, eine Urteilsbegründung zu erfahren. (Zeugenaussagen sind in meinem Besitz.) Ferner wurde der Arbeiter Karl Gratzke und der 17 jährige, etwas beschränkte Karl Wienecke ohne irgend welches Verfahren auf der Stelle erschossen, weil sie Waffen versteckt hatten. Die Truppen verließen die Stadt am gleichen Tage; am nächsten wurden die Standgerichte aufgehoben. Alle Versuche, eine Sühne dieser Taten zu erlangen, sind gescheitert. Ze h n O f f izie r e ge ge n e in e n Ge is te s k r a n k e n Der geisteskranke Lokomotivführer Weigelt aus der Alvenslebener Straße 11, ein streng patriotischer Mann, versuchte am 24. März 1920 in die Kadettenanstalt Lichterfelde einzudringen, wo eine hauptsächlich aus Offizieren bestehende Freiwilligenabteilung lag, angeblich um sich »für den Schützengraben zu melden.« Er wurde vom Torposten festgenommen, in der Wachstube mit einem von ihm mitgebrachten Gummiknüppel so geschlagen, daß er am Kopf blutete, die Treppe heraufgeschleppt, so daß am andern Tag noch dort Blut lag und in das Zimmer des Leutnant Schütz (Regierungsbaumeister) gebracht. Dort waren 10 Offiziere, über die er angeblich herfiel. Obwohl er schrie: »Meine Herren Offiziere, lassen Sie mich doch laufen, ich bin doch krank«, wurde er durch einen Schuß des Leutnant Jansen und 3 Schüsse des Leutnant Schütz getötet. Die Schüsse gingen von oben durch die Schädeldecke, so daß anzunehmen ist, daß er am Boden lag. Schütz kam im Juli 1920 vor das Gericht der Zeitfreiwilligenabteilung, nach Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit am 24. Februar 1921 vor das Landgericht II (Landgerichtsdirektor Steltzer, Staatsanwaltschaftsrat Dr. Ortmann). Schütz wurde freigesprochen, da er angab in Notwehr gehandelt zu haben. (Prozeßbericht in allen Berliner Zeitungen.) Be s c h ie ß u n g e in e r o f f e n e n S ta d t In Mecklenburg hatte General v. Lettow-Vorbeck den Kapp-Putsch organisiert und die verfassungsmäßige Regierung verhaftet. Zur Abwehr waren die Arbeiter in den Generalstreik getreten. Am 14. März beschloß eine Volksversammlung in Waren den Generalstreik zur Abwehr des Kapp- Putsches. Der »Führer des Reichswehrkommandos Boek«, Leutnant Peter v. Lefort, und der »Beauftragte der Reichswehrbrigade für Waren«, Rittmeister Stefan v. Lefort, verlangten am 17. sofortige Ablieferung aller Waffen und Wiederaufnahme der Arbeit und drohten mit Todesstrafen. Das Ministerium in Schwerin und General von Lettow-Vorbeck erklärten auf Anfrage aus Waren, daß die genannten Dienststellen nicht existieren und daß kein diesbezüglicher Auftrag gegeben sei. Am nächsten Tage drohten die Leforts, »bei Nichterfüllung des Brigadebefehls Waren nach Artillerievorbereitung mit stürmender Hand zu nehmen.« Als Frist setzten sie 11 Uhr 43 Min. fest. Als ihnen eine Deputation entgegenfuhr, verlangten sie bedingungslose Uebergabe der Stadt und 30 Geiseln. Darauf feuerten sie 5 Granatschüsse auf die Stadt ab. Der Sachschaden war bedeutend, mehrere Einwohner wurden verletzt, der Arbeiter Dunn und der Friseur Schliecker getötet; der Schuhmachermeister Berg, der Kürschner Gerber und Fräulein Köhler starben an den Verletzungen. Stefan v. Lefort wurde durch Beschluß des Landgerichts Güstrow vom 20. V. 21 außer Verfolgung gesetzt. Der andere ist flüchtig und lebt zur Zeit in Oesterreich. Sie behaupten, »in Notwehr« gehandelt zu haben. (Vgl. Aktenmäßige Darstellung der Arbeiten der Stadtverwaltung von Waren vom 14. bis 22. März 1920.) Er s c h ie ß u n g a u f Gr u n d v o n Ka p p ge s e tze n Bei dem Tagelöhner Wilhelm Wittke in Niendorf bei Wismar fand am 17. März 1920, morgens, eine Versammlung statt, bei der die streikenden Arbeiter beschlossen, wegen einer Lohndifferenz bei dem Gutsbesitzer Gesandten a. D. Baron Brandenstein vorzusprechen. Auch über den Kapp-Putsch wurde gesprochen. Baron Brandenstein ließ aus Schwerin Militär (Freikorps Roßbach, Reichswehrbrigade, Kommando 9) kommen. Darauf wurde nachts bei Wittke eine Haussuchung gehalten und Wittke vor das Haus des Barons Brandenstein geschleppt. Ein Soldat sagte dabei zu Frau Wittke: »Nehmen Sie man gleich Abschied, in einer Stunde ist der Kerl eine Leiche!« Gleichzeitig wurden auch die Arbeiter Johann Steinfurt, Fritz Möller und Adolf Möller dorthin gebracht. Baron Brandenstein trat aus dem Schloß, deutete auf Steinfurt und Wittke und sagte: »Das sind die Richtigen.« Daraufhin wurden die beiden von den Truppen Kapps vor ein angebliches Standgericht gestellt und zum Tode verurteilt. Noch in der Nacht wurden sie erschossen. Die Staatsanwaltschaft in Schwerin hat das später wegen dieser Sache eingeleitete Verfahren eingestellt. (Die Aussagen des Fritz und Adolf Möller und der Frau Wittke sind in meinem Besitz. Baron Brandenstein, dem ich das Manuskript eingesandt habe, hat in einem Briefe den hier vorgebrachten Behauptungen nicht widersprochen, jedoch hinzugefügt, die Verurteilung sei »auf Grund der erlassenen Gesetze erfolgt«. Er persönlich habe sich gegen das Todesurteil ausgesprochen. In einem zweiten Brief behauptete er aber, der Name des verantwortlichen Offiziers sei ihm nicht bekannt.) D e r G u t s b e s i t z e r He r r ü b e r L e b e n u n d To d Am 18. März 1920 leitete der Arbeiter F. Slomski aus Karow in einer Wirtschaft in Hof Mecklenburg eine Versammlung streikender Arbeiter. Es erschienen Autos mit mehreren Offizieren und zirka 60 Mann des Freikorps Roßbach. Alle Leute mußten antreten. Darauf kam der Rittergutsbesitzer Bachmann, bei dem Slomski arbeitete, und suchte sich die Leute aus. Slomski wurde verhaftet und von den Soldaten schrecklich mißhandelt. Unterdessen verhandelten Bachmann und ein Offizier und bildeten ein angebliches Standgericht. Slomski wurde von acht Mann und zwei Chargen an seiner Wohnung vorbeigeführt, wo seine Frau und Kinder standen und schrecklich schrien. Kurz hinter dem Dorfe wurde er um 1/2-12 Uhr erschossen. Die Leiche wurde der Witwe ins Haus gebracht. Die Staatsanwaltschaft hat ein gegen Bachmann eingeleitetes Verfahren am 7. 10. 20 eingestellt, »da der Tatbestand einer vorsätzlichen, bewußt rechtswidrigen Handlung ausgeschlossen.« (Die Aussagen der Zeugen Karl Ritentiedt zu Karow, Friedrich Mündt, Hof Mecklenburg, Wilhelm Schwarz, Hof Mecklenburg, Joachim Bliemeister, Hof Mecklenburg, Wilhelm Druwe zu Hohen-Viecheln, Carl Hopp zu Petersdorf, Ernst Bohnhoft zu Rosenthal sind in meinem Besitz.) Ta t e n d e r D e m m i n e r Ul a n e n In Gnoien zogen am 18. März 1920 die Demminer Ulanen unter dem Rittmeister Obernitz ein, weil die Arbeiter dort die Herrschaft Kapps nicht anerkannten. Der Maurer Gräbler, Vorsitzender der dortigen U.S.P., wurde morgens früh aus dem Bett geholt und trotz allen Bittens seiner Frau und seiner sechs Kinder auf Befehl eines Offiziers ohne Verhör, 100 Meter von seinem eigenen Haus entfernt, auf offener Straße erschossen. Die Truppen verhafteten dann 96 Arbeiter und brachten sie nach Demmin. Dabei wurde der 63 jährige Puffpoff derartig mißhandelt, daß er zusammenbrach und nach kurzer Zeit starb. Kurz vor Demmin schossen dort aufgestellte Soldaten in den Gefangenentrupp hinein, töteten vier und verletzten sehr viele. (»Das freie Wort«, 4. April 1920, und persönliche Mitteilung des Redakteurs Kühn auf Grund der Verhandlungen im Mecklenburgischen Ministerium.) Das Ermittlungsverfahren wegen Gräbler schwebt beim Landgericht Rostock seit Juni 1920; das Verfahren wegen der Gefangenenerschießung beim Oberstaatsanwalt in Greifswald.
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