CME-Fortbildung Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit: Keine Hinweise für eine Wirksamkeit Ines Kappstein Etwa gleichzeitig mit den ersten Lockerungen des Lockdowns im Rahmen der Corona-Pandemie wurde Ende April 2020 von allen Bundesländern in Deutsch- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. land eine Maskenpflicht für den ÖPNV und für Geschäfte eingeführt, und das nicht zuletzt aufgrund der „Neubewertung“ durch das Robert Koch-Institut (RKI) [1]. In diesem Beitrag soll die Empfehlung des RKI bewertet werden. Merke Die Empfehlung des Bei zahlreichen Virusinfektionen beginnt die Infek- Robert Koch-Instituts tiosität nicht erst mit Beginn der klinischen Sympto- Das RKI empfiehlt im Epidemiologischen Bulletin me, vielmehr können infizierte Personen schon am Nr. 19/2020 Ende der Inkubationszeit Viren ausscheiden und dies noch dazu in hoher Zahl, wenn sie noch nicht ahnen, „… ein generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung dass sie eine Infektion haben. (MNB) in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schüt- zen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungs- Fremdschutz geschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu re- Über den möglichen Nutzen von Masken zum Schutz duzieren“. der Mitmenschen vor klinisch gesunden, aber bereits infizierten und damit potenziell infektiösen Menschen [Diese Empfehlung beruhe] „auf einer Neubewertung auf- entwickelte sich im Frühjahr 2020 eine Diskussion in grund der zunehmenden Evidenz, dass ein hoher Anteil der Fachöffentlichkeit darüber, dass Masken nicht aus von Übertragungen unbemerkt erfolgt, und zwar bereits Eigenschutz, sondern aus „Altruismus“ getragen wer- vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen“. [1] den sollen [4]. Letztlich führte dies zu der MNB-Emp- Virusausscheidung vor den ersten Symptomen A BK Ü R ZUNG E N Dass infizierte Personen bereits vor Beginn der Krank- BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro- heitssymptome (potenziell) infektiös sind (und in der dukte Regel dabei sogar mehr Viren ausscheiden als während CDC Centers for Disease Control and Prevention der symptomatischen Phase der Erkrankung), ist von COVID-19 Coronavirus Disease 2019 anderen Virusinfektionen bekannt, deren Erreger eben- DGP Deutsche Gesellschaft für Pneumologie falls über das respiratorische Sekret ausgeschieden wer- ECDC European Centre for Disease Prevention and den (z. B. Influenza, Masern). Dass dies bei COVID-19 Control (Coronavirus Disease 2019) auch der Fall ist, war des- FFP Filtering Face Piece halb für die Fachwelt zu erwarten. Ebenso gilt dies für HDM Händedesinfektionsmittel alle respiratorischen Infektionen, die asymptomatisch MERS Middle East respiratory Syndrome verlaufen (z. B. bei Influenza in ca. 1/3 der Fälle, s. RKI- MNB Mund-Nasen-Bedeckung Ratgeber [2]). Es sind also auch diese Personen für ihre MNS Mund-Nasen-Schutz Umgebung (potenziell) infektiös. Es gilt aber z. B. auch NRR Nasen-Rachen-Raum für gastrointestinale Infektionen, insbesondere verur- ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr sacht durch Noroviren [3]. Insgesamt ist die Virusaus- PCR Polymerasekettenreaktion scheidung vor Beginn der klinischen Erkrankung nichts RKI Robert Koch-Institut Neues, sondern hätte auch bei COVID-19 von Anfang SARS-CoV-2 severe acute respiratory Syndrome an in die Überlegungen eingeschlossen werden können. Coronavirus 2 WHO World Health Organization Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 279 CME-Fortbildung fehlung des RKI, bei der es um Fremdschutz und nicht ren würde. An sich war geplant, alle Probanden jeweils um den Eigenschutz, z. B. von Risikogruppen, geht. einmal mit und einmal ohne MNS zu untersuchen, je- Das RKI empfiehlt Masken in der Öffentlichkeit, damit doch lehnten die meisten (80 %) eine zweite Untersu- der Träger der Maske, der vielleicht bereits unbemerkt chung aus Zeitgründen ab. Für die Untersuchung wur- infiziert ist und den Erreger schon im respiratorischen den nämlich die ausgeatmeten Partikel während 30 (!) Sekret ausscheidet, seine respiratorischen Tröpfchen Minuten gesammelt und unterteilt in die zwei Fraktio- nicht ungehindert, z. B. beim Sprechen, freisetzen nen kann, die durch die MNB zu einem wesentlichen Teil zu- 1. > 5 µm ( = respiratorische Tröpfchen) und rückgehalten werden; dies mit dem Ziel, den Kontakt 2. < 5 µm ( = Aerosol). anderer Menschen mit dem Erreger zu verhindern. Alle Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Menschen sollen also eine MNB tragen, um damit die Obwohl alle Probanden eine floride Virusinfektion der Risikopopulation vor einem Erregerkontakt zu schüt- oberen Atemwege hatten (mit Konzentrationen von zen. 10 7 – 8 Viruskopien pro Probe im Nasensekret und von ca. 10 4 Viruskopien pro Probe im Rachensekret), wur- Ob das Ziel des „Fremdschutzes“ allerdings allen Bür- den jedoch ohne MNS nur bei 6 von 23 (Influenzaviren), gern klar ist, darf bezweifelt werden. International bei 9 von 32 (Rhinoviren) bzw. bei 3 von 10 (Coronavi- wird, was das RKI „Fremdschutz“ – im Gegensatz zum ren) der genommenen Proben virushaltige Tröpfchen Eigenschutz – nennt, als „Source Control“ bezeichnet, nachgewiesen, während virushaltige Aerosole unter es soll also die potenzielle Erregerquelle (= die infizierte denselben Bedingungen, d. h. ohne MNS, auch nur bei Person) unter Kontrolle gehalten werden. 8 von 23 (Influenzaviren), bei 19 von 34 (Rhinoviren) und bei 4 von 10 (Coronaviren) der Proben nachgewie- sen wurden. Wissenschaftliche Grundlagen Im Folgenden soll zunächst der im Beitrag des RKI auf- Dass trotz akuter Virusinfektion der oberen Atemwege geführte „fachliche Hintergrund“ dargestellt werden: und ohne MNS nur so wenige Proben überhaupt einen Virusnachweis erbrachten, ist ein bemerkenswertes Er- Studie aus Hongkong gebnis der Studie, weil es zeigt, dass – anders als man Im Zusammenhang mit der Darstellung der Unter- gemeinhin annimmt – eine Person mit akuter Virusin- schiede von Mund-Nasen-Schutz (MNS) und FFP-Mas- fektion der oberen Atemwege offenbar keine „Viren- ken für den medizinischen Bereich wird auf eine „aktu- schleuder“ ist bzw. sein muss. Allerdings kommt noch elle“ Studie verwiesen, in der, wie es im RKI-Beitrag hinzu, dass in den Proben, in denen überhaupt Virus heißt, gezeigt werden konnte, „dass auch (ein) MNS zu nachgewiesen wurde (mit und ohne MNS), die Virus- einer relevanten Reduktion der Ausscheidung von Atem- konzentration in respiratorischen Tröpfchen und in Ae- wegsviren über die Ausatemluft führt (…)“. Diese Studie rosol durchweg extrem niedrig war, sodass durch den aus Hongkong wurde jedoch bereits zwischen 2013 MNS lediglich die „Ausreißerwerte“ ausgeglichen wer- und 2016 durchgeführt, war also nicht aktuell, sondern den konnten. wurde im Frühjahr 2020 zur Zeit der Corona-Pandemie nur aktuell publiziert [5]. In Anbetracht der effizienten Sammeltechnik und der (langen) Sammeldauer von 30 Minuten schlossen die In dieser Untersuchung wurden medizinische MNS Autoren deshalb aus ihren Ergebnissen, dass wahr- (professionelle OP-Masken) verwendet. Teilnehmer scheinlich ein längerer enger Kontakt erforderlich sei, der Studie waren 246 Patienten, die mit respiratori- damit es überhaupt zu einer Erregerübertragung kom- schen Symptomen unterschiedlicher Ursache (verur- men kann. Dass bei den Proben mit Maske bei denjeni- sacht durch Influenzaviren, Rhinoviren oder saisonale gen Probanden, die überhaupt Virus ausschieden, die humane Coronaviren) in eine Klinik in Hongkong ka- Virusfreisetzung durch die Maske reduziert wurde, ist men. Die Patienten wurden gebeten, als Probanden an ein zu erwartendes Ergebnis. einer Untersuchung teilzunehmen, in der das Ausmaß der Freisetzung von virushaltigen respiratorischen Jedoch stellt sich bei der Betrachtung der gesamten Tröpfchen und Aerosol in der Ausatemluft untersucht Studienergebnisse die Frage, welche praktische Rele- werden sollte. Die Viren wurden durch RNA-Nachweis vanz ein MNS eigentlich haben sollen: Wenn nämlich mittels PCR nachgewiesen, teilweise durch Anzucht in (1) ein Großteil der infizierten Personen auch ohne Zellkulturen. MNS gar kein Virus freisetzt und wenn dann (2) noch dazu bei denjenigen mit Virusausscheidung die Virus- Randomisiert bekamen die Probanden entweder einen konzentrationen äußerst gering sind, spricht insge- MNS oder nicht, um zu ermitteln, inwieweit der MNS ei- samt wenig für einen Nutzen von MNS. Die Autoren nen Einfluss auf die Freisetzung der (jeweiligen) Viren stellen jedoch trotz der eigenen klaren Analyse fest, habe, die Virusabgabe in die Umgebung also reduzie- dass ihre Ergebnisse nahelegen, dass MNS (als OP-Mas- 280 Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 ke wie in der Studie verwendet) von kranken Personen geht, die sich aber (im Gegensatz zur Patientenversor- verwendet werden könnten. Wohlgemerkt sprechen gung im Krankenhaus) in aller Regel nicht über 15 min sie aber nur von kranken, also symptomatischen Perso- oder mehr erstrecken. Wenn man z. B. einen Bekannten nen und keineswegs von jedem Bürger im öffentlichen trifft, mit dem man länger reden möchte, dann kann Raum. Um diese Frage ging es allerdings auch in dieser man eigenverantwortlich Abstand wahren, sodass eine Studie nicht – entgegen dem Eindruck, den man beim Erregerübertragung nicht zustande kommen kann. Lesen des RKI-Beitrags gewinnen kann. Meist aber geht man in der Öffentlichkeit nur kurz an- einander vorüber (z. B. Gang im Supermarkt) oder steht Nach Ansicht der Autoren sind ihre Ergebnisse nur ein- hintereinander (z. B. Kasse im Supermarkt) oder neben- geschränkt aussagefähig, weil bei einem großen Anteil einander (z. B. ÖPNV). Und selbst wenn die Fahrt mit der Probanden – unabhängig von der Art ihrer Virusin- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. dem ÖPNV nicht nur wenige Minuten dauert, kann fektion – auch ohne MNS keine Virusfreisetzung nach- man sich erfahrungsgemäß nahezu immer so positio- gewiesen werden konnte, und dies trotz der (langen) nieren, dass man keinen Face-to-Face-Kontakt mit Messdauer von 30 Minuten. Ein weiteres Defizit sehen anderen Fahrgästen hat, auch wenn das Verkehrsmittel sie darin, dass nicht untersucht wurde, ob die (in nied- voll sein sollte. Abstand bei Gesprächen zu wahren, z. B. riger Konzentration) freigesetzten Viren auch infektiös bei Bankgeschäften oder bei einer Beratung, z. B. in waren (dies wurde nur bei Influenzavirus in Aerosol einem Buchladen, ist immer möglich – und macht Mas- mittels Zellkultur überprüft und teilweise bestätigt). ken überflüssig. Merke Face-to-face-Kontakt Ob ein Erregernachweis außerhalb des Körpers Dass der bei der Tröpfchenübertragung entscheidende bedeutet, dass die gefundenen Erreger auch ein tat- Face-to-Face-Kontakt im Verlauf der „Coronakrise“ ir- sächliches Infektionsrisiko darstellen, ist kaum zu gendwann quasi „verloren“ gegangen ist (zu Beginn beantworten. Hinzu kommt, dass der Nachweis von der Pandemie jedenfalls war beim RKI und in den Me- Virusnukleinsäure kein Beleg für die Infektionstüch- dien noch ständig von mindestens 15-minütigem Fa- tigkeit von Viren ist. Auch ein Virusnachweis mittels ce-to-Face-Kontakt als Voraussetzung für eine Erreger- Zellkultur ist nicht mit dem Nachweis ihrer Infek- übertragung die Rede) und durch einen Rund-um-Ab- tiosität unter normalen Lebensumständen gleich- stand von mindestens 1,5 m ersetzt wurde, ist ein wich- zusetzen. tiger Faktor für die zahlreichen Missverständnisse und Fehlinterpretationen: Nicht selten reagieren manche Menschen ängstlich, wenn jemand von irgendeiner Sei- Fazit aus der Studie aus Hongkong te „zu nahe“ kommt. Geringe Virusfreisetzung Einschätzung der WHO Obwohl genau dafür als Beleg im Beitrag des RKI zitiert, Die WHO (World Health Organization) hatte 2019 liefert die Studie keinen Hinweis darauf, dass das gene- nicht-medizinische MNS nur mit Vorbehalt zum Schutz relle Tragen von MNB (ob professioneller MNS oder sog. der Allgemeinbevölkerung bei schweren Epi- und Pan- Community-Masken) im öffentlichen Raum (Geschäfte, demien und chirurgische Masken für symptomatische ÖPNV) das Risiko einer Infektion für die Personen redu- Personen bei Kontakt mit anderen Menschen empfoh- zieren kann, denen man währenddessen begegnet – len, obwohl es keine wissenschaftliche Evidenz dazu dies allerdings mit Kontaktzeiten, die im Vergleich zu gebe, ob diese Maßnahme effektiv sei, um Erreger- der Messdauer in der Studie von 30 min in aller Regel übertragungen zu reduzieren. Vielmehr beruhe die po- deutlich kürzer sind [5]. Die Studienergebnissen zei- tenzielle Effektivität auf Plausibilität [6]. In der (zum gen, dass das Risiko, mit ausgeschiedenen Viren ande- Zeitpunkt der Abfassung dieses Beitrags aktuellsten) rer Menschen in Kontakt zu kommen, noch einmal sehr Empfehlung vom Juni 2020 schreibt die WHO im Zu- viel geringer und wahrscheinlich zu vernachlässigen ist, wenn man nicht direkt angehustet wird, eine Situation, die die meisten Menschen in Geschäften oder im ÖPNV DEFINITION kaum je wirklich erlebt haben werden, auch wenn gera- de eine solche Situation als Risiko und damit als (eine) Tröpfchenübertragung Begründung für MNB angeführt wird. ▪ Übertragung von Erregern durch von anderen Personen frei- gesetzte respiratorische Tröpfchen auf die Schleimhäute der Kurze Kontakte oberen Atemwege (Augen, Nase, Mund) Bei Begegnungen im öffentlichen Raum handelt es sich ▪ Partikelgröße von respiratorischen Tröpfchen: > 5 µm von der Lebenserfahrung her nur in wenigen Fällen um ▪ Face-to-Face-Kontakt mit geringem Abstand (< 1 m) enge (< 1 m) und längerdauernde (≥ 15 min) Face-to-Fa- ▪ Längere Kontaktdauer ≥ 15 min ce-Kontakte, um die es bei der Tröpfchenübertragung Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 281 CME-Fortbildung In dieser neuen Empfehlung geht die WHO (neben dem INFOBOX Gebrauch von Masken im medizinischen Bereich) erst- Entscheidungskriterien gemäß WHO-Empfehlung mals ausführlich auf den Gebrauch von Masken durch Folgende Kriterien (jeweils mit einer Interpretation der Auto- die Bevölkerung im öffentlichen Raum ein und macht rin, ob damit eher Fremd- oder Eigenschutz bzw. beides ange- dazu sehr differenzierte Angaben. Danach solle in be- strebt ist) sollten nach den WHO-Empfehlungen bei einer sol- stimmten Situationen des öffentlichen Lebens das Tra- chen Entscheidung berücksichtigt werden, um zu einer risiko- gen von Masken gefördert werden (ist also von der basierten Vorgehensweise zu kommen: WHO nicht als „Vorschrift“ oder „Pflicht“ gedacht). ▪ Zweck der Masken: Diese Empfehlung gibt die WHO aber nur für Gebiete – Festlegung, ob Fremdschutz oder Eigenschutz (oder (z. B. Landkreise) mit bekannter oder vermuteter aus- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. beides) das Ziel ist gedehnter Übertragung (außerhalb von lokalisierbaren ▪ Bei erhöhtem Expositionsrisiko: Ausbrüchen) in Situationen (z. B. ÖPNV), in denen Ab- – beschrieben als weitverbreitete Übertragungen in der standhalten schwierig ist. Damit sei dies eine zusätz- Öffentlichkeit (ohne lokalisierbare Ausbrüche), aber nur liche Maßnahme und Teil eines umfassenden Vorge- begrenzten (oder nicht vorhandenen) Möglichkeiten für hens, um die Übertragung von SARS-CoV-2 zu unter- andere Maßnahmen zur Eindämmung (z. B. physische drücken. Die WHO stellt fest, dass es dafür keine direk- Distanz, Kontaktverfolgung, Durchführung von Tests mit te wissenschaftliche Evidenz gebe und dass neben Isolierung und Versorgung von Verdachts- oder bestätig- möglichen Vorteilen auch Nachteile zu nennen seien. ten Fällen) oder aber in bestimmten beruflichen Situatio- nen, in denen enger Kontakt mit Menschen besteht, z. B. Wenn Masken für die Bevölkerung im öffentlichen als Sozialarbeiter oder Kassierer (vorwiegend Fremd- Raum empfohlen werden, sollen die Entscheidungsträ- schutz, berufsbedingt ggf. auch Eigenschutz) ger folgende Punkte berücksichtigen: ▪ Bei Personen mit gesundheitlich erhöhtem Risiko: ▪ Der Zweck der Maske soll klar kommuniziert wer- – dann medizinische MNS, z. B. für ältere Menschen, bei den, d. h. wo, wann, wie und welcher Maskentyp Immunsuppression und für Menschen mit Herz-Kreislauf- getragen werden soll. Es solle erklärt werden, was Krankheiten, Diabetes mellitus, chronischer Lungen- mit Masken erreicht werden könne und was nicht. krankheit, Karzinom und zerebrovaskulären Erkrankun- Ferner solle klargestellt werden, dass die Maske nur gen (Eigenschutz) ein Teil eines Maßnahmenpaketes sei zusammen mit ▪ In bestimmten (Lebens-)Situationen: Händehygiene, physischer Distanz u. a., die alle not- – hohe Populationsdichte (in Flüchtlingsheimen, bei be- wendig seien und sich gegenseitig verstärken sollen. engten Wohnverhältnissen) und in Situationen (z. B. ▪ Die Menschen sollen darüber informiert und darin ÖPNV), in denen ein Abstand von mindestens 1 m nicht trainiert werden, wann und wie Masken sicher ver- eingehalten werden kann (am ehesten Fremd- und Eigen- wendet, d. h. angelegt, getragen, abgelegt, gerei- schutz) nigt und entsorgt werden. ▪ Machbarkeit: ▪ Die Umsetzbarkeit des Gebrauchs, Versorgungs- – Verfügbarkeit und Kosten von Masken und Nachschubfragen, soziale und psychologische – Möglichkeit zum Waschen nicht-medizinischer Masken Akzeptanz (sowohl des Tragens und des Nicht-Tra- – Eignung des Maskenträgers, die nachteiligen Auswirkun- gens verschiedener Maskentypen unter unter- gen beim Tragen von Masken zu tolerieren schiedlichen Bedingungen) sollen berücksichtigt ▪ Maskentyp: medizinische oder nicht-medizinische Maske werden. ▪ Es sollen fortlaufend wissenschaftliche Daten und Die WHO führt dazu aus, dass Regierungsentscheidungen, den Evidenz über die Effektivität des Maskengebrauchs Gebrauch von Masken zu empfehlen (oder zur Pflicht zu ma- (inkl. verschiedener Maskentypen oder von anderen chen), diese Kriterien berücksichtigen sollen – zusammen mit Gesichtsbedeckungen wie Tücher) gesammelt wer- dem lokalen Kontext, den kulturellen Bedingungen, der Ver- den. fügbarkeit von Masken, den erforderlichen Hilfsmitteln und ▪ Die Auswirkungen (positiv, neutral oder negativ) des den Neigungen der Bevölkerung. Maskengebrauchs in der allgemeinen Bevölkerung sollen ausgewertet werden (inkl. Verhaltens- und Sozialwissenschaft). sammenhang mit COVID-19 zu Masken in der Öffent- lichkeit (wie bereits in der vorangegangenen Empfeh- lung vom April), dass es derzeit keine wissenschaftli- chen Daten gebe, dass das Tragen von Masken (medizi- nische MNS bis hin zu sog. Community-Masken) durch (anscheinend) gesunde Personen im öffentlichen Set- ting vor Infektionen mit respiratorischen Viren, inkl. COVID-19, schützen könne [7]. 282 Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 INFOBOX Potenzielle Vor- und Nachteile von „Alltagsmas- günstige Bedingungen für die Vermehrung von Mi- ken“ gem. WHO kroorganismen geschaffen werden können Vorteile ▪ potenziell Kopfschmerzen und/oder Atemproble- Als potenzielle Vorteile, wenn gesunde Menschen me abhängig von der Art der Maske in der Öffentlichkeit Masken tragen, führt die WHO ▪ potenziell Entwicklung von Hautläsionen oder -irri- folgende Gründe auf: tationen, Verschlimmerung von Akne bei häufigem ▪ reduziertes potenzielles Expositionsrisiko ausge- Gebrauch über längere Zeit hend von infizierten, noch nicht symptomatischen ▪ Schwierigkeiten mit einer klaren Aussprache ▪ Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Personen potenziell unangenehmes Gefühl ▪ reduzierte potenzielle Stigmatisierung von Perso- ▪ falsches Gefühl von Sicherheit mit der möglichen nen, die Masken zum Fremdschutz tragen, oder Folge einer geringeren Beachtung anderer wichti- von Personen, die im nicht-klinischen Bereich für ger Präventionsmaßnahmen, wie z. B. Patienten mit COVID-19 sorgen – physische Distanz und ▪ Stärkung des Gefühls in der Bevölkerung, dazu bei- – Händehygiene tragen zu können, die Ausbreitung des Virus zu ▪ mangelnde Umsetzung des Maskentragens (insbe- beenden sondere kleinere Kinder) ▪ Erinnerung daran, andere Maßnahmen zu beach- ▪ Abfallprobleme, wenn Masken im öffentlichen ten, wie Händehygiene, Vermeidung eigener Hand- Raum falsch entsorgt und die Abfallbehälter zu voll Gesichts-Kontakte, obwohl dies auch den gegen- werden (dadurch Kontaminationen beim Entsor- teiligen Effekt haben könne (s. u. bei „Nachteile“) gungspersonal und in der Umgebung möglich) ▪ potenzielle soziale und ökonomische Vorteile, z. B. ▪ Schwierigkeit für Menschen mit Hörstörungen, da durch Herstellung von Masken, wodurch eine Ein- diese auf das Ablesen von den Lippen angewiesen kommensquelle geschaffen und dadurch eine bes- sind sere Integration erreicht werden könne etc. ▪ Probleme, die Maske zu tragen, insbesondere – bei Kindern, Nachteile – bei Menschen mit psychiatrischen Erkrankun- Die WHO nennt die folgenden potenziellen Nach- gen, teile, wenn gesunde Menschen in der Öffentlichkeit – bei älteren Menschen mit kognitiven Ein- Masken tragen: schränkungen, ▪ potenziell erhöhtes Risiko der Selbstkontamination – bei Personen mit Asthma oder chronischen re- infolge von Manipulationen an der Maske und an- spiratorischen oder Atemproblemen, schließendem Kontakt der Augen mit den konta- – bei Personen nach Gesichtsverletzungen oder minierten Händen kürzlichen Operation im HNO-Bereich ▪ potenzielle Selbstkontamination, falls nicht-medi- – bei Menschen, die in heißer und feuchter Um- zinische Masken nicht gewechselt werden, wenn gebung leben sie feucht oder verschmutzt sind, weil dadurch Stoffmasken nur für Fremdschutz geeignet setzung respiratorischer Tröpfchen in die Umgebung Es werden von der WHO außerdem die verschiedenen beim Husten reduzieren können, die verfügbare Evi- Maskenarten diskutiert und in Hinsicht auf Stoffmas- denz lege aber nahe, dass nicht-medizinische Masken ken festgehalten, dass sie nur für den Fremdschutz in bei der Kontrolle der Erregerquelle („Source Control“) Betracht gezogen werden sollen, ihr Gebrauch solle weniger effektiv seien als medizinische Masken. aber immer von häufiger Händehygiene und physi- schem Abstandhalten begleitet sein. Man könne auch nicht etwa aus der Tatsache schließen, dass in asiatischen Ländern, in denen das Tragen von Einschätzung des European Centre for Masken in der Öffentlichkeit häufig sei, deshalb die Co- Disease Prevention and Control (ECDC) rona-Infektionsraten in manchen dieser Länder niedri- Das ECDC (European Centre for Disease Prevention and ger seien – denn es gebe dort neben dem Gebrauch Control) macht zur potenziellen Effektivität von Mas- von Masken zahlreiche weitere Maßnahmen, die prakti- ken gegen die Übertragung des Erregers von COVID- ziert werden, um das Infektionsrisiko zu reduzieren. 19 nur vage Angaben und beruft sich u. a. auf die Stel- Beispielsweise sei in diesen Ländern das Bewusstsein lungnahme der WHO von 2019 [6, 8]. Es gebe eine be- für die sog. respiratorische Etikette und für die Hände- grenzte indirekte Evidenz dafür, dass nicht-medizini- hygiene stärker ausgeprägt als anderswo. sche Masken (aus verschiedenen Materialien) die Frei- Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 283 CME-Fortbildung dieses Ziel überhaupt erreichbar ist, solle aber nur als PR A XIS eine zusätzliche Maßnahme in Betracht gezogen wer- Genereller Umgang mit Masken den, jedoch nicht als Ersatz für die zentralen Präven- Zum generellen Umgang mit Masken macht die WHO folgende tionsmaßnahmen, zu denen u. a. sorgfältige Hände- Angaben: hygiene sowie die Vermeidung von eigenen Hand-Ge- ▪ Masken sollen immer nur von einer Person benutzt werden. sichts-Kontakten (Augen, Nase, Mund) gehörten. ▪ Sie sollen gewechselt werden, wenn sie feucht oder sichtbar verschmutzt sind. Eine feuchte Maske soll nicht für längere Zusammenfassend sagt das ECDC, dass bei der Emp- Zeit getragen werden. fehlung für den Gebrauch von Masken in der Öffent- ▪ Beim Abnehmen der Maske soll sie an der Außenseite nicht lichkeit die Lücken in der wissenschaftlichen Evidenz Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. berührt werden. Augen, Nase und Mund sollen unmittelbar und die möglichen negativen Auswirkungen sorgfältig danach nicht berührt werden. in Betracht gezogen werden müssten. Sie sollen nur ▪ Nach dem Abnehmen soll die Maske entweder sofort ent- als ergänzende Maßnahme erwogen werden, dürften sorgt oder in einen verschließbaren Beutel verbracht werden, aber nicht dazu führen, dass die etablierten Maßnah- bis sie gewaschen wird. Unmittelbar nach der Versorgung der men insbesondere der sorgfältigen Händehygiene und Maske sollen die Hände gewaschen werden. der Vermeidung eigener Hand-Gesichts-Kontakte (Au- ▪ Stoffmasken sollen häufig gewaschen und sorgfältig ge- gen, Nase, Mund) beeinträchtigt werden. handhabt werden, um andere Gegenstände nicht zu konta- minieren. Schon bei der Wahl des Stoffes soll darauf geachtet Empfehlung der Centers for Disease Control werden, dass die Masken bei mindestens 60 °C gewaschen and Prevention (CDC) werden können. Die US-amerikanischen CDC äußern sich ähnlich wie WHO und ECDC, berufen sich aber nicht auf wissen- schaftliche Evidenz, außer in Bezug auf die frühzeitige Der Gebrauch von (nicht-medizinischen) Masken in der Erregerausscheidung am Ende der Inkubationszeit [9]. Öffentlichkeit könne in erster Linie als Mittel der „Sour- ce Control“ dienen, auch wenn nicht klar sei, inwieweit INFOBOX Argumente für und gegen das Tragen von Masken gem. ECDC Argumente des ECDC gegen den Gebrauch von Masken Argumente des ECDC für den Gebrauch von Masken ▪ Es gibt einen Mangel an medizinischen Masken, weshalb ▪ Weil Personen mit milden Symptomen oder asymptoma- ihre Verwendung primär dem Eigenschutz des medizini- tische Personen zur Verbreitung des Erregers beitragen schen Personals vorbehalten bleiben soll. können, könnten Masken (oder andere Gesichtsbede- ▪ Es gibt nur eine begrenzte indirekte wissenschaftliche ckungen) als Mittel der „Source Control“ in Ergänzung zu Evidenz dafür, dass nicht-medizinische Masken als Mittel anderen Maßnahmen zur Reduktion der Übertragung der der „Source Control“ effektiv sind. Viren in Erwägung gezogen werden. Es sei aber nicht klar, ▪ Das Tragen von Masken kann ein falsches Gefühl von Si- inwieweit die Verwendung von Masken in der Öffentlich- cherheit erzeugen, wodurch es zu vermehrten Hand-Ge- keit in Ergänzung zu den anderen Maßnahmen (z. B. Hän- sichts-Kontakten kommen kann, z. B. wenn die Maske zu- dehygiene) zu einer Reduktion der Erregerübertragung rechtgerückt wird. beitragen könne. ▪ Masken müssen sorgfältig an- und wieder abgelegt wer- ▪ Die Virusausscheidung ist am Ende der Inkubationszeit, den, um Kontaminationen der Hände zu vermeiden. also kurz bevor die Symptome auftreten, höher (wie ▪ In bestimmten Bevölkerungsgruppen, z. B. bei Kindern ebenso in den ersten 7 Tagen nach Auftreten der Symp- oder Personen mit chronischen respiratorischen Krank- tome). heiten, werden Masken nicht gut toleriert. ▪ In asiatischen Ländern werden Masken in der Öffentlich- ▪ Es gibt keine etablierten Standards für nicht-medizinische keit in breitem Maße verwendet und wurden während der Masken als Mittel für die „Source Control“ oder den per- SARS-Epidemie im Jahr 2003 mit einem niedrigeren Risiko sönlichen Schutz. bei Personen in Verbindung gebracht, die keinen bekann- ten Kontakt zu Patienten mit SARS hatten. ▪ Nicht-medizinische Masken und Stoffmasken haben den Vorteil, dass sie einfach hergestellt werden können. Stoffmasken sind außerdem waschbar und damit wieder- verwendbar. 284 Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 Aktualisierter Cochrane-Review Fazit zu der vom RKI zitierten In dem 2020 aktualisierten Cochrane-Review werden wissenschaftlichen Grundlage für die u. a. Studien zur Effektivität von Masken bei der Reduk- Maskenempfehlung im öffentlichen tion der Verbreitung respiratorischer Viren ausgewer- Raum tet [10]. In diesen Studien ging es jedoch nicht um das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit, wie es in Masken nicht Evidence-based Deutschland (und manchen anderen Ländern) für alle Es gibt aus der im Beitrag des RKI zitierten Fachliteratur Bürger in bestimmten Situationen (Geschäfte, ÖPNV) keine wissenschaftlich fundierten Hinweise, und das zur Pflicht gemacht wurde. Vielmehr wurden Untersu- auch nicht aus den dort genannten „aktuellen“ Studien, Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. chungen in ganz anderen Settings ausgewertet, und dass Masken, die von der normalen Bevölkerung im öf- somit ist es irreführend, wenn es im Text des RKI-Bei- fentlichen Raum (Geschäfte, ÖPNV) getragen werden, trags, in dem es ja explizit um den Gebrauch von Mas- ganz gleich welcher Art sie sind, also ob medizinische ken in der Öffentlichkeit geht, dazu heißt: MNS oder sog. Community-MNB, die Erregerübertra- gung bei respiratorischen Infektionen, wie insbesonde- „In einer Aktualisierung ihres Cochrane Reviews aus dem re Influenza oder COVID-19, reduzieren könnten, um Jahre 2003 empfehlen die Autoren, basierend auf Beob- damit „eine nachhaltige Reduktion der Ausbreitungsge- achtungsstudien während des SARS-Ausbruchs, den Ein- schwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung und sin- satz von Masken ebenfalls in Kombination mit anderen kende Neuerkrankungszahlen zu erreichen“, wie es im Maßnahmen“. [1] RKI-Beitrag heißt. Ebenso fehlen wissenschaftliche Be- lege, dass der zusätzliche Gebrauch von Masken in der Einbezogen wurde in den aktuellen Review von 2020 z. Bevölkerung bewirken könnte, dass sich damit „mehre- B. eine Untersuchung bei einem großen religiösen Tref- re Komponenten (…) gegenseitig ergänzen“ [1]. fen in Australien, bei dem überprüft werden sollte, ob das Tragen von Masken (professionelle chirurgische Dementsprechend heißt es im RKI-Beitrag u. a. sehr zu- Masken) bei Teilnehmern mit respiratorischer Infektion rückhaltend: „Eine teilweise Reduktion dieser unbemerk- die Erregerübertragung innerhalb solcher Massenver- ten Übertragung von infektiösen Tröpfchen durch das Tra- anstaltungen mit engem Kontakt (z. B. Aufenthalt in gen von MNB könnte (Hervorhebung von der Autorin) Zelten) zwischen den Teilnehmern reduzieren könne. auf Populationsebene zu einer weiteren Verlangsamung der Ausbreitung beitragen“ – eine Formulierung, die im In eine andere Studie wurden von niedergelassenen wissenschaftlichen Diskurs wegen offensichtlich feh- Ärzten in Frankreich bei Hausbesuchen Haushalte auf- lender Belege für eine Empfehlung mit weitreichenden genommen, in denen es Influenzafälle gab. Die er- Folgen eigentlich nicht hätte verwendet werden dür- krankten Personen sollten eine (professionelle chirurgi- fen. sche) Maske tragen, die restlichen Mitglieder des Haus- halts nicht. Ermittelt werden sollte die Rate der Über- Epidemiologischer Zusammenhang tragungen auf andere Mitglieder des Haushalts. Ebenso entscheidend ging es in einer weiteren Studie aus Australien um den Zwar führt das RKI in dem Beitrag an, dass „Ausbruchs- Effekt von Masken in Haushalten mit erkrankten Mit- untersuchungen und Modellierungsstudien“ (zeigten), gliedern. Daneben gab es weitere Studien, in denen dass … der Effekt von Händehygiene zusammen mit Masken untersucht wurde, so z. B. bei 2 Untersuchungen in Stu- „die rasche Ausbreitung von SARS-CoV-2 auf einem hohen dentenwohnheimen, also in einer gewissermaßen gro- Anteil von Erkrankungen beruhe, die initial mit nur leich- ßen Wohngemeinschaft. ten Symptomen beginnen, ohne die Erkrankten in ihrer täglichen Aktivität einzuschränken. Bereits 1 – 3 Tage vor Sämtlich waren es also Studien, die nichts – auch nicht Auftreten der Symptome kann es zu einer Ausscheidung im weiteren Sinne – mit dem Tragen von Masken in der von hohen Virusmengen kommen. Eine teilweise Reduk- Öffentlichkeit (Geschäfte, ÖPNV) zu tun haben. Die tion dieser unbemerkten Übertragung von infektiösen meisten der im Cochrane-Review zitierten Studien wur- Tröpfchen durch das Tragen von MNB könnte (Hervorhe- den darüber hinaus bei medizinischem Personal durch- bung von der Autorin) auf Populationsebene zu einer wei- geführt, weshalb sie für die Betrachtung hier keine Rol- teren Verlangsamung der Ausbreitung beitragen.“ [1] le spielen. Doch handelt es sich dabei, wie schon erwähnt, um be- kannte Tatsachen, die nichts mit den angeblich neuen wissenschaftlichen Belegen für die Wirksamkeit von MNB im öffentlichen Raum zu tun haben. Außerdem spiegeln Ausbrüche, z. B. in Pflegeheimen oder in Un- Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 285 CME-Fortbildung hergestellte Masken (…) einen Fremdschutzeffekt“ haben INFOBOX [13]. Die darin zitierten experimentellen Maskenunter- „Wie man in den Wald hineinruft, …“: suchungen zur Filterleistung verschiedener Maskenty- von „kann“ und „könnte“ zu „ist“ pen und -materialien lassen eine solche Schlussfolge- Nachdem sich das RKI auf den ersten beiden Seiten nur eher rung nicht zu. Ebenso wenig wird dieses Resultat durch vorsichtig zu den möglichen positiven Auswirkungen geäußert die zitierten epidemiologischen Studien gestützt, die hat („könnte“, „kann“), spricht es in diesem letzten Satz mit auch Gegenstand der Untersuchung in dem aktualisier- „ist“, aber so, als ob das Tragen von MNB tatsächlich, also ten Cochrane-Review waren [10]. durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt, ein sol- cher Baustein wäre; dies allerdings, ohne dass dafür eine wis- In einer Anfang Juni 2020 publizierten Modellierungs- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. senschaftliche Grundlage angeführt würde (und werden studie wird über den Effekt der Maskenpflicht am Bei- könnte). spiel der Stadt Jena sowie anderer Städte und Regionen Diese Formulierung am Ende des Beitrags mag für all die Leser in Deutschland berichtet [14]. Die Autoren (sämtlich (z. B. Journalisten) gewählt worden sein, die nur den letzten Ökonomen) kommen zu dem Schluss, dass die Masken- Satz (oder Absatz) eines Artikels lesen, weil dort oft ein (leicht pflicht zu einer ca. 40 %igen Reduktion der täglichen lesbares) kurz gefasstes Resümee gegeben wird. Bei den Le- Zuwachsrate an COVID-19-Infektionen geführt habe. sern hängen bleiben wird damit der Eindruck, dass eine positi- Unberücksichtigt bleibt in dieser Studie jedoch der ent- ve Wirkung der Maskenempfehlung für den öffentlichen Raum scheidende Aspekt, dass bereits ab dem 1. März 2020 eine „Tatsache“ darstellt – was jedoch gerade nicht der Fall ist. (also knapp 5 Wochen vor der Einführung einer Mas- kenpflicht im öffentlichen Raum in der Stadt Jena) die Ausbreitungsrate von SARS-CoV-2 zurückging und terkünften für Asylbewerber bzw. Mitarbeiter in dass am 10. März der R-Wert nach Angaben des RKI Schlachtbetrieben, eine völlig andere epidemiologi- schon unter 1 lag [15, 16]. Daraus folgt, dass die Ein- sche Situation wider als der Aufenthalt von Menschen führung der Maskenpflicht (ab 6. April zunächst in Jena, im öffentlichen Raum, und Modellierungsstudien sind etwa 3 Wochen später dann auch im gesamten Bundes- rein mathematisch-theoretischer Natur, deren Ergeb- gebiet) in eine Phase der Corona-Epidemie fiel, in der es nisse maßgeblich von den darin verwendeten Annah- schon zu einem kontinuierlichen und deutlichen Rück- men („Stellschrauben“) abhängen. gang der Infektionszahlen gekommen war, eine Ent- wicklung, die sich anschließend weiter fortsetzte. Und dennoch endet der Beitrag des RKI mit der Aussa- ge: Einen Effekt der Maskenpflicht auf den Rückgang der Infektionszahlen kann man daraus nicht ableiten, weil „In dem System verschiedener Maßnahmen ist (sic!) ein sich beides überlagert, dies aber in der Modellierungs- situationsbedingtes generelles Tragen von MNB (oder studie nicht einbezogen wurde. Außerdem muss be- MNS, wenn die Produktionskapazität dies erlaubt) in der rücksichtigt werden, dass das Meldedatum der Fälle, Bevölkerung ein weiterer Baustein, um Übertragungen zu das in der Studie verwendet wurde, keine auch nur an- reduzieren“. [1] nähernd sichere Aussage zulässt über den Zeitpunkt der Infektion, der sich nur über das Erkrankungsdatum ( = Beginn der klinischen Symptomatik) genau genug Keine wissenschaftlichen Daten festlegen lässt, wie es das RKI in seinen Modellierungs- Weder vom RKI oder von der WHO noch von ECDC oder studien praktiziert [16]. CDC wurden wissenschaftliche Daten für eine positive Wirkung von Masken in der Öffentlichkeit (im Sinne ei- Gemäß RKI beträgt nämlich die Zeit zwischen Infektion ner reduzierten „Ausbreitungsgeschwindigkeit von und Meldedatum 14 – 21 Tage, und dieser Zeitraum COVID-19 in der Bevölkerung“ [1]) vorgelegt, weil es setzt sich zusammen aus solche Daten nicht gibt [1, 6 – 9]. Ebenso stützt auch 1. der Inkubationszeit, das Update des Cochrane-Reviews die Anwendung von 2. dem Zeitverzug, bis der Patient wegen zunehmen- Masken im öffentlichen Raum in keiner Weise [10]. Dies der Symptome zum Arzt geht, wird durch 2 weitere Reviews der relevanten Literatur 3. der Zeit für die Durchführung des Tests (inkl. vom April 2020 bestätigt [11, 12]. Dasselbe gilt für die Transport ins Labor und Auswertung im Labor), schon vor einigen Jahren durchgeführte Studie aus 4. den administrativen Verzögerungen bei der Hongkong [5]. Meldung der Testergebnisse an das RKI sowie 5. der Publikation durch das RKI [15]. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP) kommt in einer Stellungnahme vom Mai 2020 zur Aus- Die aktuelle Modellierungsstudie geht jedoch nur von wirkung von Masken auf den Eigen- und Fremdschutz einer Verzögerung von etwa 8 Tagen aus. Mit anderen zu dem Schluss, dass „nicht-medizinische, aus Stoffen Worten: Der in dieser Untersuchung der Maskenpflicht 286 Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 zugeschriebene Effekt beim Rückgang der Infektions- chenden Studien, die in die Metaanalyse eingeschlos- zahlen wird zum einen überlagert vom deutlichen sen werden konnten, geht es um SARS bzw. MERS, in 7 Rückgang der Infektionszahlen, der überall in Deutsch- davon um COVID-19, aber in keinem Fall um eine Un- land einige Wochen vor Einführung der Maskenpflicht tersuchung, die Rückschlüsse auf das Tragen von Mas- in Jena und anderswo begonnen hatte. Zum anderen ken im öffentlichen Raum aus Gründen des Fremd- muss berücksichtigt werden, dass die jeweils dem RKI schutzes zuließe. Masken spielten sowieso nicht in allen gemeldeten Infektionen 14 – 21 Tage zuvor entstanden der eingeschlossenen Untersuchungen eine Rolle, z. B. sind, die Maskenpflicht also mindestens in den ersten ging es manchmal auch nur um physische Distanz. 2 – 3 Wochen keinen Einfluss auf die Infektionszahlen Überwiegend waren es noch dazu Untersuchungen gehabt haben kann. aus dem Bereich der Patientenversorgung in Kranken- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. häusern, nur 9 Studien sind aus anderen Lebensberei- Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Beurteilung eines chen (Haushalte, nahe Kontaktpersonen, Flugzeug, Effekts der Maskenpflicht ist, dass in den gemeldeten Reisen) aufgeführt. Infektionszahlen immer auch Infektionen verborgen sein können, die aus Ausbruchsgeschehen, z. B. in Hei- In einer einzigen Studie – über Risikofaktoren für SARS men oder Krankenhäusern, stammen. Institutionelle in Peking aus dem Jahr 2004 – ging es tatsächlich u. a. Ausbrüche werden aber durch eine Maskenpflicht im um das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit, jedoch öffentlichen Raum nicht beeinflusst, sodass ein Rück- zum Schutz der Träger (Eigenschutz) und nicht zum gang der Infektionszahlen in einem Ort bzw. in einer Fremdschutz. Ein Ergebnis dieser Studie aus Peking Region daran liegen kann, dass zuvor Ausbruchs- war, dass Personen, die aus eigenem Antrieb aus- geschehen die Zahl der Infektionsfälle erhöht haben, schließlich mit Maske das Haus verließen, weil sie sich danach aber die Fallzahlen durch das Fehlen weiterer selbst schützen wollten, ein geringeres Risiko hatten, Ausbrüche niedriger waren als vor der Einführung der SARS zu akquirieren. Insofern trägt diese Studie zu Maskenpflicht. Ohne Berücksichtigung also, aus wel- Masken als Fremdschutz ebenfalls nichts bei. chem epidemiologischem Zusammenhang die aus den verschiedenen Orten gemeldeten Infektionszahlen Auch diese neue (im Übrigen von der WHO geförderte) stammen (d. h. ob Ausbrüche darunter waren oder systematische Übersichtsarbeit hat keine Untersu- nicht), bleibt der Effekt von Masken in der Öffentlich- chungen zu Tage gefördert, die überhaupt eine oder keit auf das Auftreten von Neuinfektionen notgedrun- sogar eine stützende Aussage zum Tragen von Masken gen unklar. im öffentlichen Raum erlauben würden. Merke Resümee zur wissenschaftlichen Insgesamt bringt auch diese neue Modellierungsstu- die keine Ergebnisse, die eine Maskenpflicht stützen Grundlage können. Trotz fehlender wissenschaftlicher Evidenz haben so- wohl WHO, ECDC, CDC und RKI – allesamt in der Regel Dasselbe gilt für eine weitere Modellierungsstudie, die hochgeachtete nationale und internationale wissen- für Wuhan (China), für Italien und für New York City ge- schaftliche Gesundheitsbehörden – das Tragen von zeigt haben will, dass mit Einführung der Maskenpflicht Masken im öffentlichen Raum empfohlen, wenn auch, in der Öffentlichkeit die Zahl der Neuinfektionen er- wie bei der WHO [7], beschränkt auf spezielle epide- heblich zurückging [17]. Allerdings haben – wie in miologische Situationen, von allen aber mit deutlichen [14] – auch diese Autoren (ebenfalls keine Mediziner, „Warnhinweisen“ versehen, mit der Folge, dass sich die sondern Physiker und Chemiker) übersehen, dass die Politik auf eben diese, aber ohne wissenschaftliche Auswirkungen einer Maßnahme nicht sofort erkennbar Grundlage vorgenommenen Einschätzungen beruft. sind, sondern wegen des Intervalls zwischen dem Zeit- Die „Warnhinweise“ jedoch beschränken sich dabei auf punkt der Infektion und dem Meldedatum frühestens die Notwendigkeit, trotzdem Abstand zu wahren. ca. 2 – 3 Wochen danach erkennbar sein könnten. Bei einer weiteren Arbeit handelt es sich um eine rein theo- Man muss feststellen, dass alle nationalen und interna- retische Modellierungsstudie, deren Aussagekraft für tionalen Gesundheitsbehörden entgegen der wissen- die Realität völlig offen ist [18]. schaftlich etablierten Standards der Evidence-based Medicine eine Einschätzung zum Tragen von Masken Auch der Anfang Juni 2020 erschienene systematische im öffentlichen Raum mit großer Tragweite abgegeben Review mit Metaanalyse liefert keine Hinweise [19]. haben, die lediglich auf sog. plausiblen Überlegungen Darin geht es – neben physischer Distanz und Augen- beruht, was jedoch nicht ausreichen kann, um der Poli- schutz – zwar auch um Masken, aber nicht um das Tra- tik in einer solchen Lage, d. h. für den Einsatz bei Millio- gen von Masken im öffentlichen Raum zum Fremd- nen von Menschen, eine wissenschaftliche fundierte schutz. In den meisten dort behandelten 44 verglei- Entscheidungsbasis zu vermitteln. Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 287 CME-Fortbildung … [dass] „der Einsatz von MNB die zentralen Schutzmaß- FA ZIT nahmen, wie die (Selbst-)Isolation Erkrankter, die Einhal- Community-Masken wegen Mangel an medizinischem tung der physischen Distanz von 1,5 m, die Hustenregeln Mund-Nasen-Schutz und die Händehygiene zum Schutz vor Ansteckung nicht Es ist klar, dass aufgrund des weltweiten Mangels an profes- ersetzen kann. Diese zentralen Schutzmaßnahmen müs- sionellen MNS (von denen es im Frühjahr 2020 in Kliniken und sen also weiterhin strikt eingehalten werden“. Pflegeheimen bei weitem nicht genug gab, sodass sie für die Nutzung der Bevölkerung in Deutschland ohnehin nicht in Fra- „Auch die hygienische Handhabung und die Pflege von ge kamen) die allgemeine Maskenpflicht in Deutschland nur MNB sind zu beachten. Aus diesem Grund ist darauf zu eingeführt werden konnte mit dem Hinweis, dass selbstge- achten, dass die MNB – insbesondere beim Auf- und Abset- zen – nicht berührt (Hervorhebung von der Autorin) wird, Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. nähte Masken oder auch nur ein Tuch vor Mund und Nase ebenfalls ausreichten. um eine Kontamination durch die Hände zu verhindern. Über die Qualität von MNB können naturgemäß keine Aus- Generell geht eine längere Tragedauer auch mit einer er- sagen gemacht werden, weil jeder Bürger verwenden kann, höhten Kontaminationsgefahr einher.“ (Hier wird auf die was er will, eben z. B. nur ein Tuch oder einen Schal. Schon Hinweise des BfArM = Bundesinstitut für Arzneimittel deshalb also kann es, wie im Beitrag des RKI angeführt, zu MNB und Medizinprodukte verwiesen; s. u. [20]). keine Daten geben. „Dabei (d. h. bei den sich gegenseitig ergänzenden Kompo- nenten, s. o.: Satz zuvor) sind immer die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen und deren unerwünschte Auswir- Transparent wäre es gewesen, auf das Fehlen von wis- kungen sorgsam gegeneinander abzuwägen.“ senschaftlichen Daten für den generellen Einsatz von MNB im öffentlichen Raum ausdrücklich hinzuweisen. Warum ist ein korrekter Umgang Wenigstens hätte aber im letzten Satz des Artikels, wie überall zuvor im Text, nur davon gesprochen werden mit Masken wichtig? sollen, dass der MNB ein Baustein sein könnte, um Übertragung von Erregern respiratorischer Übertragungen zu reduzieren, nicht aber, dies als Tat- Infektionen sache zu formulieren. Respiratorische Tröpfchen: keine Inhalation Voraussetzungen für den Gebrauch Bei der Erregerübertragung durch respiratorische Tröpfchen, zu der es in aller Regel nur bei nahem von Masken im öffentlichen Raum (< 1 m) und längerdauerndem (≥ 15 min) Face-to-Face- Maskenpflicht im öffentlichen Raum bedeutet, dass Kontakt kommen kann, werden von einer infizierten Masken von allen Menschen in Deutschland ab dem Person, z. B. beim Sprechen oder Husten, potenziell in- 7. Lebensjahr (also theoretisch von knapp 80 Millionen fektiöse respiratorische Tröpfchen abgegeben [21, 21 – Menschen) getragen werden müssen, wenn sie in Ge- 23]. Diese Tröpfchen können anschließend auf die schäfte gehen oder mit dem ÖPNV fahren wollen. Aus- Schleimhäute von Augen, Nase und/oder Mund einer gedehnt wurde diese Pflicht auf das gesamte öffent- anderen Person treffen, wenn sie entsprechend nahe liche Leben: Lehrer und Schüler, Dozenten und Studen- gegenübersteht. Daraus kann sich schließlich bei feh- ten, Friseure, Beschäftigte in der Autoindustrie, Hand- lender Immunität der anderen Person eine Infektion werker, Servicepersonal in Gaststätten u.v. a.m., ob- entwickeln, weil genau dort die Eintrittspforten für die wohl bei Face-to-Face-Kontakt entweder genügend respiratorischen Viren sind. Es handelt sich dabei um Abstand gehalten werden kann oder auch nur ein kur- sog. große Tröpfchen (> 5 µm), die wegen ihrer Größe zer Face-to-Face-Kontakt stattfindet, bei dem Erreger- nicht in die tieferen Atemwege inhaliert werden kön- übertragungen sehr unwahrscheinlich sind. nen, sondern in den oberen Atemwegen quasi aufge- fangen werden. Es geht also bei der Tröpfchenübertra- Merke gung nicht um Inhalation. Neben der fehlenden wissenschaftlichen Basis ist noch ein anderer Aspekt von Bedeutung: Es geht um Als Minimalrisiko kann man nach allem, was zur Tröpf- den korrekten Umgang mit Masken (welcher Art auch chenübertragung seit Langem bekannt ist, zählen, dass immer), damit nicht durch die Masken selbst das Ri- es auch bei größerer Entfernung doch in seltenen Fällen siko für die Verbreitung des Erregers erhöht wird. zu einer Erregerübertragung kommen kann. Erreger- übertragungen, ganz gleich mit welchen Erregern, las- An 3 Stellen des (kurzen) Artikels weist auch das RKI sen sich aber nie mit 100 %iger Sicherheit vermeiden. eindringlich auf die Problematik im Zusammenhang Wenn man also auch Minimalrisiken verhindern will, mit der Anwendung von Community-Masken hin [1]: lenkt man vom eigentlichen, nämlich weit überwiegen- den Risiko ab. Und dies kann dann, wie bei der Masken- 288 Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 pflicht, sogar zu einer Situation eines generell erhöhten derheiten einschließen muss. So müsste aus infektiolo- Risikos führen (s. u.). gischer Sicht z. B. geklärt werden, ob infektiöse Aero- sole überhaupt in ausreichender Zahl an den entschei- Man muss sich bei all diesen Überlegungen eben immer denden Stellen in den oberen Atemwegen ankommen, vor Augen halten, dass es Menschen zwar schon seit wo SARS-CoV-2 hingelangen muss, weil es sich primär sehr langer Zeit gibt, Mikroorganismen und andere in- in den Epithelzellen der oberen Atemwege repliziert. fektiöse organische Strukturen wie Viren aber schon sehr viel länger. Wir haben aber erst vor ca. 170 Jahren Derartige Überlegungen erfordern eine differenzierte begonnen, sie überhaupt kennenzulernen, und noch Darstellung in einem eigenen Beitrag. Dabei könnte immer kommen neue hinzu. Wir müssen weiter mit ih- auch die Frage behandelt werden, welche Rolle MNB Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. nen leben und können sie nicht eliminieren, auch nicht (und im Übrigen auch das Abstandsgebot) im öffent- diejenigen unter ihnen, die Infektionen verursachen lichen Raum spielen würden, wenn die aerogene Über- können. Wir können also Infektionsrisiken zwar redu- tragung ein Faktum wäre, ob es also weiter um Fremd- zieren, aber nicht ganz ausschalten. schutz ginge oder vielleicht der Eigenschutz in den Vordergrund gestellt werden müsste, wofür jedoch Aerogene Übertragung nur Atemschutzmasken in Frage kämen und MNB nur Es besteht international darin Übereinstimmung, dass noch als begrenzter Fremdschutz dienen könnten (Re- der Erreger von COVID-19 – wie andere virale respira- duktion der Freisetzung respiratorischer Tröpfchen und torische Erreger auch – hauptsächlich über große dadurch Reduktion der sekundären Entstehung von Tröpfchen und Kontakt übertragen wird [6 – 10, 21 – „Aerosolen“ durch rasches Eintrocknen der kleineren 23]. Neuerdings wird aber auch über die aerogene Tröpfchen [21, 22]). Übertragung („Aerosole“) diskutiert [23]. Selbst wenn z. B. die Virus-RNA saisonaler Coronaviren in Aerosolen Kontaktübertragung: kontaminierte Hände nachgewiesen werden konnte [5], kann daraus nicht Erreger respiratorischer Infektionen können auch über geschlossen werden, dass es sich um replikative und in- die eigenen kontaminierten Hände an die Eintrittspfor- fektionstüchtige Viren gehandelt hat [7, 19, 21, 22]. ten von Augen, Nase und/oder Mund gebracht werden (sog. Selbstinokulation) [7, 21 – 24]. Dieser Übertra- Die Übertragung von SARS-CoV-2 durch infektiöse gungsweg gehört zu den Kontaktübertragungen (nicht Aerosole ist derzeit nur eine Hypothese. Ob sie tatsäch- selten immer noch unwissenschaftlich als „Schmierin- lich eine relevante Rolle bei der Akquisition dieses Erre- fektion“ bezeichnet; s. Infobox). Denn es gehört zu gers spielen, könnte nur durch sehr sorgfältig geplante den normalen menschlichen Verhaltensweisen, sich Untersuchungen in verschiedenen Settings, inkl. ran- oft ins Gesicht zu fassen, z. B. in den Augen oder an domisierter kontrollierter Studien, gezeigt werden [7, der Nase zu reiben. 23]. So müssten in epidemiologischen Untersuchun- gen direkte und indirekte Kontakte sicher ausgeschlos- So ergab eine Beobachtungsstudie bei ca. 250 zufällig sen werden, um eine aerogene Übertragung in Be- ausgewählten Personen in der Öffentlichkeit (z. B. in tracht ziehen zu können. Der Nachweis von Virus-RNA der U-Bahn), dass ca. 3 – 4 × pro Stunde zunächst ir- in Luftproben jedenfalls reicht für eine Bestätigung die- gendwelche Oberflächen und anschließend die ses Übertragungsweges nicht aus, ebenso wenig die Er- Schleimhäute im Gesicht berührt wurden [25]. Die Ge- gebnisse von Untersuchungen, in denen Aerosole ex- legenheit für eine Kontamination der Hände war dem- perimentell erzeugt, gezählt und vermessen werden nach viel häufiger, als die Möglichkeit zum Hände- oder wenn ihre Verweildauer in solchen experimentel- waschen im realen Leben überhaupt gegeben ist. len Situationen bestimmt wird. Das RKI legt sich aktuell nicht fest, welchem Übertra- Merke gungsweg am ehesten die größte Bedeutung zukommt Man kann zur Frage der aerogenen Übertragung von [26]: SARS-CoV-2 werde hauptsächlich respiratorisch Infektionserregern festhalten, dass immer dann, übertragen. Dabei werden sowohl Tröpfchen als auch wenn die Möglichkeit einer Übertragung durch die Tröpfchenkerne aufgeführt. Die Kontaktübertragung Luft erwogen wird, fast regelmäßig ebenso auch die sei „nicht auszuschließen“ [26]. Übertragung durch direkten oder indirekten Kontakt in Frage kommt. Umgekehrt kann man über die – z. B. nach Manipula- tion an der Maske – mit dem eigenen (unerkannt in- Es handelt sich insgesamt um eine sehr komplexe Fra- fektiösen) respiratorischen Sekret kontaminierten Hän- gestellung, die vor allem infektiologische und epide- de öffentliche Oberflächen kontaminieren, die dann miologische Faktoren betrifft und die verschiedenen wiederum von anderen Menschen angefasst werden Umgebungsbedingungen (Innenräume, Außenluft) so- mit der Folge, dass diese Personen kurz danach mit wie möglicherweise auch aerosolphysikalische Beson- den nunmehr kontaminierten eigenen Händen das ei- Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 289 CME-Fortbildung wisse Zeit (abhängig vom Ausmaß ihrer Einbettung in DEFINITION Reste von respiratorischem Sekret) in Zellkulturen an- Von „Schmierinfektion“ zu Kontaktübertragung züchtbar und damit potenziell infektionstüchtig blei- Mit „Schmierinfektion“ ist Kontaktübertragung gemeint. ben können [27 – 29]. „Schmieren“ – in diesem Zusammenhang im Sinne von „Be- streichen“ verwendet – ist ein Vorgang, durch den es zu einer Weil man sich also bei verschiedenen Gelegenheiten mit bloßem Auge sichtbaren Auflagerung eines Stoffes kommt (im eigenen Haushalt, bei der Arbeit wie auch in der Öf- (z. B. Butter auf einem Brot, Fingerfarben auf einer Fenster- fentlichkeit) nahezu ständig die Hände kontaminieren scheibe). „Schmieren“ wird damit der komplexen Problematik kann und unvermeidlich häufige eigene Hand-Ge- der Übertragung von Infektionserregern durch unsichtbare sichts-Kontakte hat, gehört Händewaschen nach An- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Kontaminationen nicht gerecht: So sehen die Hände des me- sicht aller Gesundheitsbehörden der Welt, wie ebenso dizinischen Personals in der Regel, z. B. nach der Versorgung z. B. nach den Ergebnissen des Cochrane-Review-Up- eines Patienten, mit bloßem Auge sauber aus, sind aber mi- dates von 2011 [30], zu den anerkanntermaßen unver- krobiologisch nicht „sauber“ – und müssen deshalb gemäß zichtbaren Maßnahmen, um die Übertragung respira- den Regeln der Standardhygiene (oder „Basishygiene“) vor je- torischer Infektionserreger zu reduzieren. dem Patientenkontakt desinfiziert werden. Der Begriff „Schmierinfektion“ wurde ursprünglich – gewis- Merke sermaßen als Euphemismus – für die Beschreibung des fäkal- Wenn alle Gesundheitsbehörden der Welt auf die oralen Übertragungsweges verwendet und ist im wissen- Bedeutung des Händewaschens hinweisen, ist dabei schaftlichen Kontext unüblich (im Übrigen ist der Begriff darü- immer gründliches Händewaschen mit Wasser und ber hinaus nicht korrekt, denn es werden nicht Infektionen Seife über 20 – 30 Sekunden gemeint. übertragen, sondern die jeweils ursächlichen Erreger, die aber noch nicht einmal bei jeder anderen Person zu einer Infektion Merke führen müssen; dasselbe gilt analog für den Begriff „Tröpf- Aus diesem Grunde weisen alle Gesundheitsbehörden cheninfektion“). In der internationalen Fachliteratur gibt es der Welt auf die große Bedeutung der Händehygiene keinen analogen Begriff zu „Schmierinfektion“, ein weiterer hin, um die Übertragung respiratorischer Viren durch Grund, warum heute nur noch von Kontaktübertragung ge- indirekten Kontakt zu reduzieren. sprochen werden sollte. Gleiches gilt für die Prävention gastrointestinaler Infek- tionen, deren Erreger, z. B. Noroviren, ebenfalls über kontaminierte Hände und nachfolgenden Mundkon- PR A XIS takt erworben werden können. Praktischer Hinweis Man kann sich also die Hände kontaminieren Für die Prävention der Übertragung respiratorischer Er- ▪ beim direkten Kontakt mit infizierten Menschen, z. B. beim reger bedeutet das aber selbstverständlich auch, dass Händeschütteln, man sich nicht an oder unter die Maske, fassen soll, ▪ aber auch bei indirektem Kontakt mit Oberflächen, z. B. weil man dabei seine Hände kontaminieren und damit Treppengeländern, die von infizierten Menschen angefasst über Flächenkontakte seine Mitmenschen dem Risiko wurden. aussetzen kann, in Kontakt mit den eigenen Erregern zu geraten und so eine Infektion zu bekommen, was doch aber gerade durch die Maske verhindert werden gene Gesicht berühren und den Erregern damit die soll. Möglichkeit geben, über die dortigen Schleimhäute einzudringen und in der Folge eine Infektion auszulö- Nachteile von Masken und Vorsichts- sen (sämtlich indirekte Kontakte). maßnahmen für den Gebrauch Alle Gesundheitsbehörden sowie auch das BfArM ge- So oder so kann man also selbst oder können die Mit- ben klare und detaillierte Hinweise zum Gebrauch von menschen über die meist unbemerkten Hand-Ge- Masken bzw. zum erforderlichen Umgang mit Masken, sichts-Kontakte gerade dort in Kontakt mit Infektions- damit es nicht durch ihren Gebrauch zu einer Verbrei- erregern kommen, wo die Erreger respiratorischer In- tung des Erregers von COVID-19 kommt [1, 6 – 9]. fektionen hingelangen müssen, um eine Infektion er- zeugen zu können, nämlich an die Schleimhäute der Kontamination oberen Atemwege und die Augen (bzw. wo sie sich be- Masken werden durch den Träger beim Ausatmen und finden, falls man schon infiziert ist). Seit Jahrzehnten Sprechen von innen kontaminiert und können durch weiß man im Übrigen, dass respiratorische Viren – ob Handkontakte und respiratorische Tröpfchen anderer hüllenlos (wie Rhinoviren) oder behüllt (wie Influenza- Personen ebenso von außen kontaminiert werden. und Coronaviren) – auch außerhalb des Körpers für ge- Masken, die im öffentlichen Raum getragen werden, 290 Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 sollen als „Fremdschutz“ bzw. „Source Control“ dienen, so die Theorie der Befürworter, d. h. bei Trägern von PR A XIS Masken, die (noch) unerkannt infiziert sind, sollen die Händewaschen = Infektionsschutz beim Sprechen etc. in Töpfchen freigesetzten Erreger Für die Allgemeinbildung der Bevölkerung über individuellen von der Maske aufgefangen werden, damit sie mög- Infektionsschutz – zusätzlich zur Betonung der generellen lichst nicht (oder zumindest nicht in großer Zahl) in Notwendigkeit von häufigem Händewaschen – ist der Hinweis die Umgebung gelangen. notwendig, dass man sich mit den Händen möglichst nicht ins Gesicht fassen soll, solange man die Hände nicht waschen Bei dieser Annahme ist also die Innenseite der Maske konnte. Das ist nicht leicht, die Häufigkeit solcher Hand-Ge- potenziell (denn man weiß ja nicht, ob man schon infi- sichts-Kontakte lässt sich aber durch eine Schärfung des Be- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. ziert ist) mit dem Erreger kontaminiert. Das bedeutet, wusstseins reduzieren. dass man mindestens bei Kontakt mit der Innenseite Deshalb sollte man bei Informationskampagnen für die Bevöl- der Maske die eigenen Hände mit den – aus dem eige- kerung nicht nur auf die Notwendigkeit von häufigem Hände- nen Nasen-Rachen-Raum (NRR) bei (noch) unbemerk- waschen hinweisen, sondern ausdrücklich auch darauf, warum ter Infektion – freigesetzten Erregern kontaminieren Händewaschen so sinnvoll und wichtig ist: damit man sich kann, ähnlich wie es bei einer Berührung der eigenen nicht mit kontaminierten Händen an Augen, Nase und Mund Schleimhäute von Augen, Nase oder Mund geschieht. fasst. Mit den so möglicherweise kontaminierten Händen be- Dann erst kann die Aufforderung zum Händewaschen wirklich rührt man dann wiederum auch öffentliche Oberflä- verstanden und nicht (so leicht) als lästige Hygieneregel ab- chen (z. B. den Griff vom Einkaufswagen oder den getan werden. Handlauf von Rolltreppen). Anschließend werden diese Oberflächen von anderen Personen ebenfalls ange- fasst, wodurch es zu einer Verbreitung der Erreger aus dem NRR des Maskenträgers kommen kann. PR A XIS Regeln für den Gebrauch von Masken Durchfeuchtung Das BfArM hat folgende Regeln für den Gebrauch von Masken Jede Maske (auch die professionelle medizinische Mas- formuliert: ke) wird beim längeren Tragen früher oder später durch ▪ Beim Anlegen der Maske muss darauf geachtet werden, dass die Ausatemluft durchfeuchtet und dadurch durchläs- die Innenseite nicht kontaminiert wird. Deshalb sollen die sig und stellt dann keine Barriere mehr dar. Vielmehr Hände zuvor gründlich mit Wasser und Seife gewaschen wer- sind die potenziellen Infektionserreger aus dem NRR den. bei einer durchfeuchteten Maske nicht nur auf der In- ▪ Die Maske muss richtig über Mund, Nase und Wangen plat- nenseite zu finden, sondern auch auf der Außenseite. ziert sein und an den Rändern möglichst eng anliegen. Dies können im Übrigen auch Bakterien sein, wie insbe- ▪ Eine durchgefeuchtete Maske soll umgehend abgenommen sondere Staphylococcus aureus, einer der häufigsten und ggf. ausgetauscht werden. Erreger eitriger Infektionen von z. B. Zufallswunden. ▪ Die Außenseite der Maske ist potenziell erregerhaltig. Um eine Kontamination der Hände zu verhindern, sollte die Auf diese Tatsache weist man in der Krankenhaushygie- Außenseite deshalb möglichst nicht berührt werden. ne das klinisch tätige Personal hin, wie das medizini- ▪ Nach Absetzen der Maske sollen die Hände unter Einhaltung sche Personal im Übrigen auch immer wieder an den der allgemeinen Hygieneregeln gründlich gewaschen werden korrekten Gebrauch von Masken erinnert wird, z. B. (mindestens 20 – 30 Sekunden mit Seife). um sich nicht die Hände mit den potenziellen Infekti- ▪ Die Maske sollte nach dem Abnehmen in einen Beutel o. Ä. onserregern aus dem eigenen NRR zu kontaminieren, luftdicht verschlossen aufbewahrt oder sofort gewaschen wenn der MNS gegen die Regeln doch um den Hals werden. Die Aufbewahrung sollte nur über kurze Zeit erfol- hängend getragen wird, um ihn später wieder aufset- gen, um vor allem Schimmelbildung zu vermeiden. zen zu können. ▪ Masken sollten nach einmaliger Nutzung idealerweise bei 95 °C, mindestens aber bei 60 °C gewaschen und anschlie- Merke ßend vollständig getrocknet werden. RKI, ECDC, CDC und WHO betonen mit Nachdruck, dass äußerst sorgfältige Händehygiene und das Ver- meiden von Hand-Gesichts-Kontakten essenziell sind stellt das BfArM fest, dass Träger von Community-Mas- und durch den Gebrauch von Masken in der Öffent- ken sich nicht darauf verlassen können, dass die Mas- lichkeit nicht vernachlässigt werden dürfen. ken sie oder andere vor einer Übertragung durch SARS-CoV-2 schützen, da für diese Masken keine ent- Auch das BfArM hat entsprechende Warnungen und sprechende Schutzwirkung nachgewiesen wurde. Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit Masken für die Öffentlichkeit herausgegeben [20]. Ausdrücklich Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 291 CME-Fortbildung ner kann man beobachten, dass die Maske, um stets Schlussfolgerungen für die Anwendung griffbereit für den nächsten Gebrauch zu sein, im von Masken im öffentlichen Raum Auto am Rückspiegel hängt (immerhin hängt sie Merke dort wenigstens luftig). Der Gebrauch von Masken im öffentlichen Raum ist schon allein aufgrund des Fehlens von wissenschaft- Man muss sich allerdings auch fragen, wie man es un- lichen Daten fragwürdig. Zieht man dazu noch die terwegs auch anders machen soll, selbst wenn man be- erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen in Betracht, müht ist, seine Hände möglichst nicht an der Maske zu müssen Masken nach den aus Krankenhäusern be- kontaminieren: kannten Regeln im öffentlichen Raum sogar als ein ▪ Man kann sich nicht die Hände waschen, wenn man Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Infektionsrisiko betrachtet werden. aus dem Auto steigt und vor Betreten des Ladens die Maske aufsetzen muss, und man kann sich auch Werden Masken von der Bevölkerung getragen, ist also nach Verlassen des Ladens, wenn die Maske wieder potenziell das Infektionsrisiko erhöht, ganz gleich, ob abgesetzt wurde, nicht die Hände waschen. es medizinische Masken sind oder ob es sich um wie ▪ Da Händedesinfektionsmittel (HDM) ebenso wie auch immer gestaltete sog. Community-Masken han- medizinische Masken und andere Schutzausrüstung delt. Betrachtet man die Vorsichtsmaßnahmen, die in den medizinischen Einrichtungen zwischenzeit- das RKI wie ebenso die internationalen Gesundheitsbe- lich zur Mangelware geworden sind, kann man dies hörden ausgesprochen haben, müssten alle Behörden auch nicht mit dem Gebrauch von HDM unterwegs die Bevölkerung sogar dahingehend informieren, dass kompensieren, und das RKI empfiehlt dies auch Masken im öffentlichen Raum möglichst gar nicht ge- nicht. Denn auch Händedesinfektion muss gelernt tragen werden sollen. Denn ganz gleich, ob Pflicht für sein und ist keineswegs trivial. alle Bürger oder freiwillig getragen von den Bürgern, die das aus welchen Gründen auch immer wollen, Die nächste Frage ist, wie man es bewerkstelligen soll, bleibt es ein Faktum, dass Masken in der Öffentlichkeit die Masken nach jedem Gebrauch zu verwerfen (oder mehr Schaden als Nutzen bringen können. bis zum Waschen zu Hause in einen Beutel zu packen), wenn man in mehrere Geschäfte gehen muss: Wie sieht die Realität beim Umgang ▪ Man müsste dann immer mehrere Masken bei sich haben. mit Masken in der Öffentlichkeit aus? ▪ Eine andere Möglichkeit wäre, die Maske nach Ver- Ein korrekter Umgang mit Masken ist beim medizini- lassen eines Geschäfts einfach aufzulassen, wie man schen Personal, wie bereits erwähnt, nicht immer es bei manchen Menschen beobachten konnte. leicht zu erreichen. Bei der Bevölkerung aber sind alle Dann könnte man alle Besorgungen (und die Wege diese als unverzichtbar angesehenen Anforderungen dazwischen, wenn es Fußwege sind) mit einer einzi- auch nicht im Ansatz zu verwirklichen. So ist beim Ein- gen Maske machen. Die Menschen laufen dann im kaufen z. B. zu beobachten: Freien mit einer Maske herum, wo sie gar nicht vor- ▪ Die Maske wird häufig mit den Händen zurecht- geschrieben ist. gerückt. ▪ Es ist wahrscheinlich, dass das Maskenmaterial wäh- ▪ Sie wird oft so getragen, dass die Nase unbedeckt rend der Einkäufe durchfeuchtet, denn insbesonde- ist. re durch die Pflicht, überall den Mindestabstand von ▪ Sie ist für Brillenträger besonders problematisch, 1,5 m einzuhalten, wird das Einkaufen umständ- weil die Brille beschlägt, denn im Gegensatz zu licher und dauert somit deutlich länger, z. B. weil einem professionellen chirurgischen MNS fehlt bei man im Laden nicht mal schnell an anderen Kunden der Community-Maske in der Regel ein leicht bieg- vorbeigehen darf, sondern warten muss, bis ent- samer Bügel, den man gut an die Anatomie der Nase sprechend Platz zum Überholen ist. anpassen kann. Man muss also die Brille wiederholt ▪ Wenn man aber den Weg zwischen den Läden mit abnehmen und aufsetzen und berührt dabei unver- dem Auto zurücklegen muss, dann muss die Maske meidlich mit den Händen die Außenseite der Maske. abgelegt werden, weil man „maskiert“ nicht Auto ▪ Auch wenn nicht besonders warmes Wetter fahren darf. herrscht, schwitzt man unter der Maske und geht von daher auch immer wieder mit den Händen an Unerfüllbare Forderungen die Maske oder sogar darunter. Im Alltag ist das eine unlösbare Aufgabe, will man zig ▪ Außerhalb der Läden wird die Maske häufig nur teil- Millionen Bürger dazu bringen, diese notwendigen Vor- weise abgenommen und hängt dann mit einer sichtsmaßnahmen beim Gebrauch von Masken einzu- Schlinge über einem Ohr, wird unter das Kinn ge- halten, wenn das schon beim medizinischen Personal schoben oder sie wird abgenommen und einfach in nicht ganz einfach ist, wo aber mit dem Hygienefach- die Hand-, Hosen- oder Jackentasche gesteckt. Fer- personal (Hygienefachkräfte, Krankenhaushygieniker) 292 Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 immer Personen vor Ort an den richtigen Umgang erin- nern können: Es ist wirklichkeitsfremd. KERNAU SSAGE N ▪ Bei zahlreichen Virusinfektionen beginnt die Erregeraus- Deshalb ist die MNB-Empfehlung des RKI nicht damit zu scheidung am Ende der Inkubationszeit, also bevor Krank- rechtfertigen, dass auf die erforderlichen Vorsichts- heitssymptome zu bemerken sind. Dies ist z. B. auch von der maßnahmen hingewiesen wird, und zwar, weil es sich Influenza bekannt, weshalb man auch bei COVID-19 schon zu um unerfüllbare Forderungen handelt, die zwangsläu- Beginn der Pandemie davon hätte ausgehen können. fig und für alle Fachleute erkennbar nicht umgesetzt ▪ Bei Auswertung der vom RKI für dessen „Neubewertung“ von werden (können). Masken im öffentlichen Raum angeführten Publikationen zeigt sich, dass es keine wissenschaftliche Grundlage gibt, Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. mit der der Gebrauch von Masken (gleich welcher Art) in der Öffentlichkeit bei nahezu der gesamten Bevölkerung von FA ZIT Deutschland (abzüglich der Kinder bis 6 Jahre ca. 80 Mio. Aus einer Maskenpflicht für viele Millionen Bür- Menschen) gerechtfertigt werden kann, und aktuelle Unter- ger in Deutschland können jeden Tag zig-millio- suchungen zeigen das Gleiche. nenfache Kontaminationen resultieren, die zu ▪ Im Gegenteil kann eine Maskenpflicht für viele Millionen einem wesentlichen Teil vermeidbar wären, weil Menschen im öffentlichen Raum sogar zu einem Infektions- die ohnehin schon häufigen Hand-Gesichts-Kon- risiko werden, weil die erforderliche Händehygiene nicht ein- takte der Menschen durch die Maskenpflicht gehalten werden kann. noch häufiger werden, Händewaschen unter- ▪ Indirekte Erregerkontakte über kontaminierte Oberflächen wegs aber nur ausnahmsweise möglich ist. Dabei werden durch Masken nicht weniger, sondern kommen im besteht das Risiko, dass der – schon zwangsläu- Gegenteil potenziell häufiger zustande als ohne Masken. fig – unsachgemäße Umgang mit der Maske und ▪ Bei der Übertragung respiratorischer Viren spielt ein enger die erhöhte Tendenz, sich selbst ins Gesicht zu (< 1 m) Face-to-Face-Kontakt die entscheidende Rolle, der fassen, während man die Maske trägt, tatsächlich zudem mindestens über eine gewisse Zeit (≥ 15 min) beste- das Risiko einer Erregerverbreitung und damit hen muss, damit sich ein Übertragungsrisiko überhaupt ver- Erregerübertragung noch erhöht – ein Risiko, das wirklichen kann. man doch aber gerade durch die Maske reduzie- ▪ Die meisten Kontakte im öffentlichen Raum sind zum einen ren will. keine Face-to-Face-Kontakte. Zum anderen dauern sie, selbst Eine Maskenpflicht vermittelt ein falsches Si- wenn sie dennoch stattfinden, meist kürzer als 15 min, sodass cherheitsgefühl, und ein falsches Sicherheits- eine effektive Übertragung infektiöser Tröpfchen in diesen gefühl ist immer ein Sicherheitsrisiko. Situationen sehr unwahrscheinlich erscheint. ▪ Abstand halten bei Gesprächen schützt vor direkten Erreger- kontakten und macht das Tragen von Masken überflüssig. Schlussfolgerungen Interessenkonflikt Die Empfehlung für MNB im öffentlichen Raum hat 1. keine wissenschaftliche Grundlage und ist Erklärung zu finanziellen Interessen 2. sogar potenziell kontraproduktiv. Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Be- Angesichts der niedrigen Inzidenz von COVID-19 (Juli rater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; 2020) und somit auch angesichts der Tatsache, dass Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, eine Überlastung des Medizinsystems und insbesonde- Kinder) an Firma (Nicht-Sponsor der Veranstaltung): nein; re der Intensivbehandlungskapazität nicht zu erwarten Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, ist (und im Übrigen auch in den Wochen zuvor nicht ge- Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein. geben war), ist eine so einschneidende Maßnahme wie Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen die generelle Maskenpflicht für die bei weitem über- Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessen- wiegende Mehrheit aller Bürger im öffentlichen Raum konflikt besteht. nicht zu begründen und entspricht auch nicht den Empfehlungen der WHO. Kappstein Ines. Mund-Nasen-Schutz in der … Krankenhaushygiene up2date 2020; 15: 279–295 293 CME-Fortbildung Autorinnen/Autoren [7] World Health Organization (WHO). Advice on the use of masks in the context of COVID-19 (5. Juni 2020).https:// www.who.int/publications-detail/advice-on-the-use-of- Ines Kappstein masks-in-the-community-during-home-care-and-in-he- Prof. Dr. med. Medizinstudium in Freiburg, althcare-settings-in-the-context-of-the-novel-coronavirus- danach Tätigkeit am Institut für Allgemeine (2019-ncov)-outbreak (Stand: 07.07.2020) Hygiene und Bakteriologie, Chirurgische Uni- [8] European Centre for Disease Prevention and Control versitätsklinik Freiburg, Facharztausbildun- (ECDC). Using face masks in the community (8. April 2020). gen für Mikrobiologie, Virologie und Infek- https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/docu- tionsepidemiologie sowie für Hygiene und ments/COVID-19-use-face-masks-community.pdf (Stand: Umweltmedizin. 1993 Habilitation im Fach Krankenhaus- 07.07.2020) hygiene. 1998–2006 Tätigkeit im Klinikum rechts der Isar [9] Centers for Disease Control and Prevention (CDC). https:// Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. der TU München. 2006–2016 Chefärztin der Abteilung www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/prevent-getting- Krankenhaushygiene an den Kliniken Südostbayern AG der sick/cloth-face-cover.html (Stand: 07.07.2020) Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land. Seit 2016 [10] Jefferson T, Jones MA, Al-Ansary L et al. Physical interventi- Betreuung mehrerer Akut-, Fach- und Reha-Kliniken in ons to interrupt or reduce the spread of respiratory viruses. selbstständiger Tätigkeit. Part 1: Face masks, eye protection and person distancing: systematic review and meta-analysis.https://www.medrxiv. Korrespondenzadresse org/content/10.1101/2020.03.30.20047217v2 (Stand: 07.07.2020) [11] Rancourt DG. Masks don’t work – A review of science rele- Prof. Dr. med. Ines Kappstein vant to COVID-19 social policy.https://www.researchgate. Leitung Klinikhygiene net/publication/340570735_Masks_Don't_Work_A_re- Klinikum Passau view_of_science_relevant_to_COVID-19_social_policy Innstraße 76 (Stand: 07.07.2020) 94032 Passau ines.kappstein@klinikum-passau.de [12] Brainard J, Jones N, Lake I et al. Facemasks and similar bar- riers to prevent respiratory illness such as COVID-19: a rapid systematic review. medRxiv 2020: doi: 10.1101/ 2020.04.01.20049528 Wissenschaftlich verantwortlich gemäß [13] Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP). Stellung- Zertifizierungsbestimmungen nahme der DGP zur Auswirkung von Mund-Nasenmasken auf den Eigen- und Fremdschutz bei aerogen übertragbaren Infektionen in der Bevölkerung. Pneumologie , Online-Pu- Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbe- blikation 2020: doi: 10.1055/a-1175-8578 stimmungen für diesen Beitrag ist PD Dr. med. Roland Schulze-Röbbecke, Aachen. [14] Mitze T, Kosfeld R, Rode J et al. Face masks considerably re- duce COVID-19 cases in Germany: a synthetic control me- thod approach. IZA Institute of Labour Economics, IZA DP Literatur Nr. 13319 06 2020 [15] Buchholz U, Buda S, Prahm K. Abrupter Rückgang der Raten an Atemwegserkrankungen in der deutschen Bevölkerung. [1] Robert Koch-Institut – RKI. Mund-Nasen-Bedeckung im Epid Bull 2020; 16: 7–9 öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion [16] an der Heiden M, Hamouda O. Schätzung der aktuellen der Übertragungen von COVID-19. 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