Ulrike Busse Frühe Strafverteidigung und Untersuchungshaft Eine empirische Studie Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften Universitätsverlag Göttingen Ulrike Busse Frühe Strafverteidigung und Untersuchungshaft This work is licensed under the Creative Commons License 2.0 “by-nd”, allowing you to download, distribute and print the document in a few copies for private or educational use, given that the document stays unchanged and the creator is mentioned. You are not allowed to sell copies of the free version. Erschienen als Band 3 in der Reihe „Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften“ im Universitätsverlag Göttingen 2008 Ulrike Busse Frühe Strafverteidigung und Untersuchungshaft Eine empirische Studie Göttinger Studien zu den Kriminalwissenschaften Band 3 Universitätsverlag Göttingen 2008 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Herausgeber der Reihe Institut für Kriminalwissenschaften Juristische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen Profs. Drs. Kai Ambos, Gunnar Duttge, Jörg-Martin Jehle, Uwe Murmann Dieses Buch ist auch als freie Onlineversion über die Homepage des Verlags sowie über den OPAC der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek (http://www.sub.uni-goettingen.de) erreichbar und darf gelesen, heruntergeladen sowie als Privatkopie ausgedruckt werden. Unter http://webdoc.sub.gwdg.de/univerlag/2008/GSK3_busse_anhang.pdf wird außerdem ein ergänzender Tabellenanhang zu dieser Arbeit verfügbar gemacht. Es ist nicht gestattet, Kopien oder gedruckte Fassungen der freien Onlineversion zu veräußern. Umschlaggestaltung: Kilian Klapp © 2008 Universitätsverlag Göttingen http://univerlag.uni-goettingen.de ISBN: 978-3-938616-86-4 ISSN: 1864-2136 V Vorwort Die vorliegende Arbeit ist unter dem Titel: „Der Einfluss früher Strafvertei- digung auf den Verlauf der Untersuchungshaft - Ergebnisse des in der JVA Hannover durchgeführten Projekts ‚Verkürzung und Vermeidung von Unter- suchungshaft durch frühzeitige Strafverteidigung’“ im Sommersemester 2006 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dis- sertation angenommen worden. Das Manuskript für die Veröffentlichung wurde im Mai 2008 abgeschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte neue Literatur be- rücksichtigt werden. An erster Stelle möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jörg-Martin Jehle herzlich danken. Er hat mir die Möglichkeit gegeben, an der Abteilung Kriminologie zu arbeiten und mich ermutigt, dieses Vorhaben in An- griff zu nehmen. Er war jederzeit bereit, sich engagiert mit meinen Überlegun- gen auseinanderzusetzen und so meinen Blickwinkel zu erweitern. Nicht zuletzt möchte ich ihm auch dafür danken, dass er für die ausbildungs- und berufsbe- dingten Verzögerungen bei der Fertigstellung der Arbeit stets Verständnis ge- zeigt hat. Herrn Professor Dr. Gunnar Duttge danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens und die Anregungen, die ich für die Überarbeitung der Disser- tation zur Veröffentlichung gerne berücksichtigt habe. Weiter danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Abteilung Kriminologie. Allen voran gilt mein besonderer Dank Frau Dipl. Soz. Sabine Hohmann-Fricke für den ergiebigen fachlichen Beistand bei den Auswertungen der Daten und ihre vielfältigen Anregungen. Auch den im Rahmen des For- schungsprojekts beschäftigten Hilfskräften Enrico Borck, Sabine Hein-Janke, Tonja Hundertmark, Lars Jungfer, Michael Kawik, Bastian Kühler, Nadine Müller, Anke Pohle, Enrico Weigelt, Daniel Wölky und Anna Vahejen sei ge- dankt. Durch ihren tatkräftigen Einsatz konnte das umfangreiche Projekt, bei dem über 1.300 Strafverfahrensakten ausgewertet wurden, seine Umsetzung fin- den. Last but not least danke ich meinen Eltern. Sie haben mich bei der Anferti- gung dieser Arbeit immer wieder ermutigt und in jeder Hinsicht unterstützt. Ihnen sei daher dieses Werk gewidmet. Berlin, Mai 2008 Ulrike Busse Meinen Eltern Inhalt Vorwort V Inhalt VII Einleitung 1 1. Kapitel: Zur Untersuchungshaft 5 A. Einführung......................................................................................................... 5 I. Verfassungsrechtliche und kriminalpolitische Aspekte ...............................5 II. Der Vollzug der Untersuchungshaft im Blickpunkt der Kritik ..................7 B. Voraussetzungen der Untersuchungshaft ..................................................... 9 I. Dringender Tatverdacht .................................................................................10 II. Haftgründe........................................................................................................11 1. Haftgründe des § 112 Abs. 2 StPO: Flucht, Fluchtgefahr und Verdunklungsgefahr........................................................................ 11 2. Haftgrund der Schwere der Tat (§ 112 Abs. 3 StPO)........................ 13 3. Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO).................................................... 14 4. Apokryphe Haftgründe .......................................................................... 15 III. Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO).........................................15 IV. Formelle Anforderungen an den Haftbefehl...............................................16 C. Zur Rechtswirklichkeit der Untersuchungshaft ......................................... 17 I. Belegungsentwicklung im Untersuchungshaftvollzug ...............................18 Inhalt VIII 1. Die allgemeine Entwicklung der Belegungszahlen............................. 18 2. Exkurs: Die Situation der Untersuchungshaft in den neuen Bundesländern ................................................................. 21 II. Häufigkeit der Anordnungen von Untersuchungshaft ..............................22 III. Gründe für die Entwicklung bei den Haftzahlen .......................................25 1. Entwicklung der Haftzahlen in der ersten Hälfte der 90er Jahre (Ausgangssituation für das Praxisprojekt) ........................................... 26 2. Entwicklung in den letzten Jahren von 1998 bis 2006 ...................... 29 IV. Zur Entwicklung und Verhältnismäßigkeit der Dauer von Untersuchungshaft...................................................................................31 1. Zur langen Haftdauer ............................................................................. 35 2. Zur kurzen Haftdauer............................................................................. 36 3. Vergleich der Dauer der Untersuchungshaft mit der Dauer der später verhängten Sanktion............................................................. 39 V. Vergleich der Anordnung der Untersuchungshaft mit dem Verfahrensergebnis ..........................................................................40 VI. Zusammenfassung ...........................................................................................43 D. Vorschläge zur Vermeidung und Verkürzung von Untersuchungshaft.................................................................................. 45 I. Legislative Reformüberlegungen ...................................................................45 II. Haftvermeidung und -verkürzung de lege lata............................................47 1. Haftverschonung..................................................................................... 47 2. Haftvermeidung durch Gerichtshilfetätigkeit bzw. Sozialarbeit...... 48 3. Mehrfachakten ......................................................................................... 48 4. Ausweitung der notwendigen Verteidigung ........................................ 49 2. Kapitel: Zur frühen Verteidigung von Untersuchungsgefangenen 51 A. Die Verteidigungssituation von Untersuchungsgefangenen im Blickpunkt der Kritik................................................................................ 51 I. Die Rechtslage bei notwendiger Verteidigung im Falle von Untersuchungshaft...................................................................................53 1. Die notwendige Verteidigung nach Anklageerhebung...................... 54 2. Die notwendige Verteidigung im Ermittlungsverfahren................... 56 a) §§ 141 Abs. 3, 140 StPO................................................................... 57 Inhalt IX b) Die notwendige Verteidigung nach § 117 Abs. 4 Satz 1 StPO .. 59 c) Die notwendige Verteidigung nach § 118a Abs. 2 Satz 2 StPO...................................................... 60 d) Die notwendige Verteidigung nach § 68 Nr. 4 JGG ................... 60 3. Zusammenfassung ..................................................................................... 61 II. Die Verteidigungssituation von Untersuchungsgefangenen in der Praxis ......................................................61 1. Zum Ausmaß der Verteidigung bei Untersuchungsgefangenen .............................................................. 61 2. Zur Effektivität der Verteidigung von Untersuchungsgefangenen ............................................................. 66 3. Zusammenfassung .................................................................................. 70 III. Zur Diskussion um eine frühe Verteidigerbeiordnung..............................71 1. Die besondere Bedeutung des Ermittlungsverfahrens...................... 72 2. Die persönliche Situation des Untersuchungsgefangenen................ 75 3. Verfassungsrechtliche Erwägungen zur frühen Verteidigung.......... 76 4. Die Situation nach Inkrafttreten des Opferschutzgesetzes .............. 79 5. Praktische Bedenken gegen die Ausweitung der notwendigen Verteidigung ..................................................................... 81 6. Zusammenfassung .................................................................................. 83 B. Haftvermeidung durch frühe Verteidigung ................................................ 84 I. Haftdauerrelevante Aktivitäten der Verteidigung.......................................85 1. Vorgehen bei dringendem Tatverdacht ............................................... 86 2. Vorgehen zur Entkräftung der Haftgründe ........................................ 87 a) Vorgehen zur Entkräftung des Haftgrunds der Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO) ............................................ 87 b) Vorgehen zur Entkräftung des Haftgrunds der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) ................................. 88 c) Vorgehen zur Entkräftung des Haftgrunds der Tatschwere (§ 112 Abs. 3 StPO) .............................................. 88 d) Vorgehen zur Entkräftung des Haftgrunds der Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO) ....................................... 88 3. Problematisieren der Verhältnismäßigkeit........................................... 89 4. Informelle Gespräche ............................................................................. 89 5. Zusammenfassung .................................................................................. 90 Inhalt X II. Bisherige empirische Erkenntnisse – Die hessischen Modellprojekte ....90 1. Pilotprojekt „Rechtsberatung Untersuchungshaft“ ........................... 90 2. Frankfurter „Rechtsberatungsprojekt II“............................................ 91 a) Praktische Durchführung................................................................. 91 b) Wissenschaftliche Begleitforschung ............................................... 91 c) Ergebnisse der nachträglichen Untersuchung............................... 92 C. Resümee ........................................................................................................... 93 3. Kapitel: Forschungsgegenstand und methodisches Vorgehen 95 A. Problemstellung .............................................................................................. 95 B. Das Projekt „Vermeidung und Verkürzung von Untersuchungshaft durch frühzeitige Strafverteidigung“............................................................ 97 I. Projektvariante 1 – Strafverteidigung nach einem Monat Haftdauer ... 100 II. Projektvariante 2 – Strafverteidigung mit Haftantritt ............................. 100 III. Projektvariante 3 – Strafverteidigung vor oder bei Vorführung vor den Haftrichter.............................................................................................. 100 C. Die Durchführung der wissenschaftlichen Begleitforschung ................ 101 I. Die Forschungsanlage .................................................................................. 102 1. Die untersuchten Fälle.......................................................................... 103 2. Der nachfolgende Beobachtungszeitraum ........................................ 104 II. Die Methoden der Untersuchung .............................................................. 104 1. Die Gefangenenpersonaldaten (ADV-Liste) .................................... 106 2. Die Projektteilnehmerliste ................................................................... 107 3. Die Aktenanalyse................................................................................... 108 4. Die Bundeszentralregisterauszüge ...................................................... 110 5. Haftliste des AGs Hannover ............................................................... 111 6. Die Tätigkeitsnachweise der Projektverteidiger (Datenblatt)......... 112 7. Die Gefangenenbefragung................................................................... 113 8. Die Praxisexpertenbefragung .............................................................. 114 III. Datenverarbeitung und Auswertung.......................................................... 115 IV. Zur Aussagekraft der Ergebnisse ............................................................... 117 1. Zur Kriminalitätsbelastung .................................................................. 118 2. Zu den Merkmalen der Untersuchungshaftgefangenen.................. 120 Inhalt XI 3. Zum „Hawthorne-Effekt“................................................................... 122 D. Zur Darstellung der Ergebnisse ................................................................. 123 4. Kapitel: Zur Stichprobenziehung für die Aktenauswertung 125 A. Zur Grundgesamtheit .................................................................................. 125 B. Zur Stichprobenkonstruktion ..................................................................... 126 I. Einschränkung der Stichprobe durch die Aktenanforderung................ 127 II. Einschränkung der Stichprobe durch die Haftgründe der erhaltenen Verfahren.................................................................................... 129 III. Ausschluss weiterer Verfahren von der weiteren Analyse ..................... 130 5. Kapitel: Verteidigungssituation in den verschiedenen Zugangsphasen 133 A. Der Beginn der Verteidigung in den verschiedenen Zugangsphasen... 133 I. Zum Verteidigungsbeginn im Kontrolljahr .............................................. 135 II. Zum Verteidigungsbeginn in Zugangsphase I ......................................... 136 III. Zum Verteidigungsbeginn in Zugangsphase II........................................ 136 IV. Zum Verteidigungsbeginn in Zugangsphase III ...................................... 137 B. Verteidigerstatus in den verschiedenen Zugangsphasen ........................ 139 I. Zum Verteidigerstatus im Kontrolljahr..................................................... 140 II. Zum Verteidigerstatus in Zugangsphase I ................................................ 141 III. Zum Verteidigerstatus in den Zugangsphasen II und III ...................... 141 C. Zusammenfassung........................................................................................ 141 6. Kapitel: Sozialdaten und sonstige haftrelevante Umstände 143 A. Vergleichsgruppenbildung: Frühverteidigte Projektteilnehmer und potentielle Projektteilnehmer...................................................................... 143 B. Personal- und Sozialdaten ........................................................................... 145 I. Alter ................................................................................................................ 145 II. Nationalität .................................................................................................... 147 III. Familiensituation........................................................................................... 152 IV. Wohnsituation ............................................................................................... 153 V. Berufstätigkeit, Ausbildung und Einkommen.......................................... 159 VI. Suchtverhalten............................................................................................... 162 Inhalt XII VII. Zusammenfassung: Persönliche haftrelevante Merkmale ...................... 163 C. Vorstrafenbelastung ..................................................................................... 164 I. Art der Vorstrafenbelastung in den Vergleichsgruppen ......................... 165 II. Zusammenfassung: Vorstrafenbelastung in den Vergleichsgruppen ... 170 D. Weitere haftrelevante Merkmale................................................................. 171 I. Zum Anlassdelikt .......................................................................................... 171 1. Deliktsgruppen ...................................................................................... 172 2. Schwereindex ......................................................................................... 174 II. Zur Tat ........................................................................................................... 176 III. Umstände der Verhaftung ........................................................................... 178 IV. Zusammenfassung: Weitere haftrelevante Merkmale ............................. 179 E. Resümee ......................................................................................................... 180 7. Kapitel: Analyse der Haftzeitverkürzung 183 A. Zur Berechnung der Haftdauer .................................................................. 183 B. Die Haftdauer................................................................................................ 185 C. Haftdauer in den Vergleichsgruppen......................................................... 189 D. Prüfung des Einflusses der Projektteilnahme mit Hilfe der Regressionsanalyse........................................................................................ 190 E. Zur Beendigung der Haft ............................................................................ 194 I. Aufhebung des Haftbefehls ........................................................................ 196 II. Aussetzung des Haftbefehls........................................................................ 200 F. Resümee............................................................................................................ 205 8. Kapitel: Der Einfluss der Projektverteidigung auf das Strafverfahren 207 A. Verkürzung der Verfahrenslänge ............................................................... 207 B. Überprüfung des Projekteinflusses auf die Verfahrenslänge mit Hilfe der Regressionsanalyse................................................................ 209 C. Typischer Verfahrensverlauf....................................................................... 212 D. Erklärungsansätze......................................................................................... 214 I. Ausgang des Strafverfahrens....................................................................... 215 II. Exkurs: Zur Art und Höhe der angeordneten Sanktion......................... 217 Inhalt XIII 1. Zur Höhe der Geldstrafe ..................................................................... 218 2. Zur Höhe der Freiheitsstrafe............................................................... 219 III. Beschleunigtes Verfahren (§§ 417ff. StPO) .............................................. 222 IV. Doppelakten .................................................................................................. 224 E. Zum Rechtsmittelverfahren .......................................................................... 225 F. Zusammenfassung .......................................................................................... 227 9. Kapitel: Die Verteidigungssituation in den Vergleichsgruppen 229 A. Allgemeine Verteidigeraktivitäten .............................................................. 230 I. Ergebnisse der Aktenauswertung............................................................... 230 II. Ergebnisse der Befragung der Projektanwälte ......................................... 232 B. Haftkontrolle ................................................................................................. 235 I. Haftprüfungsanträge .................................................................................... 235 1. Einsatz und Erfolg von Haftprüfungen in den Vergleichsgruppen ......................................................................... 236 2. Von der Staatsanwaltschaft gestellte Anträge auf Haftprüfungen................................................................................. 242 3. Exkurs: Haftprüfungen von Amts wegen ......................................... 243 a) Haftprüfungen nach § 117 Abs. 5 StPO, §§ 121, 120 StPO..... 244 b) Haftprüfungen bei Eröffnungsbeschluss und Verurteilung ..... 245 II. Haftbeschwerde ............................................................................................ 246 1. Haftbeschwerde nach § 304 StPO...................................................... 248 2. Weitere Beschwerden nach § 310 StPO ............................................ 250 III. Zusammenfassung ........................................................................................ 250 C. Aussageverhalten der Inhaftierten ............................................................. 251 I. Das Aussageverhalten im Gruppenvergleich ........................................... 252 1. Aussageverhalten in der Vorführungsverhandlung.......................... 254 2. Exkurs zur Aussageverweigerung ....................................................... 255 3. Aussageverhalten in den mündlichen Haftprüfungen..................... 256 II. Zusammenfassung ........................................................................................ 257 D. Bewertung der Ergebnisse........................................................................... 257 Inhalt XIV 10. Kapitel: Zur Vermeidung von Untersuchungshaft durch frühe Strafverteidigung 261 A. Die Vermittlung der Projektmandate in Projektvariante 3 aus Sicht der Projektmitarbeiterin..................................................................... 261 B. Befragung der Projektverteidiger zum Ablauf der Projektvariante 3 ... 264 C. Ausgang der Vorführungsverhandlung gegenüber Projektteilnehmern der Projektvariante 3 ................................................ 265 D. Analyse der Haftvermeidung ...................................................................... 266 I. Verteilung der haftrelevanten Merkmale in den Vergleichsgruppen .... 268 II. Haftentscheidungen in den Vergleichsgruppen ....................................... 269 1. Zu den Beinahehaftfällen..................................................................... 270 2. Zur sofortigen Haftverschonung nach § 116 StPO......................... 270 E. Bewertung der Ergebnisse........................................................................... 271 11. Kapitel: Zur Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit des Projekts 273 A. Schriftliche und mündliche Befragung der Praxisexperten .................... 273 I. Durchführung der Befragungen ................................................................. 273 II. Ergebnisse der Vorstudie ............................................................................ 277 1. Umfang der Erfahrung mit Untersuchungshaft ............................... 277 2. Die Einschätzung der Experten zu den drei Projektvarianten ...... 278 a) Die Einschätzungen zu Projektvariante 1 – Verteidigungsbeginn nach einem Monat ..................................... 279 b) Einschätzungen zur Projektvariante 2 – Beginn der Verteidigung mit Haftantritt...................................... 281 c) Einschätzungen zur Projektvariante 3 – Beginn der Verteidigung bereits im Polizeigewahrsam ............. 283 3. Zusammenfassung und Bewertung der Vorstudie........................... 286 III. Ergebnisse der Nachbefragung .................................................................. 289 1. Beschreibung der Stichprobe............................................................... 289 2. Die Einschätzung der Projektvarianten durch die Experten.......... 290 a) Einschätzung der Projektvariante 1.............................................. 290 b) Einschätzung der Projektvariante 2.............................................. 293 c) Einschätzung der Projektvariante 3.............................................. 295 3. Zusammenfassung und Bewertung der Nachbefragung................. 299 Inhalt XV B. Befragung der Projektteilnehmer ................................................................. 304 C. Resümee zur Akzeptanz des Projektes........................................................ 307 D. Zur Wirtschaftlichkeit des Projektes........................................................... 308 I. Zu den Projektkosten................................................................................... 309 II. Zur Haftkostenersparnis.............................................................................. 310 12. Kapitel: Kriminalpolitische Schlussfolgerungen 315 Abbildungsverzeichnis i Tabellenverzeichnis i Literaturverzeichnis vii Anhang A Die Untersuchungshaft ist also nur der einfache Gewahrsam eines Bürgers, bis er für schuldig erklärt wird. Da dieser Gewahrsam in hohem Grade peinlich ist, darf er nur so kurz wie möglich dauern und keine unnötigen Härten enthalten. Cesare Beccaria 1 Einleitung Eingesperrt zu sein, ist ein der menschlichen Natur zutiefst zuwiderlaufender Zustand. Im Bereich des strafrechtlichen Freiheitsentzuges offenbart sich die Gewalt des Staates wie sonst nirgends. Hier tritt der Staat dem Bürger mit all seiner Macht gegenüber, indem er ihm seine fundamentalen Freiheiten entzieht, und setzt sich dabei in Widerspruch zu seinem Auftrag, die Freiheitsrechte des Einzelnen zu wahren. Jedoch steht der Staat zugleich in der Pflicht, die Ordnung des Gemeinwesens zu schützen und in diesem Rahmen für Rechtssicherheit zu sorgen. Angesichts der Tatsache aber, dass der Strafvollzug den Gefangenen sel- ten gebessert oder entsühnt entlässt, muss Ziel einer humanen und rationalen Kriminalpolitik sein, Alternativen zu finden, die den Funktionen der Strafe bes- ser gerecht werden und unnötigen Freiheitsentzug vermeiden. Mit der Anerkennung der Menschenrechte als geltende Leitlinie zur Ausge- staltung der Ordnung des Gemeinwesens gehört daher die Begrenzung allen staatlich verordneten Freiheitsentzugs zu den Eckpfeilern einer rationalen Kri- minalpolitik. Der Schutz der Freiheitsrechte des Einzelnen gebietet es in dieser Perspektive, einen strafrechtlich begründeten Freiheitsentzug nur dann zu erlau- 1 Beccaria, 1764, in der Übersetzung von Esselborn, 1905, S. 119. Einleitung 2 ben, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, und auch dann nur für die kürzestmögliche Dauer. Dieser Freiheitsgrundsatz gilt umso mehr für die Untersuchungshaft. Denn anders als die Strafhaft bedeutet Untersuchungshaft die Freiheitsberaubung ei- nes de iure Unschuldigen. Sie ermöglicht die Inhaftierung eines noch nicht (oder noch nicht rechtskräftig) verurteilten Beschuldigten, der nach der Unschulds- vermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK so lange als unschuldig gilt, bis ihm seine Schuld nachgewiesen ist. Auch wenn angesichts Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK kein Streit darüber besteht, dass die Untersuchungshaft vor dem Hinter- grund der Menschenrechte zulässig ist, darf sie nur in streng begrenzten Aus- nahmefällen angeordnet werden. Die Rechtspolitik steht damit vor der Aufgabe, die Untersuchungshaft auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. In Rechtswissenschaft, Kriminologie und Rechtspolitik kommt der Untersu- chungshaft immer schon große Aufmerksamkeit zu. Neben einer breiten kriti- schen Debatte der Voraussetzungen und Regelungen der Untersuchungshaft wurden auch in der Praxis bereits viele verschiedene Konzepte entwickelt und erprobt, die zu ihrer Reduzierung beitragen sollten. Das Ausloten neuer Mög- lichkeiten der Haftvermeidung hat sich auch der Arbeitskreis der Internationalen Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation „Neue Wege zur Haftver- meidung“ zur Aufgabe gemacht und drei Praxisprojekte ins Leben gerufen, die in drei verschiedenen Bereichen zur Vermeidung von Haft beitragen sollen. Grundlage der vorliegenden Arbeit ist die mit finanzieller Unterstützung der Volkswagenstiftung durchgeführte Begleitforschung zu einem dieser Projekte, und zwar zu dem Projekt: „Vermeidung und Verkürzung von Untersuchungs- haft durch frühzeitige Verteidigung“. Dieses Projekt wurde ab Juli 1998 in der JVA Hannover durchgeführt und bis zum Jahr 2001 von der wissenschaftlichen Forschung begleitet. Zielsetzung des Projektes war es, einem vermuteten Defizit an Strafverteidigung in den ersten drei Monaten Untersuchungshaft entgegen- zuwirken und durch den frühen Einsatz von Verteidigung Haft- und Verfah- renszeiten zu verkürzen bzw. Untersuchungshaft verstärkt zu vermeiden. Die eigene Untersuchung geht der Frage nach, ob und inwieweit frühe Straf- verteidigung von Untersuchungsgefangenen einen geeigneten und erfolgreichen Ansatz für die Reduzierung von Untersuchungshaft darstellt. Dabei stützt sie sich auf die im Rahmen der Begleitforschung erhobenen Daten. Eine sinnvolle Diskussion der Forschungsergebnisse kann nur vor dem Hin- tergrund der rechtlichen und tatsächlichen Ausgangssituation des Projektes er- folgen. Daher sollen zunächst im 1. Kapitel und im 2. Kapitel die verfassungs- rechtlichen Anforderungen und rechtlichen Voraussetzungen der Untersu- chungshaft und der Strafverteidigung von Untersuchungsgefangenen sowie ihr faktischer Gebrauch und dessen Auswirkungen kurz skizziert werden. Da der Schwerpunkt der Arbeit auf der empirischen Erhellung des Einflusses der Straf- verteidigung auf die Untersuchungshaft liegt, versteht es sich von selbst, dass die Untersuchung keine systematische Durchdringung und dogmatische Grundle- gung der sich aufwerfenden Rechtsprobleme zu leisten beabsichtigt. Die Konzeption und der Ablauf des Praxisprojekts werden zusammen mit dem Gang der Untersuchung und der zu untersuchenden Forschungsfragen im