Rights for this book: Public domain in the USA. This edition is published by Project Gutenberg. Originally issued by Project Gutenberg on 2016-12-07. To support the work of Project Gutenberg, visit their Donation Page. This free ebook has been produced by GITenberg, a program of the Free Ebook Foundation. If you have corrections or improvements to make to this ebook, or you want to use the source files for this ebook, visit the book's github repository. You can support the work of the Free Ebook Foundation at their Contributors Page. The Project Gutenberg EBook of Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 27. Band, 1880, by Various This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 27. Band, 1880 Organ des Germanischen Museums Author: Various Release Date: December 7, 2016 [EBook #53689] Language: German *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK ANZEIGER FÜR KUNDE *** Produced by Karl Eichwalder, Carl Hudkins, Reiner Ruf, and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net Anmerkungen zur Transkription Der vorliegende Text wurde anhand der 1880 erschienenen Ausgabe der Zeitschrift so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Zeichensetzung und offensichtliche typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche sowie inkonsistente Schreibweisen wurden beibehalten, insbesondere wenn diese in der damaligen Zeit üblich waren oder im Text mehrfach auftreten. Historische Zitate sowie fremdsprachliche Passagen wurden nicht verändert. Im Originaltext wird die Kombination ‚ss‘ (s: ‚langes s‘) meist für das Schriftzeichen ‚ß‘ (Eszett, scharfes s) verwendet; dieses Zeichen wird in historischen Zitaten aber auch direkt verwendet. Die Buchstabenkombination ‚ss‘ wird im vorliegenden Text durchgehend durch ‚ß‘ ersetzt, wobei darauf hingewisen werden muss, dass die Verwendung des Eszett teilweise stark von dessen heutigem Gebrauch abweicht. Umlaute in Großbuchstaben werden im Text stets umschrieben (Ae, Oe, Ue), mit Ausnahme des Titelkopfs der Zeitschrift. Das im alphabetischen Register angeführte 'Statut der Kürschnerzunft zu Brunneck' ist im Jahrgang 1880 nicht vorhanden. Im Beitrag 'Zur mittellateinischen Spruchpoesie', II. Teil (Juli 1880; Sp. 215) ist die Zeilennummerierung inkonsistent, oder es fehlt im Originaltext eine Zeile. Da die Fehlerquelle nicht bestimmt werden konnte, wurde die (falsche) Nummerierung beibehalten. Abhängig von der im jeweiligen Lesegerät installierten Schriftart können die im Original g e s p e r r t gedruckten Passagen gesperrt, in serifenloser Schrift, oder aber sowohl serifenlos als auch gesperrt erscheinen. ANZEIGER FÜR KUNDE DER DEUTSCHEN VORZEIT. Neue Folge. ORGAN DES GERMANISCHEN MUSEUMS. Siebenundzwanzigster Band. Jahrgang 1880. N ü r n b e r g , im Verlag der literarisch-artistischen Anstalt des germanischen Museums. Redaction des Anzeigers. A u g u s t E s s e n w e i n , Dr. phil., I. Direktor des germanischen Museums. G e o r g K a r l F r o m m a n n , Dr. phil., II. Direktor und V orstand der Bibliothek. B e i t r ä g e zu vorliegendem Bande haben geliefert: Baist , G., Dr. philos., in Döckingen. Bezold , F. v., Dr., Privatdozent, in München. Bischoff , Bruno, in Prag. Blaas , C. M., Gymnasialprofessor, in Stockerau (Niederösterreich). Bösch , Hans, Sekretär des german. Museums. Eye , August von, Dr., in Berlin. Franck , Joh., Dr., Subrektor, in Edenkoben. Friedländer , Julius, Direktor des kgl. Münzkabinets in Berlin. Gebert , C. F., Numismatiker, in Nürnberg. Göcke , R., Dr. philos., in Schleswig. Gradl , Heinrich, städt. Archivar, in Eger. Hach , Th., Dr. jur., in München. Häser , H., Dr., Prof., geh. Medizinalrath, in Breslau. Hohenlohe-Waldenburg , Fürst Friedrich Karl, Durchl., in Kupferzell. Hövel , Freih. v., Premier-Lieutenant im k. Jäger-Bataillon 8, in Zabern. Huemer , Joh., Dr., k. k. Gymnasiallehrer, in Wien. Jacobs , Ed., Dr., gräfl. Stolberg’scher Bibliothekar und Archivar in Wernigerode. Joachim , Dr., Archivsekretär, in Idstein. Loose , Wilh., Dr., Rektor der Realschule in Meißen. Mörath , A., fürstl. Archivassessor, in Schloß Schwarzenberg. Mummenhoff , Ernst, Sekretär am k. Kreisarchiv zu Nürnberg. Rübsam , Joseph, Dr., k. Gymnasiallehrer, in Fulda. Schepß , Dr., k. Studienlehrer, in Würzburg. Schneider , Friedrich, Dompräbendat, in Mainz. Schultz , Alwin, Dr., Professor an der Universität zu Breslau. Teutsch , G. D., Dr., Superintendent der ev. Landeskirche A. B., in Hermannstadt. Thomas , G. M., Dr., Univers.-Prof. u. Oberbibliothekar, in München. Wattenbach , W., Dr., Professor an der Universität zu Berlin. Wernicke , Ewald, Dr., k. Waisenhauslehrer, in Bunzlau. Wernicke , E., Oberpfarrer, in Loburg. Zingerle , Oswald, Dr. philos., in Innsbruck. Alphabetisches Register zum siebenundzwanzigsten Bande des Anzeigers für Kunde der deutschen Vorzeit. I. Aufsätze und Notizen. Aberglauben , alter: Beitrag 143 ff. Archiv , Egerer: aus demselben 143 ff. Aurifaber , Johannes, s. Briefe. Basel , s. Handschriften. Baugeschichte des Schlosses in Cassel: Beitrag 115. Begräbniß (m. Abb.) 151 f. Behaim , Paulus, s. Briefe. Beiträge aus dem germ. Museum zur Geschichte der Bewaffnung, im Mittelalter (m. Abbild.) 205 ff. 237 ff. 269 ff. 325 ff. Bewaffnung im Mittelalter, s. Beiträge. Bilder aus dem bürgerlichen Haushalte des 14.-15. Jahrh. (m. Abb.) 1 ff. Bote , s. Jüngling. Brandenburg : Friedrich der Aeltere, Markgraf, s. Schreiben. Brandenburg a. H. : Dom, s. Inventarium. Breslau , s. Goldschmied; s. Heinrich. Bretten , s. Hündlein. Briefe , drei, des Johannes Aurifaber an den Rathsherrn Paulus Behaim in Nürnberg 208 ff. 242 ff. Bruchstück eines mittelhochdeutschen Messgebetes 306 f. 340. Brunneck , s. Statut. Cassel : Schloß, s. Baugeschichte. Cronnoch , (Kranach, Kronach), s. Sunder. Dejanira , s. Herkules. Eger , s. Archiv. Engel , musicierende, von Virgil Solis (m. Abb.) 179. 282. Entwurf eines Pokales mit Deckel aus der Mitte des 16. Jahrh. (m. Abb.) 15. Extract Schreiben aus dem kays. feltlager bey Ofen, den 16. July 1684. 15 f. Fakultät , juristische, in Leipzig, verurtheilt eine Kuh zum Tode. 102. Feldarbeit und Spinnen im 14. Jahrh. (m. Abb.) 175 f. Fluch , ein poetischer 179 f. Freiberg , s. Hilger. Glasgemälde , s. V orlage. Glockeninschrift . 305 f. Glockeninschrift aus einem latein. Hymnus des Mittelalters 117 ff. Goldschmied , ein Breslauer, im Dienste des Kurfürsten August von Sachsen 188. 281 f. Goldschmiedearbeiten , s. Handzeichnungen. Haushalt , bürgerlicher, s. Bilder. Handschriften , Baseler: aus dens. 137 ff. Handschriften , Münchener: aus denselben. 173 ff. Handzeichnungen , alte, von Goldschmiedearbeiten im germanischen Museum (m. Abb.) 291 f. 301 f. Hechlingen , s. Rechtsalterthum. Heinrich , Gerhard, von Amsterdam, Bildhauer in Breslau 302 ff. Herkules , Nessus u. Dejanira (m. Abb.) 73 f. Hilger , Gießerfamilie in Freiberg: zur Geschichte ders. 252. Hilger , Meister Oswald, v. Freiberg 331 f. Hofjuwelier , ein verschollener des 17. Jahrh. 111 ff. Hündlein von Bretten 332 ff. Initial vom 11. Jahrh. (m. Abb.) 68 f. Instrumente , musikalische: zur Geschichte derselben (m. Abb.) 140 ff. Inventar eines Würzburger Domherrnhofes v. J. 1557. 32 ff. 65 ff. Inventarium der Gerkammer des Domes zu Brandenburg a. H. 336 ff. 373 ff. Jagdscene des 14.-15. Jahrh. (m. Abb.) 139 f. Jäger vom Schlusse des 15. Jahrh. (m. Abb.) 149 f. Jahrmarktsbuden u. Kramläden des 15. Jahrh. (m. Abb.) 37 ff. Judas Ischarioth in lateinischen Versen 114. Judasaustreiben 304 f. Jüngling , ein vornehmer, zu Pferd und ein Bote (m. Abb.) 75 ff. Karoch , Samuel 184 f. 283 ff. 308. Kramläden des 15. Jahrh., s. Jahrmarktsbuden. Kuh , zum Tode verurtheilt, s. Fakultät. Kunstgeschichte des 14. Jahrh.: Beitrag 339. Kupferstich , (fingierter) 13 f. Kürschnerzunft , s. Statut. Leipzig , s. Fakultät. Liebespaar (m. Abb.) 71 ff. Lieder aus der Zeit der Türkenkriege 180 ff. Luther : Katechismus, s. Tischgebete. Manuscriptenschatz der Grafen von Sayn 145 ff. Marktplatz einer Stadt (m. Abb.) 176. Messgebet , mittelhochdeutsches, s. Bruchstück. Monumenta Zollerana: Bitte um Beiträge zu dens. 267 f. München , s. Handschriften. Museum , german., s. Beiträge; s. Bilder; s. Goldschmiedearbeiten. Nessus , s. Herkules. Niederösterreich , s. Regenbogenschüsselchen; s. V olksthümliches. Nürnberg , s. Briefe; s. Schreiben. Ofen : Feldlager, s. Extract. Parte-Zettel , ältester 143. Planeten , die sieben: Darstellungen ders. vom Beginne des 16. Jahrh. (m. Abb.) 356 ff. Pokal , s. Entwurf. Rechtsalterthum , Hechlinger 377 f. Regenbogenschüsselchen in Niederösterreich 148 ff. Rieter , Sebald, zu Nürnberg, s. Schreiben. Ritterspiele (m. Abb.) 102 ff. Runkelstein 116 f. Sachsen : Kurfürst August, s. Goldschmied. Salve Regina auf Taufbecken 279 ff. Sayn , Grafen von, s. Manuscriptenschatz. Schlesien , s. Schreibersprüche. Schreiben Markgraf Friedrichs des Aeltern von Brandenburg an Sebald Rieter zu Nürnberg 11. Schreibersprüche , schlesische 306. Schwangau , Margareta von, Gemahlin Oswalds von Wolkenstein 75 ff. 97 ff. Siegelabbildung , unrichtige (m. Abb.) 11 ff. Siegelbild u. Wappenbild 219 f. Solis , Virgil, s. Engel. Spinnen , s. Feldarbeit. Sprüche aus Stammbüchern des 16. u. 17. Jahrh. 339 f. 378 ff. Spruchpoesie , mittellateinische: Beiträge, 210 ff. 292. Stammbücher , s. Sprüche. Statut der Kürschnerzunft zu Brunneck. Stoß , Florian und Andreas. 330 f. Stoß , Veit: zur Familiengeschichte dess. 307 f. Studentenkämpfe im 15. Jahrh. 108 ff. Sunder , Hans, von Cronnoch 331. Taufbecken , s. Salve regina. Tischgebete in Luthers Katechismus 7 ff. Türkenkriege , s. Lieder. Vermählung , israelitische (m. Abb.) 119 f. Volksthümliches aus Niederösterreich 48. Vorlage für ein Glasgemälde vom Beginne des 16. Jahrhdts. (m. Abb.) 177 f. Wappenbild , s. Siegelbild. Wecken , die heraldischen (m. Abb.) 248 ff. Weisthum vom Jahre 1479. 9 ff. Wolkenstein , Oswald v., s. Schwangau. Wundermenschen (m. Abb.) 70 ff. Würzburg : Domherrnhof, s. Inventar. II. Literatur-Anzeigen. Bockenheimer , K. G., Mainz und Umgebung. 230. Bücher , die vier, von der Nachfolge Christi. Aus dem Lateinischen ... neu übersetzt von Pater Cölestin Wolfsgruber. 61 f. Eye , A. v., u. P. E. Börner , die Kunstsammlung von Eugen Felix in Leipzig. 230. Göcking , H. v., Geschichte des Nassauischen Wappens. 230 f. Gruppe X der Mustersammlung des Bayer. Gewerbemuseums zu Nürnberg: Arbeiten aus Metall mit den Rohprodukten und Werkzeugen. 61. Jahresbericht der Geschichtswissenschaft. Herausgegeben von Dr. F. A b r a h a m , Dr. J . H e r m a n n , Dr. E d m . M e y e r . 197 ff. Lammert , G., Dr., Zur Geschichte des bürgerlichen Lebens und der öffentlichen Gesundheitspflege, sowie insbesondere der Sanitätsanstalten in Süddeutschland. 199. Lehfeldt , Dr. Paul, die Holzbaukunst. 164 f. Lotz , die Baudenkmäler im Regierungsbezirk Wiesbaden. Herausgegeben von F r i e d r . S c h n e i d e r . 229 f. Mayerfels , Dr. Karl Ritter von, der Wittelsbacher Stamm-, Haus- und Geschlechtswappen. 231. Oppre , Frau Anna, das neue Kochbuch für das deutsche Haus. 61 f. Quellen zur Geschichte Siebenbürgens aus sächs. Archiven. I. Bd., 1. Abth. 392. Rohlfs , Heinrich, die medizinischen Classiker Deutschlands. 165. Röhricht , Reinh., u. Heinr. Meisner , deutsche Pilgerreisen nach dem heil. Lande. 350 ff. Schauß , Dr. Emil v., historischer und beschreibender Katalog der königlich Bayerischen Schatzkammer zu München. 58 ff. Schultz , Alwin, das höfische Leben zur Zeit der Minnesänger. I. Bd, 92. II. Bd. 392 f. Warnecke , F., heraldisches Handbuch. 130 f. Weerth , Ernst aus’m, Wandmalereien des christlichen Mittelalters in den Rheinlanden. 128 ff. Nürnberg. Das Abonnement des Blattes, welches alle Monate erscheint, wird ganzjährig angenommen und beträgt nach der neuesten Postconvention bei allen Postämtern und Buchhandlungen Deutschlands incl. Oesterreichs 3 fl. 36 kr. im 24 fl.-Fuss oder 6 M. Für Frankreich abonniert man in Paris bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksieck, Nr. 11 rue de Lille; für England bei Williams & Norgate, 14 Henrietta-Street Covent-Garden in London; für Nord-Amerika bei den Postämtern Bremen und Hamburg. Alle für das german. Museum bestimmten Sendungen auf dem Wege des Buchhandels werden durch den Commissionär der literar.-artist. Anstalt des Museums, F. A . B r o c k h a u s in Leipzig, befördert. ANZEIGER FÜR KUNDE DER DEUTSCHEN VORZEIT. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. ORGAN DES GERMANISCHEN MUSEUMS. 1880. Nº 1. Januar. Wissenschaftliche Mittheilungen. Bilder aus dem bürgerlichen Haushalte des 14.-15. Jahrhunderts. Die Bibliothek des germanischen Museums enthält unter Nr. 7121 ein hebräisches Pergamentmanuscript von 42 Blättern, welches reich mit Illustrationen versehen ist, die, mit Tinte gezeichnet, mit Lokaltönen koloriert unter seltener Anwendung von Schattierung, dagegen reich mit Gold und Silber ausgestattet, die breiten unteren und die ähnlich breiten äußeren Seitenränder der Blätter ausfüllen, theilweise ganze Seiten bedecken. Die Schrift ist mit äußerster Sorgfalt hergestellt, theilweise mit Ueberschriften in Gold und Farbe geziert. Die Illustrationen haben das Mißgeschick erlitten, daß später in ziemlich derber Weise die Konturen mit schwarzer Farbe nachgefahren, auch einige Schattierungen in Schwarz angegeben wurden, wodurch die Malereien, die ursprünglich auf die feinste Miniaturausführung angelegt worden sein mögen, roh geworden und nicht mehr der sorgfältigen Durchführung der Schrift ebenbürtig sind. Dabei läßt sich auch nicht mehr feststellen, ob allenthalben die ehemalige V orzeichnung genau beibehalten ist. Diese Frage ist für die Zeitbestimmung der Malereien aber wichtig. Ein zur Zeit hier sich aufhaltender Hebraist, Herr Epstein, behauptet, daß das Buch den Schriftzügen nach nicht später entstanden sein könne, als im 13. Jahrh. Auch zeigt sich da und dort in der Ornamentik der romanische Stil mit Entschiedenheit festgehalten, während der Hauptsache nach doch schon der gothische in seiner früheren Ausbildung erscheint. Einzelheiten aber, insbesondere die Bewaffnung, gehören so entschieden der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. an, daß nur die Annahme der späteren Ueberarbeitung es möglich erscheinen läßt, an eine frühere Entstehung der Illustrationen zu denken. Ohne solche müßte das Buch in die Zeit von etwa 1480–1500 gesetzt werden. Und doch wäre es kaum denkbar, daß so viele Ueberbleibsel der früheren Zeit sich finden sollten, wenn das ganze Werk erst so spät entstanden wäre. Freilich, in welchen Kreisen ist es entstanden? Welchen Kreisen der Gesellschaft sind die V orbilder entnommen, nach denen der Maler sich richtete? Da tritt uns denn auch ein Zwiespalt entgegen. Man wird naturgemäß zuerst an einen Juden als Maler denken, wie ja wohl nur ein Jude als Schreiber anzunehmen und die Verbindung zwischen der Miniaturmalerei und der Schreibkunst eine so natürliche ist, daß wir recht wohl auch dem israelitischen Schreiber selbst die Kunst des Zeichnens und Kolorierens zutrauen müssen. Daß ein Israelite die Bilder gezeichnet, wird nach der Ansicht des Herrn Epstein noch wahrscheinlicher durch die Thatsache, daß die Bilder einzelne, dem Talmud entnommene Züge wiedergeben, die zwar an den Text anschließen, aber in demselben nicht enthalten sind, so daß wir den Maler von jüdischer Gelehrsamkeit beeinflußt sehen. Aber er war auch von christlichen Bildern so weit beeinflußt, daß theilweise seine Orthodoxie Schaden gelitten hat. Die Engel z. B. stellt er ganz in christlicher Weise, ohne Rücksicht auf israelitische Traditionen, dar. Im Stile der Zeichnung, in der Art der Behandlung zeigt sich kein Unterschied von christlichen Malereien. War er also auch Jude, so stand er nicht isoliert; er hatte seine geistige Verbindung mit der christlichen Kunst. Daß natürlich in einem Werke, das für einen jüdischen Besitzer hergestellt wurde, die Juden nicht in der von der christlichen Kunst ihnen zugewiesenen typischen Kleidung mit dem bekannten Spitzhute dargestellt sind, daß sie vielmehr ein allgemeines, auch von den Christen getragenes Zeitkostüm tragen, ist nicht zu verwundern. Aber, wenn der Maler Jude war und deshalb vielleicht, wie sich auch in anderen hebräischen Manuscripten findet, einzelne ältere, in der hebräischen Schule zurückgebliebene Motive gewohnheitsgemäß noch später verwenden konnte, als sie in der christlichen Kunst heimisch blieben, so ist doch wiederum nicht zu denken, daß die Juden, wo sie keine spezifische Judentracht tragen mußten, eine hundert Jahre ältere Tracht getragen hätten. Gerade, weil sie ein Zeitkostüm tragen, kann es nur das Kostüm der Zeit der Entstehung des Werkes sein. Und da haben wir so viele Anknüpfungspunkte an den Schluß des 14. und Beginn des 15. Jahrhunderts, daß wir die Entstehung eben jener Zeit zuweisen müssen. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Diese V orbemerkung schien uns nöthig, um unsere Zeitbestimmung zu rechtfertigen, nachdem wir schon auf Sp. 268 des vorigen Jahrganges auf das Buch hingewiesen und in Fig. 1 eine Anzahl Figuren abgebildet haben. Was nun den Inhalt betrifft, so enthält die Schrift Gebete und Betrachtungen biblischer Erzählungen, insbesondere für Festzeiten, die bei verschiedenen Gelegenheiten, theilweise beim Mahle selbst, verlesen wurden, so daß das Buch noch Reste von Speisen an Flecken mancher Blätter aufzuweisen hat. Die Illustrationen stellen nun die biblischen Erzählungen dar, die, gleichwie bei der christlichen Kunst, in das Zeitkostüm eingekleidet sind und eine ganze Reihe von Scenen aus dem Leben wiedergeben, wie es sich vor den Augen des Malers, vor den Augen der Andächtigen abspielte, die das Buch lasen. Fig. 4. Fig. 5. Es würde sicher für das Studium der historischen Entwickelung von israelitischer Gelehrsamkeit von Interesse sein, den ganzen Codex publiciert und erklärt zu sehen. Wir greifen inzwischen Einiges heraus, was uns das Leben im Hause, in Küche und Keller vor Augen führt, soweit die stark mitgenommenen Bilder sich überhaupt wiedergeben lassen. Dies ist leider bezüglich des ersten Blattes, eines der interessantesten, nicht mehr der Fall. Den Anfang des Buches (von rückwärts) bildet nämlich die Herstellung der ungesäuerten Brote, und als erstes Bild sehen wir, eine ganze Seite füllend, die Windmühle dargestellt, zu welcher ein Esel mit Getreidesäcken geführt wird. Es ist aber derart beschmutzt und verwischt, daß nur eben noch ein Schein desselben vorhanden ist und eine Wiedergabe uns nicht räthlich erschien; die folgende Seite zeigt in 7 Gruppen, von denen wir hier 5 wiedergeben (Fig. 1–5) den Brunnen, von welchem das Wasser genommen wird, und das Tragen des Wassers (1) oben, wobei das Wasser in den Gefäßen vergoldet ist, wol um anzudeuten, daß es kein gewöhnliches Wasser sei; das Herbeitragen (2) und Oeffnen des Mehlsackes unten, die Bereitung des Teiges in 3 Gruppen in der Mitte (3–5). Es sind die Sack- und Wasserträger, wie sie damals ihre Dienste für jedermann ausübten, in dessen Hause sie dienten; es ist die Hausfrau, wie sie ihr Mehl in die Schüssel füllt und ihren Teig knetet; eben so sah eine christliche Hausfrau aus, wenn sie Dampfnudeln buk, wie die Jüdin, welche ihr Osterbrot bereitete. Auch der Backofen auf der folgenden Seite (Fig. 6) sah wol allenthalben so aus, ob das schwarze Hausbrot, ob die Osterbrote darin gebacken wurden. Auch mögen christliche Knaben eben so frisches Brot oder Anderes genascht haben, wenn die Mutter eine besondere Speise aus dem Backofen brachte, wie hier die beiden, denen die Mutter das Verbot des verfrühten Genusses von Osterbrot einschärft. Fig. 6. Wiederholt finden wir die Gesellschaft bei Speise und Trank am Tische. Wir können aber nicht alles wiedergeben; doch sind wir es wol unsern Lesern schuldig, denselben die Darstellung einer Köchin zu geben, die auf freiem Feuer in einer Nische des geplatteten Bodens einen Topf stehen hat, bei welchem sie, der Hitze wegen möglichst entfernt, mit vorgebundener Schürze steht und mit dem Kochlöffel rührt, während ein anderer Topf am Haken von oben herabhängt (Fig. 7). Fig. 7. Fig. 8. Zur Speise fehlt der Wein nicht. Im Keller wird er (Fig. 8) aus dem Hahn des Fasses in einen großen Krug gefüllt. Wie sehr der Maler das Genrehafte liebte, geht daraus hervor, daß er auch als Kellerscene auf einem anderen Blatte eine Katze dargestellt hat, welche die reichlich vorhandenen Mäuse fängt. Wir werden nächstens noch andere interessante Darstellungen aus diesem Codex bringen. N ü r n b e r g . A. E s s e n w e i n .