PARADIGMENWECHSEL IM GESUNDHEITSWESEN DURCH NEUE VERSORGUNGS- STRUKTUREN? A L L O K AT I O N I M M A R K T W I R T S C H A F T L I C H E N S Y S T E M EBERHARD WILLE MANFRED ALBRING (HRSG.) Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Der Sammelband enthält die erweiterten Referate eines interdisziplinären Workshops zur Frage, inwiefern sich durch neue Versorgungsstrukturen ein Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen vollzieht. Diskutiert werden die beiden Themenkreise Vertragswettbewerb sowie Effizienz und Effektivität der Arzneimitteltherapie. Eberhard Wille wurde 1942 in Berlin geboren. Nach dem Diplom-Examen 1966 an der Universität Bonn, der Promotion 1969 und der Habilitation 1973 an der Universität Mainz ist er seit 1975 Professor für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Universität Mannheim. Er ist u.a. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Manfred Albring wurde 1943 in Bochum geboren. Er studierte Humanmedizin an der Universität Marburg. Er ist Leiter des Gesundheitswesens bei einem deutschen Pharmaunternehmen und u.a. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für dermatologische Forschung, der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft und des Kuratoriums der Deutschen Herzstiftung. A L L O K AT I O N I M M A R K T W I R T S C H A F T L I C H E N S Y S T E M EBERHARD WILLE MANFRED ALBRING (HRSG.) PARADIGMENWECHSEL IM GESUNDHEITSWESEN DURCH NEUE VERSORGUNGSSTRUKTUREN? Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen durch neue Versorgungsstrukturen? Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access ALLOKATION IM MARKTWIRTSCHAFTLICHEN SYSTEM Herausgegeben von Heinz König (t), Hans-Heinrich Nachtkamp, Ulrich Schlieper, Eberhard Wille Band 52 ~ PETER LANG Frankfurt am Main • Berlin · Bern · Bruxelles · New York· Oxford· Wien Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access EBERHARD WILLE MANFRED ALBRING (HRSG.) PARADIGMENWECHSEL IM GESUNDHEITSWESEN DURCH NEUE VERSORGUNGS- STRUKTUREN1 8. Bad Orber Gespräche 6.-8. November 2003 ~ PETER LANG Europäischer Verlag der Wissenschaften Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Open Access: The online version of this publication is published on www.peterlang.com and www.econstor.eu under the interna- tional Creative Commons License CC-BY 4.0. Learn more on how you can use and share this work: http://creativecommons. org/licenses/by/4.0. This book is available Open Access thanks to the kind support of ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. ISBN 978-3-631-75591-4 (eBook) Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. =t Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier. ISSN 0939-7728 ISBN 3-631-53394-2 © Peter Lang GmbH Europäischer Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2004 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany 1 2 4 5 6 7 www.peterlang.de Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Danksagung Die Fertigstellung des vorliegenden Symposium-Bandes der achten „Bad Orber Gespräche" erforderte ein hohes Engagement. Von der Planung und Vorbereitung bis hin zur Durchführung der Tagung und Präsentation der Ergebnisse als Publikation waren Arbeitseinsatz und Motivation vie- ler Beteiligter gefragt. Stellvertretend für alle möchten wir unseren aus- drücklichen Dank Dr. Michaela Flug, Dr. Vanessa Elisabeth Schaub, Konstanze Lipelt aussprechen. Prof. Dr. rer. pol. Eberhard Wille Dr. med. Manfred Albring Berlin, im September 2004 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Inhaltsverzeichnis Birgit Naase Vorwort 9 Manfred Albring Begrüßung 21 Peter Zweifel Was können wir vom Schweizer Gesundheits- wesen lernen? 25 Themenkreis 1 Gerhard Schulte Vertragswettbewerb 43 Helge Sodan Selektives Kontrahieren unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten 45 Ingwer Ebsen Selektives Kontrahieren in der GKV unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten 57 Hans Jürgen Ahrens Umsetzung der integrierten Versorgung bis zu Einzelverträgen 81 Karl-Heinz Schönbach Integrierte Versorgung 87 Jürgen Bausch Vertragswettbewerb und ärztliche Vergütung 101 Klaus-Dieter Kossow Vertragswettbewerb und ärztliche Vergütung 109 Franz Knieps Vertragswettbewerb 121 Heinz Lohmann Auswirkungen von Vertragswettbewerb auf die Krankenhäuser: vom Budget- zum Vertragssystem 125 Werner Gerdelmann Auswirkungen von Vertragswettbewerb auf die Krankenhäuser 133 Wolfgang Schmeinck Auswirkungen der Preisbildungsregelung im Arzneimittelbereich 143 Frank E. Münnich Auswirkungen der Preisbildungs- und Erstattungs- Neuregelungen im Arzneimittelbereich 151 Christoph Straub Interdependenzen zwischen Disease-Manage- ment-Programmen und Vertragswettbewerb 165 7 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Rolf Haberg Interdependenzen zwischen Disease-Management- Programmen und Vertragswettbewerb 175 Eberhard Wille Ulrich Schwabe Norbert Schmacke Oliver Schöffski Wolfgang Kaesbach Dieter Cassel Bertram Häussler Themenkreis 2 Effizienz und Effektivität der Arzneimitteltherapie Bewertung des Nutzens aus ärztlicher Sicht Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln aus ärztlicher Sicht Probleme der Kosten-Nutzen-Bewertung Probleme der Kosten-Nutzen-Bewertung Innovationshürden und Diffusions- barrieren der Arzneimittelversorgung Innovationshürden als Barriere der medizinischen Versorgung: Vermindert ein restriktiver Umgang mit innovativen Leistungen die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems? Verzeichnis der Referenten Verzeichnis der Teilnehmer 8 187 205 229 243 255 275 289 301 303 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Vorwort Birgit Naase Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob nicht durch andere Versorgungs- strukturen die Gesundheitsversorgung besser und/oder preiswerter or- ganisiert werden kann als im bisherigen System. Der Weg geht über Modellvorhaben nach § 63 SGB V, Strukturverträge nach § 73 ASGB V, Disease-Management-Programme bis hin zu Integrationslösungen, die durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz einen kräftigen Schub er- halten haben, sowie über hausarztzentrierte Versorgungsformen. Der Zeitpunkt für eine eingehende Auseinandersetzung mit den Fragen, die die Implementation neuer Versorgungsstrukturen aufwerfen, ist gut ge- wählt, denn es ist nicht zu übersehen, dass Bewegung in die Landschaft gekommen ist. Vertragswettbewerb ist kein leeres Wort mehr, sondern alle Beteiligten sowohl auf Seiten der Kostenträger als auch auf Seiten der Leistungserbringer haben erkannt, dass man die Gestaltung der Strukturen aktiv betreiben muss, wenn man das Feld nicht anderen ü- berlassen will. • Die Veranstaltung hat es sich zum Ziel gesetzt, zu versuchen, Antworten auf die drängendsten Fragen zu finden: • Welche Voraussetzungen sind für einen effizienten Vertragswett- bewerb erforderlich? • Wie stark muss der Rahmen gesetzt sein? • Warum hat das bisher so wenig geklappt? • Was bedeutet das für die einzelnen Sektoren, z. B. die Kranken- hausplanung, die Preisbildung bei Arzneimitteln? • Wie ordnen sich die Disease-Management-Programme in diese Vorstellungen ein? • Worum soll der Wettbewerb gehen, um Preise, Qualität, Leistun- gen oder die Struktur der Versorgung, und wie kann er im Einzel- nen aussehen? Vom Ausland lernen In seinem Festvortrag ordnet Prof. Peter Zweifel die Diskussion über die Effizienz eines Gesundheitssystems ein anhand der fünf Kriterien: präfe- 9 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access renzgerechte Versorgung, produktionstechnische Effizienz, Anpas- sungskapazität, dynamische Effizienz und leistungsgerechte Einkom- mensverteilung. Unter Wettbewerb im Gesundheitswesen versteht er dabei nicht notwendig das freie Spiel von Angebot und Nachfrage auf einem Spotmarkt, sondern dass Verträge mit frei wählbaren Inhalten zwischen frei wählbaren Partnern abgeschlossen werden können, wovon man hierzulande noch weit entfernt ist. Sein Bericht über die Organisati- on der Gesundheitsversorgung in der Schweiz öffnet die Augen dafür, was bei Reformen in Deutschland zu beachten ist. So zeigt er, dass Ein- heitsprämien einen Risikostrukturausgleich als sekundäre Regulierung bedingen und der Risikostrukturausgleich seinerseits wiederum ungüns- tige Nebenwirkungen entfaltet, indem er nicht nur den Anreiz zur Risiko- selektion, sondern auch den zur Innovation schwächt. Er weist zudem auf die Schwierigkeit hin, einen weit gefassten Pflichtkatalog an Leistun- gen mit den individuellen Präferenzen in Übereinstimmung zu bringen, und er legt dar, dass einheitliche Preise es unmöglich machen, Unter- schiede der Präferenzen in Preissignale umzusetzen. Wettbewerbsrechtliche Aspekte einzelvertraglicher Beziehungen zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern Die Beiträge von Prof. Ingwer Ebsen und Prof. Helge Sodan beleuchten den wettbewerblichen Aspekt eines möglichen Aufbruchs in ein Zeitalter, in dem das korporatistische Grundmodell des deutschen Krankenversi- cherungssystems durch einzelvertragliche Lösungen ersetzt werden könnte. Er betrachtet dabei unterschiedliche Vertragsmöglichkeiten zwi- schen Leistungserbringern und Krankenkassen: den Zulassungsakt, wie er heute z. B. bei Vertragsärzten, Krankenhäusern, Heil- und Hilfsmittel- erbringern und Apothekern zum Tragen kommt, und das selektive Kon- trahieren über Verträge oder einseitige Zulassungsakte der GKV, bei dem es im Ermessen der Krankenkassen liegt, ob und in welchem Um- fang Leistungserbringer auf ihre Kosten für ihre Versicherten tätig wer- den können, wie z. B. bei den Rehabilitationseinrichtungen oder den Modellvorhaben nach § 64 Abs. 1 SGB V, der Versorgung mit Haus- haltshilfen nach § 132 SGB V oder der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Abs. 2 SGB V. Die Möglichkeiten des selektiven Kontrahierens sind mit dem Gesund- heitsmodernisierungsgesetz deutlich erweitert worden: durch Verträge über eine hausarztzentrierte Versorgung nach § 73b SGB V, über die Durchführung von Leistungen mit besonderen Qualitätsanforderungen an § 73c Abs. 2 Satz 2 SGB V, über ambulante Versorgung in Kranken- häusern, die an strukturierten Behandlungsprogrammen nach § 137g teilnehmen oder hoch spezialisierte Leistungen nach § 116b anbieten 10 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access sowie die Verträge über integrierte Versorgung nach den § 140a ff. Um- so wichtiger ist damit die Frage geworden, wie sichergestellt werden kann, dass auch in einem Bereich, in dem sich die Leistungserbringer den Krankenkassen als dem Staat im weiteren Sinne zuzuordnende Ho- heitsträger gegenüber sehen, faire Vertragsbedingungen geschaffen werden können, welche normalerweise (ohne solche Macht) aus freien Aushandlungsprozessen zu erwarten sind. Herrn Prof. Ebsen zufolge ist nationales Kartellrecht auf die Verträge über selektives Kontrahieren nicht anwendbar. Im europäischen Wettbewerbsrecht kommt es auf die Abgrenzung zwischen wirtschaftlicher Betätigung und Erfüllung öffentli- cher Aufgaben im Hinblick auf die jeweiligen Tätigkeitsbereiche an. Was die Beziehungen zu den Leistungserbringern anbelangt, wird darauf ab- gehoben, dass die deutschen Krankenkassen wegen der inzwischen eingeführten Wettbewerbselemente und ihrer Gestaltungsspielräume im Wettbewerb untereinander sowie wegen des auf die freiwillig Versicher- ten bezogenen Wettbewerbs mit der PKV gerade für ihr „Kerngeschäft" als Unternehmen anzusehen sind. Wenn dies der Fall ist, wären die Krankenkassen damit grundsätzlich an die Ver- und Gebote der Arti- kel 81 und 82 EGV gebunden, so dass ein Zusammenschluss mehrerer Krankenkassen zum Abschluss selektiver Verträge als Kartell an Arti- kel 81 EGV zu messen wäre. Die rechtliche Bewertung, das ist in der Veranstaltung deutlich gewor- den, ist wichtig und notwendig. Sie hilft jedoch nur bedingt weiter, wenn es darum geht, neue Konzepte für die Zukunft zu schneidern. Es wurde deutlich, dass es Gestaltungsspielräume für die Ausgestaltung selektiver Verträge mit Leistungserbringern gibt, die politisch ausgefüllt werden müssen. Bezüglich der Ausgestaltung von Ausschreibungen, z. B. um Ärzte mit der Qualifikation für besondere Früherkennungsuntersuchun- gen nach § 25 Abs. 5 SGB V oder Ärzte für die hausarztzentrierte Ver- sorgung nach § 73b Abs. 2 SGB V auszuwählen, zeichnet sich ab, dass es darum geht, eigene auf die jeweiligen Konstellationen zugeschnittene Anforderungen zu entwickeln und nicht auf das GWB- Vergaberecht zu- rückzugreifen. Auch im europäischen Vergaberecht gibt es kaum rele- vante Anforderungen, die bei der Gestaltung von Dienstleistungsaufträ- gen im Leistungserbringerbereich der GKV umgesetzt werden müssten. Damit ist eine Auseinandersetzung darüber, welche politischen Vorstel- lungen mit Einzelverträgen zwischen Leistungserbringern und Kranken- kassen verbunden werden, in den Vordergrund gerückt. Entwicklung zur integrierten Versorgung Die Forderung nach einer Überwindung der sektoralen Versorgung der Patienten ist auch eine Forderung nach Finanzierungsmodellen, die ei- 11 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access nem solchen Integrationsansatz Rechnung tragen. Wie Dr. Ahrens in seinem Beitrag zutreffend darstellt, ist es bereits in der Vergangenheit möglich gewesen, integrierte Versorgungsverträge abzuschließen. Nur hat das kaum jemand gemacht. Die bürokratischen Hürden waren zu groß, die Anreize zu gering, und die Finanzmittel fehlten. Hinzu kommt, dass durch die seit 1993 verfestigte sektorale Budgetierung eine Zemen- tierung der alten Strukturen fast unvermeidbar war. Das Gesundheits- modernisierungsgesetz hat in vielen Punkten für Abhilfe gesorgt, so z. 8. durch die Anschubfinanzierung, die von Ärzten und Krankenkassen ein Prozent der Budgets für die Bezahlung integrierter Versorgungsformen abfordert. Zudem wird durch die Möglichkeit freier Vertragsgestaltungen der notwendige Handlungsspielraum geschaffen, um verschiedene Ko- operationsformen zu erproben. Karl-Heinz Schönbach führt vor Augen, dass • die KV weder als Vertrags- noch als Rahmenvertragspartner vor- gesehen ist, • Vertragspartner nicht mehr nur Gemeinschaften von Ärzten, son- dern auch einzelne Ärzte sein können, • in der Gemeinschaft von Leistungserbringern vom jeweiligen Zu- lassungsstatus abgewichen werden kann, • der Zutritt zu geschlossenen Verträgen ausdrücklich nur mit Zu- stimmung der Vertragspartner möglich ist, • die Krankenkassen das Ein-Prozent-Budget zur Finanzierung nut- zen können, • der Einbezug der Apotheken zumindest vertragsrechtlich stattfin- det, • die Versicherten mit Zuzahlungs- und Beitragsrabatt gewonnen werden können und • für die Haushaltsjahre bis 2006 das Gebot der Beitragssatzstabili- tät eingeschränkt gilt. Damit bietet sich aus Sicht der Krankenkassen die Chance, zu bewei- sen, dass sich ein Wettbewerb auf der Leistungsseite sowohl für die Versicherten, die Leistungserbringer als auch für die Krankenkassen lohnt. Es fehlt allerdings an einem echten Leistungswettbewerb, weil der Leistungskatalog selbst fast vollständig vorgegeben ist und damit keine Unterschiede in der Tarifgestaltung zulässt. 12 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Der Einfluss von Vergütungsfragen auf die integrierte Versorgung Das Zeitalter der ausschließlichen Kollektivverträge ist vorbei. Bereits mit den Disease-Management-Verträgen ist hier eine Zäsur eingetreten. Prof. Jürgen Bausch zeigt am Beispiel Hessen auf, dass ein Wettbewerb der Ärzteschaft bezüglich des Diabetesprojektes funktioniert hat. Die in- nerärztliche Geschlossenheit und Solidarität gegenüber den Vertrags- partnern stehe massiv auf dem Prüfstand. Der Sicherstellungsauftrag ist durch das System durchsiebt worden und das Kollektivvertragssystem franst in den Randbereichen potenziell erheblich aus. Er spricht von Folterwerkzeugen, die vorgezeigt werden können, und führt dabei fol- gende Beispiele an: • die Teilöffnung der Krankenhäuser im Rahmen der Disease- Management-Programme, • die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Versorgung von hochspezialisierten Leistungen und die Betreuung seltener Erkran- kungen, • die Möglichkeit integrierter Versorgungsverträge zwischen Kran- kenhäusern, anderen Vertragsanbietern und Krankenkassen, • die Heranziehung der Krankenhäuser als Institut zur Sicherstellung bei festgestellter Unterversorgung, • die Zulassung medizinischer Versorgungszentren sowie • Sonderverträge zur Förderung der Qualität in der vertragsärztli- chen Versorgung und • die hausarztzentrierte Versorgung. Es wird sich zeigen, ob die Kapazitäten der Handelnden ausreichen, all diese Möglichkeiten aufzugreifen. Was ändert sich im Krankenhaussektor? Eine der spannendsten Fragen in diesem Zusammenhang ist die von Franz Knieps in seiner Einleitung zum Thema der Auswirkungen des Vertragswettbewerbs auf einzelne Sektoren aufgeworfene Frage, ob es stimmt, dass die Krankenkassen im stationären Sektor immer enger als in anderen Versorgungsbereichen gemeinsam und einheitlich handeln müssen (und vielleicht auch immer noch wollen). Prof. Heinz Lohmann weist zu Recht darauf hin, dass es für die Krankenhäuser in Zukunft un- ter gewandelten Bedingungen des Produktivitätsdrucks darauf ankommt, 13 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access gute Medizin zu bezahlbaren Preisen anzubieten. Er prophezeit einen Konzentrationsprozess, der heute schon begonnen hat. Richtig wirksam kann der Wettbewerb allerdings erst dann werden, wenn die Budgets abgeschafft und durch ein Preissystem ersetzt werden. Das einheitliche und gemeinsame Handeln muss durch ein Vertragssystem einzelner Krankenhäuser oder Anbietergruppen mit einzelnen Krankenkassen oder Nachfragergruppen ersetzt werden. Das GMG hat hier zwar einige An- satzpunkte geschaffen. Insbesondere die Neugestaltung der integrierten Versorgung bietet Spielräume durch ein weites Maß an Vertragsfreiheit und durch die Anschubfinanzierung. Hier liegen wohl die größten Chan- cen für Krankenkassen, Krankenhäuser und die anderen Leistungser- bringer, zu zeigen, dass vertragliche Lösungen planerischen Vorgaben überlegen sind. Deutlich geworden ist aber auch, dass sich im Kranken- haussektor nur dann echter Wettbewerb entfalten kann, wenn es ein Preissystem ohne Budgets gibt, eine Krankenhausplanung, die sich al- lein auf eine Rahmensetzung beschränkt, und die monistische Finanzie- rung. Was geschieht im Arzneimittelsektor? Die Neuerungen im Arzneimittelbereich setzen fast alle am Preisbil- dungsgeschehen an, auch wenn die Preise, genauso wie die Menge der Verordnungen, in den letzten Jahren kaum gestiegen sind. Die Verände- rungen sind vielmehr primär an der Strukturkomponente festzumachen. Die Änderung der Arzneimittelpreisverordnung mit der Konsequenz, dass preiswerte Arzneimittel teurer und teurere Arzneimittel deutlich preiswerter werden, die Aussetzung der Arzneimittelpreisverordnung bei nicht zulasten der GKV verordneten und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gehören ebenso zum Preisgeschehen wie de facto die Festbetragsregelung für wirkstoffgleiche Arzneimittel mit der höchst problematischen, strategieanfälligen Höchstgrenze des unteren Drittels der Spanne zwischen dem untersten und dem höchsten Preis der jewei- ligen Festbetragsgruppe sowie die - vermutlich nicht sehr exzessiv ge- nutzte - Möglichkeit der Bildung von Festbetragsgruppen der Stufe 2 mit ausschließlich patentgeschützten Wirkstoffen. Selbst die Zulassung des Versandhandels ist weitgehend preispolitisch determiniert, erhofft man sich hiervon doch preiswertere Lösungen für Krankenkassen und/oder Patienten. Darüber hinaus setzt die Politik auf weitere gesetzgeberische Maßnah- men, wie die Verschärfung des Aut-idem-Gebots, die Begünstigung von (Re-) Importen sowie die grundsätzliche Herausnahme nicht verschrei- bungspflichtiger Arzneimittel aus der Leistungspflicht der GKV, die aller- dings für die Fälle durchbrochen wird, in denen diese Arzneimittel zur 14 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access Standardtherapie bei schweren Erkrankungen gehören. Die Ausformulie- rung im Einzelnen ist Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses, der sich, geprägt durch den Wunsch der Politik, zu einer kuriosen Aus- nahmeregelung durchgerungen hat. Lediglich bei chemisch definierten und pflanzlichen Arzneimitteln ist rigide vorgegangen worden, nicht je- doch bei homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln, ob- wohl dort dem ansonsten erhobenen Anspruch einer soliden Datenlage nicht immer entsprochen wird. Entweder man vertritt die Auffassung, dass ärztliches Heilen nicht immer naturwissenschaftlich unterlegbar ist, dann darf man das Therapiespektrum insgesamt nicht begrenzen, indem man eine ganze Gruppe von Arzneimitteln ausgrenzt, nur weil sie nicht verschrieben werden müssen, oder man glaubt nur evidenzbasierten Therapiekonzepten. Dann muss das für alle Bereiche gelten. Mit Spannung darf erwartet werden, inwiefern im Rahmen der integrier- ten Versorgung von der Einbeziehung der Apotheker Gebrauch gemacht wird. Zwar gilt auch bei Verträgen, die im Rahmen der integrierten Ver- sorgung geschlossen werden, die Arzneimittelpreisverordnung. Rabatte sind jedoch nicht ausgeschlossen. Wolfgang Schmeinck betont in sei- nem Beitrag, dass sich Preferred-Provider-Lösungen im Bereich der in- tegrierten Versorgung, bei Hausarztmodellen und bei Disease- Management-Programmen vorstellen lassen. Er sieht dort gewisserma- ßen die Inseln des funktionalen Wettbewerbs und die besonderen Chan- cen spezialisierter Versandapotheken. Die Rolle der Disease-Management-Programme (DMP) im Vertrags- wettbewerb Hart geht Dr. Christoph Straub mit den bisher entwickelten DMPs ins Ge- richt. Sie seien mit erheblichen Mehraufwendungen verbunden, ohne dass ein erkennbarer medizinischer Nutzen für die Patienten entsteht. Der Verwaltungsaufwand sei immens, ohne dass die Krankenkassen die generierten Daten in ausreichendem Maße nutzen dürften. Es sei eine Illusion, zu glauben, diese medizinisch und prozessual anspruchsvollen Versorgungsmodelle seien zum Nulltarif zu haben und würden großarti- ge Einsparungen erzielen. Vielmehr seien zunächst Investitionen erfor- derlich, die sich irgendwann vielleicht einmal amortisieren. In der aktuel- len Umsetzung der DMP finde weder Qualitätswettbewerb noch Ver- tragswettbewerb statt. Die Anreize seien über die Koppelung an den RSA so gesetzt, dass möglichst viele Patienten in die DMPs einge- schrieben werden, obwohl sie nur für bestimmte Hochrisiko- Patientengruppen sinnvoll sind. Zu bedenken sei auch, dass nur ein Teil der Patienten in der Lage ist, sein Verhalten so zu ändern, dass die er- forderlichen medizinischen Zielwerte im Rahmen der DMP eingehalten 15 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access werden können. Konsequenterweise spricht sich Dr. Christoph Straub dafür aus, die Koppelung von DMP und RSA aufzuheben und stattdes- sen eine Förderung vorzusehen, die sich nur nach Aufwands- oder Er- folgsgrößen bemisst. Dr. Rolf Hoberg sieht die Chancen der DMP dagegen wesentlich positi- ver. Er begrüßt auch die Koppelung an den RSA als Voraussetzung da- für, dass Krankenkassen überhaupt in diesem Sinne tätig werden. Aller- dings sieht er auch, dass durch diese Koppelung detaillierte gesetzliche Regelung notwendig sind, die verhindern sollen, dass Krankenkassen unrechtmäßig RSA-Gelder erhalten. Das engt die Handlungsspielräume der Krankenkassen erheblich ein. Um wirklich etwas zu bewegen, müssten die Krankenkassen Verträge mit ausgewählten Leistungserb- ringern schließen können. Der Kontrahierungszwang müsste aufgeho- ben werden. Aus den bisher gemachten Erfahrungen heraus müsste zu- dem die komplizierte Antragstellung beim Bundesversicherungsamt zur Akkreditierung der Programme vereinfacht werden, ebenso wie die Do- kumentationen. Ein weiteres Hindernis, das bei allen integrativen Ansät- zen beklagt wird, ist die sektorale Budgetierung, die sektorübergreifende Lösungen erschwert. Wenn die DMPs ihren Möglichkeiten als Form der integrierten Versorgung gerecht werden sollen, müssen die gesetzlichen Regelungen entsprechend geändert werden. (Kosten)-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln Prof. Norbert Schmacke ist zuzustimmen, dass es eine Herausforderung bleibt, in der Medizin die individualmedizinische Betrachtung von Versor- gungsfragen mit einer populationsbezogenen Perspektive in eine breit akzeptierte Wechselwirkung zu setzen. Ohne Zweifel muss eine Nutzen- bewertung mit dem Anspruch der Allgemeingültigkeit Standardisierungen vornehmen, die in dem hochkomplexen Geschehen eines Heilungspro- zesses nicht in jedem Fall das optimale Ergebnis hervorbringen können. Aus ärztlicher Sicht wird deshalb darauf verwiesen, dass es eigentlich darum gehen muss, Nutzen und Risiken von Behandlungsverfahren im Alltag zu untersuchen. Dabei kommt es entscheidend auch darauf an, welche Informationen aus der Publikationsflut wahrgenommen und wie sie in Alltagssituationen umgesetzt werden, sowie darauf, wie der Patient mit dem Einsatz eines Arzneimittels im Rahmen seiner Erkrankung um- geht. Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist das neu zu gründende Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen unter anderem mit der Aufgabe betraut worden, den Nutzen insbesondere neuer Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen zu bewerten. Ge- klärt werden soll die Frage, ob ein neu auf den Markt kommendes Arz- 16 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access neimittel dem bisher als Standard eingesetzten Medikament überlegen ist. Dabei ist nach Prof. Oliver Schöffski zwischen ökonomischem Nut- zen, der z. B. in einem niedrigeren Preis bei gleicher Wirksamkeit liegen kann, und medizinischem Nutzen zu differenzieren. Aufgabe des Instituts wird es sein, ein schlüssiges Konzept für die Nutzenermittlung zu erstel- len. Prof. Schöffski unterscheidet sechs Möglichkeiten, den Nutzen ope- rationalisierbar zu machen: • Quantifizierung des Nutzens in nahe liegenden natürlichen Einhei- ten (wie z.B. Längenmaßen, Flächenmaßen, Raummaßen usw.) • Quantifizierung des Nutzens anhand von künstlichen Scores, also künstlichen Instrumenten, wie z. B. dem Mini Mental Status Test im Bereich der Alzheimer'schen Erkrankung • Quantifizierung des Nutzens anhand der erfolgreich behandelten Fälle • Quantifizierung des Nutzens anhand gewonnener Lebensjahre • Quantifizierung des Nutzens anhand der Lebensqualität • Quantifizierung des Nutzens in Nutzwerten, einer Kombination aus Lebenserwartung und Lebensqualität. Jedes dieser Konzepte birgt ganz eigene Schwierigkeiten der Umset- zung und der Objektivierbarkeit. Zudem bleibt das Grundproblem beste- hen, dass dann, wenn man die Bewertung benötigt, nämlich wenn ein neues Arzneimittel auf den Markt kommt, die zur Verfügung stehenden Daten nicht ausreichen, sondern erst zu einem sehr viel späteren Zeit- punkt zur Verfügung stehen, wenn bestimmte Entscheidungen schon getroffen wurden. Innovationshürden und ihre Folgen Bertram Häussler erläutert in seinem Vortrag Bedingungen, die dazu füh- ren, dass Innovationen nicht realisiert werden. Neben fehlenden wirt- schaftlichen Anreizen zur Forschung, wie das z. B. bei Orphan Drugs der Fall ist, der fehlenden Kaufkraft z. B. der afrikanischen Länder, HIV/Aids- Wirkstoffe zu erwerben, Preisregulierungen und Ausschlüssen aus dem Leistungskatalog der Versicherungen und Leitlinien sind das auch öko- nomische Faktoren wie die Budgetverantwortung der Ärzte und die sekt- oralen Budgets. Innovationshürden können dazu führen, dass bestimmte Produkte gar nicht oder später als möglich zum Tragen kommen. Ver- deutlichen lässt sich das an der Verordnung von Statinen. Die Gefahr, 17 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access dass aus Kostendämpfungsmaßnahmen Hürden gegen die Inanspruch- nahme innovativer Produkte errichtet werden, ist insbesondere dann ge- geben, wenn • es sich um Produkte und Leistungen gegen nicht lebensbedrohli- che Erkrankungen handelt, • die innovativen Produkte einen höheren Preis haben als die bereits eingeführten, • der zusätzliche gesundheitliche und/oder finanzielle Nutzen schlecht belegt ist oder • aufgrund sektoraler Budgets der finanzielle Vorteil nicht realisiert werden kann. Der Arzneimittelmarkt ist mit einer Vielzahl von Regulierungsmaßnah- men überzogen, die Innovation sowie die rasche Verbreitung therapeu- tisch überlegener und die Verdrängung veralteter medizinisch fragwürdi- ger Präparate behindern können. Bedenklich ist insbesondere die Ku- mulation der auf bloße Kostendämpfung gerichteten Regulierungsmaß- nahmen, die im Widerspruch zu den Funktionsbedingungen effizienter Märkte stehen. Die Lösung, die Prof. Dieter Cassel anbietet, lautet: Wettbewerb, so dass Kassen und Arzt individuelle Handlungsparameter und nicht GKV-einheitliche Regulierungsinstrumente einer auf Effektivität und Effizienz der Arzneimittelversorgung gerichteten Steuerungsfunktion wahrnehmen. Fazit Die Bad Orber Gespräche haben wieder einmal eine vorzügliche Platt- form für Diskussionen darüber geboten, welche Chancen und Gefahren in der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens, insbesondere auch des Arzneimittelsektors, liegen. Sie haben einen Ausblick darauf ermög- licht, wie in Zukunft die Gesundheitsversorgung in Deutschland organi- siert sein könnte. Dabei geht die Entwicklung eindeutig hin zu integrier- ten Versorgungsformen. Alle Beteiligten sind sich darin einig, dass die sektorale Trennung schädlich im Hinblick auf einen ganzheitlichen Be- handlungsansatz ist. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass mehr und mehr damit zu rechnen ist, dass Verhandlungen von der kollektiven E- bene auf die handelnden Akteure vor Ort verlagert werden. Es wird ge- nau zu beobachten sein, ob sich Befürchtungen, dass es hierdurch zu Engpässen in der flächendeckenden Versorgung oder auch zu Quali- tätsproblemen kommen kann, tatsächlich realisieren. Im Arzneimittelbe- reich wird eine der spannenden Fragen sein, wie das neu gegründete 18 Eberhard Wille and Manfred Albring - 978-3-631-75591-4 Downloaded from PubFactory at 01/11/2019 03:19:31AM via free access